Das ist schon überraschend, was Erik Wagner mit BLACKFINGERs zweitem Werk "When Colors Fade Away" veröffentlicht. War das Debüt schon zuweilen für TROUBLE-Anhänger ungewohnt ruhig und rockig, schaltet der fast 60-jährige hier noch einen Gang runter. Nicht vom Sound oder der Präsenz der Gitarren, die dürfen wie erhofft wieder vermehrt doomig riffen, sondern beim Gesang. So verabschiedet sich der mittlerweile in Pittsburgh lebende Künstler quasi komplett von hohen Tönen. Seine schneidend-scharfen, anklagenden Vocals weichen einem sanften, fast sprechenden Gesang, der kaum noch erahnen lässt, dass hier einer der besten Metal Shouter am Micro steht. Hat man diesen Schock erstmal überwunden, öffnet man sich der durchaus interessanten, dunkel-modernen und nahezu andächtigen Atmosphäre des neuen BLACKFINGER-Werkes. Neu an Bord ist Sechs-Saiter Terry Weston (DREAM DEATH; PENANCE), der zusammen mit Matthew Tuites Gitarre und durch Wagners Zurückhaltung an Gewicht gewinnt. Mit einer leichten Dominanz stolzieren die Saiteninstrumente stoisch, hart und mit auffälligen Soloparts durch die Nummern. Dieser Kontrast hat seinen Reiz, er gibt den Titeln Coolness, gepaart mit einem Gefühl von dunkler Resignation und Verzagtheit.
Mir gefällt der Mut, neue Wege zu beschreiten, weg von Erwartungen und Klischees. Natürlich vermisse ich die brennende Verzweiflung, den Zorn und den puren Metal, der früher mit Erik Wagners Stimmbändern transportiert wurde. Ich kann mich aber mit dieser spannungsvollen und modernen Interpretation von Doom Metal durchaus anfreunden.
„Cascadian“ Blackened Funeral Doom Metal gibt es von USNEA auf die Ohren, die mit „Portals Into Futility“ (zu Deutsch: „Portale in die Sinnlosigkeit/Nutzlosigkeit/Müßigkeit“) ihr drittes Album herausbringen. Thematisch geht es bei der Band, die sich nach einer Gattung der Bartflechten benennt, um „Verzweiflung“, „Habgier“, „die dystopische Welt des Kapitalismus“ und (andere) „Kosmische Horror“-Szenarien.
Erstaunlich vielfältig präsentiert sich dabei der Sound von USNEA. Wer Funeral Doom bislang mit schleppender Eintönigkeit und langezogener Laaaaaaangeweile assoziiert hat, kann hier überrascht werden: USNEA schaffen es, selbst neunzehnminütige Songs wie „A Crown Of Desolation“ auf langen Strecken interessant und abwechslungsreich zu gestalten. Ein meist schleppendes, aber doch auch erstaunlich variables Schlagzeug gibt den Takt an, lässt aber auch immer wieder ausreichend Platz für gut akzentuierte und manchmal sogar ziemlich dominante Gitarren-Sounds. Das reicht von prägnanten Melodien bis zu kosmischem Krächzen und sorgt gerade in Kombination mit dem zweistimmigen Gesang für sehr viele Variationsmöglichkeiten. Hinzu kommen einige Tempo-Wechsel, die ordentlich Stimmung aufbauen.
„Portals Into Futility“ ist ein sehr facettenreiches Album geworden, welches sich beständig steigert: Während der Opener „Eidolons And The Increate“ auf jeden Fall mehr Zeit und Durchläufe braucht, sind Songs wie „Demon Haunted World“ oder „Pyrrhic Victory“ ziemlich gut greifbar und bleiben hängen. USNEA schaffen dabei eine sehr düstere Atmosphäre, verlieren aber nie den Faden und variieren gekonnt. Abschließend drosselt „A Crown Of Desolation“ das Tempo zwar wieder, treibt aber dafür in absolut epische Gegenden und hat – dem der sich Zeit nimmt – einiges zu bieten.
Anspieltipps: „Pyrrhic Victory“ und „A Crown Of Desolation“.
MONSTER MAGNET, die „Space Lords“ aus New Jersey, werden mit ihren Frühwerken, der EP "Tab" und dem Debütalbum "Spine Of God", über Napalm Records neu aufgelegt.
"Tab" ist mit seiner Spielzeit von fast einer Stunde eigentlich zu lang für eine EP, gleichwohl zählt man das Teil mit nur vier Songs dazu. Die Titelnummer ist ein Monster von einem Song, der allein 30 Minuten mit halluzinogenen Soundschwaden platt macht. Neu bei "Spine Of God" ist gegenüber dem 2006 erfolgten Re-Release das ursprüngliche, erste Artwork. Der erste offizielle Longplayer bietet ebenfalls eine Spielzeit von einer Stunde. Anspieltipps sind hier das entspannte und dennoch doomige „Nod Scene“ und das unverzichtbare, berauschend schöne „Ozium“.
Diese frühen Veröffentlichungen von Dave Wyndorfs Truppe waren noch maßgeblich geprägt vom Space Rock Sound der 70er Jahre und der Band HAWKWIND. Dennoch gehören MONSTER MAGNET mit zu den Architekten des Stoner Rocks. Die Scheiben sind arschcool, aber mächtig verstrahlt; nichts für konservative Metal Fans.
Das Konzept der Supergroup ist ja derzeit schwer in Mode. Auch die LOW FLYING HAWKS muss man dazurechnen, denn im Kern bestehen sie aus MELVINS-Drummer Dale Crover und MR. BUNGLE-Bassist Trevor Dunn, die unterstützt werden von zwei Multiinstrumentalisten, die sich die kryptischen Kürzel EHA und AAL verpasst haben. „Genkaku“ (Japanisch für „Halluzination“ oder „Illusion“) ist ihr zweites Album, an dem sich außerdem auch MELVINS-Frontmann King Buzzo mit zwei Gesangsbeiträgen beteiligt hat.
Ambient-Metal nennt die Band selbst ihre Musik. Tatsächlich leben die Stücke von einer intensiven Atmosphäre. Diese ist allerdings durchgehend sehr düster und basiert auf doomigen, repetitiven Riffs, auf die weitere, zum Teil ziemlich irre Gitarrenspuren gelegt wurden. Überhaupt dominieren die Gitarren (so soll es ja auch sein): Tief gestimmt und maximal verzerrt bewegen sie sich immer nah am Übersteuern und verleihen dem Gesamtsound eine gewisse Noise-Kante. Der Gesang spielt sich meist eher im Hintergrund ab, ist dazu auch noch oft verhallt oder wurde durch irgendwelche Effekte gejagt. Stillere Momente – wie im meditativen Mittelteil von „Twilight“ (Ist das ein Cello...?) – sind selten, und trotzdem strahlt die Musik eine eigentümliche Ruhe aus.
Überhaupt entdeckt man nach und nach immer wieder tolle melodische Parts in dem drückenden Gewummer und Gesäge, wie das fantastische Riff, dass in „Virgin Witch“ nach knapp drei Minuten einsetzt, oder das wunderbare Thema, das das abschließende „Sinister Waves“ in der ersten Hälfte bestimmt. Solche Stücke brauchen Zeit, so bewegen sich die Songlängen zwischen gut fünf und knapp achteinhalb Minuten. Von mir aus könnten sie noch länger gehen, denn aus ihrem dunklen Sog will man sich eigentlich gar nicht befreien.
Nicht ganz so variabel, aber allein die Stimmfärbung von Sängerin Pierina O’Brien erlaubt durchaus den Vergleich zu Elin Larsson (BLUES PILLS). Die musikalische Ausrichtung der Australier DEVIL ELECTRIC ist passend zum atmosphärischen Artwork, aber heavier, doomig und ein ganzes Stückchen düsterer. Wie ihre Landsmänner von CHILD, die wir auch schon rezensieren durften, bringt das Quartett ihr Debüt auf dem deutschen Label Kozmik Artifactz in die Läden. Das Besondere dabei ist, das Label hat sich dem Genre Doom, Stoner, Phsychodelic Rock verschrieben und bringt passend dazu seine Künstler überwiegend auf Vinyl auf den Markt. In diesem Fall in 180 Gramm und den zum Cover passenden Farben schwarz, rot, und rot/schwarz marmoriert. Die uns vorliegende rot/schwarz marmorierte Platte sieht phantastisch aus, man meint auf den ersten Blick, eine schwarze Scheibe in den Händen zu halten, doch wenn mehr Licht auf den Rundling fällt, schimmert sie blutrot mit schwarzen Schatten durchzogen - großartig!
Der Klang ist differenziert und druckvoll, die Kombi passt zum weichen, warmen Vinyl-Charakter. Musikalisch bietet die Band 70er geprägten, traditionellen, doomigen Heavy Rock. Gitarrist Christos Athanasias kann seine Verehrung für Mr. Tony Iommi kaum im Zaum halten. Sein Spiel setzt aber durchaus eigene Akzente. Die Songs leben und atmen eine geheimnisvolle, dunkle Aura aus. Das Quartett spielt gekonnt mit laut/leise-Kontrasten. "Hypnotica", Single und Video des Albums, darf hier als Beispiel dienen. Großartig sind dabei die nuancierten Vocals, nicht weniger als weltklasse die Gitarre. Wunderbar, wie das Saiteninstrument sanft bluesig und sensibel vor sich hin sinniert, gleich Mr. Jekyll, der sich dann zunehmend in den bösen, doomigen Mr. Hyde verwandelt. Nicht alle Songs auf dem Longplayer sind so brilliant, doch Ausfälle sind keine vorhanden. Manchmal fehlt ein wenig die Abwechslung in Tempo und Songaufbau, aber das ist durchaus genretypisch. DEVIL ELECTRICs Debütalbum ist traditionell und Retro, jedoch ohne kalkuliert zu wirken; die Liebe zum ursprünglichen harten Doom Rock ist authentisch, seine Essenz füllt nahezu jede Rille.
Mit seinem überragenden Debütalbum "All Hell´s Martyrs" von 2014 hat sich das irische Trio um PRIMORDIAL- und TWILIGHT OF THE GODS-Frontmann Alan Averill alias Nemtheanga bereits frühzeitig ein Denkmal gesetzt, an das die Jungs - so viel sei bereits verraten - mit "For Doom The Bell Tolls" (genialer Titel übrigens!) nahtlos anknüpfen können. Zwar wurde Simon O´Laoghaire an den Drums durch Johnny King ersetzt, aber sonst hat sich zum Glück rein gar nichts verändert: einmal mehr beherrscht epischer, dramatischer und von Nemtheanga gewohnt ergreifend gesungener Doom Metal das Geschehen, der in drei herausragenden Hymnen (plus zwei Intros bzw. Intermezzi) gipfelt, die am Ende von einer unerwarteten, sehr coolen Coverversion von VENOMs "Live Like An Angel, Die Like A Devil" gekrönt werden. Von den drei im Mittelpunkt stehenden Songs einen Favoriten auszuwählen, ist ein schweres Unterfangen, wobei es mir persönlich das großartige "The World Is Doomed" besonders angetan hat, das als legitimer Nachfolger des genialen "We Wield The Spear Of Longinus" vom Vorgängerwerk angesehen werden kann und einfach nur mitreißt, sei es auf Platte oder live beim "Acherontic Arts"-Festival, organisiert von den immer wieder geschmacksicheren Machern des Labels Ván Records. Aber auch der dreizehnminütige Lavaklumpen "Twelve Bells Toll In Salem" und das sogar recht flotte und leicht spacige "The Spines Of Saturn" lassen keinerlei Wünsche offen und ergeben in Summe das vielleicht bislang beste Doom-Album des Jahres. Sehr geil!
"The Others" nennen NORTHERN CROWN aus den Staaten ihr episch doomiges Debüt-Werk. Hierbei schafft die Band es erfreulicher Weise ihren eigenen Klang zu erschaffen und klingt nicht wie die hundertzwölfste BLACK SABBATH-Kopie. Hier gibt es ein stetiges Auf und Ab, auf düstere Ruhe folgt meist brodelnder Sturm. NORTHERN CROWN geben sich sehr experimentierfreudig, punkten mit unerwartet heftigen Soli und herrlich rauem Gesang. Ein Keyboard im Hommond-Orgel-Style unterstreicht hier und da die propangierte Zeitreise, ist aber auch mal zu viel des guten ("A Pox Upon The House"). Neben allen Feinheiten, stellenweise wirklich gutem Feeling, herrlicher Atmosphäre und packenden Riffs bekommt man an einigen Stellen jedoch leider den Eindruck, dass die Band sich etwas unter Wert verkauft. Dazu später.
Denn oberflächlich betrachtet ist "The Others" ein wirklich gutes Debüt: Hier gibt es ruhige, doomige Parts wie den Opener und rockigere Songs wie "Surreality". Das zutiefst atmosphärische "No One Came To Mourn Me" kommt trotz (oder sogar wegen?) ziemlich elektronischer Passagen sehr episch und düster und einfach originell daher. Das Kernstück "Apostate" präsentiert sich nach etwas längerer Warmlaufzeit wieder angenhem psychedelisch-doomig-rockend, wobei Riffs, Keys und Gesang ststs für einen schönen Kontarst sorgen. Bei dem elfminütigen Abschluss "Les Autres" begeistern NORTHERN CROWN vor allem durch sehr stimmiges Riffing, einen interessanten Songaufbau und ein beständiges Stampfen im Hintergrund.
Allerdings enden die Songs hier in der Regel zimlich abrupt, Refrains werden etwas zu wenig akzentuiert und so bleibt vom eigendlich ganz guten Debüt auch nach reichlichen Durchläufen reichlich wenig im Ohr. Hier ist also noch Platz nach oben. Für ein Debüt haben die Jungs jedoch ganze Arbeit geleistet und man sollte sie im Auge behalten!
Anspieltipps: "Les Autres" und "No One Came To Mourn Me".
Post Metal mal anders: Wo man mittlerweile zunehmend im Post Metal-Bereich das Gefühl hat immer öfter das das Gleiche nur in anderen Variationen zu hören (was ja gar nicht mal unbedingt schlecht sein muss!) haben OBSCURE SPHINX ohne Frage längst ihren eigenen Sound gefunden. Die Polen lassen jede Menge Doom und Sludge in ihre Musik einfließen, präsentieren sich ausgesprochen progressiv und detailverliebt. Hierdurch und durch den wahnsinnig packenden Gesang von Front-Dame Wielebna entsteht nach kurzer Warmlaufzeit etwas ganz Großes: OBSCURE SPHINX schaffen eine dunkle, verzweifelte und doch gleichzeitig wunderschöne Atmosphäre.
Lange Post Rock-Sound-Teppiche treffen hier auf mächtigen Doom, lieblichen Klargesang und biestige Growls. Ganz klar ist „Epipaths“ ein sehr spannendes, intensives und außergewöhnliches Wechselbad der Gefühle. Auch wenn es beim Opener und „Nieprawota“ vielleicht so scheint, als würden OBSCURE SPHINX tendenziell etwas brauchen bis sie auf den Punkt kommen, kann man das verallgemeinern, denn gerade „Post-Mortem“ wird es hier gerne mal lauter: So weiß „Sepulchre“ mit seinen knapp Sieben Minuten ohne Mühe von der ersten bis zur letzten Sekunde zu fesseln und bringt dennoch einiges an Atmosphäre mit sich.
„Epipaths“ muss man definitiv öfter hören um seine Schönheit in Gänze zu erfassen – und nicht zuletzt deswegen kann man das Werk Fans von komplexem, atmosphärischen, doomigen und verschachteltem Post Metal der Marke CULT OF LUNA und YEAR OF NO LIGHT eigentlich nur besten Herzens empfehlen, auch wenn OBSCURE SPHINX per se ganz anders klingen.
Glitschige Moore, Doom Death Metal und Sludge gibt es auf dem wunderbar herbstlichen Debüt „The Slithering Bog“ von SWAMP WITCH auf die Ohren – Und zwar aus Transilvanien. Während die ersten beiden Songs hier eine sehr schleppende, zähe Mischung an Doom und Tod bieten, lässt „Slither Into The Circle“ erstmals aufhorchen: Hier zaubert die Sumpfhexe düstere Melodien hervor, unerwartete Breaks und Tempo-Variationen sind an der Tagesordnung und die Band schafft es ein doomiges Stück Finsternis ohne Längen zu präsentieren. Das folgende „Bayou Tomb“ zieht einen (auch mit einprägsamen Riffing) noch tiefer in den Sumpf. Hier liegt der Fokus allerdings etwas mehr auf klassischem Death Doom Metal. Der letzte Song („Lost Symbols“) lebt wieder durch ziemlich kranke Melodien und – wie die ganze Scheibe – durch moooorgige Vocals.
Wer düsteren, schwermütigen Doom Death Metal mit einem Fünkchen Sludge hören möchte ist hier nicht verkehrt.
Bei SUMAC finden sich zwar nur drei Musiker, aber die haben mit u.a. ISIS, THESE ARMS ARE SNAKES oder RUSSIAN CIRCLES ordentlich Credibility gesammelt. Ihr gemeinsames Zweitwerk "What One Becomes" profitiert von der Erfahrung der Musiker enorm, so gibt es trotz Minimalbesetzung keine Soundlöcher, stattdessen durchgehend Druck. Im Opener "Image Of Control" gehen SUMAC gleich in die Vollen und pfeffern dem Hörer schwere Doom-Gitarren und einen röhrenden Sänger um die Ohren. Das erinnert an eine Mischung aus ISIS-Frühwerken und BOTCH, gerade wenn sich bewusst gemacht wird, dass hier keine Koexistenz, keine Verschmelzung widersprüchlicher Komponenten gesucht wird, sondern ihre Kollision. Beim Zehn-Minüter "Rigid Man" treffen dezent chaotische Riffs auf einen markanten Stimmeinsatz, um ein akustisches - und doch hörbares! - Inferno zu schaffen. Das ist im Grunde das SUMAC-Prinzip, welches die drei Herren konsequent anwenden. "What One Becomes" ist ein verstörendes, dunkles Werk aus im ersten Moment unvereinbar scheinenden Strukturen, die dann gemeinsam bearbeitet packende Songs ergeben ("Clutch Of Oblivion"). Für ISIS-Jünger natürlich ein Muss. Doomies werden hier ebenfalls glücklich und aufgeschlossene Postcore-Hörer sollten die gute Stunde Zeit investieren, um sich neuen Erfahrungen zu öffnen. "What One Becomes" ist gnadenlos wie ein Vorschlaghammer und kompromissbereit wie ein wütendes Nashorn und genau deswegen so spannend. (lh)