EINHERJER haben nach ihrem fulminanten „Blot“-Album 2004 die Segel gestrichen und als BATTERED die Thrash-Welt unsicher gemacht. Aber das hielt nur ein paar Jahre, jetzt sind die Norweger wieder zurück im Viking Metal und zeigen den ganzen Flöten- und Humpa-Kerlchen, wie roh und mächtig diese Musik sein muss. Nichts mit Trollgehampel und Fröhlichkeit, stattdessen Kampf und Härte. "Norrøn Kraft" ist dafür der perfekte Einstieg in das Album, bietet er doch 13 Minuten epischen Viking Metal, der gerade im extrem heftigen Mittelteil dem Nachwuchs zeigt, wo die Wikingeraxt hängt. Der Gesang ist wie gewohnt (und erhofft) grimmig-bösartig und damit stilprägend für die Atmosphäre, die diesem Album innewohnt. Dazu passen natürlich die immer wieder mit epischen Riffs aufwartenden Gitarren genauso wie der treibende, majestätische Grundton der Songs. Mit dem im wahrsten Sinne des Wortes donnernden Schlagzeugspiel zusammen wird „Norron“ endgültig zu einem monumentalen Werk, das allen KORPIKLAANI/ ENSIFERUM-Jüngern gut einen vor die Kauleiste geben wird. An die Wuchtigkeit eines Tracks wie „Malmting“ oder das an BATHORY gemahnende „Balladen Om Bifrost“ kommt so schnell keine Band heran, die sich selbst im Viking/ Pagan-Genre verortet. EINHERJER sind mit Paukenschlag und Donnerhall zurück aus ihrer Abstinenz und beweisen mehr als eindrucksvoll, wie wichtig und stilprägend sie für ein Genre sind, das in den letzten Jahren von viel zu viel belanglos-fröhlichen Bands überlaufen wurde.
OPETH sind im Progressive Rock angekommen. An sich keine Überraschung, wenn die jahrelange Zusammenarbeit von Bandkopf Mikael Akerfeldt und Steve Wilson (POCUPINE TREE) ins Gedächtnis gerufen wird. Aber dass die Schweden auf „Heritage“ komplett auf Growls verzichten, überrascht dann doch, war doch die Verknüpfung von Death Metal und Progressive Rock eines der OPETH-Trademarks. Aber das ist Vergangenheit, anno 2011 sind OPETH eine reine Rockband, die in zehn Songs zeigen will, dass sie auch in neuem Gewand weiterhin emotional bewegende, komplexe Musik schreiben können, denn genau das machte ihre Werke bis dato so einzigartig. „Heritage“ scheitert leider an der emotionalen Seite. Komplex ist die Musik immer noch, wenn auch mit einem ganz starken 70er-Einschlag, der von BLACK SABBATH („Slither“) bis zu jazzigem Rock („The Devil’s Orchard“) reicht. Manche Songs wirken dabei zu hochgestochen und leicht verkrampft, wie das sehr nach Jam-Session klingende „Nepenthe“ oder das relativ ruhige „Häxprocess“. Leider geht dabei die früheren OPETH-Songs innewohnende Eingängigkeit verloren, viel zu oft ist „Heritage“ nur anstrengend und komplex, aber spricht den Hörer nicht an und kann sich nicht im Ohr festsetzen. Bisher hatten es Alben wie „Watershed“ oder „Blackwater Park“ geschafft, schon nach dem ersten Durchlauf beim Hörer gelandet (und niemand wird die Komplexität der Alben abstreiten wollen) und gleichzeitig herausfordernd zu sein. „Heritage“ gelingt das nicht, es bleibt nur fordernd, ohne eine Belohnung für die Mühe in Aussicht zu stellen. Ja, Mühen. Stellenweise ist das Album richtig anstrengend. Vieles wirkt zudem unfertig, fast so, als wären der Band (oder besser Akerfeldt als Hauptverantwortlichen) die Ideen beim Songwriting auf halber Strecke ausgegangen oder aufgrund von Zeitdruck nicht weiter ausgearbeitet werden. Ganz eklatant wird das beim wenig ins Songgefüge eingepassten Keyboard deutlich, das fast immer wie ein Fremdkörper wirkt. „Heritage“ war eines am meisten erwarteten Alben des Jahres, aber nach zig Durchläufen ist klar, dass OPETH diese Erwartungen nicht erfüllen konnten. Dazu ist das Album zu unfertig, zu unfokussiert und nicht bewegend genug.
Mit einem neuen PRIMUS-Album hatte ich schon fast nicht mehr gerechnet. Der umtriebige Bandkopf Les Claypool hat zwischenzeitlich zwar jede Menge Alben mit diversen anderen Bands und Projekten aufgenommen, und PRIMUS waren auch in den letzten Jahren ein paar Mal in den USA auf Tour, aber das letzte Album der Band erschien 1999, als sie mit „Antipop“ ihre wohl eingängigste Scheibe veröffentlichte. „Eingängig“ für PRIMUS-Verhältnisse, versteht sich. Das neue Werk, „Green Naugahyde“, schlägt aber eine Brücke zurück den Frühwerken wie „Frizzle Fry“ und „Sailing The Seas Of Cheese“. Dies mag daran liegen, dass neben dem langjährigen PRIMUS-Gitarristen Larry LaLonde der Drummer Jay Lane wieder mit an Bord ist, der schon 1988, also vor „Frizzle Fry“, die Felle und Becken bediente. Im Vordergrund steht aber wie eh und je das irrwitzige Bassspiel Claypools, der wechselweise Begleit-Linien, Akkorde, Melodien und Solo-Passagen spielt, manchmal sogar auch irgendwie alles gleichzeitig. Die Gitarre spielt eher rhythmisch als melodisch, und die Drums legen einen knochentrockenen, aber fast schon brutal groovenden Teppich unter das Ganze. Der Schwerpunkt lag bei PRIMUS ja immer schon weniger auf den Songs als auf dem Rhythmus, und auch auf „Green Naugahyde“ rappelt es durchgehend im Karton. Darüber lässt Claypool seinen typischen, mal quäkigen, mal auch unterdrückt hysterischen, Sprechgesang erklingen. PRIMUS-Kundige wissen, dass das über eine gesamte Albumlänge etwas anstrengend sein kann, aber was diese drei Über-Musiker hier an jeder Ecke an kleinen musikalischen Spielereien fabrizieren, fasziniert trotzdem immer wieder. Für PRIMUS-Einsteiger sei „Moron TV“ empfohlen, das düsteren Funk mit einer Off-Beat-Gitarre verbindet und dessen Riff fast schon als Ohrwurm durchgeht, oder auch „Tragedy’s A’ Comin’“, aus dem man den Crossover der frühen 90er heraushört. Wer PRIMUS kennt, wird sie vermutlich lieben oder hassen, und wer sie liebt, wird sich über das neue Album den Allerwertesten abfreuen. So viel Spielfreude, musikalisches Genie und Pfeifen auf jegliche Konventionen bekommt man nur selten geboten.
Das Quintett aus Sao Paulo hat diese EP bereits im Jahr 2008 aufgenommen, jedoch gelangt sie erst jetzt durch Greyhaze Records, das aktuelle Label der Band, an die breitere Öffentlichkeit. Die Jungs (und ein Mädel - Maria Piti am Bass) spielen ein gehöriges Grind-Brett, das mich irgendwie an eine Mischung aus älteren NAPALM DEATH, BRUJERIA und VADER (speziell das röhrende Grunzen von Caio Augusttus) erinnert. In rund vierzehn Minuten werden sechs Dampfhämmer heruntergeknüppelt, die ansprechend zwischen Vollgas und heftigem Midtempo wechseln und durchweg in der portugiesischen Heimatsprache der Band verfasst sind. "Condenados Pelo Odio" (englischer Titel: "Condemned By Hatred"), "Miseria Escravatura" ("Misery And Slavery") oder "Chagas Abertas" ("Open Wounds") donnern ordentlich fett durch die Boxen und bescheren Hoffnungen, dass das noch in diesem Sommer erscheinende und von SEPULTURA-Drummer Jean Dolabella produzierte Debütalbum mächtig in den Allerwertesten stiefelt. "Hereditas" ist zwar kein Oberhammer, da das Songwriting noch ein Stückweit beliebig anmutet, aber als allererste Veröffentlichung dieser seit 2004 existenten (und zuerst unter dem Namen EL FUEGO agierenden) Band ein mehr als beachtliches Werk, von dem sich viele Newcomer eine Scheibe abschneiden können. Hut ab!
POLAR BEAR CLUB haben sich für ihren „Chasing Hamburg”-Nachfolger mit Brian McTerman (SET YOUR GOALS, THRICE, FROM AUTUMN TO ASHES) einen neuen Produzenten gesucht, der „Clash Battle Guilt Pride“ einen zu den nachdenklicher gewordenen Songs perfekt passt. Insbesondere Sänger Jimmy kommt dabei besonders gut zur Geltung, was den Fokus schnell auf seine Weiterentwicklung legt: seine Stimme ist kräftiger geworden und wird nicht mehr in klare und raue Nuancen unterteilt, sondern behält durchweg eine Stimmlage, die beides vereint. Das funktioniert schon beim endtraurigen Opener „Pawner“ sehr gut, findet aber erst bei „My Best Days“ seinen Höhepunkt. Vielleicht auch, weil der Song einer der persönlichsten der Platte zu sein scheint und Jimmy extrem viel Gefühl in die Stimme legt. POLAR BEAR CLUB wirken nicht nur bei dem Song und dem Opener nachdenklicher und leicht melancholisch, nein die gesamte Platte strahlt das aus. Es scheint, als hätte der Erfolg von „Chasing Hamburg“ und das konsequente Touren seine Spuren hinterlassen, die nicht nur positiv waren. „Clash Battle Guilt Pride“ ist dabei weder aggressiv noch weinerlich, das wäre wiederum unpassend. Nein, es ist so ehrlich wie der Vorgänger, nur eben mit anderen Untertönen. Die Platte hat Tiefgang und hält die Balance zwischen erdigem Punkrock und Pop, wenn auch der Pop-Anteil etwas abgenommen hat. „Clash Battle Guilt Pride“ ist eine saugute POLAR BEAR CLUB-Scheibe geworden, das macht jeder Durchlauf deutlicher. Die Amis haben ihre Erfahrungen zu einer emotionalen, schönen Punkrockplatte verarbeitet, die ihren Fans gefallen wird.
Wie in allen Genres und Subgenres wird auch im Thrash Metal gerne mal in Richtung der Großen Alten geschielt, aber nur wenige Bands klauen so offensichtlich wie die 2005 von Mitgliedern der Death Metaller OBLITERATION gegründeten NEKROMANTHEON aus Norwegen, das ja auch nicht gerade für diese Stilrichtung berühmt ist. Gleich der Opener "Gringo Death" von "Divinity Of Death" beginnt mit dem leicht variierten Riff von DESTRUCTIONs "Curse The Gods", und auch im folgenden Verlauf des Albums besticht den Hörer zunehmend das Gefühl, alles hier schon einmal in besserer Form gehört zu haben. Der Schrei-Gesang von Gitarrist Arild "Arse" Myren erinnert zudem sehr stark an KREATORs Mille, auch EXODUS können sich dem Zugriff des Trios nicht ganz entziehen. Zwar machen Songs wie "The Point Of No Return", das Titelstück oder "Further Beyond" durch ihre rotzig-flotte und irgendwie herrlich unbekümmerte Umsetzung durchaus Spaß, aber echte Kracher bleiben ebenso wie Abwechselung leider aus. NEKROMANTHEON sind in dieser Form nur eine reine, wenn auch grundsätzlich hörenswerte, Retortenband, die aber am Ende nur Allessammler hinter dem Ofen hervorlocken dürfte, und der die Originale immer noch vorzuziehen sind, auch wenn "Divinity Of Death" zugegebenermaßen lebendiger, erdiger und weniger totproduziert tönt als das aktuelle DESTRUCTION-Werk "Day Of Reckoning"...
Mit dem Titel "White Knuckle Ride" legen die vier schweizer Musiker von EXCENTRIC bereits ihr zweites in Eigenregie erstelltes Album vor. Die seit 1998 existierende Band hat sich einer Mischung aus Hardrock und Modern Rock amerikanischer Prägung verschrieben. Die Produktion, welche im eigenen Studio in Basel aufgenommen wurde kann sich hören lassen und besitzt durchaus einen professionellen Charakter. Die Rhythmus Abteilung agiert druckvoll, der Gitarrist beherrscht sein Instrument, und auch der Gesang ist so weit okay.
"Hold On" der Opener des Albums mit seiner geschrubbten Gitarre klingt modern, im Refrain relativiert sich das, und die Nummer bekommt einen klassischen Hardrock/Metal-Anstrich. Track zwei überrascht mit Mundharmonika und sleaze gefärbten Rock. Mir gefällt der Titel, nur passt er nicht ins Album. Ja und was passiert bei Song Nr. drei? Da bekommen wir eine Halbballade geboten die so auch von 3 DOORS DOWN sein könnte. Im weiteren Verlauf von "White Knuckle Ride" legen sich die Eidgenossen ein wenig fester - in Richtung Modern Rock/Metal. Das kann man sich alles ganz gut anhören, aber richtig vom Hocker haut es mich dann doch nicht.
Der Stimme fehlt auf Länge die Brillianz, Kraft und Charakter. Ein erfahrener Produzent hätte da sicher mehr raus geholt. Auch sollten sich EXCENTRIC auf einen Sound/Stil festlegen - immer mal wieder kommen Momente im Album auf, die sich deplaziert anhören. Da der Modern Rock Anteil überwiegt würde ich diesen auch komplett durchziehen. In Anbetracht dessen, das das Ding in Eigenproduktion ohne Label entstanden ist, zolle ich dennoch den jungen Musikern meinen Respekt, und richte zumindest einen Daumen nach oben.
Mein Kollege Memme fand die letzte Veröffentlichung des französischen Solo-Schwarzheimers AURVANDIL, die EP "Ferd", nicht allzu dolle, aber wenn ich mir "Yearning", das neue Album des inzwischen um Session-Drummer Wiedergänger verstärkten Projektes, anhöre, kann ich Memmes Kritik nicht wirklich darauf übertragen. Der reduzierte, räudige und zu keiner Zeit nach Härte- und/oder Hochgeschwindigkeitsrekorden strebende Black Metal alter Schule hat seine stilistische Heimat zweifellos im Norwegen der 90er Jahre, und BURZUM sind als großer Einfluss herauszuhören, aber AURVANDIL versteht es, durch gekonnte (nur leider mitunter viel zu langatmige) Akustikpassagen einen atmosphärischen Soundteppich zu erzeugen, der trotz der basischen Produktion eher die melodischer orientierten Genre-Fans anspricht. Als Anspieltipps empfehle ich mal die beiden sehr hörenswerten "End Of An Age" und "A Guide To Northern Scapes", die einen repräsentativen Überblick über "Yearning" geben. Am Ende steht eine gute Black Metal-Scheibe, nicht mehr, aber auch nicht weniger, die außer ein paar übermäßiger Längen und einem etwas zu verwaschenen Sound (der die Zielgruppe aber sicher nicht stören dürfte) keine großen Angriffsflächen bietet. Kein Highlight also, aber auch beileibe keine Ausschussware!
Die Band VOGELFREI aus dem sächsischen Torgau besteht vor allem aus Gitarrist/Sänger Ricky Alex, der mit wechselnder Begleit-Besetzung seit 1992 musikalisch aktiv ist. Sieben Jahre nach dem letzten Album ist jetzt „Der Dämmerung Entgegen“ erschienen, das Alex zusammen mit einem guten Kumpel an den Drums eingespielt hat. Darauf geht es ziemlich dreckig zu, gleichzeitig aber auch – der Titel deutet es an – sehr melodisch und fast schon romantisch. Kitschig ist das trotzdem nicht, dazu klingen die Gitarren zu punkig, die Drums zu roh und der Gesang zu rau. In seinen besten Momenten klingt das Duo mit seinen wehmütigen Melodien gar ein wenig nach SOCIAL DISTORTION. Zeilen wie „Ich bin nur ein Niemand / zwischen Wiege und Grab“ kommen schon ziemlich melodramatisch und etwas selbstmitleidig daher. Aber seien wir ehrlich: Würde Mike Ness so etwas auf Englisch singen, würden wir alle eine Träne verdrücken. Allerdings ist Ricky Alex nicht Mike Ness, und wenn er in „Wir Flogen aus“ singt „Ich lernte schon Gitarre spielen / Noch bevor das erste Mädchen kam“ und später „Im Plattenbau wuchsen wir auf / Früh gingen wir von zu Hause fort“, klingt das eher nach einem armen Campino. Das Lagerfeuer-Mundharmonika-Zwischenspiel gibt einem dann noch den Rest. Auf Dauer wird es dann auch einfach zu viel der Underdog-Poesie. Die Melodien und Tempi scheinen immer gleich und austauschbar zu sein, und man wünscht sich, dass die beiden Jungs mal den Arsch hochkriegen und richtig losbrettern würden. Man hat nämlich das Gefühl, sie könnten, wenn sie wollten. Wollen sie aber nicht, und so hat man irgendwann genug von der Seelenpein. Fürs nächste Album bitte mehr Punkrock.