Review: Posthumous Silence: The Show
Über die musikalischen Inhalte des Albums „Posthumous Silence" (2006) der Hamburger Formation SYLVAN muss an dieser Stelle sicher nicht mehr viel geschrieben werden, ich verweise da auf das Review des regulären Studiooutputs.
Nur kurz soviel - es handelt sich dabei um eines der besten Progalben der letzten Jahre, quailtätsmäßig auf absolut internationalem Niveau. Anhänger von intensiv-melancholischer Progmucke mit unglaublichen Atmosphären sowie packender Tiefe sei es hier nochmal eindrücklich empfohlen.
Passend zum 10-jährigen Bandbestehen haben die Jungs jetzt diese Hammer-Live-DVD auf ihre Fans losgelassen und dieses Teil topt die natürlich recht hohen Erwartungen sogar nochmal, denn die musikalische Umsetzung dieser Konzept-CD ist schlicht überragend. Am 1. September 2007 fand in Hamburg auf Kampnagel die sogenannte „Posthumous-Silence-Show“ statt. Dabei wurde das gesamte Album aufgeführt und in der zweiten Hälfte Gigs auch noch eine Art Best-Of aus (fast allen Alben) bzw. dem Backkatalog von SYLVAN der letzen 10 Jahre gespielt.
Für manchen „Die-Hard“ Fan mag es zwar etwas schmerzlich sein, dass leider nicht das gesamte Konzert per DVD erhältlich ist (außer Posthumous Silence" wurde hier aber noch der 18-minütige Klassiker „Artificial Paradise" draufgepackt) aber SYLVAN haben dafür fast 100 Minuten Bonus-Material dazugestellt. Und dieser Stoff hat es wirklich in sich, ist sehr unterhaltsam gemacht und fällt beileibe nicht so langweilig bzw. standardisiert aus, wie dies aktuell bei vielen Produktionen der Fall ist. Nur der Vollständigkeit halber: den Rest des Konzerts bekommt man dann auf der Doppel-Live-CD "Leaving Backstage" zu hören, die ebenfalls empfehlenswert ist.
Der Extra-Bereich ist üppigt, dies fängt schon an mit einem klasse Artwork und geht mit dem super animiertem Benutzermenü, Interviews mit Band und Technikern (!), Slideshows, lustigen Outtakes und vielen Auswahlmöglichkeiten weiter. Als Untertitelwahl kann man sich hier nämlich die Lyrics entweder auf Englisch oder Deutsch einblenden lassen und die Musiker geben auf einer separaten Tonspur eigene Kommentare über die Show, Musik usw. ab. Der Auftritt ist audiomäßig in Stereo 2.0 und Dolby Digital 5.1 zu hören. Außerdem würde ich empfehlen zunächst nicht das Konzert an sich zu schauen sondern zuerst das Making-of „In the Studio 2005-2006". Da gibt es ein 22-minütiges Tagebuch zu den Aufnahmen von „Posthumous Silence" sowie dem gleichzeitig entstandenen Nachfolgealbum „ Presets" zu sehen. Absolut beeindruckend sind hier die Einblicke in die Entstehungsprozesse der Stücke geworden, mit den verschiedenen Musikern und ihren Instrumenten, das arrangieren des "Soundmannes" am Aufnahmepult (der mich mit seinem absoluten Gehör und Notenverständnis für dieser komplexe Musik absolut begeistert), es gibt Ausschnitte einer Chorprobe zu sehen so dass man fast das Gefühl hat als Bandmitglied dabei gewesen zu sein - klasse. Danach würde dann „34 Days" passen, denn hier wird gezeigt wie sich die gesamte Show langsam in der zunächst nackten Location vom ersten Bühnenbodenteil, steigernd mit der gesamten Technik, Sopundchecks bis hin kurz vor dem Auftritt der Band aufbaut.
Jetzt erst passt dann das eigentliche Konzert im dramaturgischen Aufbau dieser DVD. Die Band hat dabei ein echtes Heimspiel, die Zuschauer sind absolut gespannt und werden nicht enttäuscht. SYLVAN sind super drauf, in bester Spiellaune, die vielen Proben haben sich absolut gelohnt. Die Band zockt diese ungeheuere Dichte der Geschichte vom Vater, der in dem Tagebuch seiner toten Tochter liest, dermaßen überragend runter, das hat schon allerhöchstes Niveau.
Als zweiter Gitarristen ist der Studiomusiker Guido Bungenstock ein echter Bringer und zusammen mit dem neuen Saitenmann Jan Petersen liefern die beiden, so eingespielt als hätten sie nie was anderes gemacht, ein Melodiefeuerwerk der Extraklasse ab. Wie schon an anderer Stelle erwähnt: so gut waren MARILLION wohl selbst in ihrer besten Hogarth Phase eher selten (wenn dann zu "Brave"-Zeiten!). Sänger Marco Glühmann bietet natürlich ebenfalls einen sehr emotionalen Vortrag mit authentischem Ausdruck und gänsehautmäßiger Intensität ab. Die Rhythmusfraktion sorgt für einen stets klasse Groove. Aber auch die Cellistin sowie die Backroundsängerinnen leisten ihren Beitrag zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk.
Der übersichtliche Bühnenaufbau, eine sehr dezent abgestimmte Lightshow mit bewußten "Farbtupfern" zu jedem der 15 Tracks sowie behutsam eingestreuten Videoinstallationen sorgen für tolle optische Reize ohne dabei den Zuschauer zu erschlagen. Richtig zur Geltung kommt diese sehr üppige Produktion natürlich erst durch den genialen Schnitt, bei dem aus satten zehn Kameraperspektiven die Bilder zusammengesetzt wurden. Trotz vieler getragener Parts gelingt es hier eine intensive Konzertatmosphäre in Verbindung mit genügend Fluss zu präsentieren ohne dabei zu hektische Wechsel einzubauen. Der Sound mit schönen Momentaufnahmen der Musiker wird durch geschickte Bildschnitte sowie Ein- und Überblendungen aus verschiedenen Perspektiven einfach perfekt unterstützt, so dass hier der Gesamtkontext die Musik zur Geschichte von „Posthumous-Silence“ bestens gewahrt wird und nicht vom eigentlichen Thema ablenkt.
Ich übertreibe nicht, diese liebevoll zusammengebastelte DVD sollte in keinem Haushalt fehlen, musikalisch und audiovisuell absolute Spitzenklasse. SYLVAN haben sich hier schon selbst eine Art Denkmal gesetzt, gefühlvoller Perfektismus in bester Qualität mit fetten Bonusfeatures - das ist eigentlich fast schon nicht mehr zu toppen.
Posthumous Silence: The Show
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
15
Länge:
175:0 ()
Label:
Vertrieb:
Konzert:
Hatesphere, Vomiting Corpses, Mutilated Remaints - Hamburg, Headbanger's Ballroom
Konzert vom Hamburg = Rock City. Jedenfalls in sehr vielen Nächten. Und an manchen Tagen. Hin und wieder erstaunt die große Hansestadt aber immer wieder, so wie an diesem Sonntag: da kommt eine echte Live-Granate in Form der Dänen HATESPHERE in den kleinen Ballroom (der nach Umbau noch kleiner als vorher ist, jedenfalls oben) und erwartet wird Gedränge, Schweiß, Headwalks. Aber wie ist die Realität? Allenfalls vierzig Leute sind im Laden, schön verteilt, so dass der ganze Abend mit den Worten „kuschelig“ und „intim“ euphemistisch umschrieben werden kann.
MUTILATED REMAINTS legten pünktlich um 21 Uhr. Und waren eine halbe Stunde später fertig. Mehr sollte über diesen Rumpelgig nicht gesagt werden, jedes weitere Wort über den stümperhaft-holprigen Death Metal (immerhin klappt die TERRORIZER-Coverversion) ist eins zuviel. Stageacting mies, Musik mies, Ausstrahlung mies. Und als evil Totmetaller auf der Bühne Naseputzen macht den letzten Rest Coolness weg. Grausam.
Wie sowas besser geht, machten VOMITING CORPSES vor. Die gab es bis vor zehn Jahren in recht wechselnder Besetzung schon mal, danach machten die Ostfriesen in anderen Bands weiter. Wer von der aktuellen Besetzung wann bei den kotzenden Leichen war, ließ sich nicht klären, der Drummer und Sänger sind auf jeden Fall alt genug, um schon anno 1997 zum Line-Up gehört zu haben, was sich vom zweiten Gitarristen nicht sagen lässt. Der war trotzdem der Knackpunkt der Show, denn so unsicher und dadurch krampfig-bemüht hat selten ein Musiker gewirkt. Die Posen wirkten albern, der Gesichtsausdruck wahlweise überheblich oder überfordert und die Bewegungen merkwürdig. Dann lieber die Augen und Ohren auf den Rest der Band richten, die routiniert und abgeklärter zu Werke gingen und den schön old schooligen Death Metal in die Lauschlappen prügelten. Im Vergleich mit den Opener um achtzehn Klassen besser, gab es fetten Death Metal, der auch nach zehn Jahren noch zündet und Spaß macht. Da waren die ersten Banger vor der Bühne und viel Applaus nur gerecht.
HATESPHERE bauten danach flugs um, pusteten einmal alles durch und legten los. Gestern noch in München versackt, waren die Dänen einigermaßen fit, mit dem Basser als designierter Fahrer (konsequenterweise mit Straight Edge-Gürtel) und hatten trotz des mauen Zuschauerzuspruchs richtig Spaß inne Backen. Sänger Jon präsentierte sich mit neuem, halbfertigem, Tattoo und hatte die Menge im Griff. Zwar kommt er noch immer nicht an seinen Vorgänger heran, aber davon abgesehen machte er eine verdammt gute Figur, sowohl stimmlich als auch in Sachen Ausstrahlung und Posing, da stimme alles. Bandchef Pepe flirtete wie immer mit dem Publikum und grinste über beide Ohren bei jedem knackigem Riff, das ihm entfleuchte, während die anderen beiden Saitenquäler wahlweise über die Bühne flitzen, moshten oder einfach nur grinsend posten. Der Schwerpunkt des Sets lag auf den neueren Sachen, Songs wie das gnadenlos brachiale „Deathtrip“ waren da natürlich drin. Zwischendurch ging Basser Mixen mal zur Theke und holte Getränke und bei der Zugabe in Form von „Only The Strongest“ kamen die Fans zum Zug und auf die Bühne, da Sänger Jon einfach nicht mehr konnte. So gab es ein großes Stelldichein auf der Bühne, jeder sang mal, die Band zockte irgendwann vom Tresen und vor der Bühne und alle hatten Spaß. Der Herr Sänger kam dann doch noch wieder, gab noch einen Song zum Besten und dann war Schluss. Wer dabei war, hat eine wie immer spielfreudige HATESPHERE-Crew gesehen, die auch nach drölfzig Besetzungswechseln Live eine Macht ist. Wo kriegen die Dänen nur immer so symphatische, zugepeikerte Typen her, die auch noch gute Musiker sind?
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