„The Quiet Lamb“, das Debütalbum des britischen Kollektivs HER NAME IS CALLA, ist schön. Schlicht und einfach schön. Die im Kern aus fünf Leuten bestehende Band (die sich bei Bedarf noch weitere Musiker hinzuholen, um zum Beispiel Cello und Flöte in ihren Sound einbauen zu können), hat eine mehr als 70 Minuten lange Klanglandschaft erschaffen, in der es weitgehend verträumtä-friedlich zugeht, bei Bedarf aber auch Aggressionen durchbrechen können. Wenn dann die lange Spielzeit nie langweilig wird und sich die Band nie in Nebensächlichkeiten verliert, sondern die Songs bei aller Länge fokussiert halten, wird klar, dass „The Quiet Lamb“ ein Fest für Postrock-Anhänger sein wird. Und tatsächlich, Songs wie das mehr als 17 Minuten lange „Condor And River“ oder dem recht heftigen Rausschmeißer „The Union“ sind facettenreich, spielen mit bekannter Laut/ Leise-Dynamik, ohne auf ausgelatschten Wegen den Massen zu folgen, und verbreiten eine ganz eigenen Stimmung, die wie schon einleitend geschrieben einfach schön ist. Neben der vielfältigen Instrumentenauswahl fällt besonders die Stimme von Sänger Tom, die immer wieder für großes Kopfkino sorgt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. HER NAME IS CALLA haben ein episches Werk erschaffen, das fesselt, berührt, verzaubert und fast unmöglich in Worte zu fassen ist. Schöne Musik, wie es sie viel zu selten gibt.
“Tiny Melodramas” ist das komplett in Eigenregie und mit geliehenem Equipment eingespielte Debütalbum der Nürnberger THE BLACKSCREEN. Als Opener hätte man sich besser etwas anderes ausgesucht, da beim gewählten „Bella“ der Gesang nicht übermäßig überzeugt. Danach reißt sich Sänger Oliver Frank etwas zusammen und der Gesamteindruck bessert sich ein ganzes Stück, aber so richtig großes Kino will daraus trotzdem nicht so recht werden. Die Songs wechseln zwischen ruhigen Momenten und (sowohl gesanglich als auch vom Gesamtarrangement her) harten Passagen, aus dem Rahmen fällt der gelegentliche Einsatz von Bläsern, wie zum Beispiel bei „Buried Alive“ der in diesem Zusammenhang doch eher unüblich ist. Wie der Albumtitel schon impliziert sind THE BLACKSCREEN in wenig fröhlichen Gefilden unterwegs, versinken jedoch keinesfalls in Melancholie. Von der Gesamtstimmung her werden immer wieder Erinnerungen an PLACEBO wach, allerdings fehlt deren Eingängigkeit. Wer gerne in dunklen Alternative-Gefilden fischt kann aber bei THE BLACKSCREEN ruhig trotzdem mal reinhören.
Das gute zuerst: "ReAction", das inzwischen dritte Demo von ONE SOUL ist bei Jan Rubach mitten auf St. Pauli aufgenommen worden, und das Resultat ist so, wie es standesgemäß sein sollte: der Sound ist sehr ordentlich. Außerdem bietet das Trio eine Menge fürs Auge, selbst das Demo erscheint in fetter Digipack-Aufmachung mit passenden Zeichnungen. Das Auge ißt mit - und stellt sich dann unter der Musik wahrscheinlich etwas anderes vor, als am Ende dabei rauskommt. Raus kommt nämlich ein noisiger Metalmix, der von der Stimme von Noschka dominiert wird. Und die intoniert deutlich härter, als man das vom bunten Cover her erwarten sollte. Apropos Härte: Auch die Gitarren können ganz gut Melodien, wollen wohl aber lieber herum rüpeln. Irgendwie läuft das nicht rund - Augen und Ohren bekommen gegensätzliche Eindrücke geboten und das Hirn kriegt es nicht zusammen.
INTRONAUT liefern mit „Valley Of Smoke“ ihr drittes Album ab und haben immer noch ordentlich Credibility, Verbindungen zu JESU, PHOBIA, UPHILL BATTLE und einer Handvoll weiterer Bands sei Dank. Derlei Namedropping ist im Falle des neuen aber nicht nötig, da der Acht-Tracker durchgehend überzeugen kann und sphärigen, an ISIS erinnernden Postcore zum Besten gibt. Das Album ist sehr dynamisch, auf eine durchweg gleich bleibende Atmosphäre haben sich INTRONAUT nicht festgelegt, so dass sich ruhige Passagen gleichberechtigt neben NEUROSIS-mäßigen Abschnitten finden („Miasma“). Auf der Gitarrenarbeit, die sehr viele Akzente setzen, und den immer wieder in ungewöhnliche Taktzahlen Drums liegt bei den ersten Durchgängen leicht das Hauptohrenmerk, aber nach und nach entfaltet der oft zweistimmige Gesang seine volle Wirkung, wodurch „Valley Of Smoke“ noch eine Stufe besser wird und fast zu den Größen des Genres aufschließen kann. Einzig das nicht immer durchdachte Songwriting, das zu Lasten von wirklicher Eingängigkeit (im Sinne von eines im Ohr hängen bleibenden Songs) verhindert den Aufstieg in die höchsten Regionen. Gut ist „Valley Of Smoke“ allemal, für Postcorler definitiv eine Anschaffung wert.
Nachdem sie im vergangenen Jahr ausgiebig die skandinavischen Rockclubs beschallt haben, stehen MARY FAY nun mit ihrem Debütalbum in den Startlöchern. Das wartet mit einem schönen, runden Gesamtklang auf, durch den meist eine gewisse Wehmut und Sehnsucht weht, allerdings ohne dabei typisch skandinavisch zu klingen. Eher schon fühlt man sich ein klein wenig an die amerikanischen Kollegen von 30 SECONDS TO MARS (also Mars-Army, vielleicht mal kurz wohlwollendes Öhrchen schenken?) erinnert. Einschmeichelnde Melodien und mehrstimmiger Gesang werden mit druckvollen Gitarren ergänzt, in einigen Passagen wird auch gesanglich durch Einsatz von Screams auf die Tube gedrückt , wie bei dem eingängigen „Before We Lose It All“; generell bewegen die Schweden sich jedoch im sowohl gemäßigten als auch sehr melodiösen Bereich und weisen damit hohes Radiopotential auf. Zweiter Anspieltipp: das zwischen ruhiger Strophe und druckvollem Refrain wechselnde „Sorry Ain´t Enough“. MARY FAY liefern mit „This Beautiful Storm“ ein mehr als gelungenes Debütalbum ab, das zweifelsohne den einen oder anderen hellhörig werden lassen dürfte.
Liebe Musik-Redaktion bei Delta Radio: Bitte wendet eure Aufmerksamkeit dem Hamburger Newcomer NUAURA zu. Die haben zwar einen schwer auszusprechenden Namen, entschädigen aber dafür mit eingängigem Alternative-Rock, der zu 100 Prozent in euer Format passt. Songs wie "Waiting For An Angel" versüßen selbst den Stau auf der A7, "How Does It Feel" hilft bei Prüfungsangst, Liebeskummer oder anderen existenziellen Situationen - und "Trust" und "Feel" spielen schon fast in einer Liga mit Creed, Alter Bridge oder Staind. Auf "Bleeding" stapeln sich die schönen Melodien und die Band hat mit Lars einen Crooner vor dem Herrn am Mikrofon. Mit "Me Machine" ist auch ein Rocker am Start, auf dem Lars zeigt, dass er growlen und die Band, dass sie so richtig abgehen kann. Nun, alle die außerhalb des Einzugsgebietes des nordischen Rocksenders liegen: Man kann die Cd auch kaufen oder bei einem der bekannten Anbieter herunterladen. Und das lohnt sich, wenn ihr auf rockige Balladen steht, die immer noch genug Schmackes haben, so dass sie auch zu einem Astra schmecken. Prost!
Corey Taylor ist ja im „normalen“ Leben Schreihals oder Keiferer bei den Todesmetallern von SLIPKNOT. Aber zum Glück hat er musikalisch auch noch eine völlig andere als diese na sagen wir mal dunkle Seite zu bieten. Bei seiner Nebenband kommt er als Mastermind zusammen mit Gitarrist James Root (ebenfalls SLIPKNOT) aber völlig ohne Gummimasken und sonstiges Riffgeprügel aus. Mit STONE SOUR und "Audio Secrecy" tobt er sich jetzt bereits zum dritten Mal seit 2001 ausgiebig im Bereich des Alternative/Modern Rock Bereich aus.
Klar, im direkten Vergleich zum starken Vorgänger "Come What(ever) May" wird zwar schon nochmal eine Ecke runtergeschaltet, Aggroattacken oder aggressive Schreiparts sind relativ selten. Trotzdem ist die Scheibe beileibe nicht zahnlos oder gar auf Schmusekurs, wie in manchen Kritiken völlig überzogen geschrieben wurde.
Der etwas ruhigere Eindruck mitunter stimmt zwar schon aber die etwas bedächtigeren Tracks (und davon gibt es hier einige) haben ihren ganz eigene Reiz und sind nie wirklich zu platt oder gar cheesy. Nach einem schönen Pianointro des Titelsongs geht es gleich gut ab "Mission Statement" ist bester, geradliniger Alternative, dann das noch fettere "Digital (Did You Tell)" mit wuchtigen Riffs und natürlich guter Hookline. Auch das luftige "Say You'll Haunt Me" ist so ne Art aufgedonnerter Indie Rock mit klasse Refrain. ein super Start für diess Album, dann folgt dien erste Ballade „Dying" schöner halbakustischer Song, das können NICKELBACK sicher nicht besser, hier gänzlich ohne zu platten Pathos mit schönen Gitarrensolo. Etwas grungig im Stile von ALICE IN CHAINS kommt dann „Let's Be Honest“ mit etwas dreckigeren Vocaleinschüben und auch Pieces (könnte fast von ALTER BRIDGE sein), paßt einfach. So richtig schöne Tempokracher mit ordentlich Power sowie leicht düsterem Charakter sind "Unfinished" und auch das treibende "The Bitter End". Hier zeigen die Herren noch mal ihr echtes Händchen für griffige Melodien, aber auch schräge Gitarrenläufe, verzerrte Vocals und ordentlich Drive. "Hesitate" ist dann zwar Chartfutter pur, ein leicht melancholischer Gürtelrubbler, mit klasse mehrstimmigen Chorus. Für die Hardliner packt man bei „Nylon 6/6" nochmal etwas die härtere Schwarte aus. „Miracles“ ist dann wieder ein ruhiger Vertreter aber sehr entspannend und nicht zu aufgesetzt kitschig umgesetzt.
Klasse auch das wunderbar luftige, fast etwas an PINK FLOYD erinnernde „Imperfect“ mit beinahe schwebenden Vocals, hier werden die Wandergitarren ausgepackt und mit schönen Licks bei Bedarf untermalt. Mich überzeugt „Audio Secrecy" von vorne bis hinten, die Fans der härteren Ausprägung mögen dies wahrscheinlich etwas anders sehen aber denen bleibt ka immer noch die Maskenband.
Dieses Album hat recht viele recht emotionale Momente bietet aber insgesamt trotzdem sehr knackigen, amerikanisch geprägten Alternative aber beweist, dass auch Mainstream sehr gut klingen kann ohne auf 0815 Schemata der bekannten Bands der Szene zurückzugreifen. Kraft und Seele gepaart mit zündendem Songwriting zugleich - dafür stehen STONE SOUR und liefern so ganz sicher ein Genrehighlight des Jahres 2010 ab.
Gerade mal ein Jahr nach der Veröffentlichung des Debütalbums legen PHOENIX EFFECT bereits mit dem diesmal selbstbetitelten Folgealbum nach. Der Zusammenarbeit mit den Kollegen von POETS OF THE FALL hat man auch auf dem zweiten Album fortgeführt, auch wenn man sie diesmal nicht immer ganz so deutlich heraushört wie noch auf „Cyanide Skies“. Dem Gesamtsound ist man jedoch weitestgehend treu geblieben und versorgt den geneigten Hörer weiterhin mit melodiösem Alternative Rock- mal ruhiger und nachdenklicher wie auf „Babylon“, mal deutlich vorwärtstreibender wie beim rockigen „All 4 Nothing 4 All“. Der Opener „Black Art“ eröffnet mit satten Gitarrenriffs, mehrstimmiger Gesang verwöhnt im Refrain des hübschen „Into Flame“ das Ohr. Radiotauglich wären eigentlich durchweg alle Songs, da gibt es nichts zu wollen. Nicht alles geht sofort ins Ohr, mehrmaliges Anhören ist an der einen oder anderen Stelle also empfehlenswert, da lohnend. Wer also „Cyanide Skies“ oder die Kollegen von POETS OF THE FALLS mag, dürfte sich auch über das zweite PHOENIX EFFECT-Album freuen.
ROOGA sind eine offizielle Jägermeister „Jägerband“ Österreichs, so viel sei einmal vorweg genommen- das die Herrschaften rocken können, dürfte also außer Frage stehen. „Behind The Mirror“ heißt nun das neue Album und dass das Quartett um Sängerin Kati auch recht hart zu Werke gehen kann, demonstrieren sie schon gleich zu dessen Beginn bei „Go!“, bei dem die Gitarren ordentlich brachial dröhnen. „Broken“ demonstriert, dass die Band sich ebenso auf Balladen versteht, Kati beherrscht die Kunst, sowohl verletzlich-fragil klingen als auch einen auf Eins A-Rockröhre machen zu können. Bei „Tick Tick Tock“ wechseln sich etwas sperrige Strophen mit melodischem Refrain, zahlreiche Songs sorgen mit zusätzlichen männlichen Gesangsparts im Refrain für Abwechslung. Alles in allem demonstriert „Behind The Mirror“, dass ROOGA eine eigene Mischung gefunden haben, die sich gelungen zwischen Härte und Melodie bewegt.
Bei POETS OF THE FALL dürfte es sich um eine der im Ausland meistunterschätzten finnischen Bands überhaupt handeln- zwar räumen die Herren in ihrer Heimat inzwischen ziemlich ab, jenseits der Grenze jedoch ist der Name immer noch weitestgehend unbekannt. Das ist eine echte Schande und wird sich mit dem neuen (in Finnland bereits seit einiger Zeit veröffentlichten) Album „Twilight Theater“ hoffentlich endlich ändern. Wer „Carnival Of Rust“ mag, dem wird auch „Twilight Theater“ gefallen- während beim Vorgänger „Revolution Roulette“ das Tempo für POETS-Verhältnisse ja doch etwas angezogen worden war, überwiegt bei „Twilight Theater“ wieder die dezent melancholische Nachdenklichkeit, getragen von großen Melodien. Schon das erste Lied „Dreaming Wide Awake“ mit seinem hochmelodischen Refrain mitsamt in die Kopfstimme kippendem Gesang bekommt man so schnell nicht mehr aus dem Kopf, der bandtypische warme Gesamtklang mit seinem epischen Flair nistet sich sofort im Ohr ein. Das wunderbare, verträumte „You´re Still Here“ wird ausschließlich von Gesang, Akustikgitarre und effektvoll eingesetzten Streichern im Hintergrund getragen und entfaltet eine schon fast magische Stimmung, „Dying To Live“ kommt rockiger daher. Tolle Band, schönes Album- zugreifen!