Die Zeit der ganz großen Experimente scheint im Hause R.E.M zum glück endgültig vorbei zu sein, denn mit dem aktuellen "Around The Sun" Album schließt sich ein wenig der Kreis angefangen vom legendären 92er Werk "Automatic For The People", dem bisher sicherlich besten und auch erfolgreichsten in der Bandgeschichte, bis heute ins Jahr 2004. Als Indie-College Rock Pioniere sind die Jungs um Michael Stipe irgendwann Anfang der 80er Jahren mal losgezogen und haben sich bis hin zu AFTP mit wunderbarem (Alternative) Rock inklusive latent vorhandenen aber zunehmend schwindenden Folktrademarks hochgearbeitet. Danach mußte es auch vielleicht so einen kleinen Bruch geben, denn R.E.M. haben mehr oder weniger 10 Jahre damit verbracht sich weiterzuentwickeln, neu zu erfinden oder schlicht sich nicht fortwährend zu wiederholen. Dabei gab es für meinen Geschmack beinahe zwangsläufig einige musikalische Albenausfälle wie u.a. das relativ unmelodisch-krachige "Monster" oder auch das viel zu experimentell geratene "Up". Dann mit dem 2001er "Reveal" Release befanden sich R.E.M. bereits etwas mehr zurück im vertrauteren Fahrwasser. Mit der ersten Singleauskoppelung aus "Around The Sun" dem etwas verträumt eingängigen "Leaving New York" landete man seit langer Zeit mal wieder einen richtigen Hit aber sind noch einige weitere Songperlen auf dem Album vertreten. Als besonders gelungen muß hierbei das fast schon düster aber wunderbar packende "Final Straw" erwähnt werden. Ansonsten finden sich diese typisch fließenden mit Streichern sowie Klavierakkorden dominierten Balladen wie u.a. das etwas zerbrechlich wirkende "I Want It To Be Wrong" oder auch "Wanderlust". Der Dreier aus Georgia scheint nach sieben Jahren endlich auch den Abgang von Schlagzeuger Bill Berry menschlich verdaut zu haben und geht jetzt quasi back to the Roots mit brisanten politischen Texten (11. September, Irak Krieg), gelungenen Instrumentalpassagen und sogar Mandolinenklänge gibt’s wieder zuhören. Die nächste Auskoppelung müßte eigentlich das geradlinig, rockige "Aftermath" werden, bei dem mit ungewöhlich aber passenden Drumsamples angereicherten "Electron Blue" sowie dem mit einer toll spacigen Gitarre versehenen "The Outsiders" inkl. einer kleiner Rappassage von Ex-A Tribe Called Quester Q-Tip dürften sich so manche (Fan) Geister sicher wieder scheiden. Insgesamt aber ist "Around The Sun" zwar kein weiterer Meilenstein aber ein absolut unterhaltsames Album geworden. Für Liebhaber von zurückhaltendem Alternative Rock (Pop) mit leichten Folkeinschlag lohnt es sich auf jeden Fall mal reinzuhören. Auf die kommende Deutschland-Tour kann man sich somit ebenfalls freuen.
Ich habe Avantgarde noch nie darüber definiert, Sätze in möglichst kruder Grammatik zu formulieren. Die oft etwas gestelzt klingenden Texte der deutschen BETHLEHEM haben diesen Anspruch aber ja selber auch nie genannt. Und "Mein Weg" ist nicht die Musik die bei jedem Stammtisch gut ankommt. Die Gründe dafür sind vielseitig, erwähnte Texte sind sicherlich nur einer. Die Mischung aus Black Metal als eines Extrem und gehäuft eingesetzten fast, choral intonierten, cleanen Passagen mit hohem männlichen Gesang als anderes, fordert genauso wie die in sich sehr abwechslungsreichen Songs. Generell scheinen BETHLEHEM aber eingängiger geworden zu sein als je zuvor. Die beiden ersten Tracks kommen recht gradlinig rüber und sind zumindest musikalisch durchaus nachvollziehbar. Noch klarer wird nur die Folkpop –Ballade mit "Nothing Else Matters" Flair: "Felbel Fittich". So normal waren BETHLEHEM definitiv noch nie. Gewöhnungsbedürftig sind Songs wie "Im Sog" aber geblieben, insbesondere an den stets unorthodox und nicht selten überzeichnet pointierten Vocals auf dem Album werden aber sicherlich weiter die Geister scheiden. Die Mischung aus EISREGEN mit Hirn im Kopf und GOETHES ERBEN mit Arsch in der Hose, dazu eine recht fette Produktion mit durchaus auch mal bratenden Gitarren und die enorme Vielseitigkeit räumen BETHLEHEM zumindest eine Exotenrolle im Vorweihnachtsgeschäft ein. Und machen "Mein Weg" damit zu einer Sache, die der experimentierfreudige Metaller durchaus antesten sollte.
Manchmal gibt es doch noch Gerechtigkeit in der Metal-Welt. ILLOGICST haben in den letzten Jahren zwei sehr geile MCDs eingespielt und sich als eine der technisch anspruchsvollsten Metalbands, die zur Zeit im Underground rumkrebsen, einen Namen gemacht. Crash Music wurde auf sie aufmerksam und nahm die Jungs unter ihre Fittiche, so dass "Subjected" nun weltweit zu haben sein wir. ILLOGICIST zeigen auf "Subjected" wieder einmal, wo der Hammer beim technischen Death Metal hängt - noch mehr Gefrickel, noch mehr Jazz-Parts (gerade bei den Drums), noch mehr Breaks gehen einfach nicht. Sänger Luca klingt immer noch wie eine Mischung aus Jeff Walker und evil Chuck und passt damit 100% zur Mucke, denn Namen wie DEATH oder CARCASS fallen fünf Sekunden, nachdem man die Scheibe angemacht hat. "Subjected" braucht zwar einige Durchläufe, was bei dem komplexen Material aber auch nicht anders zu erwarten war, zündet aber mit jedem Mal ein klein wenig mehr. Das ist technischer Death Metal vom Feinsten, vorgetragen von vier Muckern, die absolute Könner ihrer Instrumente sind und die bei allem Gefrickel und technischen Anspruch nie die Eingängigkeit ihrer Songs vergessen, so dass "Subjected" auch für den durchschnittlichen Metalhead interessant bleibt. Ganz, ganz große Scheibe! ILLOGICIST stehen ab sofort als würdiger DEATH-Nachfolger ganz oben bei mir!
Es gibt nicht viele Bands in Deutschland, die Wörter wie "Kakerlakenaugen" in ihre Texte einbauen oder die Songs mit "My Private Puff" betiteln. Die lyrische Grenzerfahrung ist bei teils scharfer Alltagsbetrachtung und teils verquerer Aneinanderreihung gut klingender Phrasen vorprogrammiert. STENDAL BLAST kalkulieren definitiv nicht damit, jedem zu gefallen. Und es ist grade die Ambivalenz ihrer Songs, die den Hörer stets auf dem Grad zwischen Nonsens und zweideutiger Tiefgründigkeit führt. Knallen tanzbare Tracks wie "Die Totale Disco" oder die Egoshooterhymne "Headshot" ohne größere Umwege direkt ins Hirn, zeugt nicht nur "My Private Puff" bei aller textlicher Klarheit von einem scharf beobachtenden Auge, die ohne pathetische Lautmalerei auskommt. Musikalisch reagiert man dagegen auf innovativer Sparflamme. Gelänge es der Band um den sympathischen dicken Mann an diesem Punkt manchmal den gleichen Scharfsinn an den Tag zu legen, mit er einfache Worte und Alltag zu einem ganz und gar nicht banalen Cocktail mischt, stünden STENDAL BLAST mehr Türen offen. Keiner anderen Band würde ich einen Song abnehmen, bei dem der Papa des Protagonisten im Studio anruft ("Im Monsun") und der Song sogar unterhaltsam ist. Das letzte Album "Fette Beute" bot in meinen Augen musikalisch etwas mehr, insbesondere die gemeinsamen Songs mit VELJANOV hatten doch mehr spannende Parts in petto als die totgehörten BLUTENGEL Harmonien auf "Schmutzige Hände". Nichtsdestotrotz ist "Schmutzige Hände" typisch STENDAL BLAST geworden, die Fans werden es lieben, die meisten anderen hassen bis lächerlich finden und einige BLUTENGEL Fans erschreckt aus dem Fenster springen. Die CD ist auch als limitierte 2-CD mit Kurzgeschichte von Kaaja Hoyda erschienen.
Schon das erste Lebenszeichen von SNIPER in Form des 2003er Demos hinterließ bei mir einen guten Eindruck und mit der neuen Scheibe "Your World Is Doomed" (in klassischer DEICIDE/ SLAYER-Länge) zeigen SNIPER, dass sie ein ganzes Stück weitergekommen sind. Es regelt immer noch die gute alte Thrash-Keule, wie sie früher SLAYER mal gemacht haben, garniert mit ein wenig altem Death Metal. Nix Neues, aber schon ziemlich routiniert gezockt und streckenweise sehr eingängig. Vor allem "World Funeral" hat mir richtig gut gefallen, der ist sowohl Mid Tempo-Stampfer als auch klassisch schneller Thrash-Song. Shouter Rupert bewegt zwischen Thrash und Death hin und her und macht in beiden Welten eine gute Figur. Wie schon gesagt ist die Mucke nicht sonderlich innovativ, aber macht dafür einfach Laune und so ein schönes altes Thrash-Brett gibt’s ja auch nicht mehr so oft. Man kann die Energie und den Enthusiasmus der Jungspunde förmlich spüren. Die Produktion geht auch mehr als in Ordnung (wusste gar nicht, dass in Rotenburg ein Studio existiert?), also spricht für Freunde gepflegten Thrash Metals nicht viel dagegen, ein paar Euro an die Band zu schicken und dafür die CD einer aufstrebenden Metalband zu bekommen. Support The Underground!
Klassischer Neo Prog Rock ist angesagt - zumindestens was diese Formation von unseren Multikulti gescholtenen Nachbarn aus den Niederlanden Namens RICOCHER betrifft. Wie man aus den amtlichen Quellen entnehmen kann, gibt’s die Jungs bereits seit 1993 und so handelt es sich bei dem aktuellen "Chains" mittlerweile um Album Nummero drei. Ganz so billig wie die spartanische Promo mit papierkopierten Cover sowie gebrannter CDR zunächst vermuten lies, hört sich die Musik dann zum Glück nicht an. Die Produktion geht insgesamt jedenfalls in Ordnung, als Produzenten fungierten dabei keine ganz Unbekannten, denn Oliver Philipps & Christian Moos sind ansonsten als Musiker bei EVERON tätig. Allerdings haben die beiden anscheinend nur recht wenig inhaltliche Schwerpunkte setzen dürfen/können, denn der über weiter Strecken präsentierte Prog von RICOCHER kommt doch ziemlich altbacken und vor allem ziemlich unselbständig daher. Aus allen "Ecken" oder besser gesagt in allen auf "Deifel komm raus" mit typisch zugekleisterten Keyboardsounds geglätteten Songstrukturen, klingen solch führende Genreacts wie PENDRAGON, ARENA oder IQ überdeutlich heraus. Mmit eigenen Ideen oder gar Innovativen sieht es da eher etwas mau aus. Sänger Erwin Boerenkamp erinnert bei den hohen Passagen doch mitunter stark an RUSH, doch dies stört nicht weiter, die Gitarren, wenn sie mal etwas losgelassen wie gegen Ende agieren dürfen, können durchaus gefallen (die Solos erinnern zunehmend an ganz alte MARILLION Alben) im Gegensatz dazu ist das leicht monotone Drumming nicht ganz so überzeugend. Es gibt einige Songs mit Unterparts ansonsten gehen die Tracks meistens mehr oder weniger ineinander über, stimmungsmäßig verläuft die Betonung eher in ruhigeren Bahnen, wenn auch stellenweise einige bombastisch rockende Stellen zu finden sind - insgesamt könnten RICOCHER ruhig etwas mehr Gas geben. Wie gesagt, mir kommt einfach vieles auf "Chain" so vor, als hätte man es schon mal irgendwo (besser) gehört, was nicht gleichzeitig bedeutet, daß die Band schlecht wäre aber will man eine Daseinberechtigung haben muß bei der nächsten CD etwas mehr Eigenständigkeit her. Als kleiner Tipp seien hier nochmals die deutschen Underdogs von MARTIGAN erwähnt, die eindrucksvoll gezeigt haben, wie moderner und abwechslungsreicher Neo Prog Rock klingen sollte.
Australien scheint sich ja zu mausern, denn neben tollen Bands wie BLACK MAJESTY oder EYEFEAR tritt jetzt noch ein gänzlich unbekanntes Trio namens WITHOUTEND auf den Plan, das mit seinem gleichnamigen Debüt für eine plötzliche Glückshormonausschüttung sorgt. Mal ganz ehrlich: stellenweise erinnern mich WITHOUTEND an ihre leider nicht mehr existenten Landsleute von VAUXDVIHL, was den vertrackten, aber jederzeit nachvollziehbaren Stil und auch den klaren, hochemotionalen Gesang betrifft. Das gesamte Album wird einer schwer zu beschreibenden, schwermütigen, dabei aber nicht depressiven Grundstimmung durchzogen. Die Stücke sind meist sehr sanft, aber auch hymnisch aufgebaut; Radiotauglichkeit vermischt sich mit hohem Anspruch. Der Hörer benötigt drei, vier Durchläufe, bis sich das Material völlig erschließt, aber dann wird man mit einem Album belohnt, das man sich ständig anhören kann, das bei jedem Durchlauf erneut Spaß bereitet und sich nicht abnutzt. Sogar drei Gastmusiker hat man dem Werk gegönnt: zwei Keyboarder und eine Operndiva (nicht unbedingt nötig…) unterstützen die Band, was die Stücke noch mit etwas getragenem Bombast würzt. Wie bereits erwähnt, ist es nicht einfach, den mal flott - simplen und im nächsten Moment wieder sehr anspruchsvollen, aber immer songdienlichen und dynamischen Stil von WITHOUTEND zu beschreiben. Aber Stücke wie der obergeile, überlange Opener "Again", der sehr eingängigen Hit "Analyse", die (gerade beim Gesang) etwas an METALLICA erinnernde Ballade "I Still Remember", das dramatische "Descend" oder das mitreißende "Comfort Zone" sprechen Bände und können nur im Selbsttest richtig ausgelotet werden. Wer gerne eine Scheibe hören möchte, die auf der einen Seite schön vertrackt, progressiv und anspruchsvoll ist, auf der anderen Seite aber mit einer mit HIM oder REAMONN vergleichbaren Eingängigkeit und Hitverdächtigkeit aufwartet, wird hier reichlich belohnt werden. Ein klasse Album eines klasse Newcomers!
Die lauten Schweden melden sich zurück. Und wie! Nach den fetten Longplayern "La Grande Danse Macabre" und "World Funeral" können MARDUK noch einmal nachlegen und brettern uns ein Hassinferno par excellence um die Ohren, dass zu keiner Sekunde erkennen lässt, dass kürzlich die Hälfte der Band ausgewechselt wurde. Statt B. War greift nun Devo Andersson in den Bass und Kult - Grunzer Legion wurde gegen Altmitglied Mortuus ausgetauscht. Wer allerdings glaubt, dass der zurückgekehrte Fronter nicht an seinen Vorgänger heranreicht, sieht sich schwer getäuscht. Mortuus keift, kotzt und kreischt, dass es eine Wonne ist und wirkt dabei zumindest auf mich sehr "Göteborg - orientiert". Das ist auch einer der Hauptgründe, warum man die Band weder dem tiefer gelegten Death Metal, noch dem eher höhenlastigen Black Metal exakt zuordnen kann. Herr Pobereit würde jetzt sagen: "Und das ist auch gut so!", denn so sichern sich die Schweden ihre eigene kleine Nische und können mit alles zerschmetternden, meist pfeilschnellen Donnerbalken wie dem räudigen Opener "The Hangman Of Prague", dem abwechselungsreichen "Throne Of Rats", der Dampframme "Steel Inferno", dem schweren Midtempo - Stampfer "Perish In Flames" oder der Wahnsinnshymne "Warschau" ohne Ende Punkte einfahren. Egal, welchen Song man anspielt (das Intermezzo "Deathmarch" ausgenommen - Morgan kokettiert gerne und öfter mit Nazi - Klischees, - und Geschichten…), es tobt das Donnerwetter, die fräsenden Riffs knallen im Sekundentakt in die Rübe und die schiere Überschallpower lässt einen nicht mehr los. Der gute Emil Dragutinovic massiert sein Drumkit ähnlich sanft wie sein Landsmann Matte Modin von DARK FUNERAL und knüppelt sich um Kopf und Kragen. Abgerundet von einer Hammerproduktion (für die die Band diesmal wieder selbst verantwortlich war, kein namhafter Producer) und einem morbide - geschmackvollen Cover, ergibt "Plague Angel" eine der besten, professionellsten und schlichtweg geilsten Extrem - Metal - Platten des Jahres. Immer schön auffe Zwölf!
Es gibt Sampler, über die freut man sich auch dann, wenn gar kein überragender Track drauf ist. "Tervetuloa Kioskiin Vol. 2" ist der zweite Label-Sampler des ELÄKELÄISET-Heimathafens Humppa Records. Deren Tug-Mailorder - beziehungsweise der Plattenladen Kioski in Nürnberg - bereichert unsere Lauschlappen schon seit geraumer Zeit mit aussergewöhnlichen und abgedrehten Pretiosen aus dem Land der tausend Seen, 6 Millionen Nokia-Handys und der Sprache mit den angehängten Wortbedeutungen. "Tervetuloa... 2" ist schon im Hochsommer erschienen, uns aber leider durch die Lappen gegangen. Zu dumm, denn der Trip in den mückenverseuchten Sommer beginnt schon auf dem Cover und geht weiter mit dem Bild vom Bratfisch auf der CD selbst. War der erste Teil der Label-Umschau noch einladend mit dampfend heißem Kaffee bebildert, geht es auf Teil 2 auch der Mahlzeit entsprechend ruppiger und direkter zur Sache, Rock und Experimentelles sind Trumpf: Der gemeine Finnland-Fan weiß wohl, worauf er sich einläßt, gesungen wird vorwiegend finnisch. Unter den bekannteren sind ELÄKELÄISET (hört sich an, als würden sie Blackmetal covern) und ihr metallischeres Side-Projekt KUMIKAMELI; THE NIGHTINGALES und BOOMHAUER haben erst kürzlich zusammen die Republik betourt, KOTITEOLLISUUS konnte unsere Anordnung auf dem Tuska-Festival beobachten, und endlich, endlich sind Helsinkis Skandal-Punker APULANTA via Kioski auch in Deutschland zu bekommen. Fazit: Über eine Stunde Urlaub für alle Finnland-Fanatiker. Und wahrscheinlich der preiswerte Start in einen kostspieligen Einkaufsbummel...
Eigentlich hat sich nicht viel verändert. Zum 5. Studioalbum hat man als Rezensentin noch genauso große Probleme, DIE APOKALYPTISCHEN REITER mit Worten angemessen zu umschreiben wie beim allerersten "Softer And Stronger". Und das ist gut so. Denn obwohl sich viel verändert hat - gleich ist geblieben, dass die REITER nach wie vor in kein Schema passen, überraschen und durch Vielseitigkeit, nein sogar Unberechenbarkeit bezirzen. Zum ersten Mal haben die REITER mit dem süßen, mitsingkompatiblen Chorus und dem griffigen Gitarrenhook von "Eruption" echtes Hitpotential dabei, das auch Mama, Papa und kleiner Bruder lieb haben und aus voller Seele mitsingen können, selbst das Video ist witzig. Allerdings passt der Song trotzdem in kaum ein mir bekanntes Radio-Format. Auf dem Album folgt mit "Rock’n’Roll" ein dreckiger Bastard von Song auf dem Fuße, gewürzt mit kreischenden Gitarren und viel Gegrowle. Und ab dieser Stelle ist "Samurai" unpopbar: Jeder Song kann genauso schnell von Death Metal zur Hymne umschlagen und wieder zurück wie "Silence Of Sorrow", "Der Teufel" kommt standesgemäß mit Black Metal-Mantel daher, so dass selbst Dani von CRADLE und Shagrath von DIMMU Pest als Keyboarder für das nächste Bandkarussell im Hinterkopf behalten müssen. Die überraschenden Winkelzüge lassen schlagartig die Türen in WGs ins Schloß knallen und scheiden die Spreu von den "Reitermaniacs". Die gleichnamige Ode an die Fans ist ein bisserl zu pathetisch, aber da kann man drüber hinwegsehen. Die wichtigste strukturelle Änderung bekommt der Laie erst beim bewussten Hinhören heraus: Denn obwohl DIE APOKALYPTISCHEN REITER zum Aufnehmen bei Tue Madsen in den Antfarm Studios in Dänemark waren, ist "Samurai" keine typische Antfarm-Produktion geworden. Klar, der Sound ist fett - und "Eruption" hat kleine und feine Effektspielereien, aber einen loungigen Reggae-Song wie "Lazy Day" hätte man am wenigsten aus der derzeit angesagtesten Metalcore-Schmiede erwartet. Vielseitiger Produzent, vielseitige Band, geiles Album.