THE OTHER sind sicher die bekannteste Horrorpunk-Band Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Nach Konzerten u. a. mit Bela B., THE 69 EYES, THE CULT oder den MISFITS sind die Kölner jetzt mit ihrem vierten Album am Start. Und auf diesem gehen sie direkt von Anfang an ordentlich zur Sache. Nach einem kurzen Grusel-Sound-Intro geht es mit dem eigentlich Opener „Back To The Cemetery“ nämlich überraschend flott und sogar leicht thrash-lastig los. Die hohe Geschwindigkeit zieht sich zwar nicht durchs ganze Album, aber das Gaspedal wird immer wieder mal ordentlich durchgedrückt, und genauso sind in den größtenteils punkigen Songs immer wieder Metal-Einflüsse zu hören. Dazu scheinen die Jungs hymnische Ohrwurm-Refrains nur so aus dem Ärmel zu schütteln, und der fette Sound trägt sein Übriges dazu bei, dass man beim Hören einfach nicht ruhig sitzen bleiben kann. Mit „Hier Kommt Die Dunkelheit“ gibt es auch wieder einen auf Deutsch gesungenen Song zu hören. Oftmals sind solche Ausflüge in die Heimatsprache ja ziemlich problematisch, aber hier funktioniert das nicht nur erstaunlich gut, sondern mit seinem genialen Mitgröl-Chorus ist dieses Stück sogar eines der Highlights des Albums. Eine Überraschung bietet dann noch „The Lovesick Mind“, ein Gothic-Rocker, der mit Keyboards auffährt und dadurch an die SISTERS OF MERCY erinnert. Das mag nach Stilbruch klingen, tatsächlich fügt sich das Stück aber bestens ins Album ein und gehört mit seiner düsteren Atmosphäre und seinem tollen Aufbau noch dazu zu den stärksten Nummern der Scheibe. Horrorpunk ist ja ein recht begrenztes Genre, und im letzten Drittel des Albums wiederholt sich dann doch vieles. Trotzdem – vielfältiger und auf einem höheren Niveau als THE OTHER es auf „New Blood“ tun, kann man diese Musik wahrscheinlich gar nicht spielen.
Gut gemachter, intelligenter Grindcore ist so selten geworden. Wenn sich eine Band auf eine der Genre-Meilensteine (in diesem Fall: „Inhale/ Exhale“ von NASUM) beruft, schraubt sie die Erwartungen hoch. Wehe, das wird nix. Andererseits sind EXHALE schon etwas länger aktiv und haben einiges an Erfahrung vorzuweisen, was den 15 neuen Songs anzuhören ist, knallen die doch auf hohem Niveau intelligent aus den Boxen. Das Tempo ist nicht konstant hoch, sondern wird ganz NASUM-like immer wieder durch Mid Tempo-Passagen aufgelockert, die ziemlich moshig ausfallen – „Fools“ ist da ein gutes Beispiel. Die ganze Klasse von Band und Album zeigt sich im Langzeittest, denn im Gegensatz zu vielen anderen Veröffentlichungen im Grindcore wird „Blind“ nicht langweilig, aller Brutalität zum Trotz. Diese saustarke Scheibe kann Prügelfans nur ans Herz gelegt werden, die mit der neuen ROTTEN SOUND schon durch sind und auf neues Futter bis zur nächsten GADGET warten.
Warum eine Band mehr als zehn Jahre Pause macht, um dann wieder anzugreifen, ist mir immer schleierhaft. ARMAGEDDON waren bis 1994 aktiv, strichen dann aber die Segel und verpassten so die Chance, mit harter Arbeit und Ausdauer einen Status wie VADER oder BEHEMOTH zu bekommen, was ihre Reunion-Scheibe in einem schiefen Licht erscheinen lässt. 2008 kam das Ding bereits raus, hat aber erst jetzt einen Europa-weiten Vertrieb bekommen. Natürlich orientieren sich die Herren am Death Metal alter Prägung und natürlich schimmern VADER in jedem zweitem Riff durch, was aber nicht schlecht ist. ARMAGEDDON legen zwar keinen Meilenstein vor, aber „Death Then Nothing“ ist immerhin eine grundsolide Death Metal-Scheibe geworden, mit denen sie Mitte der Neunziger für mehr Aufsehen gesorgt hätten als 15 Jahre später in einem deutlich volleren Markt. Produktion, Songwriting und handwerkliche Leistung gehen in Ordnung, so dass die Scheibe für Death Metal-Maniacs durchaus einen Hördurchlauf wert sein dürfte.
Denovali Records schmeißen mit der “Bittersweet”-Split von IROHA und FRAGMENT. eine Scheibe für Fans ambitionierten Drone-Sounds auf den Markt. Tummeln sich bei IRHOA mit dem JESU-Bassisten und einem der FINAL-Leute durchaus routinierte Leute, besteht FRAGMENT. aus einem wackeren Einzelkämpfer, der mit seinem Sound aber genau so überzeugt wie seine Split-Partner. Interessant wird die Split nicht nur durch die beiden Songs, die jede Band beigesteuert hat, sondern vor allem durch die Zusammenarbeit im Titeltrack, bei dem sich beide Parteien gleichberechtigt geben. Der abschließende Remix ist da eine willkommene Zugabe und lässt den schleppenden Track in einem interessanten neuen Licht erscheinen. Wie bei dem Background der Beteiligten nicht anders zu erwarten, geht es sehr ruhig zu, hauptsächlich wird im Mid-Tempo vorgegangen und viel Wert auf einen druckvolle Rhythmusabteilung gelegt, genauso wie auf den JESU-mäßigen Gesangsstil, der fast schon ein Sprechgesang ist. Dazu kommen auf Augenhöhe mit den anderen Instrumenten agierende Synthies, die den Sound erst abrunden. Natürlich erinnert das alles an JESU (bei beiden Bands), aber das ist erstens keine Überraschung und zweitens kein Zufall. Macht aber auch nix, dafür sind die sechs Songs zu interessant und zu gut, als das sie als billiges Plagiat abgetan werden dürften. Für Fans experimenteller Klänge ist die Split auf jeden Fall eine Investition wert.
Zuckersüßer Boygroup-Schrott, allenfalls Alternatie-Pop aus Italien - das sind 10 MILES AWAY. Gern könnten die Jungs noch ein paar Meter weit weg wohnen, vielleicht hätte das verhindert, dass dieses unsägliche Stück Musikgeschichte Menschen mit Ohren nicht erreichen konnte. Unglückliche Liebeslieder für die feuchten Träume eines Teenagers liefern die Südländer - schade, dass es im Booklet keine Bilder der Schönlinge gibt. Denn zum Angucken taugen die jungen Burschen vielleicht - anhören kann sich das ein "wahrer" Musikfan auf gar keinen Fall. Also mal abgesehen von pickligen oder/und zahnbespangten Mädels, denen Tokio Hotel zu hart ist.
Die Schöne und drei Biester: Während die drei Brasis im Booklet böse sonnenbebrillt im Hintergrund rumstehen, lutscht Frontfrau Dani Nolden lecker am Bügel des Nasenfahrrads. So soll’s sein. Doch trotz erweckter Phantasien lässt diese Aufstellung noch Schlimmeres erahnen als das frühe Ausscheiden der Selecao. Denn drei Hardrocker und eine Trällerelse kann ja kaum noch jemand hören. Erstaunlicherweise trällert die die gute kaum, sondern singt richtig – nur wer aufmerksam hinhört (hinschauen ist jedenfalls einfacher) identifiziert die Madame als eben solche. Und auch die Musik überrascht: Keinen symphonischen Metal wie viele andere Kapellen der Gattung ihn praktizieren machen SHADOWSIDE und auch keinen Düsterpop – nix Tanten-Metal. Es handelt sich um wirklich gut von David Schiffman produzierten Hardrock ohne allzu peinliche Auflüge gen Balladenhausen und Synthie-Pop-Stadt. Und so liefern SHADOWSIDE eine kleine Überraschung mit dem rauen, manchmal fast angestrengten Gesang, der so gar nicht mit der lasziven Aura der Südamerikanerin mithalten kann – zum Glück. Sicherlich nicht überragend, was die Band abliefert, aber „Dare to Dream“ ist immerhin ein solides Stück Hardrock, das zudem mit dem weiblichen Gesang nicht nervt. Also doch die Schöne...
Wenn sich eine Band nach einem Song von HATEBREED nennt und das Debüt-Album auch noch nach den Metalcore-Helden selbst, ist klar, welcher Sound hier die Marschrichtung vorgibt. Genau das ist bei den fünfköpfigen NEW HATE RISING aus Sachsen-Anhalt auch der Fall. Zugegebenermaßen machen sie ihre Sache dabei recht ordentlich. Auf Dauer sind ihre Songs zwar etwas stumpf und wirkt die Aggression stellenweise ein bisschen aufgesetzt und angestrengt, insgesamt kommen die Jungs aber doch ziemlich authentisch rüber. Zudem beherrschen sie ihre Instrumente, gehen mit viel Druck und Energie zur Sache und setzen die genreüblichen Ingredienzen wie Breakdowns und Crewshouts effektvoll ein. Lediglich das Gebrüll von Sänger Andy ist auf Dauer etwas penetrant, und die gewollt bösen Blicke auf den Bandfotos wirken eher unfreiwillig komisch. Unterm Strich ist „Hatebreed“ sicher alles andere als ein eigenständiges Album. Aber immerhin ist es eine solide gemachte Kopie und dürfte daher bei so manchem Metalcore-Jünger auf Anklang stoßen.
Das Duo GALAR (zu dem auch noch ein Session-Drummer namens Phobos gehört) aus der Schwarzmetall-Hochburg Bergen in Norwegen erblickte 2004 die Dunkelheit der Welt und konnte bereits mit seinem Debütalbum „Skogskvad“ im Jahr 2006 einige gute Kritiken einheimsen. Nun steht mit „Til Alle Heimsens Endar“ der Nachfolger an, der auch alles andere als enttäuscht. Besonders die sehr gelungene, wenn auch musikalisch weitestgehend unspektakuläre Mischung aus heimischem Black Metal, eingängigen Melodien und einem Schuss Wikinger-Romantik gestaltet das Album recht abwechselungsreich. Die beiden Macher Slagmark (Marius Kristiansen) und Fornjot (Are B. Lauritzen) wechseln sich zudem mit dem Gesang ab, wobei Erstgenannter die typischen Black Metal-Screams vom Stapel lässt, während sein Kollege epischen Klargesang beisteuert. Auch einzelne akustische Parts machen „Til Alle Heimsens Endar“ zu einem sehr hörenswerten Erlebnis, jedoch gehören GALAR zumindest momentan noch nicht zur Speerspitze der Black/Viking Metal-Szene, denn stilistisch ähnlich geartete Bands wie ENSLAVED, VREID oder MOONSORROW sind dem Bergener Duo noch um einige Längen voraus. Trotzdem gelungen!
Nach dem Kaffeesatz-Album „Wiedergang“, das sich munter in die (leider sehr große) Riege der nichts sagenden Viking/Pagan-Veröffentlichungen der letzten Jahre eingereiht hat, fallen die Bayern HELFAHRT nun mit „Drifa“, ihrem inzwischen dritten Longplayer, bei uns ein und wissen in der Tat zu überraschen: das Quintett hat sich anscheinend – und zum Glück! – vom Unterholz-Kinderliedchen entfernt und liefert nun nahezu puren Metal ab, der nicht selten an AMON AMARTH oder auch ihre starken Label-Kollegen TARABAS (die für mich bislang beste Band bei Trollzorn) erinnert. Dabei wissen besonders die passenden, mitunter fast schon thrashigen Breaks zu gefallen, die durchweg gelungene Stücke wie „Drudnhax“, „Wenn Kälte Wärmt“, den Titelsong oder „Der Zeit Entstellt“ angenehm bereichern. Nicht ganz so gelungen wie die Übergänge zwischen nordischer Raserei und heftigem Midtempo ist das etwas einfallslose, wenn auch gegenüber dem Vorgänger stark verbesserte Songwriting, das manchmal wirkt, als habe die Band ihre Songs aus altbekannten Versatzstücken am Reißbrett zusammengewürfelt. Auch die Produktion hat gegenüber „Wiedergang“ deutlich zugelegt und tönt jetzt ordentlich druckvoll, wenn auch etwas trocken. Wikinger, die ihre Mucke gerne ohne folkigen Ballast genießen, sollten sich „Drifa“ ruhig mal anhören, aber trotz aller Verbesserungen wird man am Ende das Gefühl nicht los, alles schon mal woanders und noch um Einiges besser vernommen zu haben. So werden HELFAHRT auch mit diesem Werk noch lange nicht in die erste Liga aufsteigen und weiterhin vom immer noch laufenden Genre-Motor zehren müssen.
HITMAN sind ein Vierer aus Belgrad. Seit 1994 gibt es die Band, und nach zwei Tapes (!), und einer Split-CD steht jetzt ihr Debüt-Album „Overstand“ in den Läden. Wer einen gewissen Balkan-Faktor erwartet, wird aber enttäuscht werden. Vielmehr haben sich die Jungs dem US-Old-School-Hardcore verschrieben, wie man ihn vor zwanzig, dreißig Jahren in New York gespielt hat. Das machen sie allerdings gar nicht mal schlecht. Wütend und mit jeder Menge Energie knüppeln sie die 15 Songs durchgehend nach vorne, wobei der Punk-Einfluss groß und die Hymnen-Dichte hoch ist. Die Songs sind kurz und knackig, dazu wird ausgewogen zwischen Mid- und Uptempo variiert. Abzüge gibt es allerdings für die Texte, die dann doch ein wenig zu klischeehaft ausgefallen sind. Sänger Aca singt nämlich viel über „unity“, am meisten aber über sich selbst bzw. darüber, was für eine arme Sau er doch ist. Ein richtig großer Wurf ist diese Scheibe zwar nicht. Wer auf solide gemachten Hardcore der alten Schule steht, sollte aber mal reinhören.