FINAL PRAYER und EMPOWRMENT hatten sich die Woche um den Tag der deutschen Einheit für eine kurze gemeinsame Tour ausgesucht, die an einem kühlen Hamburger Sonntag ihren letzten Tag hatte. Das Hafenklang war gut gefüllt, immerhin sind beide Bands nicht allzu häufig im Norden zu sehen und war mit TODAY FOREVER ein interessanter Support Act mit dabei.
Der legte dann auch recht pünktlich los („Wir müssen nach der Show auch schnell wieder zurück nach Kassel“) und hatte mächtig gute Laune, was angesichts des starken neuen Albums verständlich ist. Wenn dann noch ein paar Leute vor der Bühne Alarm machen und sich der typische Hamburger Graben einmal nicht bildet, ist alles super. Zwischendrin ein paar witzige Ansagen und fertig. TODAY FOREVER lieferten einen knackigen 30 Minuten-Gig ab, mit dem sie alles richtig machten und den Abend gut einläuteten.
EMPOWERMENT sind Typen, die zwischen totalem Blödsinn und Ernsthaftigkeit mühelos wechseln können, dabei aber immer was zusagen haben. Da mag manchmal etwas untergehen, gerade wenn sie den ganzen dicken Prollhammer rausholen und in bester NYHC-Manier auftreten. Aber wer genau drauf achtet, wird auch da die wichtigen Zwischentöne mitbekommen. Und egal ob „Stuttgart Asozial“, „Konflikt“ oder „90er“, jeder Song sitzt und macht Laune. Entsprechend gut geht es auf der Bühne ab, werden die Tourmates gelobt, eine Träne verdrückt, während es im Pit gut zur Sache geht und schön gemosht wird. Der Tourabschluss war für EMPOWERMENT viel zu schnell da, wie im Flug vergingen die gut 45 Minuten, wo doch einer Band, die Live so viel Spaß macht, noch viel länger hätte zugeschaut werden können….
Über FINAL PRAYER kann viel gelästert werden, abfällige Stimmen sehen sie als kleinen Möchtergern-Bruder von HATEBREED, was den Berlinern aber nicht gerecht wird – spätestens mit „I Am Not Afraid“ habe sie sich emanzipiert und ein saustarkes Album geschrieben. Beim Publikum war die Scheibe defintiv bekannt und kam sehr gut an, gerade zum Ende des Gigs (auch da vorher viele Emotionen und dicke Männerfreundschaften) gab es die massig Stagedives und Singalongs. Schweiß tropfte vom Cap des FINAL PRAYER-Fronters, der sich immer wieder für den tollen Abend bedankte, um dann den nächsten Song anzustimmen. FINAL PRAYER boten eine sehr gute Leistung, die die Tour mit einem Knalleffekt beendete und ihren Ruf in der Hansestadt aufpoliert haben dürfte. In dieser Form können die Berliner gerne wiederkommen, so ehrlich und authentisch im Auftreten sind nur wenige Bands – und dann noch so gute Live-Songs im Gepäck habend, besser geht’s ja nicht.
Es war keine Überraschung, dass das Hamburger Knust am Sonntagabend ausverkauft ist – LA DISPUTE hatten bei ihrem letzten Gastspiel in der Hansestadt ebenfalls für einen vollen Laden (das Hafenklang) gesorgt und seitdem ja nicht gerade an Popularität verloren. Zusammen TITLE FIGHT, MAKE DO AND MEND und INTO IT. OVER IT. war der LA DISPUTE-Tourtross für die Zielgruppe sowieso hochinteressant. So tummelten sich viele Visions-Leser neben den zu erwartenden Hardcore Kids. INTO IT. OVER IT. fingen dann so pünktlich an, dass sie schlicht verpasst wurden.
MAKE DO AND MEND waren dann also die erste Band des Abends, die ich gesehen habe. Wie schon bei der Europatour mit CANCER BATS im Mai waren die Amis um Sänger/ Gitarrist James gut aufgelegt und konnten mit ihrem melodischen Punkrock (mit dezentem HC-Einschlag) die Leute für sich gewinnen. Die Songs des kürzlich erschienenen Albums „Everything You Ever Loved“ fügten sich gut in die Setlist ein und animierten in den ersten Reihen so manchen zum Tanzbeinschwingen. Alle in allem ein gelungener Auftritt von MAKE DO AND MEND.
Setlist (wie immer ohne Gewähr):
Unknowingly Strong
Disassemble
Thanks
Lucky
Ghostal
St. Anne
Stay In The Sun
Firewater
TITLE FIGHT sehen zur Hälfte immer noch nach Nerds aus, allen voran Gitarrist und Sänger Jamie Rhoden, da nützen auch Tattoos nicht viel. Aber wo ähnlich gelagerte Bands wie MAN OVERBOARD gegen den ersten Eindruck nicht ankommen können, überzeugen TITLE FIGHT mit einer Gute-Laune-Show. D war schon 2010 auf der Tour mit POLAR BEAR CLUB so und das war auch an diesem Abend der Fall. Genau wie MAKE DO AND MEND mit neuem Album („Floral Green“) im Gepäck, machten die Amis dafür gut Werbung. War aber kaum nötig, denn zumindest die ersten Reihen waren mit den Songs vertraut und machten entsprechend Party, während weiter hinten erwartungsgemäß mindestens gefälliges Kopfnicken aufkam – immerhin ist der zwischem melodischem Punkrock und Hardcore pendelnde TITLE FIGHT-Sound extrem eingängig und für gute Laune sorgend. Wenn dann noch die beteiligten Musiker gut aufgelegt sind und der Sound stimmt, kann nichts mehr schief gehen. War hier alles so, entsprechend gut kam die gut 45 Minuten lange Show an.
Nach überraschend kurzer Umbauphase kamen dann LA DISPUTE auf die Bühne, um nach kurzer genuschelter Vorstellung mit „Said The King To The River“ und „New Storms For Older Lovers“ loszulegen. Beide Songs direkt hintereinander weg waren ein gelungener Einstieg angesichts ihrer Intensität, entsprechend gut ging das Publikum ab – von Müdigkeit nach den Vorbands keine Spur. LA DISPUTE haben mit ihrem stark an Singer/ Songwriter und Folk angelegten Songstrukturen und dem hochemotionalen Gesangsstil von Jordan Dreyer einen ganz eigenen Sound erschaffen, der auf Platte voll zur Geltung kommt und überraschenderweise auch Live bestens funktioniert. Das liegt zum einen an der hohen spielerischen Qualität der Musiker, die sich blind verstehen und dank konstantem Tourings sehr gut aufeinander eingespielt sind, zum anderen aber acuh der Ausstrahlung ihres Frontmanns, der zwar wie ein schüchterner Nerd aussieht, aber das Publikum mühelos in seinen Bann schlägt. Dazu haben sich LA DISPUTE eine atmosphärisch dichte Setlist zusammengestellt, die aus jedem Song einen Höheüunkt macht und keine Längen aufweist, ehe das abschließende „King Park“ den endgültigen Höhepunkt setzt. Wenn nach drei Stunden Konzert der ganze Saal Songzeilen mitbrüllt, hat eine Band einfach alles richtig gemacht.
“Can I still get into heaven if I kill myself?
Can I still get into heaven if I kill myself?
Can I ever be forgiven cuz I killed that kid?”
Fertig. LA DISPUTE gehen von der Bühne und lassen ein beeindrucktes, euphorisiertes Publikum zurück. Grandiose Show eines mehr als würdigen Headliners. LA DISPUTE sind eine Band, die ihre komplex, emotionale Musik auf einer Bühne ebenso gut wie im Studio umsetzen kann und völlig zu Recht als Speerspitze einer eigenen Spielart des Hardcore gilt.
Setlist (wie immer ohne Gewähr):
Said The King To The River
New Storms For Older Lovers
Harder Harmonies
Andria
St. Paul Missionary Baptist Church Blues
A Poem
The Castle Builders
Bury Your Flame
All Our Bruised Bodies And The Whole Heart Shrinks
Hinter WOVEN HAND steckt der 16 HORSEPOWER-Kopf David Eugene Edwards, der mit „The Laughing Stalk” das bereits siebte Album seines Projekts am Start hat. Auf dem geht es melancholisch zu, in guten Momenten an Nick Cave und Johnny Cash erinnernd, wie überhaupt die Mischung aus Country, Folk und MOTORPSYCHO ihresgleichen sucht. Den Instrumenten wird viel Platz gelassen, gerade der prägnante Bass stützt den Gesamtsound und lässt „The Laughing Stalk“ immer wieder mit viel Groove überzeugen („In The Temple“), da hat Neuzugang Gregory Garcia am Tieftöner ganze Arbeit gemacht. Zusammen mit der sich immer wieder schöne Melodien aus dem Ärmel schüttelnden Gitarrenarbeit (die so manchen Song vor dem Abgleiten in die Belanglosigkeit rettet) und der über allem schwebenden düsteren Stimme Mr. Edwards ergibt sich so ein atmosphärisch sehr dichtes Album, das zwar nicht für jeden Krachmaten was ist – aber wer sich seine Offenheit für Musik bewahrt hat und mit melancholischer Gitarrenmusik was anfangen kann, für den ist „The Laughing Stalk“ eine interessante Platte.
EF, die sträflich unterbewertete schwedischen Postrocker, legen mit „Delusions Of Grandeur“ eine EP vor, die nur auf Vinyl (im 10“-Format) erscheint. In gut 25 Minuten zelebriert die Band drei Songs, von denen der Titelsong und das ebenso überlange „I Never Felt This Way Before“ vom Zwischenspiel „Fem“ zusammengehalten werden. Gemeinsam erschaffen die drei Songs eine Atmosphäre, die (Postrock-typisch) fröhlich-fragil ist. Wird im Titelsong mit Gesang geabeitet, um dieses zu erreichen, baut „I Never Felt This Way Before“ u.a. Streicher und ein Piano ein, um eine ähnliche Stimmung aufzubauen, was in beiden Songs mühelos gelingt. EF klingen schwerelos, das war schon auf „Mourning Golden Morning“ und ist auf „Delusions Of Grandeur“ nicht anders, was den Hörer schnell fesselt und ihn ich der Magie der Schweden hingeben lässt. Mit der EP legen EF einen Tonträger voller wunderschöner Musik vor, dessen einziges Manko die viel zu kurze Spielzeit ist. Wird Zeit, dass da mehr Nachschub kommt, auch wenn die Wartezeit mit „Delusion Of Grandeur“ sehr schön überbrückt werden kann. EF festigen ihren Ruf als außergewöhnliche und sehr talentierte Postrock-Band und werden hoffentlich mehr Hörer für sich einnehmen können - verdient hätten sie es.
Manchmal ist es einfach unglaublich, was man als glücklicher Rezensent aus dem Briefkasten fischen darf. Einen wahren Glücksmoment bescheren einem die Texaner ETHEREAL ARCHITECT. War schon das Vorgängerwerk „Dissension“ ein Hammeralbum, so setzen ETHEREAL ARCHITECT mit „Monolith“ noch einen drauf. Auch wenn ETHEREAL ARCHITECT unglaublich eigenständig sind, so kann man ihre Musik grob als Verbindung der Power von Bands wie ICED EARTH oder HELSTAR mit der Verspieltheit und Virtuosität diverser 90er US Prog Metal Acts wie MERCURY RISING, PSYCO DRAMA oder RADAKKA beschreiben. Allein die schwebenden Melodien des Openers „Kalinago“ in Verbindung mit knallharten Doublebassattacken jagen einem einen wohligen Schauer nach dem anderen den Rücken herunter. Die vier jungen Herren sind absolute Ausnahmekünstler, welche es aber immer schaffen ihre Musikalität dem jeweiligen Song unterzuordnen. Trotz einer hohen Melodiedichte wird es nie kitschig, und ETHEREAL ARCHITECT erweisen sich immer wieder als überaus geschmacksicher, wenn es darum geht träumerische Melodiebögen mit harten Riffs zu verbinden. Trotz vieler Rhythmuswechsel und hart / soft Dynamics wirken die Songs zu jeder Zeit schlüssig durcharrangiert und niemals zerfahren. Jedes Break sitzt da wo es hingehört. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Zerbrechliche Prog Rock Tracks, wie das den Geist von SPOCK'S BEARD atmende „Obscura“ stehen dabei gleichberechtigt neben fast schon thrashigen Nackenbrechern à la „Bardo Becoming“. ETHEREAL ARCHITECT haben mit „Monolith“ ein anspruchsvolles Progressive Metal Werk erschaffen, welches nahezu alle Facetten harter Musik abdeckt und mit Sicherheit den Test of Time bestehen wird. Mit ETHEREAL ARCHITECT steht eine der beeindruckendsten Formationen der letzen Jahre am Start. Was SHADOW GALLERY für den Underground der 90er Jahre waren, sind ETHEREAL ARCHITECT heute.
Die schweizerInnen GATES OF OBLIVION machen es einem nicht gerade einfach. Auf ihrem zweiten Werk „Mirrored Reflections“ gibt es sowohl Licht als auch Schatten. GATES OF OBLIVION verbinden progressive Songstrukturen und anspruchsvolle Instrumentalarbeit mit Einflüssen aus dem Gothic Bereich. Mitunter klingen sie wie eine komplexere Variante von EDENBRIDGE. Die Stücke sind sehr detailverliebt und bieten auch nach mehrmaligem Hören immer neue Feinheiten, welche die Sache interessant und spannend halten. Was zugunsten des Anspruchs an hoher Musizierkunst etwas auf der Strecke bleibt sind die ganz großen Hooks, welche einem auch nach Tagen nicht aus dem Ohr wollen. Hier ist noch Luft nach oben. Ideen wie die Hammondorgel in „Miracle Bird“ sind dagegen richtig cool. Das größte Problem sehe ich persönlich im Gesang von Frontfrau Aline Bühler, welche über eine sehr hohe und fragile Stimme verfügt. Während sie in den sehr ruhigen Moment äußerst wohl tönt, so kommt sie in den aggressiveren Parts schnell an ihre Grenzen und wenn sie versucht die Rockröhre auszupacken wird es schrill und man hört, dass das überhaupt nicht ihr Ding ist. Die Eigenpressung tönt recht professionell und man ist definitiv auf dem richtigen Weg, in Sachen Gesang sollte man aber noch einmal in Klausur gehen.
Sieben lange Jahre hat es gedauert bis PRAYER einen Nachfolger für das brilliante „Wrong Adress“ Album in die Regale wuchten. Sieben Jahre in denen die Zeit in Finnland offensichtlich und glücklicherweise still stand, denn „Danger In The Dark“ fängt genau da an, wo „Wrong Adress“ damals aufhörte. PRAYER spielen äußerst wohlklingenden AOR mit einem feinen Händchen für leicht melancholische Melodien. Der perfekte Soundtrack um nachts bei Regen über eine Autobahn zu düsen. PRAYER vermengen Einflüsse von THIN LIZZY mit den kanadischen Prog Göttern von SAGA und würzen das Ganze mit leicht DIRE STRAITS-artigen Vocals. Heraus kommt ein leckeres Gebräu, welches jedem AOR Gourmet munden sollte. Die stilsicheren 80er Jahre Keyboards setzen „Danger In The Dark“ dann noch das Sahnehäubchen auf. Wer mir nicht glaubt, der führe sich das Titelstück oder das treibende „KP“ zu Gemüte. Ich hoffe, dass wir nicht wieder 7 Jahre warten müssen.
Es gibt Formationen, die einfach nicht tot zu kriegen sind. SAVAGE gehören defintiv zu dieser Sorte Bands. 1979 gegründet, debütierten sie 1983 mit dem zu Recht als Klassiker geltenden „Loose 'n Lethal“. Selbiges Album bzw. die Demos davor hinterließen auf Hetfield, Ulrich und Co. einen ähnlich bleibenden Eindruck, wie die ersten Gehversuche von ANGEL WITCH, BLITZKRIEG und DIAMOND HEAD. Auch ich kann mich der Faszination für das rohe Frühwerk von SAVAGE nicht erwehren. Allerdings muss ich gestehen, dass ich SAVAGE nach eben „Loose 'N Lethal“ aus den Augen verloren habe. Anno 2012 stehen die alten Herren dann tatsächlich mit ihrem 6ten Werk auf der Matte. Mit „The Rage Within“ geht es dann auch ganz schmissig los und man hört sofort, dass es SAVAGE geschafft haben, sich ihren ureigenen Gitarrensound zu konservieren und ihn in die Gegenwart zu transferrieren. Zwar tönt alles bedeutend fetter, aber der typische Klang ist noch wahrnehmbar. Leider wird mit dem bluesigen „Black 'n Blue“ gleich im Anschluß etwas Schwung herausgenommen. Auch das Titelstück klingt etwas brav. Und so geht es munter weiter: Schmissige Hard Rock Songs an der Grenze zum Heavy Metal („The Hanging Tree“, Waking The Dead“, „Now“, Fallen Idol“) wechseln sich mit etwas kraftlosem, angestaubtem Material ab („Monkey On My Back“, „Junkyard Dogs“ oder „Masters Of War“). Das an THIN LIZZY erinnernde „Choose Revolution“ ist dann nochmal ein richtiges Highlight. SAVAGE haben 2012 keinen Meilenstein an den Start gebracht, aber ein gutes Hard Rock Album , welches besonders Verehrern der frühen NWoBHM gut 'reinlaufen müsste.