Komplett irre, was das englische JAMES CLEAVER QUINTET hier vom Stapel lässt. Bands wie FAITH NO MORE und SYSTEM OF A DOWN lassen im Geiste grüßen, und doch klingt „That Was Then, This Is Now” ganz anders. Hardcore wird mit Metal, Post-Punk, Rock, vertrackten Riffs und jazzigen Harmonien kombiniert, cleaner Gesang wechselt sich ab mit Growls und Shouts, und dazwischen passen auch noch ein Latin-Beat und das ein oder andere atmosphärische Interlude. Klingt abgefahren? Ist es auch. Funktioniert aber erstaunlich gut. Das liegt zum einen wohl an der überbordenden Energie, die die Band in den meist eben doch extrem nach vorne abgehenden Parts ausstrahlt, zum anderen aber auch an den immer wieder eingebauten melodischen und eingängigen Passagen. Der rote Faden ist hier absolute Unberechenbarkeit, und man ist immer wieder gespannt darauf, was den Jungs wohl als nächstes einfällt. Die Überdrehtheit, die sie mit eingangs erwähnten Bands teilen, wirkt auf einige sicher nervig, ist auf eine eigene Art aber auch ebenso faszinierend wie ansteckend. Diese Scheibe ist sicherlich nicht Jedermanns Sache, wenn man sich aber darauf einlässt, kann man viel Spaß damit haben.
Unsere holländischen Nachbarn sind im Symphonic Metal Genre durchaus eine Macht – AFTER FOREVER (R.I.P.), WITHIN TEMPTATION und EPICA seien da mal angeführt. Mit DELAIN schickt sich nun nach zwei starken Alben („Lucidity“, 2007 und „April Rain“, 2009) eine weitere Band an, zu dieser illustren Riege aufzuschließen. Das neue Album „We Are The Others“ bekam dabei von Roadrunner eine professionelle Produktion verpasst, will meinen: fett, aber auch mainstreaming und radiotauglich – LACUNA COIL und EVANESCENCE lassen grüßen. Ungeachtet dessen schieben sich im Vergleich zu den ersten beiden Werken die Gitarren weiter in den Vordergrund. Sie ergänzen den symphonischen, Keyboard dominierten Sound, welcher sicherlich auch wegen Bandcheffe und Tastenmann Martijn Westerholt (ex-WITHIN TEMPTATION) die Grundlagen der Songs von DELAIN bilden. Über allen thront Charlotte Wessels Stimme, welche weniger den opernhaften Gesangstil o.g. Bands imitiert, sondern in hohen und mittleren Tonlagen, einschmeichelnd oder angemessen laut, ihren eigenen Stil frönt. Dabei wird sie nur beim härtesten und dank Monsterrefrain immer noch sehr eingängigen Song „Where Is The Blood” von FEAR FACTORY Schreihals Burton C. Bell kontrastiert. Als Highlights kristallisieren sich die bombastischen Ohrwürmer „Hit Me With Your Best Shot” (Single-Kadidat mit Hammer-Refrain) und das eher ruhige „Are You Done With Me” heraus, sowie der Titeltrack „We Are The Others“, welcher den Fall des englischen Gothic-Mädchens Sophie Lancaster schildert, die aufgrund ihres Outfits ins Koma geprügelt wurde und verstarb. Wobei DELAIN für ein durchweg hohes Niveau der Kompositionen sorgen und durch abwechlungsreiche Arrangements für keinen Spannungsabfall sorgen. In dieser Form sind DELAIN ein ebenbürtiger Herausforderer von EPICA & Co.
Und nochmal was von Eonian Records. Wieder beamt uns das findige Label zurück in die End-80er, wieder in die Bay Area. Diesmal heißt die Band RATTLESHAKE und bewegt sich im Fahrwasser der MÖTLEY CRÜE, SKID ROW und von CINDERELLA. Dabei scheint der erste Song „Shootin' Whiskey“ durchaus Programm – melodische Komposition die ins Ohr geht, unterlegt mit fetten Hard Rock Riffs, klassisches Gitarrensolo, anständig Groove und ein staubig erdiger Gesang in bester Sleaze-Tradition. Danach variiert man, bringt die Quotenballade, rockt im Midtempo, erhöht die Schlagzahl wieder, versucht es rhythmisch stampfend und hat dabei immer ordentlich Drive – „Take Me Down“ und „Mudbone Delight“. Für Fans des Hair-Metal & Co. eine schönte halbe Stunde zum Bangen und wippen. Hier darf man getrost sagen, dass es Schade ist, dass man nur 7 Songs und 28 Minuten geboten kriegt. Wäre interessant gewesen zu sehen, was RATTLESHAKE aus einem Plattendeal gemacht hätten. Die Band hatte hörbar Potential.
Nennt mir spontan eine Band aus Australien. AC/DC? Nein, nicht ganz: THE GO SET haben mit ihrem selbst-betitelten Album das mittlerweile siebte Album auf dem Markt geworfen – seit 2002 wohlbemerkt. Die Jungs machen irgendetwas das man zwar noch „Punkrock“ nennen kann, nicht aber ohne irgendwie unweigerlich an eher durch Folk-Rock geprägte Bands wie DROPKICK MURPHYS oder vielleicht auch FLOGGING MOLLY zu denken – was unter Umständen dem auftretenden Dudelsack und seinen Konsorten zuzuschreiben ist. Das Ganze geht gut ins Ohr, hat meist pro Song aber nicht so massiv Zeit da zu verbleiben: Gerade mal einer der insgesamt 11 Songs erreicht die 3:30 Minuten, der Rest ist drunter: Das sorgt für kurze, teilweise eher deftigere Nummern („Drums Of Chelsea“, übrigens DER Song der Scheibe oder „Speakers Distort“), teilweise (wenn nicht überwiegend) eher etwas poppig-getragene Titel („Liberty Bell“). „Getragen“ heißt hier übrigens eher niedrigeres Tempo und weniger harte Riffs und Vocals, nicht „langweilig“. Den Unterschied zu kennen ist wichtig – das kann euch im Moshpit nämlich mal das Leben retten!
Was dieser Scheibe aber irgendwie fehlt ist mehr Inhalt und mehr Songs wie erwähnte „Drums Of Chelsea“. Die Laufzeit der CD und der einzelnen Songs ist mir nämlich einfach zu kurz, was drauf ist macht dafür Freude – wer dann noch auf Texte mit Inhalt steht, der wird mit THE GO SETs aktueller Pressung wohl gut beraten sein. Auf jeden Fall eine Band wo man, wenn „The Go Set“ das Erste ist was man von ihnen hört, sich auf die vorherige Diskografie stürzen kann.
Release ist am 08.06., in Deutschland und Umgebung trieben sich THE GO SET im Mai rum – falls sie mal wer durch Zufall traf, das ist die CD dazu!
Eonian Records sind bekannt dafür alte Aufnahmen auszugraben und auf CD zu pressen. Dabei hat man es in erster Linie auf die US Hard Rock, Glam und Sleaze Szene der End 80er und Anfang 90er abgesehen. Genau in dieses Beuteschema paßt auch MURDER BAY. Das Quartett aus San Francisco präsentiert genaue jene melodische Ausrichtung des Hard Rock (Glam, Poser, Hair Metal) deren Ambitionen vom Grunge weggefegt wurden. Man veröffentlichte damals nur eine Demo, welche remastert den Kern von „Never Was An Angel” bildet und ergänzte dies nun mit 7 bisher unveröffentlichten Songs. Mit dem Opener „Land Of Plenty“ verbrät man den stärksten, an RATT erinnernden Track gleich an erster Stelle. Vor allem Sänger Paul Trombetta klingt typisch für die damalige Zeit, mal ansprechend gesungen, mal in höheren Tonlagen geschrien. Im weiteren Verlauf kommen einen dann noch Bands wie GUNS’N’ROSES, POISON, SKID ROW und DEF LEPPARD in den Sinn. Wobei MURDER BAY leichte Schwächen im Songwriting zeigen – gute Ansätze, aber nicht immer zu Ende komponiert und nicht 100% MTV-kompatibel – und sich auch nicht unbedingt für eine musikalische Richtung entscheiden konnten. Wohl die Gründe, warum man 1990/1991 nicht an einen Major-Deal kam. Ergo - MURDER BAY ist sicher nur für Genrefreaks von Interesse.
BANGALORE CHOIR bieten auch auf ihrem zweiten Werk nach der Wiederbelebung („Cadence“, 2010) melodischen Hard Rock im Stile der End-80er mit leichten Blues-Touch – womit die Zielgruppe der Veröffentlichung schon angerissen sein dürfte. Mit David Reece hat man dabei einen richtig tollen Sänger am Start, musikalisch machen Andy Susemihl & Co. alles richtig, die Ausrichtung ist (noch) melodischer und weniger sleazig als zuvor – aber fast schon zu glatt. Darüber hinaus ist im Vergleich zum Vorgänger das Songwriting weniger zwingend ausgefallen, so dass das Album zwar schön anzuhören ist, aber keine Hits aufweist. „Metaphor“ liefert meist nur Hard Rock Standardware – nicht schlecht, aber zu wenig um den Test of Time bestehen zu können. Im Wiedererstarken Hard Rock Genre liefern BANGALORE CHOIR damit zu wenig um ausreichend punkten zu können.
THE AGONIST haben mit ihrem Zweitwerk „Lullabies For The Dormant Mind“ durchwachsene Reviews eingefahren, mir sagte das Album nicht sonderlich zu. Auf „Prisoners“ haben sich die Herren und die Dame Mühe gegeben, vom Standard-Metalcore der ersten beiden Alben etwas wegzukommen und sich daher stärker am Death Metal orientiert. Das steht ihnen durchaus gut zu Gesicht, gerade in der Gitarrenarbeit gibt es viel mehr Melodien und Riffs, die beim Hörer tatsächlich hängen bleiben („Everybody Wants You (Dead)“). Shouterin Alissa hat sich stimmlich kräftig gesteigert, ist aber dem Wechselspiel aus Growls und Cleangesang treu geblieben, was in guten Momenten funktioniert, in schlechten wie eine weitere IWRESTLEDABEARONCE-Kopie klingt. Da wäre mehr drin gewesen, wenn sich THE AGONIST von dem berechenbaren Schema gelöst hätten. Insgesamt ist „Prisoners“ qualitativ besser und hat einige Songs, die sowohl in der Metalcore- wie in der Death Metal-Community ankommen werden, aber als Album hat es zu viele Füller, um wirklich im oberen Dritten mithalten zu können. Solide, mehr aber auch nicht.
Hinter der Firmierung PRIMAL ROCK REBELLION stehen IRON MAIDEN-Gitarrist Adrian Smith und der ex-SIKTH-Frontman Mikee Goodman, wobei letzterer mit seiner auf abgefahrenen Prog und Mathcore stehenden Band eher weniger bekannt sein dürfte. Für Smith ist es nach ASAP und PSYCHO MOTEL der dritte Soloausflug. Und den darf man durchaus als gelungen bezeichnen. Zwar ist „Awoken Broken” ein Album das zuerst vom Interesse an den Protagonisten als an den Songs leben dürfte. Wer aber dem PRIMAL ROCK REBELLION-Debüt mehr als einen Durchlauf gönnt, wird feststellen, das Smith tief in seine kompositorische Trickkiste gegriffen hat und dabei manch melodische Wundertüte entfaltet, aber auch voller Spielfreude experimentiert. Der SIKTH-Anteil der Briten scheint hierbei für ordentlich Groove zuständig zu sein und stimmlich von clean bis scream und spoken words die Songs kraftvoll zu interpretieren. Dabei kommen die Tracks überraschend düster und härter daher als der Name Smith vermuten lässt; Eingängigkeit stellt sich erst mit der Zeit ein, die Soli sind allerdings unverkennbar. „Awoken Broken” ist trotz Adrian Smith also kein Album, das man als IRON MAIDEN-Fan haben muss, den Hit gibt es hier nicht. PRIMAL ROCK REBELLION liefern eine Scheibe für jene neugierig, aufgeschlossenen Hörer, die auch mal abseits hitverdächtiger Metalpfade harte Mucke vertragen.
Ach du Scheiße, was ist DAS denn? LEE HARVEY & OSWALDS (bei diesem Namen dreht sich der gute, alte J.F.K. ja im Grab um) sind stilistisch in etwa so festgefahren wie eine eingeseifte Steinkugel in nem Eiskanal. Will sagen: Die Präsidentenkiller rutschen von Stil zu Stil und lassen sich nicht im Geringsten festnageln. Nach einem Brass-Intro geht es metaltechnisch mit „Break Down“ in die Vollen (Uptempobeats, Growls, hymnische Gitarrensoli). Nur nen Breakdown gibt es hier nicht. Bei „Last Train To Nowhere“ werden dann leichte Erinnerungen an gaaaaaanz frühe MOTÖRHEAD wach.....nur dass die keine Bläser hatten. Ja, auch GIRLSCHOOL zählen da nicht. „Travel“ ist ne schöne entspannte aber dennoch groovige Rocknummer mit 70er Hammondorgel und Death-Growls. „Electric Storm“ erinnert ein wenig an „Killer“ von RIOT, denn L.H. & O. bieten einen ähnlichen Mix aus Heavy Rock und Jazz-Bläsern. „Project 52“ dann ist eine Fusion aus...ähm...Fusion und futuristischem Prog Geschwurbel. Schwer in Worte zu fassen. Klingt ein wenig als wären WALTARI auf der Autobahn mit 250 Sachen mit RUSH zusammengekracht. Mit „The Sky Remains In Silence“ wird PINK FLOYD gedacht und auf sanften grünen Wolken davon geschwebt. „Path Of Silence“ ist dann wieder stampfender Metal. Der nun folgende „Strawberry Cheesecake“ mundet wohl all denjenigen hervorragend welche straighten Hard Rock, dicken Eier-Gesang und fette Bläsereinsätze mögen. Das „Purple Ship“ swingt sich dann mit Boogie Hard Rock und dominanter Ziehharmonika ins Nirvana bis einem der „Lotus“ mit intrumentalem „Barjazz-Krautrock“ endgültig den Stecker zieht. Und um die Eingangsfrage final zu beantworten: Was Neues!!!
HIGH ON FIRE haben sich mit Kurt Ballou (CONVERGE, DOOMRIDERS) einen neuen Produzenten gesucht. Eine gute Wahl, immerhin hat Mr. Ballou u.a. DISFEAR einen dreckigen Sound verpasst – „De Vermis Mysteriis“ hat den auch bekommen, was genau wie bei den Schweden einfach passt. Sonst hat sich im Sound der Kerle nicht viel verändert, weiterhin regiert schwerer, stellenweise sehr fieser („Madness Of An Architect“ mit seinem latenten SUNNO)))-Charme) Sludge, der geschickt die Balance zwischen Sperrigkeit und Eingängigkeit hält. Wenn HIGH ON FIRE ihre MOTÖRHEAD-Hommage „Bloody Knuckles“ anstimmen oder sich im Album-Opener „Serums Of Liao“ förmlich sechs Minuten lang auskotzen, passt einfach alles. HIGH ON FIRE ist die Erfahrung beim mittlerweile sechsten Album und mehr als einer Dekade Bandgeschichte anzuhören, auf „De Vermis Mysteriis“ stellen sie unter Beweis, dass sie ein gutes Album schreiben können, das in gut 50 Minuten alle Band-Trademarks aufweist, keinen schlechten Song hat und eben mit einer wie Arsch auf Eimer passenden Produktion ausgestattet ist. Alles richtig gemacht.