Konzert:
Listening Session Negator
Konzert vom Ein lauer Sommernachmittag in Hamburg-Altona - die Sonne scheint, die Bäume sind grün, die Blätter wiegen sich sanft im Wind. Doch in jenem großen weißen Haus erwartet die Gesandschaft etwas ganz anderes: Die Hamburger Black-Metal-Band
NEGATOR bittet zur (Lautsprecher)-Box - METAL-INSIDE.de ist exklusiv als Internetmagazin dabei. Doch vorher heißt es "Schuhe aus" und "Hopfenrolle" (beziehungsweise Eistee grün oder orange) rein. Der zurückgekehrte Sänger Nachtgarm und Gitarrist Trolfbert rezitieren "Die eisernen Verse". Das zweite Album der Band erscheint am 14. November erneut bei Remedy Records. Produziert haben die Vier (Drummer Tramhein und Bassist Trolfbert bastelten derweil am Video-Material für die Bonus-DVD) mit Dark-Ager Eike Freese in seinem Eikey-Studio. Bewährte Zusammenarbeit, die auf einen gelungenen Nachfolger von "Old Black" hoffen lässt.
Zwischendurch allerdings sickerte immer mal wieder Beunruhigendes aus dem Hause NEGATOR durch. Denn noch im August gingen Nachtgarm und der Rest getrennte Wege. Die vielgerühmten persönlichen Differenzen waren Schuld. "Wir haben gesprochen und unsere Probleme ausgeräumt", erklärt Sprachrohr Nachtgarm und Kollege Trolfbert nickt bejahend mit dem Kopf. Eitel Sonnenschein also bei den Nordlichtern. Allerdings blieben dem Frontmann gerade mal zwei Tage, um die Songs einzusingen. Ohne Pause malochte Nachtgarm - die Folge war ein fieser Bluthusten. Jetzt aber rein ins Geschehen, in neun Titel mit einer Gesamtspielzeit von 40:24 Minuten.
Eisen wider Siechtum (4:09)
Ohne lange Vorrede gehts in atembraubendem Tempo los. Klirrende Gitarren, fast stumpfes Drumming ,trotz aller Höhen weist das Lied mächtigen Groove auf und abrupte Breaks sorgen für Abwechslung.
Old Stigma (4:16)
Ein beinahe balladesker Anfang gerät schnell in Vergessenheit, Blast-Beats, fieses Grunzen, lange Schreie…. Es groovt und endet vollkommen abrupt.
Türme (4:09)
Ein an Immortal erinnernder Beginn steigert sich in rasendes Tempo, eiskalt klirren die Gitarren, gegen Ende wird’+s fast doomig… Interessant und nein, diese Türme haben nix mit dem Herrn der Ringe zu tun.
The Answer To All Questions (4:42)
Wieder krasses Geballer ohne Warnung, aber auf der Gitarre klingen obergeile Melodien durch, fast klassisch-metallisch. Mittendrin gibts einen amtlichen Mitgröhlpart - aber über allem thronen die flitzenden Finger des Gitarristen.
Honour Demise (2:48)
Kurz und schmerzvoll. Volles Tempo, 240 Beats per Minute oder mehr. "Unser Kuschelsong" sagt Nachtgarm und die Musiker grinsen diabolisch… Doch trotz vollen Tempos macht dieser Song irgendwie gute Laune. So schnell wie’s losging, so schnell endet der Song - abrupt. Full stop.
Gloomy Sunday (4:29)
Kleine Geschichtsausflug: "Das Lied vom traurigen Sonntag" heißt ein Roman von Nick Barkow, wie die Klavier-Komposition von Rezsö Seress, die Mitte der dreißiger Jahre tatsächlich in einem Budapester Lokal entstand und als "Hymne der Selbstmörder" traurige Berühmtheit erlangte. Und es gibt einen Film mit Ben Becker und Joaachim Krol (Ein Lied von Liebe und Tod). "Früher sollen sich die Menschen reihenweise umgebracht haben", berichten die NEGATORen - und spielen erstmal das Lied des Ungarn Seress als reines Klavierstück vor. Das hat sie Jungs inspiriert (wie übrigens vorher schon Björk, Heather Nova, Melissa Etheridge und zahlreiche andere, lieber verschwiegene Künstler). Mit Genannten und Ungenannten hat die Hamburger Black-Metal-Edition des zwischenzeitlich verbotenen Songs wenig zu tun, eher mit Krisiun oder von mir aus auch Marduk. Der ans ich schwermütige Sonntag mutiert also zu einem ganz wütenden, die Gitarren schmirgeln, der Bass bummert - so intensiv kann die Schwarzwurzel klingen.
Das Erbe (5:34)
Untypischer Song - er hat zwar einen Text, der wird aber nicht gesungen "weil das typische NEGATOR-Gekreische nicht dazu gepasst hätte", wie Kollege Nachtgarm betont. Die Musik steht in der Tat für sich, verbreitet melancholische Stimmung, ist schleppend, klirrend, schön, enthält hymnische Melodien, verbreitet mit Akustik-Gitarre Wild-West-Atmo… Und über allem steht Berthelm und sein Bass. Interessant.
Die eherne Replik (7:09)
Wohl der Song, auf den die Hamburger am stolzesten sind… "Das ist die Krone der Schöpfung, das sind zwei Jahre NEGATOR", tut der antialkoholische Schreihals ein wenig pathetisch. Der akustische Beginn wird regelrecht aufgefressen von DoubleBass und fiesem Kreischen. Intensive Gitarren treffen auf Bubbel-Bubbel-Bubbel-Drums Der Song beschreibt einen großen Bogen, findet am Ende aber wieder zurück zum Anfang - geradezu symbolhaft für den Text voller Pathos - von Liebe zur See und zu Hamburg. Das flotte Ende lässt den Hörer staunend zurück.
Harvester Of Storm (3:06)
Sogar Trolfbert selbst verwechselt den Songtitel artig mit dem ähnlich lautetenden Metallica-Titel. Musikalisch aber besteht da nur eine höchst entfernte Verwandtschaft (beide Band benutzen grundsätzlich Instrumente). Denn NEGATOR geht noch mal voll geradeaus, voll auffe Glocke, auf die Zwölf. Der Song ist wie eine Linie und die läuft dann einfach so aus…..
Fazit? NEGATOR haben sich zweifelsohne weiterentwickelt, ohne ihre Trademarks zu verleugnen. Zusammen mit Endstille und Dark Fortress haben die stolzen Nordmänner die Chance, die bundesdeutsche Black-Metal-Szene mit zu gestalten.
Was bleibt? Ein zweiter Hördurchgang, weitere Hopfenrollen und mehr Eistee in verschiedenen Farben. Und lustige andere Sound-Proben obskurer Porn-Grind-Bands, Videos aus Hollands Death-Metal-Underground und absolute krasse Videospiele: Ihr wisst schon, der bunte Klempner mit der Mütze - Nachtgarm, unser Black-Metal-Mario. Alles egal, solange die Scheibe für die nötige Street-Credibility sorgt. Ach: Der letzte Blick nach draußen: Es wurde kalt und dunkel, der Wind verstummte, die Blätter blieben regungslos, die Sonne war weg…. Black-Metal, Frost und Kälte…
InterviewWie geht es Dir denn im Moment?
Danke, echt gut! Die neue Platte ist im Kasten und ich mache gerade eine Menge an Promotion - Arbeit, wie Interviews, Foto - Shootings und so weiter. Wir sind im Moment gut beschäftigt.
Seit Eurem letzten Album "Gone Forever" ist nur etwa ein Jahr vergangen. Warum seid Ihr denn so schnell wieder mit neuem Material am Start?
Es hat einfach Sinn gemacht. Unser letztes Album war in den Staaten und in Europa sehr erfolgreich und wir hatten ein paar Monate Zeit, in denen wir nichts zu tun hatten, so dass wir uns gleich an das neue Album gemacht haben. Wir wollten einfach beschäftigt sein und dieses Jahr einen Nachfolger zu "Gone Forever" fertig haben. Es sollte so früh wie möglich fertig sein, denn es ist auch ein starker Wettbewerb und viele große Metalbands bringen in diesem Jahr Alben heraus, wie auch im letzten Jahr. Die Zeit für das neue Material war einfach gekommen!
Was sind denn Deiner Meinung nach die Unterschiede zwischen Eurem letzten Album und dem neuen Werk?
Ich denke, dass das Songwriting eine ganze Ecke besser geworden ist und dass das neue Album viel rockiger und metallischer klingt. "Gone Forever" ging viel stärker geradeaus und mehr auf den Punkt. "IV: Constitution Of Treason" ist vielleicht etwas progressiver und schwieriger aufzunehmen, dafür aber viel abwechselungsreicher. Der Gesang ist auch viel kräftiger und besser geworden, weil wir uns dafür mehr Zeit genommen haben. Es ist von oben bis unten die "komplettere" Scheibe, aber man kann hören, dass dort dieselbe Band am Werk ist wie auf dem letzten Album! Wir haben schon eine große Entwicklung durchgemacht und man hört das sehr gut bei den Vocals, die viel mehr Melodien tragen als vorher, aber das schien uns der natürliche Vorgang zu sein.
Seid Ihr denn insgesamt mit dem neuen Album zufrieden?
Ja, ich bin sehr glücklich damit! Wir haben Monate damit verbracht, Songs zu schreiben und sie Stück für Stück zu bearbeiten, bis wir am Ende das herausbekamen, das wir wollten. Wenn ich etwas nicht mag, dann kommt es auch nicht auf die Platte. Aber alles in Allem ist es eine wirklich großartige Heavy Metal - Scheibe geworden, die viele Leute mögen werden, denke ich.
Du sagtest gerade, dass es eine "Heavy Metal - Platte" sei. Euer Stil wird vielerorts auch als "Metalcore" bezeichnet. Würdest Du tatsächlich sagen, dass die Musik eher Metal oder doch eher Hardcore ist?
Wir sind eine Metal - Band! Es sind vielleicht ein paar Einflüsse aus dem Metalcore vorhanden, aber es ist lustig, denn als wir Interviews im Rahmen des letzten Albums gaben, wurde der Begriff "Metalcore" kaum erwähnt. Aber seitdem ist dieses Genre so stark gewachsen, dass die Leute sagen: "Hey, Ihr spielt ja Metalcore!". Ich weiß damit gar nicht so viel anzufangen und ich mag diese Bands nicht einmal unbedingt. Wir stehen Bands wie IN FLAMES oder SHADOWS FALL viel näher und fühlen uns eher dem Metal zugehörig. So sehe ich das jedenfalls. Unsere Wurzeln liegen im alten "Bay Area" - Thrash Metal, aber später kam auch härterer Stoff dazu, hauptsächlich Death Metal und als wir dann angefangen hatten, Shows zu spielen, kamen wir auch mit Hardcore in Berührung, denn die Hardcore - Szene ist in New Jersey sehr groß.
Ein echtes Markenzeichen Eurer Alben sind auf jeden Fall die Coverartworks, die spätestens seit Eurem letzten Werk hervorstechen. Auch dieses Mal war, wie zuletzt, Travis Smith für Euch tätig. Was soll das neue Artwork denn aussagen? Die Zerstörung der Freiheitsstatue ist schon sehr symbolisch…
Es geht gar nicht einmal um die Zerstörung der Statue, sondern darum, dass sie die Fackel fallen lässt. Die Ausführung lag bei Travis und es ging von Anfang an nicht darum, die Statue zu zerstören. Die Idee dahinter ist einfach, dass die Ideale der Freiheit aus dem Bewusstsein des Volkes verloren gegangen sind. Es sollte ein Symbol für diesen Verlust der Ideale darstellen und dafür stehen, was aus diesem Land mittlerweile geworden ist. Wir wollten damit kein Weltuntergangsszenario andeuten oder so etwas.
Kennst Du eine Band namens DEAD SOUL TRIBE?
Ja, das kommt mir bekannt vor, aber Genaues weiß ich damit nicht anzufangen.
Mir ist in diesem Zusammenhang aufgefallen, dass das Cover von deren vorletztem Album dem Cover Eurer letzten Scheibe "Gone Forever" sehr ähnlich ist. Es zeigt dieselbe Krähe auf dem Cover, nur vor einem anderen Hintergrund.
Oh, ist dieses Motiv auch von Travis Smith?
Ja, ist es!
Ja, ich glaube, ich habe es irgendwann einmal online gesehen! Vielleicht zeichnet er jetzt für jeden diese Krähen, haha! Was will man machen?!
Seid Ihr denn eine politische Band? Und wenn ja, in wie fern?
Nun, wir sind uns definitiv bewusst über die soziale Situation und man kann bei uns schon eine politische Richtung erkennen, aber wir haben kein bestimmtes Motiv. Wir sind auch nicht in irgendeiner politischen Organisation tätig oder gehen so weit, dass wir gewisse politische Ziele anstreben. Natürlich tun wir unsere Meinung kund, aber meiner Meinung nach sind wir weniger politisch als humanitär, in der Form, dass wir schauen, was bei den Leuten vor sich geht. Es geht uns mehr darum, dass die Leute Arbeit haben und genug Bildung bekommen. Das ist uns wichtiger und wir stehen eher für diese positiven Aspekte, als dass wir nur das Negative sehen.
Glaubst Du denn, dass Musik und Politik kombiniert werden können, wie es viele andere Bands, gerade aus dem Metalcore - Bereich, tun?
Das ist doch ein ganz natürlicher Vorgang. Schau doch nur mal zurück in die 60er und 70er, als der Vietnamkrieg in Gange war, da war das schon so. Heute ist es ähnlich, dass fast jede Rockband in irgendeiner Form zu den Geschehnissen Stellung nimmt. Damals gab es auch die vielen Festivals nach dem Motto "love and peace", auf denen sich die Bands äußerten und grundsätzlich ist es heute nicht anders. Es ist heute nur alles wütender geworden und die Zeiten sind härter. Der Vietnamkrieg hat damals dazu beigetragen, die Unschuld in Amerika zu zerstören und heutzutage hat sich diese Zeit mit "love, peace und Woodstock" überlebt und die Leute haben genug davon. Es scheint, dass die Leute diese ganzen Kriege einfach haben müssen. Man kann das leider nicht verhindern.
Hier in Deutschland läuft gerade eine heiße Diskussion über gefährliche Moshpits, die sich vor den Bühnen abspielen und bei denen sich die Fans gegenseitig ausknocken. Es gab auch schon ein paar Schwerverletzte dabei. Habt Ihr auch bereits die Erfahrung mit diesem Phänomen gemacht?
Ja, das Problem ist bekannt, aber es spielt sich mehr in der Hardcore - Szene ab. Das ist diese Art von Tanz, die dort aufgeführt wird, bei der die Leute um sich schlagen und treten. Ich selbst bin damit aufgewachsen und habe über die Jahre hinweg miterlebt, wie sich die Fans gegenseitig ins Gesicht treten und dabei Spaß haben. Man meint immer, dass man das einfach vermeiden könne, wenn man sich aus dem Pit heraushält. Aber manchmal kommt der Pit einfach zu Dir, haha! Es ist auch immer gewalttätiger geworden, aber bei einigen Metal - Bands, wie etwa MACHINE HEAD, sieht man zwar niemanden treten oder schlagen, sie schubsen sich dafür gegenseitig durch die Gegend und das kann auch sehr gefährlich sein. Es kommt aber immer auf die Situation an und man muss damit umgehen können. Einige Leute stört es wirklich, aber meiner Meinung nach sollte man auch niemandem verbieten, Spaß zu haben! Das darf man keinem verwehren, denn jeder hat ein Recht auf Spaß und deswegen kommen die Leute auch dorthin.
Aber die Leute, die einfach nur irgendwo stehen und sich die Band anschauen wollen, werden durch diese Moshpits gestört.
Es ist immer schön, einen Moshpit zu haben, in dem die Leute gut abgehen, aber natürlich sollten sie aufpassen, dass es nicht Überhand nimmt und sie aus diesem "abgesteckten" Bereich hinaus die anderen Fans belästigen. Das ist dann wirklich Mist.
Was war denn das bisher größte Konzert, das Ihr gespielt habt?
Wir haben einmal auf dem "Ozzfest" zusammen mit SLIPKNOT, SLAYER und HATEBREED gespielt und dort waren 7000 oder 8000 Leute, vielleicht auch mehr. Das war fast schon krank und man sieht bei sowas nicht mehr, ob es nun 5000 oder 10000 Fans sind. Wir lieben es aber, vor riesigen Mengen zu spielen! Mit diesen Bands haben wir auch schon in Arenen gespielt, vor etwa 3000 oder 5000 Fans. Das war unglaublich!
Siehst Du denn im Verhalten der Fans Unterschiede, wenn du die Fans aus Europa, den USA oder Japan miteinander vergleichst?
Nun, wenn die Band sehr bekannt ist, nimmt sich das alles, mehr oder weniger, nicht mehr viel. Es gibt vielleicht ein paar kleine Unterschiede. Wir waren zum Beispiel in Spanien und dort sind die Fans etwas roher und krawalliger als etwa in Deutschland. In Norwegen sind die Fans weder so aggressiv wie in Deutschland, noch wie in Spanien. Es kommt da auch immer auf die jeweilige Landeskultur an. Manche gehen eben ein wenig mehr aus sich heraus als andere. Die Japaner sind etwa wieder sehr ruhig zwischen den Songs, aber dafür singen sie umso lauter, wenn man spielt und singen selbst die Soli mit. In Amerika kann man in einer Großstadt spielen und die Fans sind sehr gut drauf und dann kommt man auf´s Land, in die Mitte vom Nirgendwo, und die Fans sind schlichtweg unglaublich! Wenn man aber bekannt ist, ist es fast überall gleich!
Interview Ihr kommt ja aus Magdeburg. Was kennt man da? Handballer Stephan Kretzschmar und den SCM. Und äh… Kolossale Platten-Neubaugebiete wie in jeder größeren Stadt in Ostdeutschland. Soziale Brennpunkte wie im gesamten Bundesgebiet - sind die Vorurteile über besonderen "Fremdenhass" wahr? Ich weiß, dass es in Magdeburg auch schöne Ecken gibt.Also eigentlich kommen wir nicht ursprünglich hier aus Magdeburg. Unser Proberaum befindet sich auch im ca. 50 km südlicher gelegenen Aschersleben. Ich bin nur vor einigen Jahren nach Magdeburg gezogen, weil ich mein Studium an der hiesigen Uni begonnen habe. Ich glaube aber, die Stadt hat einen schlechteren Ruf als sie verdient. Es gibt hier auch nicht mehr Faschos oder Fremdenhass als in vergleichbaren Städten, zumal ja durch die Universität auch ein gewisses geistiges Niveau unter einem beachtlichen Teil der jungen Leute herrscht.
Ihr stammt ja wohl aus der ehemaligen DDR. Was bedeutet euch die Zusammenführung der beiden deutschen Staaten? Oder ist das für euch eigentlich kein Thema mehr? Und was sagt man denn so zu den Äußerungen eines Herrn Stoiber in diesem Zusammenhang?
Ja, wir sind alle in der ehemaligen DDR geboren, obwohl ich selbst schon in recht jungen Jahren Anfang der Achtziger mit meiner Familie nach Westdeutschland gezogen bin. Aus heutiger Sicht ist die Wiedervereinigung aber eigentlich wirklich kein Thema mehr. Zu dem Zeitpunkt 1990 waren wir gerade mal 10 oder 11 Jahre alt. Die Äußerungen eines Herrn Stoiber sind aus meiner Sicht auch eher eigennützig motiviert als böswillig den Ostdeutschen gegenüber. Personenmehrheiten/ Bevölkerungsgruppen sind immer sehr empfänglich dafür, wenn ihnen von jemandem gesagt wird "Ihr seid besser als andere" oder "Ihr seid eine Elite". Dementsprechend kann ich mir gut vorstellen, daß Stoibers Äußerungen ihm in seinem eigenen Bundesland Bayern durchaus Sympathien verschaffen. Umgekehrt ist es ja genauso: wenn jemand über die bösen "Wessis" schimpft, springen hier ja auch gleich Scharen darauf an. So sind Menschen nun mal...
Wo wir noch nicht bei der Musik sind: Was meinste: Bundestagswahl? Wie geht’s aus? Wählst du? Was versprichst Du dir von der Wahl? Also von Deiner und von der Wahl insgesamt.
Da lass ich mich mal überraschen. Es scheint ja möglicherweise tatsächlich auf die Ultima Ratio hinauszulaufen, welche zum Zuge kommt wenn die Mehrheiten für nix anderes reichen: Große Koalition... Viel versprechen tu ich mir von der Wahl nicht. Ich schau halt, daß ich so gut es geht über die Runden komme und vertraue auf meine eigenen Fähigkeiten.
Jetzt mal zum aktuellen Album. Beschreib doch mal die Mucke… Und die (leidigen?) Vergleiche mit Emperor.
Na also, das wurde ja auch mal Zeit, haha... Hmm... Ich glaube, eine kurze und treffende Bezeichnung für unsere Musik ist nicht wirklich möglich. Man könnte es so ausdrücken: unsere Musik hat ihren Ursprung im melodischen Black Metal und bedient sich komplexer Songstrukturen sowie Elementen aus einer Vielzahl der unterschiedlichsten Stilrichtungen. Darunter fallen u.a. Anleihen aus der gesamten Metal-Bandbreite, klassischer Instrumental- und Vokalmusik, progressivem Rock sowie Jazz. Wir legen Wert darauf, unsere Musik sowohl gehalt- und anspruchsvoll als auch extrem zu halten und scheuen weder mehrstimmige Choralgesänge einerseits noch Hochgeschwindigkeits-Blastbeats andererseits. Die melodischen/rhythmischen Motive tauchen in verschiedenen Variationen und unterschiedlichen harmonischen "Beleuchtungen" auf, was ebenfalls ein dominantes Merkmal unseres Stils ist.
Zum Thema Emperor: die Norweger waren bereits seit unserem ersten Demo die Band, mit welcher unser Sound immer wieder am häufigsten verglichen wurde. Selbstverständlich ehrt uns dieser Vergleich nach wie vor unvermindert, dennoch kann man - so denke ich - deutlich erkennen, daß unser Streben viel mehr einer Weiterentwicklung und Perfektionierung unseres eigenen Stils und unserer eigenen musikalischen Vorstellung gilt. Wenn man analytisch an den formalen Aufbau unserer Songs herangeht findet man heraus, dass die Struktur eines HITF-Songs sich grundlegend von der eines Emperor-Stückes unterscheidet. Emperor-Stücke sind eher in traditioneller Art und Weise strukturiert. Da wir dem gängigen Strophe-Refrain-Schema jedoch nicht viel abgewinnen können streben wir danach, neue kompositorische Wege jenseits ausgetretener Pfade erschließen, gerade was den formellen Aufbau der Songs angeht.
Texte! Lass Dich mal ein wenig aus, wie wichtig sind sie euch und gib ein doch mal paar inhaltliche Beispiele bitte. Und was sagt in diesem Zusammenhang der Albumtitel aus?
Die Texte sind schon eine wichtige Komponente, um dem gesamten Konzept hinter einem Album Schlüssigkeit zu verleihen. Die Lyrics ergeben sich halt entsprechend meiner Vorstellung eines ansprechenden sprachlichen Stils. Allgemein kann man den Inhalt meiner Texte eigentlich nicht an speziellen Themen festmachen. Ich lege in ihnen letztendlich meine Sicht der Welt in welcher ich mich befinde dar. Allerdings vermeide ich es, die Dinge plakativ darzustellen und arbeite eher mit sprachlichen Bildern, die Raum für eigene Gedanken zulassen. Interpretationsspielräume sind wichtig, denn es gibt von jedem Text genau soviel verschiedene Versionen wie Leser!
Auf dem aktuellen Album "Damokles" geht es inhaltlich grob gesagt um persönliches Reifen. Der Titel "Damokles" steht hierbei für latent drohendes Ungemach - seien es Schicksalsschläge oder selbst verursachtes Leid. In jungen Jahren tendiert so mancher Charakter - insbesondere wenn er in eine Wohlstandsepoche hineingeboren wird - dazu, Überschwang und relative Sorglosigkeit als selbstverständlich und gegeben hinzunehmen. Erst durch Perioden des Leids, der Furcht, der Enttäuschung, des Schmerzes oder des Hasses kann er sich im Laufe der Zeit zunehmend über sich selbst bewusst werden. Damit verbunden ist dann auch oftmals schmerzhafte Selbstreflexion, das Bedauern eigener Fehler oder das Erkennen falscher Freunde. Diesen steinigen Weg muss der imaginäre Protagonist auf dem Album durchleben - ohne jedoch am Ende zu einer allumfassenden Antwort zu gelangen. Es bleibt im abschließenden Song "For The Sightless To Behold” lediglich die Erkenntis: "Free human in liberated judgement, thought and nature - and free I must remain!".
Der "Handlungsstrang" verläuft jedoch keineswegs linear von Anfang bis Ende durch, sondern ist durchzogen von Rückblenden und Verweisen auf andere Stellen innerhalb des Albums, was auch auf musikalische Art und Weise unterstrichen wird (etwa durch Reprisen bestimmter melodischer Motive). Beispielsweise beginnt das Album durch den Opener "The Ignoramus’ Elegy" mit einem Rückblick, in dessen Folge sich die Einzelteile Song für Song mosaikartig zu einem letztendlich großen und schlüssigen Gesamtbild zusammenfügen.
Ihr habt ja in mehreren Studios aufgenommen. Wie war’s? Und warum habt ihr nicht alles in deinem eigenen Studio gemacht?
Richtig, das Album ist an verschiedenen Orten parallel entstanden. Angefangen haben die Studioarbeiten Ende Dezember. Wir haben uns bewusst keine Studiodeadline gesetzt und wollten unseren eigenen Qualitätsanspruch als einziges Kriterium zulassen. Die Schlagzeugaufnahmen wurden komplett in den Catacomb Studios erledigt, welches von Wolfram Fenske, einem guten Bekannten von uns, betrieben wird. Bei ihm hatten wir auch bereits die komplette Vorgängerscheibe "Abstract Maelstrom Paragon" produziert. Die Gitarren- und Bassaufnahmen wurden dann hier in Magdeburg in meinem eigenen FBGS Rec. Studio eingespielt, während parallel in den Catacomb Studios auch bereits am Gesang gearbeitet wurde. Dazu kamen dann noch die separaten Arbeiten an Synth-Arrangements und Effekten, und nach monatelanger Detailarbeit wurde im Mix schließlich alles zusammengeführt. Die Aufteilung in der Studioarbeiten hat uns neben höherer Effizienz auch finanziell entlastet, da ja ein Großteil der reinen Gitarren- Synth- und Bassaufnahmen in Eigenregie erledigt wurden, ansonsten wäre dieses Album für uns auch nicht finanzierbar gewesen.
Wie habt ihr euch eigentlich bis hierhin, bis heute, bis "Damokles" entwickelt?
Ich glaube, wir haben unseren Stil kontinuierlich verfeinert und uns mit jedem Release erheblich gesteigert. Natürlich haben uns in der Anfangszeit noch spiel- sowie arrangiertechnisches Vermögen gefehlt, um sofort alles umsetzen zu können, was in unserer Vorstellung umherschwirrte. Weiterentwicklung war stets die Triebfeder hinter unserem musikalischen Schaffen - und zwar Weiterentwicklung unserer EIGENEN Vision davon, wie unsere Musik zu klingen hat. Meiner Meinung nach ist der extreme Metalbereich noch lange nicht an seinem Höhepunkt angelangt, gerade was die Ausarbeitung und Arrangements betrifft. Die Tatsache, daß immer wieder eine Reihe von Leuten mit unserer Musik völlig überfordert sind, da ihnen die gewohnten 08/15-Zutaten fehlen, bestärkt mich in dieser Meinung.
Ihr arbeitet mit Twilight zusammen. Ein florierendes Unternehmen inklusive Vertrieb, alle freuen sich, wohin man hört… Wie geht’s euch da?
Die Zusammenarbeit mit der Twilight-Crew funktioniert bislang reibungslos. Es ist zwar noch eine relativ kleine Firma, doch sie scheinen mehr und mehr zu wachsen. Wir wollten eine Firma, die nicht nur verspricht, sondern auch wirklich handelt! Es war uns vor Vertragsunterzeichnung sehr wichtig, dass wir uns auf Absprachen wirklich verlassen können und bis zum heutigen Zeitpunkt gab es diesbezüglich auch noch keinerlei Schwierigkeiten.
. Wie sieht’s mit ner Tour oder Festivals aus? Oder wenigstens Einzelkonzerte? Und gibt’s da was aus der Vergangenheit zu berichten. Erlebnisse, Lieblingsfestivals….
Wir werden im Oktober zusammen mit den US-Deathmetal-Pionieren von VITAL REMAINS auf unsere erste ausgedehnte Europatour gehen. Auch wenn es dabei nur 3 Deutschland-Shows geben wird hoffen wir natürlich, daß die Fans in Scharen erscheinen! Auf jeden Fall freuen wir uns schon riesig darauf und sind (wie bereits erwähnt) im Moment intensiv am Proben des neuen Live-Sets. Für diese Tour werden wir zwei Gastmusiker mit an Bord nehmen, da aufgrund vorübergehender Auslandsaufenthalte von Gorbag und Draug C. sowohl ein Gitarrist als auch ein Bassist neu für diese Tour angelernt werden müssen. Es handelt sich hierbei um Alexander F.J. Creuzfeld (g) und Lothargie (b), welche beide "hauptberuflich" bei den "Psychotic-Paranoia-Metal"-Psychopathen von PSYKRA aktiv sind. Da es sich hierbei um ausgezeichnete Musiker und Instrumentalisten handelt, stellt dieser Umstand für uns glücklicherweise kein größeres Problem dar.
Wie sieht’s mit Hobbies neben der Musik aus und was macht ihr soim echten Leben?
Also für Hobbies bleibt wirklich nicht viel Zeit. Momentan bin ich wirklich full-time mit der Band beschäftigt. Der ganze Promo-Kram, Proben, Interviews, Telefonieren mit dem Vertrieb, mit Veranstaltern, mit Bookern,... Ansonsten bin ich (wie ¾ der Band) noch im Studium und bereite mich so langsam auf die Diplomarbeit vor...
Und dann? Zukunftspläne? Rich and famous?
Naja, schauen wir mal... Wenn sich die Möglichkeit dazu ergeben sollte, möchten wir natürlich den größtmöglichen Erfolg erzielen, allerdings ohne dafür Kompromisse bei der Gestaltung unserer Musik einzugehen. Jeder Einzelne von uns hat zum Glück genügend individuelle Fähigkeiten, um sich nicht künstlerisch "kastrieren" lassen zu müssen und kann gegebenenfalls seinen Lebensunterhalt auch auf andere Weise bestreiten.
Drei kurze letzte noch:
1. Was bedeutet Eurer Band-Name?
Der hat keine tiefere Bedeutung. Es war ein Name den wir 1996 gewählt haben, der etwas Markantes hat und hoffentlich leicht Assoziationen bei potentiellen Hörern weckt.
2. Was bedeuten eure Pseudonyme?
Der Reihe nach:
Ghâsh: "Feuer
"
Gorbag: Eigenname
Draug C. -> Draug Carcharoth: Draug="Wolf" / Carcharoth="Roter Rachen
"
Botis: Eigenname aus dem Dämonenkatalog "Goetia”
3. Findest Du Opeth auch so mathematisch wie ich?
???*grübel*??? Wie jetzte...? Mathematisch? Hmm, hab mich ehrlich gesagt mit deren Intervallschwingungsverhältnissen noch nicht wirklich auseinandergesetzt... Sind für mich ne tolle Band die eine Reihe von klasse Alben veröffentlicht hat.
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