Was soll man dazu sagen? „Klischee is' schee“ triffts wohl ganz gut. Die Saarländer MESSENGER kredenzen uns fünf Jahre nach ihrem Debut „Under The Sign“ mit „See You In Hell“ ihr Zweitwerk. Selbiges schippert im Fahrwasser von Kollegen wie MAJESTY, WIZARD, MANOWAR oder auch den Urgesteinen NOT FRAGILE. Große Refrains, Testosteron-geschwängerte Chöre und epischer Männergesang treffen auf spitze Screams, 80er Jahre Riffing und viel oldschool Feeling. Ich ertappe mich dabei, wie ich beim Hören von „See You In Hell“ den inneren Drang verspüre meiner Freundin die Leggins zu klauen, mir ein Nietenarmband umzuschnallen, mein ältestes MANOWAR Shirt um den Leib zu legen um dann die Warrior-Faust nach oben zu recken und ein lautes „Death To False Metal“ meinem halb senilen Nachbarn ins Gesicht zu brüllen. Das Titelstück „See You In Hell“ (kein GRIM REAPER-Cover) ist eine veritable Hymne, „The Prophecy“ (kein IRON MAIDEN-Cover) erinnert an alte STORMWITCH, „Lindisfarne (kein STORMWARRIOR-Cover) beschwört vor dem inneren Auge Heerscharen von Kriegern herauf, welche sich mit einem Kampfschrei auf ihre Feinde stürzen, „Land Of The Brave (kein SWORD-Cover) ist ein Up-Tempo Knaller mit einem Chorus im Cinemascope-Format und „Valkyries“ (kein BLIND GUARDIAN-Cover) ist der orchestralste und epischste Song. Einzig „Dr. Stein“ (ja, diesmal ist es ein HELLOWEEN-Cover) fällt in seiner zahnlosen und schwachbrüstigen MESSENGER Interpretation ab. Alles in allem ein gutes, wenn auch nicht essentielles Werk.
Und wieder einmal wird es Zeit für eine Geschichtsstunde. BITTER END aus Seattle veröffentlichten Ende der 80er eine technische Thrash Scheibe, welcher aber kein bahnbrechender Erfolg beschehrt war. Noch während der Aufnahmen zur zweiten Scheibe brach endgültig das Geschwür namens Grunge aus und BITTER END nahmen ihren Namen wörtlich, dachten sich „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“ und lösten sich in den frühen 90er Jahren auf, bevor die zweite Scheibe veröffentlicht wurde. Metal On Metal geben nun erstmals die Möglichkeit den sechs neuen Tracks zu lauschen. Außerdem gibt es noch zwei Demosongs und vier Livestücke auf die Ohren. BITTER END waren das, was man gemeinhin mit „Thrash with Class“ umschrieb. Neben frühen MEGADETH standen auch Bands wie FORCED ENTRY, ATROPHY oder die völlig unterbewerteten KINETIC DISSENT Pate. Neben speedigen Abfahrten gibt es immer wieder Verschnaufpausen und Mid-Tempo Passagen. Das Material lässt bei aller Breaklastigkeit die nötige Eingängigkeit nicht missen. Fronter Mark Fox hält sich vornehmlich in mittleren Tonlagen auf und hebt sich so von den High-Pitched Shoutern musikalisch ähnlich gelagerter Combos wie TOXIK oder REALM ab. Die Soli sind exquisit und wildern mitunter in jazzigen Regionen, was aber wunderbar zu den jeweiligen Songs passt. Wer also auf den anspruchsvollen Thrash / Speed der oben genannten Genrevertreter steht, der sollte etwas mit BITTER END anfangen können. Bin gespannt ob BITTER END mit dieser Veröffentlichung im Rücken auch an der Livefront wieder angreifen werden.
Es ist immer wieder faszinierend wie sich Geschichte wiederholt. MEGADETH standen in den 80er Jahren für anspruchsvollen, technischen Speed Metal, bevor sie in den 90ern erst dem allgemeinen Trend (melodischere, langsamere und massenkompatiblere Songs) und dann den mentalen Verirrungen ihres Leaders Dave Mustaine in wenig erbauliche Experimente folgten. 2004 kam mit „The System Has Failed“ ein Album, welches die alten Stärken MEGADETH's wieder bündelte und zu gleichen Teilen überraschte und überzeugte. Seitdem wurden die Outputs des Kleeblatts immer stärker und fanden im 2009er Hammer „Endgame“ ihren vorläufigen Höhepunkt. Mit Album Nummer 13 oder besser: Nummer Th1rt3en gehen MEGADETH wieder in eine ähnliche Richtung wie seinerzeit mit „Countdown To Extinction“. Was im Klartext heißt: weniger Speed, weniger Thrash, aber dafür mehr Melodie und songdienlichere Solieskapaden. Aber MEGADETH wären nicht MEGADETH, wenn es nicht trotzdem genügend Gitarren-Show-offs gäbe. Mastermind Mustaine und sein sensationeller Sidekick Chris Broderick brennen ein Saitenfeuerwerk ab, dass es eine wahre Freude ist. „Th1rt3en“ ist bissiger und aggressiver wie z.B. „Youthanasia“ und schafft es, das Ungestüme der letzten Alben mit dem melodischen Songwriting der 90er Jahre zu verbinden und sorgt im Vergleich zu „Endgame“ für einen viel weicheren Bruch, wie damals von „Rust In Peace“ zu „Countdown To Extinction“.
Mustaine knarzt und faucht sich in altbekannter Manier durch die 13 neuen Songs und sorgt für den immensen Wiedererkennungswert, den MEGADETH immer schon hatten. Mag sein, dass der Rotschopf seinen Rausschmiss bei METALLICA bis heute nicht wirklich überwunden hat und dass er dem kommerziellen Erfolg, welche seine Ex-Kollegen immer noch haben, nachtrauert...musikalisch hat er schon lange die Nase vorn, denn METALLICA haben seit „Master Of Puppets“ nicht mal ansatzweise ein Werk fertigbekommen, was mit den letzten vier Outputs MEGADETH's konkurrieren kann. Als Anspieltips mögen das aggressiv-punkige „Whose Life (Is It Anyways)“, das melodische, mit geilen Leads verzierte „Black Swan“ und das Groovemonster „Nightshade“ dienen.
STAGEWAR sind seit acht Jahren aktiv und haben mit „Living On Trash“ nach diversen Demos nun ihr Debut eingetrümmert. STAGEWAR spielen räudigen Heavy Metal mit leichter Thrashkante. Mitunter erinnern sie an die verblichenen CAPRICORN, aber auch eine leichte MEGADETH Schlagseite kann man vernehmen. Das soll nicht bedeuten, dass STAGEWAR kein eigenes Gesicht hätten; ganz im Gegenteil. Einen solchen Mix aus Oldschool Power Metal, Thrash und etwas Rock 'n Roll bieten nicht viele Bands. Gitarrist und Sänger Dezius besitzt ein angenehmes und schön angerauhtes Organ mit der richtigen Mischung aus Aggressivität und melodiöser Eingängigkeit. Kurze akustische Intermezzi lockern „Living On Trash“ immer wieder auf. Hört mal in das melodische „The Scent Of Weakness“ oder den Thrasher „Shell Shock“ rein, dann bekommt ihr einen Eindruck zwischen welchen Polen sich STAGEWAR bewegen. Ein starker Einstand einer jungen Band, die unterstützt gehört.
SAMIAM haben ein auf und ab in ihrer Bandgeschichte erlebt, inklusive verpasstem Durchbruch trotz Major-Deal Mitte der 90er. Umso schöner, dass die fünf Kalifornier trotzdem weiterhin Musik machen und dann noch ein so positives Album wie „Trips“ hinbekommen. Es kommt zwar ein paar Tage zu spät, aber der 13-Tracker ist das perfekte Sommeralbum, voller gutgelaunter Songs, hohem Mitsingfaktor und knackigen Riffs. Das funktioniert bei „80 West“ oder dem vor Energie nur so strotzenden „September Holiday“ bestens, jedem Hörer wird hier sofort ein Grinsen ins Gesicht gebrannt werden. Für etwas Überraschung sorgen das FOO FIGHTERS-lastige „Free Times“ und die AGAINST ME!-Hommage „Clean Up The Mess“ (mit dem besten Refrain des Albums), durch die „Trips“ vielschichtiger wird, ohne dass SAMIAM die unterschwellige Punkrock-Attitüde aufgeben. „Trips“ macht in jedem Song, in jeder Sekunde Spaß, so banal das klingt. Die Band liefert ein starkes Album ab, mit dem sie zeigt, dass sie auch nach so vielen Jahren noch Bock auf gute, ehrliche Punkrock-Songs hat und in der Lage ist, die auch zu schreiben. Schönes Ding.
Machen wir uns nix vor: Bands wie die Thüringer GERNOTSHAGEN sind trotz ihrer recht frühen Gründung im Jahr 1999 aus den Ruinen der Trendwelle dritt- bis zwölftklassiger Viking-, Pagan-, Feld-, Wald- und Wiesen-Bands auferstanden, ohne die derartige Naturdudler weder früher noch heute jemals eine Chance gehabt hätten. Deutschsprachige Schlachtentexte treffen auf pompöse, pathetische und bis zum Anschlag verkitschte Keyboards, pappige Drums, schwachbrüstige, klebrige Gitarren und ausdruckslosen, charismafreien Heldengesang. Zugegeben, ein paar der Stücke auf „Weltenbrand-Die Banner Hoch Der Nacht Entgegen“ wissen durch halbwegs gelungene epische Parts zu gefallen, wie etwa das treibende „Blinde Wut“ oder das ausladende „Freyjas Schoß“. Aber was das Sextett hier durchaus hörenswert mit den Händen aufbaut, wirft es mit Stücken wie den… äh… beiden Titelsongs „Weltenbrand“ und „Die Banner Hoch Der Nacht Entgegen“ mit dem Gesäß wieder um, da es hier entweder strunzlangweilig zur Sache geht und/oder der Schmalz literweise aus der Anlage tropft. Oberflächliche Naturen und Gelegenheitshörnerträger, die derartiges Pseudo-Wikinger-Pilcher-Ohrenkino durch allzu häufige Penetration bereits lieb gewonnen haben, dürften auch hier ins Schunkeln geraten; der qualitätsbewusste Rest horcht lieber weiter in Richtung SUIDAKRA, SOLSTAFIR, MOONSORROW oder NEGURA BUNGET. Hilfe!
Das Debüt „Blood Diamond Romance” von ROTERFELD klingt verdammt finnisch, auch stimmlich agiert der Österreich Aaron ROTERFELD im Umfeld nordisch-düsterer Sehnsüchte, wobei musikalisch der Hang zum Alternative Rock (zu) deutlich hörbar durchkommt („Don't Be Afraid Of The Dark“). Die erste Auskopplung „Great New Life“ setzt auf gitarrenorientierten Dark Rock, den anvisierten Club Hit könnte man mit dem von Synthies getragenen „STOP“ trotz alles Pathos durchaus landen. Auch der mit viel Gefühl vorgetragene Titeltrack „Blood Diamond Romance” weis zu gefallen. Das Cover zu „Sealed With A Kiss” (in Orchester-Version) ist dann vielleicht doch etwas abgenudelt. Über die Distanz eines kompletten Albums fehlt ROTERFELD allerdings die Konstanz, welcher einer gewachsenen Band hilft durchgängig Atmosphäre aufzubauen. So können einzelne Songs überzeugen – ja haben Hitpotential – aber kaum hat es sich etwas eingedüstert, kaum ergreift die Melancholie Raum, bricht es ab. Hier hat der gute Aaron ROTERFELD noch zu tun – ein Händchen dafür scheint er ja zu haben, auch wenn man vieles schon in anderem Zusammenhang gehört hat. Denn wer auf mainstreamigen Goth-Rock der Marke HIM bis SISTERS OF MERCY steht, dem typischen deutschen Düster-Touch des Gesanges etwas abgewinnen kann und gerne die Tanzflächen der einschlägigen Clubs unsicher macht, dürfte mit ROTERFELD und seinem „Blood Diamond Romance” gut bedient sein. Solides Debüt, dem es aber an Eigenständigkeit und etwas Kontinuität fehlt.
Schräge Scheibe. Ich bin mir gar nicht mal sicher was für dieses Urteil mehr Gewicht hatte - die Musik oder die Musiker? Der Sänger der Truppe Ronny Radke hatte die zweifelhafte Ehre eines Gefängnisaufenthaltes, ausgelöst durch Beihilfe zum Mord an Michael Cook. Die genaue Geschichte könnt ihr selber nachlesen – immerhin geht es um die Musik die FALLING IN REVERSE als quasi-Neuanfang nach diesem wohl ungemütlichen Einschnitt produziert haben. Der Vorgänger dieses Projektes war übrigens ESCAPE THE FATE, aber das werden jene die den Namen des Sängers gelesen haben vermutlich bereits erraten haben.
„The Drug In Me Is You“ ist eine Mischung aus Post Hardcore/ Punk-Geballer, Metalcore inklusive Breakdowns, recht poppigen Passagen die an Bands erinnern an die ich nicht erinnert werden will (MY CHEMICAL ROMANCE und co.) und diversen stilistischen Seitenhieben, alles in Allem aber immer hart an der Grenze zum belanglosen Wiederholungstaten. So ist Titeltrack „The Drug In Me Is You“ ein gruseliges Pop-Stückchen, wird aber danach wieder von „I’m Not A Vampire“ mit mehr musikalischem Nachdruck, Donnerhall-Solo und vor allem ohne die übertriebene in-Szene-Setzung des Frontmannes interessant abgelöst. Die darauf folgende Nummer kommt dann wieder wie der gerupfte Phönix aus der Asche und macht meinen zwischenzeitlich so angenehmen Eindruck zu Nichte… ein Schema was wiederholte Anwendung findet.
Es hat aber einen Grund warum ich nicht in einem Satz feststellen will das das was FALLING IN REVERSE hier eingespielt haben Käse ist, das täte ihnen nämlich auch irgendwie unrecht. Vielmehr ist es so, dass die Wechsel zwischen „Wuarghs!“, „Kann man sich anhören“ und „Bockt!“; oder auch die Wechsel zwischen einem Eindruck der an einen gestrandeten Hair Metaller erinnert und einem der wiederum auf Kreativität schließen ließe, etwas arg fließend sind. Kurzfazit: Durchwachsen. Für meinen Geschmack leider zu arg durchwachsen. Die Frisur-Witze erspare ich euch übrigens auch mal.
Nachdem Bands wie PARADISE LOST, TIAMAT, SENTENCED oder MOONSPELL wahlweise nicht mehr existieren, nichts Relevantes mehr zustande bekommen und/oder seit Ewigkeiten in der kreativen Versenkung verschwunden sind, freut sich der Gothic Metaller, der kitschigstes Rumgejaule schon von vornherein aussortiert hat, über qualitativ hochwertiges Neufutter umso mehr. Nach dem sehr starken „Negative Megalomania“ und der Recycling-Compilation „Vol. 5: 1999-2009“ legen die Italiener FORGOTTEN TOMB mit „Under Saturn Retrograde“ nach, das man zwar abermals den Fans der oben genannten Bands zu ihren Hochzeiten nahe legen kann, das aber keinem bestimmten Genre zu 100% zuzuordnen ist. Vielleicht ist das auch der Grund, warum das Album zwar insgesamt wieder stark ausgefallen ist, aber so richtig nicht zu zünden vermag. Stücke wie der schwer verdauliche Opener „Reject Existence“, das leicht vertrackte „Shutter“, das von SISTERS OF MERCY beeinflusste und trotzdem eindeutig an TYPE O NEGATIVE erinnernde „Joyless“ (Bandkopf Herr Morbid singt stellenweise wie Pete Steele zu „Bloody Kisses“/“October Rust“-Zeiten) oder der zweiteilige, bisweilen schwarzmetallische Titelsong gefallen durch ihre Vielseitigkeit, sitzen aber auch irgendwie zwischen ein paar Stühlen zu viel. Am Ende ist „Under Saturn Retrograde“ einmal mehr eine echt gute Scheibe einer in der Szene nicht überall unumstrittenen Band (siehe Interview!), die aber viel Geduld und Scheuklappenfreiheit erfordert und lediglich aufgrund dieses etwas zerfahrenen Songwritings einen möglichen „Tipp“ einbüßt.
Die letzte JUNIUS-Scheibe „The Martyrdom Of A Catastrophist“ hatte es mir in 2009 schon recht angetan. Und auch das neue Werk „Reports From The Threshold Of Death” macht echt Spaß. Wobei JUNIUS dieses Mal noch mehr an die ruhigeren Alben von PARADISE LOST erinnern, einschließlich voluminöser DEPECHE MODE Chöre und dunkler Melancholie. Ihrem New Wave Ansatz fügen sie eine gehörige Portion atmosphärischem Alternative Rock hinzu (JUNIUS sind Gitarren dominiert, die zum Teil hypnotisierenden Keyboards schwelgen dezent im Back) und paaren gekonnt Anspruch mit hitverdächtigen Melodien. Ein Blatt wie das Rolling Stone Magazin sieht darin einen „Hybrid zwischen NEUROSIS und THE SMITHS“. Da passen aber ebenso OCEANSIZE und ANATHEMA. Das US-Quartett aus Boston hat dabei mit Sänger Martinez einen Mann am Mikro der mit sphärisch klaren Vocals und seiner emotionalen Verletzlichkeit den Kompositionen zusätzlich Tiefe verleiht, ohne auch nur ansatzweise belanglos zu wirken. Von Postrock über Prog bis Alternative dürfen Jünger anspruchsvollerer Ware bei „The Martyrdom Of A Catastrophist“ durchaus zulangen.