EURE ERBEN bestehen aus den beiden Original-Mitgliedern Lacky und Arnd, ergänzt durch Emma. Die Essener Kult-Thrash bleiben bei ihrem Leisten, kleiden alte „Death-Squad“- und „Defenders-of-Justice“-Songs in neue, deutschsprachige Gewänder mit historischen Gewändern. Zu hören gibt es zwei Studio-Tracks sowie vier Live-Titel plus ein Video von „Gefrorene Bilder“. Auf der Habenseite stehen jede Menge Old-School-Spirit, energiegeladene Songs und die Erinnerung an eine schöne Zeit sowie ein recht schickes Digi-Pack. Auf der anderen Seite sorgen der merkwürdige (gleichwohl auch passende) Bandname und die mehr als gewöhnungsbedürftigen (aber keinesfalls doofen oder platten) deutschen Texte bei manchem für Abzüge. Aber das ist und bleibt nun mal Geschmacksache. Für Old-School-Thrasher ist diese als Überbrückung zur nächsten „Langspielplatte“ der Ruhrpottler gedachte Veröffentlichung sicherlich mehr brauchbar, zumal gut produziert.
Mit “Us Against The Crown” hat das Trio um Ex-DISPATCH-Sänger Chad Stokes im Herbst 2006 ein großartiges Debüt abgeliefert. Die Mischung aus Rock und Reggae traf genau die Mitte zwischen Energie und Eingängigkeit und lieferte dazu noch gleich eine ganze Reihe genialer Songs, die sich direkt im Gehörgang festsetzten. Jetzt legen die Jungs mit dem neuen Album „Year Of The Crow“ nach, und das macht es einem anfangs nicht grade leicht. Direkt schon der Opener ist zunächst eher schwer zu verdauen: Der Song startet mit schrägen Punkrock-Riffs, um dann in einen ruhigen Zwischenpart überzugehen, der dann wiederum in einen zuerst wilden, dann brachialen Abschlusspart mündet. Wer hier eingängigen Reggae-Rock erwartet, wie ihn z. B. der Über-Ohrwurm „Right Me Up“ auf dem ersten Album geliefert hat, wird also erstmal Mühe haben. Beim darauf folgenden „Unfortunates“ mit seinem schnellen Off-Beat in der Strophe und dem punkigen Chorus geht es dann zumindest gradliniger zu, ohne dass hier aber die Energie zurückgefahren wird. Erst beim dritten Track, dem folkigen „Benjamin Darling Part 1“, geht es zum ersten Mal entspannt zu. Zwischen diesen Polen bewegt sich das gesamte Album: „CIA“ verbindet Reggae mit Punkrock, „Gang Of Thieves“ rockt bluesig, „Rash Of Robberies“ geht einfach nur dreckig und schnell nach vorne und „Omar Bay“ swingt relaxed vor sich hin, als würde Jack Johnson mitjammen. Unterm Strich sind STATE RADIO auf diesem Album sicher etwas härter geworden, vor allem aber loten sie die Extreme weiter aus: Die rockigen Parts sind härter geworden, die ruhigen entspannter. Um sich da richtig reinzuhören, braucht man mehr als einen Anlauf. Wenn man den Songs aber ein bisschen Zeit gibt, öffnen sie sich erst richtig – und ab diesem Zeitpunkt lassen sie einen nicht mehr los. Immer wieder will man die Scheibe von vorne hören, und bei jedem Mal entdeckt man wieder ein paar geniale Passagen. Ein Wort noch zu den Texten: Die sind, wie auch schon auf dem ersten Album, extrem politisch. Songtitel wie „Guantanamo“, „Sudan“ oder „Fall Of The American Empire“ machen da gleich klar, woher der Wind weht. Auch die hervorragende Produktion von Tchad Blake (u. a. PEARL JAM und Peter Gabriel) sollte nicht unerwähnt bleiben. Er hat dem Sound eine raue Authentizität verliehen, die die Energie der Band perfekt transportiert. Mit „Year Of The Crow“ knüpfen STATE RADIO zwar an ihr Erstlingswerk an, gehen aber darüber hinaus, indem sie hier weitere musikalische Ebenen einbringen und an Vielfalt und Intensität noch mal zugelegt haben. Ihr Debüt haben sie damit sogar noch übertroffen.
CAER IBORMEITH ist eine Göttin Irlands, zuständig für den Schlaf und für die Träume. Ganz so schlimm musizieren die französischen Jungs aus den Rhone-Alpen nicht, allerdings treffen sie mit ihrer neuen Genre-Idee Flower-Death-Metal den Nagel nirgendwo. Nu-Alternative-Rock ist’s mit vielen netten Strecken,. Vor allem der Song „Life Goes On“ hat Hymnencharakter. Die Band pflegt eine kleine Verwandtschaft mit den interessanten La Rumeur Des Chaines – allerdings nur besetzungstechnisch, musikalisch käumlichst. Indes: Die Instrumentenabteilung der Rocker arbeitet sehr akkurat, niveautechnisch sind beide Bands also durchaus zu vergleichen. Für eine richtig gut entspannte Alternative hapert es allerdings ein wenig am Gesang, der manches Mal ein wenig gequält klingt. Insgesamt sicherlich keine Scheibe, von der alle träumen – aber als Einschlaf-Hilfe taugt das Digi-Pack nun auch wieder nicht.
Ähnlich wie ihre Kollegen DIE SKEPTIKER schicken sich nun auch die DAILY TERRORISTEN an, den abgehalfterten Deutschpunkrock neu zu bereichern. Bei der Band handelt es sich folgerichtig um die ehemaligen DAILY TERROR, die allerdings ohne ihren alten Sänger weitermachen (der seinerseits den alten Bandnamen behalten hat). Gab es früher bevorzugt lustigen bis grausigen Saufpunk mit Garantie auf Anspruchslosigkeit zu hören, dominiert heute ein cooler, authentischer Straßenkötercharme, der die Terroristen musikalisch in die Nähe der Onkelz rückt, an die ein paar der neuen Stücke erinnern (etwa der Opener und Titelsong, „Der Himmel Weint“ oder das balladesk beginnende „Gott Vergibt“). Trotz dieser „Inspiration“ sind die Terroristen jedoch im Herzen echte Punx geblieben, die in ihren durchweg sehr guten Texten Gesellschaft und Vaterland ordentlich eins überbraten, ohne dabei die typischen, ausgelutschten Phrasen auszupacken. Natürlich ist auch im Jahr 2008 die Revolution gescheitert, Bullen tritt man nur mit Pflastersteinen gegenüber, und TV-Bonzen wie Kerner oder Schmidt sorgen für die allgemeine Volksverdummung. Verpackt wurden diese Messages aber in durchweg hymnische Songs, die man auch nach dem 20. Bier noch begeistert mitbölkt und die mit einem dicken Augenzwinkern daherkommen. Mit „Kleine Revolution“, „Wenn Das Der Führer Wüßt…“ (über einen stockschwulen Neonazi – köstlich!) und „Wir Sind Deutschland“ haben die Jungs sogar ein paar echte Hammersongs auf der Pfanne, deren Niveau die anderen Stück nicht ganz halten, was die Platte dann leider auch den „Tipp“ kostet. Als Bonus hat man zudem noch fünf nette Fun-Punk-Nummern angefügt, die so manche Anarchistenparty auflockern dürften. Wer mal wieder eine richtig gute, schön dreckige Punkrock-Scheibe aus deutschen Landen hören möchte, sollte hier zuschlagen!
Zum Zehnjährigen haben IMPALED eine neue Scheibe parat, ob es danach noch weitergeht, ist aber unklar. Wäre eine Schande, wenn sich die Sickos auflösen wurden, wo sie doch endlich ihre CARCASS-Huldigung perfektioniert haben. „Death After Life“ war schon cool, aber „The Last Gasp“ macht noch einen kleinen Schritt weiter nach vorne und hat elf saucoole Ohrwurmschmeichler, die im typischen halb-dumpfen IMPALED-Sound verpackt sind. Durchgehend auf hohem Niveau, sticht kein Song wirklich heraus, dafür sind alle einfach zu kultig und zu gut. „Right To Die“ oder „Sickness Is Health“ sind nicht nur lyrisch feinste Kost, sondern auch echte Hits, während „All Gut, No Glory“ richtig schön fies runtergeprügelt wird und Monotie so gar nicht erst aufkommt. Ein feines Scheibchen, das hoffentlich nicht der letzte Atemzug einer kultigen Combo war.
Jedes Genre hat seine Underdogs, seine unterschätzen Perlen. Jedes Sub-Genre hat. Im Falle des polnischen Death Metals haben HATE diesen Posten inne, gegen VADER und BEHEMOTH haben sich die Warschauer nie wirklich durchsetzen können. Dabei sind ihre Platten nicht schlechter, weder beim Songwriting noch bei den Fähigkeiter der Mucker. „Morphosis“ beweist das aufs Neue mit acht sehr guten Death Metal-Songs, die von fiesen Blast-Parts bis zu Mid Tempo-Wucht alles bieten, was das Totmetallerherz will. Dazu haben HATE wieder Industrial-Einflüsse in Form von Samples eingebaut, die zusammen mit der generell kalten Atmosphäre für eine eigene Note sorgen und sie vom Plagiatsvorwurf weit genug wegbringen. Die sieben Songs (plus Intro) bewegen sich auf durchgehend hohem Niveau und werden bei Freunden gepflegten Geballers auf Anklang stoßen. Bleibt abzuwarten, ob HATE sich mit dieser Scheibe endgültig aus dem Schatten ihrer Landsmänner werden spielen können.
Italienische Bands genießen nicht gerade den besten Ruf, wenn der Basser dann auch noch Fabio D'Amore heißt, scheint das meiste Hopfen und Malz bereits vorher verloren. Doch, was PATHOSRAY – auch der Name lässt die schlechten Erwartungen nicht steigen – bieten, hat mit dem Spaghetti-Schmonz a la Turilli nichts gemein. Wohingegen die gutgemeinte Vergleiche mit Dream Theater viel zu hochgestochen sind. Aber die bereits 2006 aufgenommene und 2007 von Tommy Hansen neu produzierte Scheibe bietet jede Menge interessanten Stoff, vorausgesetzt, der werte Hörer und progressiver Hard Rock sind gute Freunde. Die Song bauen interessante Spannungsbögen zwischen laut und leise, zwischen hart und balladesk auf, versinken nie im triefenden Schmalz oder im diffusen Prog. Und auch der Gesang stimmt, hier kneift keiner in Eier oder übertreibt es ähnlich - bei Marco Sandron kommt der Einfluss von 70er/80er-Jahre-Hard-Rock-Größen voll zur Geltung. Ein harschen Kritikpunkt gibt es aber doch: Wenn das Keyboard mal so ganz allein loslegt, klingt nicht selten gefährlich nach einer experimentellen Version von Puhdys’ Reise zum Mittelpunkt der Erde. Und das (aber eben nur das) ist nicht das, was anspruchsvolle Rocker heute hören wollen.
Im Gegensatz zu Möchtegern-Gangster-Rappern aus der deutschen Provinz tragen OMEGA MASSIF den passenden Namen für ihre Musik. „Geisterstadt“ ist eben eine verdammt massive Soundwand, die der Hörer nicht viel entgegensetzen kann. Mit möglicherweise ablenkenden Mätzchen wie Gesang haben OMEGA MASSIF nichts am Hut, hier gibt es eine Dreiviertelstunde lang eine rein instrumentale Vollbedieung auf die Lauscher, die Doom und Postcore zu einem beeindrucken heftigen Bastard vereint. Eher an die ganzen Souhtern Lord-Bands als an vergleichsweise leicht zugängliche Bands wie CULT OF LUNA erinnert das Ergebnis, was „Geisterstadt“ zu einer Platte macht, für dich sich Zeit genommen werden muss. Die brachial schöne Kunst muss langsam entdeckt werden, dann entfaltet sie ihre volle Wirkung und nimmt den Hörer mit auf einen Trip in die dunklen Abgründe der Seele. Sechs Tracks voller Leidenschaft, voller Kraft, voller großartiger dunkler Musik warten – wagt es und betretet die Geisterstadt
Captain Dave - Woe Calls, Dirty el Hons – Guitarwringer, Smokin' Piper – Guitarslinger, Ol' Dirty Mustard – Basstard, Tommy Hellfighter – Drums – das sind CAPTAIN DUFF aus dem fränkischen Würzburg. Und sie machen Musik wie die tuntigen norwegischen Turboschwarzen, wie Gluecifer und wie all die anderen. Zum ausgelutschten (im wahrsten Sinne des Wortes) Rotzrock gesellen sich pseudo-piratöse Anflüge und eine kehlige Stimme, die an eine Mischung aus Peter Stahl und dem Schinkengott erinnert. Alles nicht wirklich schlecht, letzteres sogar bemerkenswert (strange), aber alles kein Stück herausragend. Die sechs Songs mögen mit vielen Billigpilsetten im Kopf und der Luftgitarre in der Hand rocken, an sich aber langweilen sie recht schnell. Und auf dem Piraten-Schiff gäbe es wahrlich genug anderes zu tun (oder zu hören).
WIRKSYSTEM veröffentlichen jetzt bereits ihr elftes Album und scheinen ihrem Konzept treu zu bleiben. Die Songs sind gratis auf der Homepage der Pforzheimer herunterzuladen – und auch stilistisch geht es wieder um eine Mischung aus dem besten den 90er und dem Tollsten von heute. Schweisser, Such A Surge sind vielgenannte Vergleiche, Onkelz und Rammstein passen inzwischen kaum noch. Viel mehr geht es heutzutage um Nu Metal, um Rock und sogar Pop, der Marke Ärzte – eben moderne Musik ohne Genrezwänge. Angst? Braucht’s nicht, denn der Crossover der Baden-Württemberger ist gut produziert, professionell eingespielt, es rockt und geht ins Bein – zumindest für alle, die auch unmetallische Einflüssen nicht scheuen wie Deibelchen das Weihwässerchen. Und trotz aller „mainstreamigen“ Anflüge verirren sich WIRKSYSTEM zu keiner Zeit in kommerzielle Platitüden, sondern schaffen ein stimmiges Ganzes – das trotz deutscher Texte gänzlich unpeinlich wirkt.