Na gucke da! Unsere belgischen Nachbarn können anscheinend nicht nur kleine Kinder erschrecken, sondern haben auch Rock´n´Roll im Blut. Zwei Eigenschaften, die man gut miteinander kombinieren kann… aber lassen wir das. Das Sextett EL GUAPO STUNTTEAM, das in Szenekreisen bereits einen gewissen Kultstatus genießt, dürfte Fans von rolligem Southern Blues Rock und den verwandten Genres durchaus gefallen, auch wenn nicht wirklich hart zur Sache gegangen wird. "Accusation Blues" (das laut Info nur als 180 Gramm-Vinyl erscheint) wildert tief in den 50er, 60er und 70er Jahren und lässt Erinnerungen an Bands wie LYNYRD SKYNYRD, ROLLING STONES oder LED ZEPPELIN aufkommen, wobei sich die Jungs bemühen, noch eine Schippe Dreck oben drauf zu legen. Aber richtig Durchschlagskraft hat das Album nicht, weil die Songs über weite Stecken sehr dröge und relativ kraftlos tönen; jedenfalls dürfte das die große Menge an Hard Rock- und Metalfans so sehen. Zudem besitzen viele Parts den Charakter von ausgedehnten Jam-Sessions, was das Album noch schwerer konsumierbar macht. Nach vier, fünf Durchläufen kann ich nur sagen, dass Freunde von ewiggestrigem, staubigem Rock´n´Roll das Album ruhig mal anchecken können, der Rest kann hier aber einen großen Bogen machen.
Melbourne, Australien - kein Wunder, dass THE CASANOVAS geradezu unverschämt nach AC/DC, Rose Tattoo und anderen Rock’n’Rollern. Allerdings mutieren die Jungs dabei derart zur professionellen Cover-Band, dass es ärgerlich ist. "Shame On You" klingt schon fatal an Angus und seine Kumpels, "California" an DAD - und die Reihe ließe sich unendlich fortsetzen. Kiss, ZZ Top, alte Rock’n’Roll-Ikonen, hier wird alles nachgemacht, was nicht niet- und nagelfest ist. Sicherlich machen das viele andere auch, sicherlich ist das alles gut gemacht, macht viel Bock zu noch mehr Party und Bier - aber THE CASANOVAS haben einfach so gar kein eigenes Antlitz. Da passt es prima, dass sich das Presse-Info mit den Kontakten der Band zum gerade verstorbenen Pete Wells (R.I.P.) brüstet … An der aufkommenden Langeweile kann auch das enthaltene Video zu "California" nix ändern, trotz vieler Menschen, Tiere und Sensationen am Venice Boulevard. Sowas gibt’s: Hochgradig toll gemachte Scheibe ohne jegliches Herz, ohne Leidenschaft. Jedenfalls kommt’s nicht rüber, trotz überragender Einflüsse.
Arschtritt-Rock’n’Roller wollen die Schweizer sein, sehen mit Zylindern, Lederjacken, zerrissenen Jeans und extrem cooler Mimik auch so aus. Und auch musikalisch erfüllen die fünf Eidgenossen jegliches Klischee der Marke Crüe oder Guns & Roses. Texte der Marke "When I move to the next city, my hair looks pretty” (oder so) sind ncht gerade ein lyrisches Feuerwerk - was aber natürlich auch für alle möglichen anderen Metal-Spielarten zutrifft. Musikalisch geht’s mal sleazy zu, mal trocken, mal echt rock’n’rollig-prollig, mal schweinisch, eben laut und groovy. Die Sache ist vom Vetterli (Coroner und Co) gut produziert und von den Jungs ansprechend eingespielt. Dennoch fallen nur zwei Songs aus der Raster und trotzen der Langeweile. Das ist zum einen das sehr ohrwurmige "The Coast", zum anderen die Ballade "Feeling Like A Bitch". Insgesamt zu wenig, um ein Genre zu befruchten, in dem das Meiste schon gesagt ist. Ich hör’ lieber eine alte Disneyland After Dark oder Rose Tattoo. Aber richtige Rock’n’Roller dürften auch schweinisch viel Freude an BACKWASH haben.
Das Wichtigste an dieser Band ist sicherlich das Mitwirken Peter Tägtgrens, der das Album im Abyss produzierte und mixte. MARYSLIM ist keine Zigaretten-Marke für katholische Yuppie-Frauen, sondern eine Punk’n’Roll-Band aus Schweden, die den Bogen von Bad Religion über die Hellacopters hin zum bodenständigen Hard Rock schlägt. Vorzüge der Musik: Klebrige Melodien, catchy Songs zum Tanzen, Flippen und Mitwippen, toller Sound. Nachteile: Die Scheibe verliert sich recht schnell in der Belanglosigkeit und das Cover des Sisters-Songs geht bestenfalls als Anbiederung an die Fans der mittourenden Band The 69 Eyes durch, streng genommen ist sie einfach Grütze. Was bleibt? Eine ganz spaßige Scheibe zum Autofahren, zum nebenbei hören oder wer’s braucht, zum Tanzen. Letztlich ist das nicht viel für den Erwerb eines neuen Tonträgers, denn solche Scheiben haben die meisten ohnehin im Regal stehen. Vielleicht doch lieber eine rauchen?
Die METEORS sind DIE Institution in Sachen Psychobilly. Sie sind seit über 25 Jahren im Geschäft, haben über 40 offizielle Alben veröffentlicht und bezeichnen sich durchaus zu Recht als die Könige des Psychobilly, haben sie diese Musikrichtung doch quasi erfunden. Dass sie noch lange nicht müde sind, zeigte schon das geniale Solo-Album von Gründer und Bandkopf P. Paul Fenech vom letzten Jahr. Und jetzt setzt er zusammen mit seinen beiden Mitstreitern noch einen drauf. Denn "Hymns For The Hellbound" ist nicht nur ein METEORS-Album auf gewohnt hohem Niveau, sondern zeigt, dass die Band immer noch besser wird und sich immer noch weiter entfaltet. Der Sound ist wie gehabt purer METEORS-Psychobilly: Surf-Gitarren treffen auf einen klackernden Kontrabass und den für P. Paul Fenech so typischen, morbiden Krächz-Gesang, alles produziert in trashigem Horror-B-Movie-Sound, der so unglaublich sexy daher kommt. Aber was die Jungs da an Vielfalt bieten, schlägt alles. So geht es vom treibenden, surfigen Opener über das durch ein Banjo unterstütze Country beeinflusste "Phantom Rider", das bedrohlich langsame Jody Reynolds-Cover "Endless Sleep", das rock ´n rollige "We Wanna Wreck Here" bis hin zum oberdreckigen Surf-Instrumental "The Cutter Cuts While The Widow Weeps". Überhaupt der Gitarren-Sound von Meister Fenech: Er könnte ein direkter Schüler von Dick Dale sein, so wunderbar hallig, dreckig und cool lässt er seine sechs Saiten erklingen. Sicher, P. Paul Fenech riskiert öfter mal eine dicke Lippe. Dieses Album zeigt aber, dass er sich das durchaus erlauben kann. Einen derartigen Genie-Streich von einem Album muss erst mal jemand nachmachen. Die METEORS scheinen grade erst zur Höchstform aufzulaufen.
Der US-Amerikaner mit dem deutschen Vornamen hat es offenbar nicht eilig. Seit 12 Jahren spielt er jetzt schon mit seinem Trio so genannten Punk Swing, 1997 und 2000 erschienen in den USA seine ersten beiden Alben und erst jetzt gibt er mit "Room Nineteen" sein Europa-Debüt. Auf die üblichen Swing-Ingredienzen, nämlich Bläser-Sektion und Kontrabass, verzichtet er komplett, eine dreckige Gitarre und ein E-Bass tun´s schließlich auch. Dadurch vermischt er perfekt den Swing Jazz der 30er und 40er Jahre mit ursprünglichem, rauen Rock ´n Roll, was einen gleichermaßen coolen wie explosiven Sound ergibt. Die ersten vier Tracks sind noch klar Rock ´n Roll dominiert und gehen dermaßen nach vorne ab, dass man unmöglich ruhig sitzen bleiben kann. Mit "Mata Hari" wird es dann in Form von cleaner Gitarre und dezentem Swing-Beat etwas ruhiger und im darauf folgenden "Half Way Around The World" wird das Tempo noch mal etwas gedrosselt und es kommt ein Piano zum Einsatz. Später folgt dann mit "Lonely Just Like Me" noch ein schneller Western-Song, mit "Whisper Something German..." (sic) eine stampfende Blues-Rock-Nummer und mit "To Say You Love Me" ein grader, treibender Rocker. Eins dürfte zumindest deutlich geworden sein: Mit dem Mann wird einem nie langweilig! Und trotz der Stil-Vielfalt wird alles von seiner Stimme zusammengehalten, die meist eher glatt und cool rüberkommt, aber an den richtigen Stellen zu kratzen weiß, was ihn insgesamt wie eine Mischung aus Brian Setzer und Chris Isaak klingen lässt. Der ultraschnelle Scat-Gesang bei "The Mice, The Demons And The Piggies" haut einen dann aber schlichtweg aus den Latschen. Dieses Album ist voll von Energie und Spielfreude, aber auch von Ideenreichtum und Leidenschaft. Eine kleine Sensation!
Nach dem Re-Release von "Brought Back To Life" im Jahr 2005 gibt es jetzt endlich wieder etwas wirklich Neues von dem dänisch-US-amerikanischen Trio um Bandkopf Kim Nekroman zu hören. Zwei Veränderungen fallen sofort ins Auge bzw. ins Ohr: Zum einen hat Kim Nekroman mit Troy Destroy (Ex-REZUREX) und Wasted James (Ex-REZUREX, TIGER ARMY) zwei neue Mit-Musiker an Bord. Zum anderen wurde bis auf die Drums sämtliches Material selbst aufgenommen und produziert - und zwar in Kims Garage. Beides führt dazu, dass der Sound wieder transparenter daher kommt als auf dem letzten regulären Album "Dead Girls Don´t Cry" von 2004, das etwas dumpf und wummerig ausgefallen war. Denn neben der dadurch bedingten authentischen Produktion spielt Troy Destroy einen etwas cleaneren Sound und Wasted James weniger brachial als jeweils die beiden Sandorff-Brüder, was allen Instrumenten mehr Platz lässt. Beide Musiker sind also ein echter Gewinn für die Band, und besonders Troy Destroy begeistert durch sein gleichzeitig dreckiges wie virtuoses Spiel. Vom Stil her hat sich nicht viel verändert, aber die Songs fallen deutlich vielfältiger aus als auf "Dead Girls Don´t Cry". So gibt es neben den üblichen treibenden Psychobilly-Stücken wie dem Opener "NekroHigh" und den eher swingenden Rockabilly-Nummern wie "Horny In A Hearse" mit "Fantazma" auch einen Song mit Country-Einfluss zu hören, "Out Come The Batz" überrascht durch angejazzte Akkorde in der Strophe und "Anaheim After Dark" ist eine bluesige Ballade, die auch eine düstere Version eines Brian Setzer-Songs sein könnte. Auch wurde wieder mehr Wert auf eingängigere Refrains gelegt, die oft mit mehrstimmigen Background-Gesang unterlegt sind und von denen sich viele direkt im Gehörgang festsetzen. "Life Is A Grave & I Dig It!" ist mehr als ein gutes Album, es ist ein Vorzeigestück dafür, wie Psychobilly- und Rockabilly-Musik heute klingen sollten. Und man kann nur hoffen, dass Kim Nekroman mit seinen neuen Mitstreitern bald auch wieder auf europäischen Bühnen stehen wird, um uns mit seinem Coffin Bass die Ohren wegzurocken.
Seit zehn Jahren existiert diese Kieler Band bereits, doch außer einigen Achtungserfolgen, unter Anderem als Anheizer für SAXON, konnte man bislang nicht viel reißen. Nicht so günstig dürfte sich auch ausgewirkt haben, dass das Quartett für sein nunmehr drittes Album ganze vier Jahre benötigt hat; eine Zeitspanne, in der eine Band gerne mal in Vergessenheit gerät. Mit "Gutbucket", das man vielleicht auch aus diesem Grund demonstrativ selbst betitelt hat, möchten die Jungs gerne wieder Anschluss an die Szene finden, doch gemessen an der langen Zeit, haut mich das Album nicht wirklich vom Hocker. Der rotzige Rock´n`Roll enttäuscht zwar nicht völlig, doch kommen die Stücke allesamt sehr uninspiriert und vorhersehbar daher. Songs wie "Show", "Burn The Radio", "Gimme Some Action" oder "Body Go Whooo” (platter geht´s nimmer…) bedienen das "Sex, Drugs and Rock´n´Roll”-Klischee zwar passabel, aber ohne Überraschungen, viel Dynamik und ordentlich Dampf in den Kesseln. Misst man GUTBUCKET an TURBONEGRO, BACKYARD BABIES, PEER GÜNT und Co., dann erreichen sie weder deren dreckige Attitüde noch ansatzweise deren Energielevel. "Gutbucket" ist somit ein nettes, durchschnittliches Album, aber beileibe keine Pflichtveranstaltung.
THEE MERRY WIDOWS aus Nordkalifornien gelten als die erste rein weibliche Psychobilly-Band. Nach einer selbst betitelten EP aus dem Jahr 2004 erscheint jetzt das erste komplette Album, das klassischen Psychobilly mit Horror- und Surfpunk kombiniert. Das klingt erstmal viel versprechend, und insgesamt fahren die fünf lustigen Witwen auch einen ganz guten Sound. Allerdings will der Funke letztendlich doch nicht so recht überspringen. Das liegt zum einen an der Stimme von Sängerin Miss Eva von Slut, denn die klingt bis auf einige dreckige Shouts ziemlich dünn, kann sich selten richtig durchsetzen und ist kaum variabel. Dasselbe Problem hat aber die gesamte Band, denn auch musikalisch bleibt alles durchgehend auf einem Level. Tempi, Harmonien, Gesangslinien - alles klingt sehr gleich und beliebig und wird irgendwann recht langweilig. Und so richtig kicken tut´s an keiner Stelle, was durchaus daran liegen kann, dass die Drums extrem in den Hintergrund gemischt worden sind. Wenn auch die ersten Tracks noch Spaß machen, können die Mädels über die Länge eines ganzen Albums nicht überzeugen.
Die Band-Geschichte der Londoner Psychobillys THE GRIT scheint von der Suche nach Musikern geprägt zu sein. Ständig stiegen Bandmitglieder aus und mussten ersetzt werden, was natürlich die Entwicklung beeinträchtigte. Der lange Prozess macht sich jetzt aber bezahlt, denn mit ihrem zweiten Album haut der Vierer eine Granate raus, die nahezu alle derzeitigen Psychobilly-Veröffentlichungen in den Schatten stellen dürfte. Wobei Psychobilly hier viel zu kurz gefasst ist, denn die Scheibe zeichnet sich durch extreme Vielfalt aus. Sind Songs wie "The Ones" oder "Execution" punkige Abgeh-Nummern, geht es bei "Fear And Consumption" in Richtung swingenden Rockabilly, klingt der großartige Mitgröl-Refrain von "I Came Out The Womb An Angry Cunt" nach Irish Folk-Punk, wird in "Stuck In Streatham" entspannter Off-Beat gespielt und könnte "Surrender" ein CLASH-Cover sein. Das klingt nach einer ziemlich wilden Mischung, und das ist es auch. Aber THE GRIT halten alles perfekt zusammen, so dass insgesamt ein komplett eigener Sound entsteht. Und scheinbar mühelos schafft es die Band, so unterschiedliche Einflüsse wie LIVING END, die STRAY CATS und THE JAM unter einen Hut zu bringen. Dazu hört man der Scheibe auch deutlich an, wie viel Spaß die Jungs selbst an ihrer Musik haben - und das steckt an. Man braucht sicher eine Weile, um sich in den Gesamtsound reinzuhören, aber dann stellt man fest, dass "Shall We Dine?" ein geniales Album ohne Durchhänger geworden ist. Sowohl Psychobilly- als auch Punkrock-Fans wärmstens zu empfehlen!