Hilfe! Was hat sich diese Band bei diesem Intro nur gedacht? Das grenzt an Körperverletzung, eine derart willkürliche Aneinanderreihung und schlichtweg falsch intonierte Ansammlung von Tönen habe ich bisher selten auf einer CD gehört. Hat man vor 1000 Jahren auf solchen Krach gestanden? Doch Odroerir baut wohl darauf, dass man es in dieser kurzen Ohnmacht nicht zum Stop-Knopf seines Players schafft und das ist auch gut so, denn die folgenden 7 Tracks sind mit diesem Fehltritt nicht mehr zu vergleichen. Und wäre da nicht ein Sänger der in den ruhigeren Passagen der Schalmei vom Intro um nichts nachsteht und oft eine halbe Sekunde braucht bis er den richtigen Ton findet, könnte man meinen, man hat eine gänzlich andere Band vor sich. Eben diese Band hat zwar nicht das Rad neu erfunden, gesellt sich aber immerhin in das große Mittelfeld der ordentlichen, raueren Folk Metal Combos. Der Gitarrist Fix von Menhir, der übrigens auch das Schalmei Intro verbrochen hat, überlässt hier bei Odroerir den ruhigeren Tönen das Feld. Man versucht sich eher an wirklich "alt" klingenden Sounds - ganz anders als zum Beispiel STS - und es haben sich auch ein paar wunderschöne Lieder für das Lagerfeuer oder das gemütlich Met bei nächsten LARP verirrt ("Zur Taverne"), alles in allem aber mal wieder nix Neues und durch den schlechten Gesang auch nichts Herausragendes. Allerdings will ich’s so sagen: Zum Glück singt Fix die meiste Zeit... man stelle sich nur vor er hätte öfter die Chance bekommen auf der Schalmei zu spielen! Textlich dreht sich alles um das Thüringen vor langer langer Zeit als noch die Germanen Herren des Landes waren, allerdings wird dieser "Nationalismus", aus heutiger Sicht wohl eher "Regionalismus", in subtiler und der Geschichte wohl gerechter werdenden Weise behandelt als dies z.B. in der entsprechenden Hymne von Eisregen der Fall ist. Für die noch lebenden Germanenmetaller unter euch ist es gut gemachte Volksmusik, für alle anderen wohl eher langweilig, denn auch die Texte (deren historischen "Wahrheitsgehalt" ich nicht zu beurteilen mag) offenbaren wenn überhaupt nur im Detail Unterschiede: Denn wer jetzt wen, wann, wo und wieso niedergemetzelt hat wurde mir auf Dauer dann doch langweilig.
Ist es also mal wieder soweit. Jetzt wo sich die ersten Sonnenstrahl draußen Gehör (oder wie das bei Sonnenstrahlen heißt...) verschaffen wollen, muss man natürlich dringend so lange wie möglich dagegenhalten. Und das geht mit END OF GREEN wunderbar. Die ideale Musik um gepflegt auf dem Friedhof abzuhängen, nachts alleine vor einer einsamen Kerze nachzudenken oder mit hängendem Kopf um die Welt zu trauern. In groben Zügen wäre damit die Marschrichtung bestimmt, der Trauerzug wird von einem Sänger geführt, der grade beim Song "I Hate" sehr an Pete Steele erinnert, was sich dann spätestens beim Type O Cover "Black No. 1" bestätigt. Hier ist er so nah am Original, dass zwar die tiefe, klare und ausdrucksstarke Stimme fasziniert, der Song für ein Cover aber viel zu öde, weil viel zu sehr Type O, ist. Die Musik kriecht mit den Schnecken um die Wette, alles ist die meiste Zeit reichlich lahm und doch gehen die Songs zu Ende ohne dass man das Gefühl hat es wird langweilig. Kurzzeitig flackert hier und da gar ein Fünkchen guter Laune auf, legen die Gitarren einen Schritt zu um dann aber wieder vom Gesang eingefangen zu werden und in den langsamen Trott zurückzufallen. Eine sehr schöne CD, die den Suizid(versuch) nahe legt oder die einen runterbringt bei allzu penetrant guter Laune. Eine CD die vielen anderen Gothic Metallern zeigen kann dass man auch mit leiseren Tönen ein Klasse Album machen kann und ein Sänger der zu den besten gehört, die die Szene zu bieten hat. Nur ich bin zur Zeit wohl echt zu gut drauf um den TIPP zu ziehen...
Der in Hamburg lebende Schwede Johan Edlund ist allgemein bekannt als Bandleader der scandinavischen Düster-Gothic-Combo Tiamat. Mit Lucyfire präsentiert der Sänger von Tiamat ein Sideprojekt, dass einerseits seine Ursprünge nicht leugnen kann, andererseits aber auch deutlich versucht eine andere Richtung als Tiamat einzuschlagen. Den einfallsreichen, wenn auch nicht gerade einprägsamen Titel des Longplayers "This Dollar Saved My Life At Whitehorse” soll der Comic-Fan Edlund der Sage nach einem Dagobert Duck-Zitat (!) entnommen haben. Die 11 Songs (10 Eigenkompositionen plus ein Cover) haben durch die Bank einen hohen Wiedererkennungswert, was allerdings in erster Linie an der einzigartigen Stimme von Johan Edlund liegt. Die Songs sind (vor allem durch den Gesang) meist in einer eher melancholischen Grundstimmung gefangen, bekommen aber immer rechtzeitig die Kurve; bleiben locker, bisweilen popig und versprühen einfach Lebensfreude. Auch irgendwelche Soundexperimente sucht man hier vergebens. Edlund verarbeitet hier einfach gekonnt einiger seiner Einflüsse: eine Mixtur aus Depeche Mode und Sisters Of Mercy mit einem Schuss (natürlich) Tiamat. Dazu ein paar eingestreute weibliche Vocals (sehr schön bei "Mistress Of The Night") oder Keyboards, welche sich nicht ständig nach vorne drängen, sondern die Songs wunderschön begleiten und abrunden. Die Stücke sind äußerst abwechslungsreich ausgefallen, mal rockig, wie der Opener "Baby Come On" oder "Annabel Lee", dann einen Gang zurückgeschaltet wie bei dem Klasse-Song "As Pure As S.I.N.". Mein persönlicher Favorit "Automatic" hat von allem etwas zu bieten und lädt regelrecht dazu ein die Repeat-Taste zu drücken. Über die nah am Original bleibende Cover-Version von "Sharp Dressed Man" (ZZ-Top-Klassiker Jahrgang 1983) wird man sich sicher streiten können. Kommt der Song im ersten Moment arg berechnend und irgendwie nicht zum Album passend daher, erscheint er nach mehreren Durchläufen äußerst gelungen und ist einfach nur Cool. Ein Live-Tip ist das Ganze dazu allemal - beim M’era Luna Festival 2001 in Hildesheim lieferten die Mannen um Johan Edlund eine richtig gute Show ab - und dies unter erschwerten Bedingungen - eine kleine Bühne in einem Hangar mit einer bescheidenen Akustik. Lucyfire kommt "on stage" noch ein ganzes Stück gitarrenlastiger als auf CD daher und man merkte insbesondere Edlund an, dass es ihm voll Spaß machte mal richtig abzurocken. Unerwähnt sollte nicht bleiben, dass der Höhepunkt des Sets ein Auftritt einer italienischen Göttin war: Augenschmaus Christina Scabbia (Lacuna Coil) und Johan Edlund legten ein Duett hin, das nur so von Spielfreude strotze und dazu führte, dass im Hangar nun sämtlich Dämme brachen. Fazit: Das Lucyfire-Debüt ist nichts für Tiamat-Puristen oder gar für düstere Depri-Stunden in schwarz - sondern verbreitet gute Laune und lädt mit seinen eingängigen Melodien zum Tanzen ein. Wer bereit ist dem alten Schweden Johan in diese Richtung zu folgen, sollte sich die Scheibe unbedingt mal reinpfeifen.
Wenn man vom Arsch der Welt oder aus Alaska kommt hat man ja eigentlich nicht wirklich die Chance einen anständigen Beruf zu lernen und was bleibt? Genau, Rockstar. Naja, und weil scheinbar die Zeit auch an diesem Landstrich nicht einfach so vorbeigeht und die Jugend dort auch Papa Roach und Konsorten im Fernsehen sehen kann, liegt es Nahe dass sie - wenn schon Musiker - wenigstens was anständiges machen sozusagen. Gesagt getan, "Bitterness The Star" ist also New Metal geworden, etwas härter teilweise vielleicht als die ganz erfolgreichen, aber nichtsdestotrotz teilweise sehr nah an der Masse. Was mich an der Sache stört, ist der Sänger wenn er singt und nicht schreit (dann gibt er der Musik den Asskickbonus und das geht in Ordnung), denn seine Stimme klingt sehr nölig, zittrig, einfach weder nach Power noch nach Emotionen, sondern schlichtweg nicht reif genug um zu singen. Und auch wenn die anderen Instrumente nicht schlecht sind so bedarf es mittlerweile deutlich mehr Ideen als die 36 verrückten Fäuste bieten und mir fällt kein wirklicher Grund ein warum man sich grade diesen Klon anhören sollte. Die Songs sind nicht unbedingt langweilig, sie sind teilweise recht hart und man sollte einer Band vom Arsch der Welt vielleicht ne Chance geben, aber dennoch hat man wirklich alles was sie bieten (abgesehen vom miesen Gesang vielleicht) schon mal gehört. Wer sich also nicht zwingend genötigt fühlt, Alaska finanziell zu unterstützen, darf sein Geld gerne sinnvoller anlegen! Hört in die MP3´s um euch selber zu überzeugen.
Es beginnt wie älteres BLIND-GUARDIAN-Zeugs, dann kommen HELLOWEEN (hört: RISING HIGHER) und GAMMA RAY an die Reihe. Power Metal mit flugs eingespielten Chören, hier und da mal flotte Double-Bass-Parts, dazu eine nicht allzu hohe, trotzdem unangenehm ent-eierte Stimme, Kinderlied-Melodien mit Quietsche-Orgel, dazu noch Tönchen vom Spinettchen. Schnelleres, Bedächtigeres, bloß kein Klischee auslassen. Wirklich nett - Ich könnte schwören, die Jungs entstammen der True-Power-Metal-Achse Deutschland-Italien. Aber weit gefehlt. KING DIAMOND-Member ANDY LA ROCQUE war sich nicht zu schade, diese einfallslosen Schweden zu produzieren. Und das sogar ziemlich druckvoll. Kein Zweifel besteht an den guten handwerklichen Fähigkeiten der sechs Nordländer. Schade, dass sie aber auch nicht eine interessante Idee haben, oder sich zumindest sehr bemühen, ihren Ideenreichtum zu verstecken. Ein wirklich schlimmes Beispiel: NEVERMORE. Geht gar nicht, ausmachen. Ja, ja ich weiß, auch Bands anderer Genres flicken ihre Musik aus dem Patchwork andere Kapellen. Aber dieser Song NEVERMORE, nee, nee. Da zieht auch der Spruch "Besser gut geklaut als schlecht selbst gemacht" nicht. Power-Metal-Freaks: Bitteschön! Alle anderen: NOT!
FIVE POINTE (man beachte das E) O war vor kurzem eine der wenige positiven Überraschungen auf dem Soundtrack von Resident - Scheissfilm - Evil... und schon gibt es mit "Untitled" (Superoriginell...) das erste bei einem großen Label veröffentlichte Album der Band aus Chicago. Und ich muss sagen: Die CD gefällt! FIVE POINTE O kann ganz klar punkten durch die Vielseitigkeit ihrer Songs, wobei dass sicher auch einer der wenigen Kritikpunkte sein kann. Ich scheiße in diesem Fall jedoch auf den manchmal etwas fehlenden roten Faden des Gesamtkonzeots, schiebe es auf die noch recht kurze Geschichte und jungen Lebensjahre (um die 20) der 6 (!) und genieße schlichtweg die Songs. Selbige leben von Sänger Struble, der mit einer ungeheuer vielseitigen Stimme die Songs von softem über wütend deathigen bis hin zu cool groovendem New Metal. Man wird das Gefühl nicht los, er würde am liebsten die ganze Zeit seinen Hass (oder Freude, die Texte sind leider recht schwer zu verstehen) herauszuschreien wozu die aggressiven Tracks nun mal am besten passen, und grade bei den ruhigeren Tracks hat man das Gefühl, als müsste sich der Sänger etwas krampfhaft zurücknehmen. Die Gitarren sind ebenfalls eher aggressiv, wohl nicht ganz Bravo-Girlie tauglich und treten zusammen mit dem ebenfalls teilweise brutal dreschenden Drums ganz gut Arsch. Produziert wurde das ganze noch dazu vom Chef Colin Richardson persönlich (u.a. Fear Factory, Machine Head) dessen geübte Fingerchen die Regler zu dieser Musik genau richtig bewegt haben. Die Songs sind gut komponiert und haben genau die richtige Dynamik und ausreichend frische Ideen um zu fesseln und dies führt zu einer guten aber auch gewöhnungsbedürftigen CD die mehr zu bieten hat als nur olle Hüpfmucke zu sein in der Disse nebenan!
Deutschlands Ur-Punk-Rock-Combo DIE TOTEN HOSEN melden sich mit dem neuen Album "Auswärtsspiel" nach fast drei Jahren wieder zurück auf der Bildfläche. Das Ergebnis läßt sich durchaus sehen, denn nach dem eher mittelmäßigen letzten Werk "Unsterblich" (obwohl mit "Bayern" ein richtiger Kultsong für die Ewigkeit darauf vertreten ist!) stellt dieser aktuelle Output nach "Opium für’s Volk sicher die beste CD der HOSEN in den 90’gern dar. Es handelt sich dabei aber nicht, wie der etwas missverständliche Titel vielleicht vermuten läßt, um ein reines "Fußballalbum", mit Songs dies sich etwa "nur" um die wichtigste Nebensache der Welt drehen auch wenn sich "Auswärtsspiel" natürlich damit beschäftig. Als bekennende und sponsorende Fortuna Düsseldorf-Fans (die Jungs lassen für sich in der Regionalliga Trikotwerbung machen) heißt das Motto (zwangsläufig?) " ..uns ist egal wer heute siegt, weil es um was anderes geht ..." und schließlich jetzt kommt die Meinung des Schreiberlings muß ja auch nicht jeder ein Bayern-Fan sein (denn es ist doch sehr einfach ein Fan des Erfolgs zu sein!) - da ist es schon etwas mutiger sich zu einem Underdog zu bekennen! Genug der runden Philosophie, viele der Songs von Campino und Co handeln diesesmal irgendwie vom Alter bzw. dem älter werden z.B. "Du lebst nur einmal" oder auch bei "Graue Panther" (übrigends spitzenmäßger Text). Dies ist aber auch zwangsläufig so denn auch die HOSEN sind nicht mehr die Jüngsten aber das merkt man der Musik keine Sekunde lang an. Sie bieten uns in ihrem typisch punkrockigen Haudraufstil viel gutes Songmaterial besonders die erste Single "Was zählt" mit einem Klasse Stakkato-Riff der Marke "New Metal" haut einen so richtig weg. Aber auch bei einer sehr einfühlsamen Ballade wie "Nur zu Besuch" oder bei der Mitgrölhymne ""Steh auf, wenn du am Boden bist" zeigt die Band, daß sie mehr drauf hat als "nur" reinen Partyspaß ohne jeden Tiefsinn. Producer John Caffery hat der Scheibe ein gutes und abwechslungsreiches Klanggerüst gezimmert und dem "Auswärtsspiel" u.a. ein paar moderne Sounds sowie bei zwei Titeln "Schwimmen" auch ein bisschen Kuba-Flair (dort spielten die HOSEN u.a. ein Konzert) verpasst bzw. miteinfließen lassen. Bei "Das Mädchen aus Rottweil", ein Track im Rock-Polka-Stil, huldigen die TOTEN HOSEN dann noch ein wenig den Leningrad Cowboys und auch die Coverversion von "Cokane in my Brain" gewinnt hier wieder neues Leben. Kurzum ein gesanglich in Höchstform befindlicher Campino und eine geschlossene musikalische Bandleistung machen "Auswärtsspiel" zu einem guten (Punk-) Rockalbum - freu’ mich schon auf die Tour. Ich schließe daher mit dem beinahe weisen Schlusslied "Kein Alkohol (ist auch keine Lösung)".
Eines gleich vorneweg: Sänger Steve Hogath ist jetzt schon länger bei MARILLION als es FISH je war, allein schon diese Tatsache sollte die ständigen "Vergleiche", nach mehr als 15 Jahren, sowie überflüssige Diskussionen über den derzeitigen Stil und die nervigen Fragen vieler ewig Gestriger (.. wann gibt es wieder Songs der Richtung MISPLACED CHILDHOOD?) u.a. auf der deutschen Fanclub Homepage zu lesen, endgültig beenden. MARILLION werden/wollen nie mehr wie in den frühen Anfangsjahren klingen, denn mit dem Neo-Prog aus den 80ern hat diese Band schon längst abgeschlossen - dies sollte man ohne wenn und aber einmal akzeptieren. Wer auf dieses Genre steht, kann sich ja Gruppen wie PEDRAGON, PALLAS, IQ oder ARENA anhören, dort wird diesem Retrosound noch ausgiebig gehuldigt. MARILLION haben sich in den letzten Jahren stetig musikalisch weiterentwickelt und dabei viel Neuland betreten. Es gab dabei viele Höhen ("Brave" - das eindeutig beste Album bisher oder u.a. "Holiday’s in Eden" - zwar sehr poppig aber gut) und auch einigen Tiefen ("Afraid of Sunlight" oder der absoluter Tiefpunkt das letzte Album Marillion.com mit melodielosem, modernem Soundgebrabbel ala RADIOHEAD’s "Kid A") aber eines kann man MARILLION sicher nicht vorwerfen - berechenbare, sich wiederholende oder gar an Kommerz anbiedernde Musik. Mit dem neuen Album "Anoraknophobia", von den Fans verniedlichend mittlerweile nur noch "Anorak" genannt, machen es MARILLION den Zuhörern wiedereinmal nicht leicht. Gibt es doch viele solch facettenreiche und komplexe Tracks wie u.a. "Quartz" (eine New-Age mäßige ziemlich relaxt, experimentelle Nummer), bei dem innerhalb der über neunminütigen Spielzeit gleich mehrmals Stimmungen, Richtungen und die Intensität wechseln. Hier braucht man definitiv erst einige Durchgänge, um sich die Titel zu erschließen. Aber dieser "Aufwand" lohnt sich dann um so mehr, da die Kompositionen anschließend länger im Gedächtnis haften. Trotz aller modernen Sounds, Samples, Beats oder Loops, die in den Songs Verwendung finden, ist es zum Glück so, daß diese Bestandteile nur als ergänzende Stilmittel genutzt werden. Die Songs gehen daher nicht in der Moderne unter sondern haben, dank ihrer Substanz genügend eigenes Leben, um durch ihre tollen Melodien bestehen zu können. Auch die Gitarren haben MARILLION endlich mal wieder so richtig rausgelassen wie z.B. "Between you and me" - wann haben wir zuletzt so einen richtig fetzigen Rocksong von der Band gehört? Auf "Anorak" gibt es aber nicht nur starken Tobak sondern auch sofort eingängige Nummern wie das beinahe schon poppige "Map of the World" oder die tief-melancholisch, ergreifende Ballade "When I meet God" (hätte auch sehr gut auf "BRAVE" gepaßt!) sowie u.a. das durch die coolen Hammondorgel-Keyboards in einem richtigen DOORS-Soundgewand und mit viel Gitarrenpower versehende, "Separated out". Mit diesem ursprünglich von den Fans über Vorbestellungen (bevor es auch nur eine Note zu dem Album gab!!) finanzierte Album, haben sich MARILLION wiedereinmal ganz neu erfunden. Von leichtfüßig inszenierten Pop-Rock-Songs über jazzig/folkig angehauchte Tracks mit etwas Retro-Flair bis hin zu den atmosphärisch dicht inszenierten, groovigen Soundwänden, wie es etwa bei den U2-Alben Mitte der 90er klang, ist einfach alles vertreten. Was die Jungs um Maestro Steve Rothery hier an Ideen verbraten, ist schon fast akustischer Wahnsinn und hätte bei anderen Bands locker für mehrer CD’S gereicht. Und über all dem steht der intensive, einfühlsame und manche zerbrechlich wirkende Gesang von Steve Hogarth, anders als bei den letzten Werke verzettelt er sich nicht allzu sehr in weinerlichem Selbstmitleid ("The Fruit of the wild Rose"). Hingegen bei dem atmosphärischen "This is the 21st Century" nervt mich der Drumcomputer dann doch etwas - aber egal das wiedererstarkte und abwechslungsreiche Gitarrenspiel entschädigt dann hierfür wieder locker. MARIILION bieten auf "Anorak" eine so vielfältige Instrumentalität, Ideenreichtum und Melodiefülle, die man nicht komplett in die richtigen Worte fassen kann. Trotz aller Einflüsse an die Moderne ist das Ganze immer noch äußerst virtuos gespielter Rockmusik mit tollen Melodien, die irgendwie zeitlos zu sein scheinen und einen aufgeschlossenen Zuhörer nicht überfordert sondern in einer Art Endlosreise immer wieder dazu einlädt, etwas neues zu entdecken.
Momentan schießen junge Nachwuchsbands aus dem sogenannten Alternative Bereich auch wie frische Pilze aus dem Boden, wobei es hier aber (noch) nicht ganz so schlimm ist, wie im Power-Metal-Sektor, denn dort klingen 80 % der Combos (vor allem aus Italien) irgendwie wie eine (schlechte) Kopie von Helloween vor 15 Jahren. Doch zurück zum eigentlichen Thema - AMERICAN HIFI nennt sich dieser mir vorher relativ unbekannte Vierer aus den Staaten und das gleichnamige Debütalbum "American Hifi" wurde von keinem Geringeren als Multitalent BOB ROCK produziert. Nun nicht etwa, daß man dies jetzt auf der CD unbedingt heraushören könnte aber das richtige Gespür für Klasse Songs und griffige Riffs hat Meister ROCK auch diesmal an den Reglern nicht getrübt, denn die Produktion ist aller erste Sahne (z.B. bei "HiFi Killer"). Abwechslungsreiche Songs irgendwo ganz grob zwischen BLINK "4711" (vielleicht nicht ganz so punkig), 3 DOORS DOWN (teilweise auch ein paar Grungeschnörkler u.a. bei "My only Enemy" aber mehr schnellere Tracks) und CREED (nicht ganz so selbstbeweihräuchernd bzw. triefig bei den langsamen Sachen) beschreiben das Klangspektrum von AMERICAN HIFI am ehesten. Sie schaffen es dabei, trotz meist schon nach dem ersten Hörgang vermeintlich schnell eingängigen Liedern, nicht zu musikalischem Fastfood zu verkommen. Sicher komplexe Songstrukturen, oppulente Solos oder verspielte Details sucht man hier (meistens) vergebens, die Jungs kommen halt einfach auf den Punkt und das machen sie perfekt - es gibt dem Ganzen eine gewisse naive Frische. Hit-Singles gäbe dieses Album eigentlich auch zu Genüge her, denn Knallersongs wie "Surround" oder "A bigger Mood" sind genauso darauf vertreten wie schöne (Akustik-) Balladen z.B. "Safe on the Outside" oder "Another perfect Day", bei denen AMERICAN HIFI beweisen, daß sie auch die leisen Töne durchaus beherrschen und das ohne eine Hauch von Aufgesetztheit - klingt einfach ehrlich. "American Hifi" ist wirklich ein sehr gutes, zugegeben mainstreamiges (na und?!), Rockalbum mit tollen Riffs, knackigem Schlagzeug und guten Hooks geworden und dies reicht mir bei diesen Qualitäten auch schon aus um es ruhigen Gewissens weiter zu empfehlen.
Nach dem ersten Durchlauf war ich doch recht skeptisch. Die dritte Scheibe der fünf Jungs aus Kalifornien hatte sich nicht wie erwartet sofort in die Gehörgänge gefräst. Die beiden Vorgängerplatten, das recht heftige "S.C.I.E.N.C.E" und vor allem das in den Staaten mehr als 2 Millionen mal über die Theke gegangenen Platinscheibchen "Make Yourself" waren da irgendwie eingängiger (den chiligen Hit "Drive" sollte man kennen). Ob zu ruhig, zu verspielt oder in manchen Parts einfach nur zu ungewöhnlich - man entwickelt nicht sofort ein Gespür für die Songs - das braucht seine Zeit. Aber wenn man bereit ist diese Zeit zu investieren, fängt das Album an eine Stimmung zu verbreiten, die dem Titel "Morning View" gerecht wird. Und dann dauert es nicht mehr lange, bis sich das Gefühl einstellt dieser Morgen sollte eigentlich nie aufhören - und man einfach die Repeat-Taste am CD-Player drückt. Die Musik hat einen erstaunlich lockeren Groove und kommt über weite Strecken total relaxed daher, um dann plötzlich brachial einen Gang zuzulegen, allerdings immer nur für jeweils einige Augenblicke. Dann ist es wieder California-Crossover in bester Manier, wie schon beim Debüt von Incubus. Ansonsten ist das Ganze insgesamt eine Ecke sanfter geworden, selbst im Vergleich zu "Make Yourself". Der Weg scheint weiter in Richtung Alternative Rock mit Massenkompatibilität zu gehen; dies allerdings auf höchstem Niveau. Das was Sänger Brandon Boyd und seine Mitstreiter in hörbar gereifter Form hier eingespielt haben passt so richtig gut zusammen, und wurde durch eine professionelle und saubere Produktion von Scott Litt (u.a. REM, Days Of The New) abgerundet. Die erste Single "Wish You Were Here" und der Nachfolger "Nice To Know You” erinnern mit ihren zwischen ruhigen Midtempo und lauteren Parts wechselnden Abschnitten an die exzellente Vorgängerscheibe. Die herausragenden Stärken des Albums liegen aber vor allem in den abwechslungsreichen Stücken wie "Just A Phase", das zwar etwas braucht bis es zur Sache kommt, aber dann mächtig ins Ohr geht (das "scratchen" gehört wie selbstverständlich dazu, und Boyd’s Stimme zeigt hier einiges von seinem Charisma). Ebenfalls zu meinen Favoriten zählt das verspielte, mit vielen Ideen angereicherte und einigen Tempowechseln versehene "Under My Umbrella" und die beiden nahezu perfekten Songs "11am" und "Warning". Bei der Komposition der Stücke wurde hörbar viel Wert aufs Detail gelegt, was beim Zuhörer für immer neue Überraschungen sorgt und das Ganze nie langweilig werden läßt. Das asiatisch angehauchte "Aqueous Transmission" würde die meisten Freunde härterer Klänge für sich alleinstehend wohl eher kalt lassen. Hier ist der 8-minütige Rausschmeißer aber ein wirklich gelungener, weil beruhigender und wieder sanft an den Anfang der Scheibe führender Schluss. Wenn man diesen Longplayer schon mit anderen Größen des Genres vergleichen will, dann ist der Maßstab dafür das 99er Output der Red Hot Chili Peppers ("Californication"). Und bei diesem Vergleich schneidet "Morning View" mehr als gut ab. Die Konkurrenz im heimischen Kalifornien muss da erst mal wieder nachlegen, und wäre wohl zufrieden, wenn man überhaupt qualitativ gleichziehen könnte. Vielleicht sind Incubus sogar die besseren Peppers! Wir werden sehen!