Die dicke „Überraschung“ lasse ich gleich zu Anfang aus dem Sack: Wo auf nem Plattencover etwas zu sehen ist, das wie ein Amboss aussieht, da ist auch 2013 zu 100% ANVIL drin. So viel zur Überraschung. Aber „Hope In Hell“ mit einem „same procedure as every year“ abzutun, wird der neuen ANVIL nun auch nicht gerecht. ANVIL haben es nämlich geschafft einige ihrer eingängigsten Songs seit „Forged In Fire“ einzuhämmern. Gerade „The Fight Is Never Won“ hätte auch auf dem '83er Meisterwerk stehen können. Über die gesamte Spielzeit fällt auf, dass sich ANVIL diesmal viel Mühe mit den Melodien gegeben haben. Die Songs sind super ausgearbeitet und verbinden den ureigenen und tierisch unkommerziellen Sound ANVIL's mit großen Melodien und catchy Singalongs. Auch Fronttier Lips hat sich bei seinen Vocals richtig reingehängt und liefert seine beste Performance seit....seit der Steinzeit ab. Robbo groovt einmal mehr wie Hölle und Monster-Dauerwelle Sal Italiano hat sich ohrenscheinlich mit seinem Bass gut bei ANVIL eingelebt. Egal ob es schleppend wie in „Call Of Duty“ oder speedmetallisch-rasant zu Sache geht: ANVIL sind jederzeit Herr der Lage. Neben aller powermetallischen Energie hat diesmal auch eine Spur oldschool Heavy Rock und manchmal ein leichtes Punk-Feeling Einzug erhalten, was ANVIL aber super zu Gesicht steht. „Hope In Hell“ ist qualitativ kein zweites „Metal On Metal“ oder „Forged In Fire“, aber es ist überraschend nah dran und setzt den mit „This Is Thirteen“ begonnenen Aufwärtstrend weiter fort. ANVIL bleiben ihren Roots treu, setzen ein paar neue Akzente und liefern so ein weiteres gelungenes Album ab. Auf die nächsten 15 Scheiben.
In den späten 1990ern war die Welt auf den Kopf gestellt: Die heißesten Sleeze- und Glam Rock Bands kamen mit den HELLACOPTERS und GLUECIFER aus Skandinavien, und BUCKCHERRY waren mit ihren ersten Alben nur kleine Lichter im Vergleich zu den Stadionrock-Bands, die sich sonst in Kalifornien rumtrieben. Um nur die großen drei mit MÖTLEY CRÜE, GUNS 'N' ROSES und AEROSMITH zu nennen. Heute bin ich froh, dass BUCKCHERRY durchgehalten haben bzw. sich seit 2005 wieder zusammengerauft haben. "Confessions" ist ihr sechstes Album - und es hört sich frischer an als alle vorherigen zusammen. Ja, vielleicht war "15" erfolgreicher und hittiger, aber "Confessions" ist dichter - wie eine einzige überschäumende Party im Sommer. Es geht mit "Gluttony" los - der Liedtext ist eine einzige Rechtfertigung gegenüber der Freundin, haha - und spätestens mit dem Chorus bestellt man sich das erste alkoholische Getränk. Das Album hat alle Elemente für die Choreografie des Abends, selbst die Abrechnung mit der letzten Beziehung ("Nothing Left But Tears") wird noch zum Feiern genutzt, die Sterne kann man sich zum Dosenöffner "The Truth" angucken, beim Planschen im Swimmingpool ist ein Midtempo wie "Wrath" bestimmt nicht schlecht, (Eng-) Tanzen geht zu "Greed" - und zu "Water" geht sicher auch einiges anderes, der Song streitet sich mit "Air" um die Krone als Hit des Albums. Bei beiden Songs läßt sich Gitarrist Keith Nelson zu seltenen Gitarrensoli hinreißen, "Water" könnte aus den Achtzigern direkt ins Heute gebeamt worden sein, inklusive Schellenkranz mit gebatiktem Tuch dran. Warum man auf diese Ausnahme überhaupt hinweisen muss? Weil beide Gitarren über den Rest des Albums immer genau auf den Punkt songdienlich spielen - alle Songs sind so geschrieben, dass alle Instrumente zusammen alles geben, es wird keine Zeit mit überflüssigen Egotrips verschwendet. Josh Todds Stimme hört sich inzwischen an wie in Whiskey eingelegt - unverständlich, dass Slash ihn vor zehn Jahren als Sänger für Velvet Revolver abgelehnt hat. Die Texte sind mit viel "ohohooho" nicht wirklich schwierig, da kann man auch mit 3 Promille noch sicher mitsingen. Wer nach diesem Review verkatert zurück bleibt: Album wieder aus der Anlage nehmen und ein Wasser trinken. Und zur nächsten Party einfach wieder einschmeißen.
Ein Bonmot von AMORPHIS-Gründer und Leadgitarrist Esa Holopainen lautet, er sei heute froher denn je, dass die Band Amorphis heiße - man sei halt nicht durch den Namen bereits auf eine Stilrichtung festgelegt, "so wie ROTTEN SOUND". Nein, AMORPHIS mäandern seitdem zwischen mindestens drei Stilrichtungen, und jeder Hörer und jede Hörerin wird seine eigenen Favoriten unter den den bisher zehn Studioalben haben. Und jetzt kommt mit "Circle" Album Nummer elf und die Band schlägt den Bogen quer durch die eigene Schaffensgeschichte. Der Opener "Shades Of Grey" beginnt rüpelig wie "The Karelian Isthmus" (das war Death Metal anno 1992!), um dann hymnisch zu werden wie "Skyforger". Leichte Keyboard-Melodien wie für "Mission" hat Santeri Kallio auch auf "The Beginning Of Times" eingesetzt - der Song ist sehr "Mermaid". Die Uptempo-Ballade heißt "The Wanderer". Also, aus den letzten drei Alben und aus der Frühzeit sind alle Elemente neu verwoben. Dass diese fetter klingen denn je liegt an Peter Tägtgren. Diese schwedisch-finnische Kollaboration ist die beste Idee seit Erfindung des Kühlschranks im Probenraum. Ich hätte gern Mäuschen im Studio gespielt - denn das Ergebnis klingt, als hätten Band und Produzent fast blind gewusst, was sie von dem anderen gern hören wollen: Fette Gitarren, akzentuierter Gesang - Peter Tägtgren schafft es sogar, den in Songs wie "Hopeless Days" durchklingenden Schmalz auf ein erträgliches Maß zu bringen. Songtexter Pekka Kainulainen, das heimliche siebte Mitglied von AMORPHIS, hat dafür gesorgt, dass eine Menge "Magic and Mayhem" sich als roter Faden durchzieht - es geht um Heimat- und Obdachlose, um Suchende und Leute, die ein bißchen aus Zeit, Welt oder Gesellschaft ausgestoßen sind. Auch Nuclear Blast hat sich einiges ausgedacht, um dieses Album wertig zu verpacken: Die LP gibt es in schwarz, farbig oder weiß, die CD mit Bonustrack, Bonus-DVD (jeweils im Digisleeve) und Mini-Poster.
Mit „Kings Of Demolition” startet die 5-Track EP „United World Rebellion – Chapter One” mit einer starken BILLY TALENT / THE OFFSPRING – Attitüde, welche voll in den Kontext paßt, in dem sich die Band seit ihrer Trennung von Originalsänger Sebastian Bach bewegt. Hard Rock mit Punk-Vibes, der Gesang rauer als unter dem bekannten Ehemaligen. „United World Rebellion – Chapter One” ist ein deutliches Lebenszeichen. Denn SKID ROW waren die letzten Jahre in der Versenkung verschwunden, hatten nach ihren Hyper-Erfolgreichen Debüt „Skid Row“ (1989, 3 Top-Singles) und dem Nummer-1-Album „Slave To The Grind“ (1991) zwar immer wieder mal etwas veröffentlicht, der große Erfolg blieb aber aus; internes besorgte des Rest. Seit 1999 hat man mit Johnny Solinger einen Anderen am Mikro, und zwei Alben (2003 und 2006) im Petto. Danach war erst mal wieder Funkstille. Und jetzt gibt es mit der EP „United World Rebellion – Chapter One” fünf neue Songs mit einem durchaus zwiespältig zu sehendes Konzept. Laut Ur-Mitglied Rachel Bolan (Bass) will die Band innerhalb eines Jahres drei Mini-CDs veröffentlichen und so den Fans kontinuierlich neue Musik zu präsentieren; damit soll auch dem neuen Hörgewohnheiten im Internetzeitalter Rechnung getragen werden. Meins ist das nicht. Anyway! Wie gesagt, der Opener „Kings Of Demolition” hat rotzigen Power und einen leichten Sleaze-Touch, dem mit „Let’s Go“ der eingängiste Song im typischen SKID ROW-Feeling folgt. Die starke Rockballade „This Is Killing Me“ läßt den Blick gen die 80er schweifen, „Get Up“ ist die Mitgrölnummer der EP und mit „Stitches“ gibt es zum Schluss treibende Punk-Vibes. Dazu wird die EP bei Veröffentlichung noch durch einige Coverversionen ergänzt, die uns aber nicht vorlagen. Fazit: Ungewöhnliches Konzept und eine EP „United World Rebellion – Chapter One” welche sich gut hören läßt und einen starken 90er-Bezug hat. Den neuen SKID ROW Hit habe ich aber (noch) nicht entdeckt.
Düster, schwer und tieftraurig geht es zu auf dem mittlerweile sechsten Album der Post-Rock-Instrumentalisten aus Austin, Texas. Dies nicht ohne Grund – 2009 verstarb ihr langjähriger Freund Jerry Fuchs, Drummer der Band MASERATI, völlig überraschend bei einem Sturz in einen Aufzugschacht. Dieses niederschmetternde Unglück überschattete auch noch die Aufnahmen zu „A Drink For All My Friends“, und so widmete die Band ihm auch einen darauf befindlichen Song mit dem skurrilen Titel „Roboter-Höhlenbewohner“, der dann auch mit einem wirbelnden Drum-Intro beginnt. Abgesehen vom kurzen, straight rockenden Schluss-Track ist der 8-Minüter mit seinem an PINK FLOYDS „Run Like Hell“ erinnernden Gitarren-Riff der einzige treibende Song des Albums. Die meisten Stücke beginnen ruhig und bauen sich in typischer Post-Rock-Manier langsam bis zum ausufernden, oft noisigen Finale auf, wobei nach und nach eine Schicht auf die andere gesetzt wird. MOGWAI stehen hier natürlich Pate, besonders einzelne Gitarrenthemen lassen auch an den typischen David Gilmour-Sound denken. Speziell am Sound von MY EDUCATION ist, dass oft eine Bratsche und auch andere Streichinstrumente eingesetzt werden. Die Musik wird dadurch jedoch an keiner Stelle verkitscht, sondern der Band gelingt es hier, weitere Klangfarben hinzuzufügen, die noch mehr Space schaffen und oft auch etwas Soundtrack-Charakter entstehend lassen. Mit „A Drink For All My Friends“ legen die Texaner ein vielschichtiges und hoch musikalisches Werk vor, dessen grandios aufgebaute Songs eine perfekte Verbindung aus melancholischer Atmosphäre, wunderbaren Melodien und drückenden Ausbrüchen darstellen. Damit reihen sie sich in Bands wie MOGWAI, MONO, THIS WILL DESTROY YOU, CASPIAN und RUSSIAN CIRCLES ein, und trotzdem besitzt ihr Sound eine eigene persönliche und unverwechselbare Note. Bislang kannte ich MY EDUCATION noch gar nicht. Was für ein Glück, dass sich das mit diesem Album geändert hat.
Die Finnen MASTERSTROKE sind seit 2002 aktiv, also jener Zeit, als das Genre „Power Metal“ (den Begriff hätte man sich im Nachhinein wirklich schenken können…) gerade seinen „Höhepunkt“ durchmachte und neben ein paar ganz ordentlichen Kapellen haufenweise Schrott bis Sondermüll auf die Metallerschaft losließ. Dass die Nordlichter den Untergang dieses Kahns überlebt haben, liegt nicht zuletzt daran, dass sie auch anno 2013 ihr Ding durchziehen und dabei keine Fremdschämautomatik auslösen. „Broken“, ihr viertes Album, ist zwar kein ultimatives Meisterwerk, aber eine richtig gute Angelegenheit für Leute, die schon viel zu lange auf neuen Stoff von (MORGANA) LEFAY oder TAD MOROSE warten. MASTERSTROKE gehen etwas melodischer und bombastischer als ihre schwedischen Kollegen vor, nerven jedoch zu keiner Sekunde mit Pomp und Kitsch, haben mit Jussi Kulomaa einen fähigen Keyboarder in ihren Reihen, mit Gitarrist Niko Rauhala einen rau und kraftvoll agierenden Sänger und mit „Seed Of Chaos“ (klasse!) und dem Titelsong zwei echte Hits am Start. Denen kann sich der Rest von „Broken“ nicht ganz anschließen, er enthält aber mit dem Opener „The Eye“ oder „Reborn In Flames“ weiteres sehr gelungenes Material. Runde Sache!