Hinter CONVERGE stecken bekanntlich sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, was sich in den vielen Nebentätigkeiten der Herren zeigt. Drummer Ben hat sich zusammen mit dem UNITED NATIONS-Gitarristen Lukas und ein paar weiteren Herren unter dem ACID TIGER-Banner zusammengetan, um der Welt zu zeigen, was ein Punkrock-Arschtritt ist. Reiner Punk ist „Acid Tiger“ dann aber doch nicht geworden, vielmehr finden sich auch Stoner Rock-Einflüsse (in den teilweise ausufernden Instrumentalpassagen, siehe „Death Wave“) und alte Metal-Liebe wie beim DOOMRIDERS-Projekt von Bens Bandkollegen Nate. Im Grunde scheren sich die Musiker aber um gar nichts und verarbeiten in diesem Projekt, worauf sie Bock haben. Das Ergebnis ist eine wunderbar rockende Scheibe, immer an der Grenze zum Wahnsinn spazierend (ganz wie EVERYTIME I DIE das machen),dabei eingängig und mitreißend. Bei der scheinbar mit Leichtigkeit entstandenen Vielseitigkeit der Songs wird in den knapp 40 Minuten keine Idee wiederholt und ein breites Spektrum abgedeckt. Richtig gut wird die Scheibe durch den analogen Sound, der ACID TIGER vom klinischen Sound der Nachwuchstruppen abhebt und sich perfekt an die Songs anschmiegt. Kurzum, im CONVERGE-internen Vergleich zieht der Drummer mit dem Bassisten gleich, was Spaßfaktor und Rotzigkeit des Nebenprojekts angeht. Feine Sache.
DARKSEED waren bei mir schon vollständig aus dem Fokus. Hatten die deutsche Gothic Metaller Ende der 90er einige richtig guten Alben am Start und mit dem 2000er-Werk „Diving Into Darkness“ gar einen Überflieger, so konnte die 2003er Scheibe „Astral Adventures“ weniger überzeugen; 2005 gab es dann mit „Ultimate Darkness“ nochmals guten Stoff – und dann war Ruhe. Satte 5 Jahre später gibt es musikalisch Neues von DARKSEED, allerdings mit einem entscheidenden Wechsel im Line-Up. Der bisherige Fronter und einer der beiden Bandgründer Stefan Hertrich, welcher auch maßgeblich das Songwriting gestaltete, ist nicht mehr. Dafür ist der 1996 ausgeschiedene zweite Bandgründer Harald Winkler (saß damals am Schlagzeug) seit 2008 nun als Sänger mit an Bord. „Poison Awaits“ dürfte für DARKSEED somit eine Art Neustart sein – und klingt folgerichtig auch anders. In 2010 hat man einerseits sich gelegentlichen Death und Black Einflüssen geöffnet, lässt aber auf der anderen Seite den Keyboardtönen ebenfalls mehr Raum, ohne dabei die Gitarren zuzukleistern. Die meisten Songs kommen dabei recht locker und einen Tick weniger traurig wie früher daher. Das rockend ins Ohr gehende „Incinerate“ (echter DARKSEED Stoff), der melodische und als Hit konzipierte Titeltrack „Poison Awaits“ sowie die härteren und gut abgehenden „Black Throne" und „No Promise In The Heavens” seien mal als Hinhörer erwähnt. Hinten raus wird es dann aber leider ein wenig träger. Und auch wenn DARKSEED mit „Poison Awaits“ nicht an ihre Werke von vor 10 Jahren anknüpfen können, stellt die neue Scheibe einen guten Neuanfang da, welcher die alten Fans bei der Stange hält und durchaus das Potential hat Gothic Fans und gemäßigten Metallern zu gefallen.
FORLORN haben bislang zwei EPs auf dem Buckel, mit „The Rotting” legen sie ihr Debüt bei ihren Landsleuten Rising Records vor. Zehn Songs geben die Briten zum Besten, ohne dabei auch nur einmal wirklich spannend zu klingen. Immerhin sind sie nicht im langweiligen High-Speed-Gefrickel zugange wie so viele ihrer Labelkollegen, aber besser macht das die eintönige Mid Tempo-Chose auch nicht. Schleppende, zähe Musik kann eine großartige Sache sein, aber FORLORN fehlt das Gespür für Abwechslung in den selbst gesteckten, recht engen Grenzen – allerspätestens beim dritten Song wird dem Hörer klar, wie die Briten vorgehen, was sich in den restlichen Songs bestätigt. „The Rotting“ ist Langeweile auf CD gebrannt. Gut produziert zwar, aber trotzdem langweilig.
CORPUS CHRISTI haben mit „The Darker Shades Of White” einen guten Einstand gehabt, auch wenn sie sich noch zu sehr an den offensichtlichen Vorbildern KILLSWITCH ENGAGE und UNEARTH orientiert haben. Es war die Hoffnung da, dass die Kerle noch etwas mehr Hirnschmalz und Ellbogenfett in das Songwriting investieren, um eine eigene Note zu bekommen und nicht mehr ein bloßer Abklatsch der Genre-Größen zu sein. Ach, wäre das schön gewesen. „A Feast For The Crows“ bietet zwar nette Songs, kann sich aber nicht vom Einfluss der Vorbilder freimachen, was gerade beim in jedem Song eingebauten clean gesungenem Refrain deutlich wird. Egal ob passend oder nicht, das Teil muss drin sein („Blood In The Water“). Von den obligatorischen Breakdowns und brutalen Parts gar nicht zu reden, die finden sich alle in beinahe jedem Song. Ist ja im Grunde nicht wild, wenn CORPUS CHRISTI nicht auf das immer gleiche Schema beim Songaufbau gesetzt hätten, so klingt die Scheibe viel zu oft nach einem banalen KILLSWITCH ENGAGE-Abklatsch. Mutige Songs wie das düstere „Little Miss Let You Know” sind viel zu selten, obwohl sie der Band sehr gut zu Gesicht stehen und die Vielfältigkeit zeigen, die sich im Metalcore verbirgt. Mehr davon und „A Feast For The Crows“ wäre richtig gut geworden, in der vorliegenden Form bleibt die Scheibe aber nur ein gut gemachter, auf Dauer etwas eintöniger, Klon bekannter Bands.
MAEL MÓRDHA aus Irland sind ein Glücksfall für die Pagan Metal-Szene! Wo Primordial im Black Metal gestartet sind und in den Black Metal hinein ihre Einflüsse aus der traditionellen irischen Musik eingeflochten haben, starten MAEL MÓRDHA in der irischen Musik und lassen erdigen Metal/Doom Metal einfließen. Ausgerechnet die Gitarren imitieren den Rhythmus der Bodhrán, dieser traditionellen kleinen Trommel, die mit dem fast knochen-förmigen Schläger gespielt wird. "Manannán", das Album von MAEL MÓRDHA, hört sich an wie ein Kriegsruf. "Through The Lungs Of The Dead" beginnt mit einem Horn, gegen das wahrscheinlich nur noch das Horn von Helm Hammerhand tiefer und durchdringender tönt. Die Gitarren treiben wie der Sturm vom Atlantik. Aber das entscheidende Merkmal dieser fünf Iren, die sich nach einem rebellischen König aus dem 1. Jahrtausend benannt haben, ist die Stimme von Roibéard Ó Bogail, die auch gegen die instrumentelle Übermacht trägt. Diese Band hat etwas authentisches zu sagen, und das wird gegen die zu zahlreichen Bands durchdringen, die nur unter Alkoholeinfluß Finntrolls zweites Album nachspielen können und damit schon als "folkig" gelten.
BREED 77 sind die Band, die IRON MAIDENs "666 Number of The Beast" als rein akustische Mariachi-Version spielen können, ohne dass es eine Sekunde an seiner bedrohlichen oder legendären Macht verliert. Wer dieser Band aus Gibraltar nach ihrem Meilenstein "Cultura", nach dessen Veröffentlichung sie von der englischen Exklave nach London gezogen sind, gesagt hat, dass sie noch schneller, brutaler oder abgedrehter werden sollen, sollte einen mit der Bratpfanne über den Detz bekommen! Denn das ist das einzige, was nervt: Die Sekunden, während denen Paul Isola zeigen zu müssen meint, dass er auch grunzen und growlen kann. Und dass die Gitarristen nicht nur hexen, sondern auch shredden können. Was soll das? BREED 77 konnten bisher vor allem spannende Songs schreiben, in denen sie die besten Einflüsse aus Flamenco, Metal und Alternative faszinierend zusammensetzen konnten. Auf "Insects" nehmen sie diese jetzt wieder auseinander. Der beste Song auf diesem Album bleibt so ein Cover, nämlich das beängstigend gute "Zombie" von den ollen Cranberries.
Es gab seit 3 Jahren kein reguläres Album mehr von GODSMACK? Das ist vor dem Berg von DVD-Veröffentlichungen und Wiederveröffentlichungen kaum aufgefallen. Was aber auffält: GODSMACK sind älter geworden. Lebte die Band aus Boston bisher von dem Sex-Appeal ihres Frontmannes Sully Erna und einem Haufen Hits der Marke "Changes", "Awake" oder "Voodoo", so ist das beste an "The Oracle" die Mannschaftsleistung. Die Single-Auskopplung "Crying Like A Bitch" wird für die US-amerikanischen Radios wichtig sein, im Album-Kontext stört sie fast. Im Ohr bleiben "Love Hate Sex Pain" oder "What If". Die sind treibend, aber vor allem musikalisch anspruchsvoll und nicht in erster Linie hit-orientiert. GODSMACK anno 2010 machen - böse gesagt - Adult Oriented (Hard) Rock, der beim Bügeln nicht stört. Positiv gesehen: Das können sie noch lange.
DEVIL SOLD HIS SOUL sind bei Century Media angekommen und legen mit „Blessed & Cursed” ihr neues Album vor. Wie sich im Titel schon andeutet, haben die britischen Postcorler ihren Sound verfeinert und sich positiv klingende Passagen angeeignet, die im Zusammenspiel mit dem düsteren Abschnitten ein komplexes Wechselbad schaffen. Shouter Ed hat daran großen Anteil, wenn er neben seinen markanten Screams immer wieder clean singt und so den Wechsel von brutal-dunkel zu leicht verträumt und hoffnungsvoll einleitet – ein Wechsel, der von seinen Kollegen aufgenommen wird, selbst das Schlagzeug klingt weniger harsch als vorher, „Frozen“ ist für diesen Wechsel ein passendes Beispiel. DEVIL SOLD HIS SOUL geben ihren Songs für diese Wechselspiel reichlich Zeit zur Entfaltung, wobei es für das ausgefeilte Songwriting spricht, dass auch nach mehr als 60 Minuten keine Wiederholungen zu finden sind und „Blessed & Cursed“ auch im letzten Song noch spannend ist. Natürlich lassen sich Vergleiche mit ISIS nicht umgehen, aber anders als die Amis sind ihre britischen Kollegen dem bösartigen Tönen nicht abgeneigt, was sich schon in ihren früheren Werken zeigte. Das Ganze spielt sich überwiegend im Mid-Tempo ab, wie es sich für Postcore gehört („An Ocean Of Light“), schnelle Abschnitte finden sich sehr selten. Diese Fixierung auf ein Tempo sorgt dafür, dass das Album sehr homogen klingt und am Ende der Stunde Spielzeit das Gefühl eines großen, gelungenen Songs beim Hörer zurücklässt. „Blessed & Cursed“ ist ein Einstand nach Maß für DEVIL SOLD HIS SOUL auf ihrem neuem Label. Century Media können mit dem Fang hochzufrieden sein!
INTEGRITY sind eine der Vorreiter des ursprünglichen Metalcore-Sounds gewesen, also Metal-Einflüsse in Hardcore einzubauen. In den letzten Jahren dödelten die Kerle aus Cleveland mehr vor sich hin, noch dazu in wechselnder Besetzung, bekamen aber immer neue Veröffentlichungen hin. „The Blackest Curse“ ist zur Abwechslung mal ein komplettes Album, vorher gab es nur kleinformatigere Sachen. Aber das ist auch das Problem an der Sache: die Scheibe kickt nicht. Dabei bemühen sich INTEGRITY 2010 nach Kräften, den brutal-rohen Sound, die unbändige Wut, den Hass, in ihre Songs zu bringen, also genau das, was sie in den 90ern so fantastisch machte. Stellenweise gelingt das („Through The Shadows Of Forever”), aber das bleibt die Ausnahme als die Regel. Viele Songs wirken seltsam bemüht, seltsam kraftlos, fast so, als wäre es der Band egal, was auf dem Album wie klingt. Im direkten Vergleich mit der eigenen Discography kann „The Blackest Curse“ noch viel weniger überzeugen und bleibt ein Schatten dessen, was diese Band zu leisten im Stande war.
Aus Niedersachsen, genauer Goslar kommen IRON FATE und haben sich der keyboardlosen Variante des US-Power Metal verschrieben. Und eines gleich mal vorneweg – das mit ordentlich Schmackes versehen Debüt „Cast In Iron“ braucht internationale Maßstäbe nicht zu scheuen. Musikalisch lässt „Cast In Iron“ Vergleiche von JUDAS PRIEST über HELSTAR und CAGE bis ICED EARTH zu; gesanglich kann Frontmann Denis Brosowski sowohl in den hohen, als auch in den mittleren Tonlagen vollends überzeugen, kraftvoll und voluminös. Da kommt einen Mr. Halford oder Mr. Owens in den Sinn, manche Passagen erinnern gar an HELLOWEEN oder NEVERMORE – mit dem Mann am Mikro geht was, ganz tolle Vorstellung. Wobei damit die fette Leistung der vier Kumpanen, Harms Wendler und Martin Pflugmacher (Gitarre), Jan Abraham (Bass) und Schlagzeuger Sascha Wendler nicht unterschlagen werden soll. Das dann auch noch Songs wie der speedig nach vorne peitschende Bandtrack „Iron Fate“, die gekonnt den Kitsch umschiffende, trotzdem sehr melodische Halbballade „Imagine A Better World”, das riffige „Killer Instinct“, der Dynamik versprühende Hammer „War In The Streets“ und der zweite langsamere Song, die abschließende Powerballade „Painful Sorrow“ in ihrer hymnisch, pathetischen Art klassisches Genrefutter darstellen und für ein Debüt überraschend ausgereift klingen macht die ganze Chose rund. Wie oft in diesem Genre werden sich die Geister aber wohl vor allem über den zum Teil sehr hohen Gesang streiten. Egal! Für mich haben IRON FATE ein echt gutes Power Metal Debüt abgeliefert, welches Fans genannter Acts geradezu verpflichtet in „Cast In Iron“ mal reinzuhören.