Bryan Erickson hat angeblich aufgehört Drogen zu nehmen. Das ist ein bisschen wie Atombombe und umweltfreundlich. Unter dem Pseudonym Hexfix93 war er einer derjenigen, der auf exzessivem Drogenkonsum seine Kreativität begründet hatte. Zwischen politischen Statements und Bewusstseinserweiterung machte er sich mit Alben, geschmückt durch vielsagende Titel wie "Church Of Acid" oder "Fun With Knives" einen Namen in der düsteren Electroszene. Und nun isser also clean. Der alte Schwede sozusagen. Tut seiner Musik keinen Abbruch, ganz im Gegenteil hört man es erstaunlich wenig, dass die Songs nicht im Delirium entstanden sind. Und stellt somit den Sinn und Unsinn des Konsums illegaler Rauschmittel im Rahmen der Produktion eines Electroalbums etwas in Frage. "Hex Angel" ist erneut sehr düster geraten. Erneut wird wie wild aus Filmen gesamplet, in technischer Vollendung versteht sich. Ericksons Stärke war unter anderem schon immer die Fähigkeit, Samples perfekt in das Gesamtgefüge einzufügen und nicht als kahle Sounds separiert zu präsentieren. Und das läuft ihm auch nüchtern locker von der Hand, dabei scheint es beinahe egal, ob tanzbare Electroclubsound geschaffen wird oder derbster Industrial das Licht der Welt erblickt. Wenn er fette Distortion braucht - ok. Wenn ein Hardcore Techno Beat passt - bittesehr! Simpler EBM als Mittel zum Zweck - here we go! Schnell und hart oder langsam und soft - ganz wie es bleibt. Songs wie "East", die ganz klar in Richtung Tanzbarkeit schielen und dessen Rhythmus penetrant in die Beine geht geben sich mit heftigen Lärmorgien a la "Misery" die Klinke in die Hand. Und doch passt alles in das Gesamtgefüge, was dem Untertitel "Utopia-Dystopia" wie ein Soundtrack zur Ehre gereicht.
DEAFEAT machen es einem nicht leicht. Abwechslung ist gut, keine Frage. Und diese zelebrieren die Süddeutschen bis zum Exzess, was mich beim Hören der lediglich 4 Songs schon manchmal beinahe überfordert hat. Den Anfang macht ein mit nachdenklichen deutschen Texten versehener Track. Was akustisch beginnt, geht elektrisch weiter, die Gitarren rocken zwar nicht wie Hölle aber es wird eine ruhige metallische Grundlage für das Liebeslied geboten. Der Gesang ist stellenweise nicht sicher genug, die angenehme Tonlage und die schöne Melodie lassen darüber hinwegsehen. "Insanity" dagegen klingt, man verzeihe mir, belanglos wie die Schulband von nebenan und auch technisch Längen unter dem Durchschnitt. Seicht dümpelnder Rock, bei dem nur der vielseitige zwischen clean und Growls vor Schlimmerem bewahrt. "Von Bedeutung", eingeleitet von "Fight Club"(?) Zitaten ist Deutschpunk, die Gitarren schrammeln, der Text ist auf lockeren Wiederholungen auch dem Genre entsprechend aufgebaut. "Souleating Plague", der letzte der vier Songs, knüpft dagegen an die Stärken des Openers an, auch wenn hier alleine was Technik und Qualität, Tempo- und Gesangssicherheit angeht noch einiges im Argen liegt. Der Song hat erneut einige nette Ideen bei der Melodie, einige spannende Breaks und wiederum originellen Gesang. Leider fällt es mir schwer, der Band zu folgen und leider sind ein paar vermeidbare Fehler zu viel gemacht worden. Wenn das ganze deutlich professioneller umgesetzt würde, haben grade Songs wie "Souleating Plague" genug Potential und Eigenständigkeit!
DOSSCHE ist zwar deutsch, singt deutsch, und macht nen bisschen Metal. Reiht sich aber nur in Maßen in die Reihen der wiederentdeckten neuen deutschen S/W Ästhetik von Witt, Rammstein und Konsorten ein. Zumindest der Anspruch kreative Musik zu machen unterscheidet ihn von genannten Acts. Was dabei aber seine musikalische Botschaft ist, ist nicht leicht in Worte zu fassen und vielleicht ist genau dieser Umstand eine seiner Triebfedern. Harte Riffs und teilweise recht melodiearme Tracks abseits des Chorus vermittelt oft eine recht brachiale Härte, die dann genau wie die melodiösen Chorusses in krassem Gegensatz zu den fast ausnahmslos emotionslos und kühl vorgetragenen Texten stehen. Elektronik der Marke Break Beat gibt einen modernen Anstrich und schränkt die potentielle Hörerschaft ein. Denn tanzbar ist DOSSCHE nicht, von Ausnahmen wie dem auch als Single ausgekoppelten "Dreiklangsdimensionen" (RHEINGOLD Cover) abgesehen. Auch wenn die Musik nicht leicht zu durchschauen ist, so ist auch der geistige Anspruch gemäßigt und oftmals wird lieber mit Augenzwinkern etwas holprig gereimt anstatt sich abgehobener Poesie hinzugeben. Kreative Musik im Spannungsfeld von Anspruch und Hörbarkeit, psychischen Abgründen und subtilem Humor. Rockt!
Was ein programmatischer Titel, den die fünf Jungs da gewählt haben. Denn ihre musikalische Vergangenheit in Form elektronischer Musik der Marke Trip Hop, haben sie weit hinter sich gelassen. Wenngleich sie die Vergangenheit nicht verleugnen und hier und da Fetzen davon durchblitzen, so bieten sie auf "Bridge To Nowhere" jetzt sehr modernen Rock. Extrem positiv fällt dabei auf, dass die Elektronik, Scratches und Sounds zwar modern aber extrem entspannt klingt. Keine Spur eines Aggro Styles, kein hippes Gehüpfe - was bei anderen gleich nach Schublade klingt, wirkt bei HYPNOGAJA stilistisch ideal in Szene gesetzt. Sozusagen New Metal für die ältere Fraktion, nicht weniger explosiv aber deutlich weniger einem Modetrend unterworfen. Wobei Metal hier falsch ist, allenfalls Einschübe von Crossover, größtenteils aber Alternative Rock. Ihre Vergangenheit als Soundtracklieferanten für diverse US Serien hört man durchaus und diese äußert sich in glatten Melodien mit unglaublich starkem Gesang. Keine revolutionären Ideen, aber selten wurde das so perfekt verarbeitet. Ob das nun supercoole Intros wie bei "Nowhere", Akustikballaden wie "The Spaceman" oder lockere funky Sounds wie bei "Time Goes On" sind... so verbindet man Abwechslung mit rotem Faden! Die Mischung weiß zu unterhalten und ist für mich eine der spannendsten CDs des hoffentlich endlich endenden Sommers!
Die Hamburger von Strange Ways fielen bisher in erster Linie dadurch auf, qualitativ hohes Niveau zu bieten und sich nicht in die Überschwemmungssucht der anderen einzureihen. Was MORE MACHINE THAN MAN bei ihnen verloren haben, bleibt also schleierhaft. Wisst ihr was das sein soll? Das soll ein "Cybergoth-Electro/Industrial-Fetish-Multimediaprojekt" sein. Wer dem Genre Electro generell kritisch gegenübersteht, braucht "Electrolust" natürlich nicht eines Blickes würdigen. Soweit nicht verwunderlich. Traurig aber ist, dass selbst geneigte Ohren diesem Elektroschrott wenig abgewinnen werden können. Wenns Industrial wird, wird es uninspirierter und unkreativer Lärm - wohl grade weil einfach alle Register gezogen werden, die die Effektgeräte, Sampler und PCs so ausspucken. Wenn es rockiger zugeht, winken Ministry, KMFDM oder alte NIN - wenn auch meilenweit von deren Klasse entfernt. Und wenn das Stöhnen eines Weibchens gemischt mit martialischen Ansprachen eines Männchens schon fetisch ist, muss ich mein Weltbild etwas geraderücken. Manmanman... die Idee harte Elektronik mit Sex zu mischen ist so alt wie die ganze schwarze Szene. Das ganze derart lustlos umzusetzen, dass der Lümmel nur gelangweilt baumelt, aber schon beinahe unverschämt. Industrial ist eben mehr als sinnleeres Geballer. 130bpm alleine machen einen Track nicht tanzbar und nur den Mund aufmachen noch keinen Sänger. Ohne erkennbares Konzept reihen sich die Songs über eine quälend erscheinende Stunde aneinander. Da retten selbst die finalen Remixe von GUG oder RAZED IN BLACK wenig.
Ein sehr geiles, an H.R. Giger erinnerndes Cover ziert "Kill Maim Burn" von Debauchery. Dazu noch ein old-schooliges Logo und der Seitendruck "For Glory, Gore And Our God" und schon ist klar, da kann nur guter alter Death Metal im Silberling stecken. Richtig geraten, wer hätte das gedacht? Debauchery, die schon so einiges an Presseaufmerksamkeit bekommen haben und mit Hate Plow kurz vorm Fuck getourt haben, ballern sich auf der Platte so unbarmherzig und retro durch die Spielzeit, daß es eine Freude ist. Die Band orientiert sich dabei aber nicht am alten Schwedentod, sondern wildert in Revieren auf der anderen Seite des Atlantiks. Obituary haben ganz deutlich ihre Spuren im Sound Debaucherys hinterlassen, was vor allem an der Gitarrenarbeit deutlich wird. Naja, und da ist der Vergleich mit Six Feet Under nicht weit weg. Vor allem Sänger Thomas klingt verdammt nach dem guten alten bekifften Chris Barnes und liefert eine überzeugende Leistung ab. Vom Aufbau und dem eher getragenen Grundtempo erinnert "Kill Maim Burn" an die letzte Platte der Floridianer, hat aber einiges mehr an Abwechslung zu bieten und klingt nicht ganz so sehr nach Kiffermucke wie "True Carnage". Einen einzelnen Songs von "Kill Maim Burn" gebe ich nicht als Anspieltip an, die acht auf dem Longplayer vertretenen sind alle ziemlich gleich gut und werfen ein gutes Licht auf Debauchery. Guter Einstand!
Auf den ersten Blick hat sich wenig getan. Soweit ist das nach dem Debut auch zu begrüßen, die Veränderung liegt hier also im Detail. Die Eigenständigkeit als einziger deutscher Act dieser Sparte spricht ihnen keiner ab, Vergleiche zu HIM etc. sind passee. Doch wo liegen denn nun die Unterschiede? Wirkten auf "Erwacht" einige Songs und vor allem auch das Gesamtwerk an manchen Stellen noch etwas zu inhomogen, so sind die Songs jetzt deutlicher straighter geworden. Man hat als Hörer eher das Gefühl, nachvollziehen zu können, was in den Köpfen der Band vor sich ging - was zum einen bei den größtenteils persönlichen Texten zum einen nötig ist, zum anderen aber sich beides gegenseitig befruchtet. Das poppige Flair ist vielen Songs mit dem Debut gemein, harte Gitarren und manchmal auch extrem tanzbare Rhythmen lassen nicht nur die Herzen kleiner Goth Girlies höher schlagen, die natürlich an den Lippen des Protagonisten M. Schock hängen wie die Wäsche an der Leine. Dem Vorwurf, nur seichte Unterhaltung zu bieten, werden sie auch mit "Glamour" nicht entfliehen können, obwohl mir die Ansätze durchaus gefallen, nicht zuletzt wegen Stücken wie "Weiss Wie Schnee", das mit tragischer Thematik und traurigen Tönen in extremen Kontrast zum beispielsweise auch als Single ausgekoppelten "Tanz" steht, dessen Zuhause ganz klar die Clubs sind. Ordentlich rockenden Nummern, eine gewisse Dominanz an tragischen Themen ohne zu Tief im Sumpf der schwarzen Romantik und damit verbundenen Klischees zu wühlen, schöne Melodien und angenehmer Gesang ohne Pathos. Frische Sache!
Frauen am Mikro sind im Metalbereich noch immer ungewöhnlich, gerade in der Brutalo-Ecke gibt’s da nur wenige. Rachel (Sinister) oder Sabina Classen (Holy Moses) sind noch immer viel bestaunte Ausnahmen. Wobei Frau Classen wohl auch wegen ihres Alters und prollig-pubertärem Auftretens angestarrt wird haha. Desensitised aus dem schönen Holland reihen sich die Riege ein und haben mit Susan eine singende Bassistin, die sich die Gesangspart aber mit einem männlichen Kollegen teil. Ihre Stimme ist aber markanter als die des Sängers und verleiht dem thrashigen Death Metal einen ganz eigenen Charme. Eingespielt in ganzen 24 Stunden klingt die Platte recht roh, knallt aber genau richtig. Leider haben Desensitised noch keine wirklichen Knallersongs auf "Thriving On Carnage" versammelt, die Mucke rumpelt old-schoolig vor sich hin, ohne großartige Höhepunkte oder Überraschungen. Live wird sich die Mucke wohl ganz gut machen, auf Platte klingt’s ein wenig altbacken. Aber da die Aufnahmen schon fast zwei Jahre alt sind, wird’s wohl bald einen neuen Silberling geben, mal abwarten, wie der wird.
Endlich mal ein Platteninfo, welches die Mucke einer Band exakt beschreibt! Sollte es viel öfter geben! Laut besagtem Info spielen Obscurant Mid-Tempo Death Metal mit einem starken melancholischem Einschlag. Stimmt genau. Leider verschweigt das Info, daß die Finnen sich ausschließlich im Mid-Tempo aufhalten und über die gesamte Stunde nicht sehr viel Abwechslung da ist. Die Scheibe ist ideale Fahrstuhlmusik, die einzelnen Songs sind viel zu ähnlich, um unterscheidbar zu sein. Die Jungs sind an ihren Instrumenten fit, vor allem der Sänger beherrscht seine Stimmbänder, und die Produktion ist ziemlich gelungen, soweit die guten Seite von "Lifeform: Dead". Aber leider, leider schaffen es Obscurant nicht, ihre Songs unverwechselbar zu machen. Die Platte ist ein typischer Kandidat von "kennste einen, kennste alle", so schade daß bei der durchaus vorhandenen Klasse auch sein mag. Hin und wieder blitzen mal Ideen und kleine Spielereien auf, wie z.B. cleaner Gesang oder gelungene Breaks, aber die reichen bei weitem nicht aus, die Platte interessanter werden zu lassen. "Lifeform: Dead" plätschert dahin und lullt den Hörer ein. "Lifeform: Boring" wäre als Plattentitel angemessener.
Tomas "Tompa" Lindberg dürfte den meisten aus seligen At The Gates-Zeiten bekannt sein. Nach dem Split der Kultcombo war er aber nicht untätig und strapaziert sein Organ für alle möglichen Bands, unter anderem The Great Deceiver, Lock Up und (für kurze Zeit) The Crown. Naja, und Disfear halt. Bei denen lebt er seine rotzig-punkige Seite aus, spielen Disfear doch sehr punkigen Crust. Ohne Erbarmen auf die Ohren halt, ähnlich wie Moment Maniacs, Driller Killer oder Uro. Einige Grind-Einflüsse haben sich in den Sound der Band ebenfalls gemischt, was für Außenstehende aber wohl keinen großen Unterschied machen dürfte: Disfear sind einfach brutal as fuck! Viele Cruster haben das Problem, daß sie auf Dauer langweilig sind und man sich ihre Platte nicht so unbedingt bis zum Ende anhören muß, da ein Song dem anderen eh’ ziemlich gleich. Disfear haben dieses Problem auch, wenn sie auch sehr oft noch die Kurve kriegen und aus dem puren Crust-Geballer hin zu einem punkigerem Part kommen. Und Tompas Stimme hebt sich sowieso vom üblichen crustigen Brüllwürfel ab, das ist schon mal ein dicker Pluspunkt. Disfear haben mit "Misanthropic Generation" ein abwechslungsreiches, brutales Crust-Album abgeliefert, daß man sich ziemlich gut anhören kann. Die druckvolle Produktion von Nasum’s Mieszko tut ihr übriges dazu. Und wer die ganzen Gastheinis raushört, bekommt den goldenen Crust-Orden hehe.