Am Ende verkündeten AT THE GATES noch, dass es kein weiteres Album geben würde. Lange ist es her, gehalten hat der Vorsatz bis Mitte 2013. Dann finden die Schweden um Tompa Lindberg (DISFEAR, ex-THE CROWN) mit dem Songwriting für "At War With Reality" an. Gut, über den Wortbruch muss nicht viel gesagt werden, am Ende des ersten Kapitels von AT THE GATES waren alle Beteiligten noch jung und handelten spontan. Aber warum sich die jetzt gestandenen Musiker, die u.a. mit THE HAUNTED erfolgreich sind, für das neue Langeisen so wenig Zeit genommen haben, bleibt offen. Das Ergebnis in Form von 13 Songs kann bedingt überzeugen, hinterlässt aber an vielen Stellen den Eindruck, dass mehr Zeit und Muße gut getan hätte. Melodischen Death Metal können AT THE GATES immer noch und für Songs wie das schmissige "The Circular Ruins" würde jede zweite Nachwuchsband die Seele ihres Drummers opfern, aber so richtig zünden will "At War With Reality" dann nicht. Die Björler-Twins zeigen immer wieder ihr Können und über Tompas Leistung als Sänger kann genauso nur Gutes gesagt werden wie über Erlandssons Drumming, aber das ist zu erwarten. Im Kollektiv geben sie sich dem melodischen Death Metal hin, den sie mit geprägt haben und müssen sich gleichzeitig nicht mit mehr Thrash-Einflüssen davon abgrenzen (Stichwort: THE HAUNTED). Nur beim Songwriting ist ihnen kein Hit gelungen. Alles klingt vorhersebar und stellenweise gefällig, kickt aber nicht von Anfang bis Ende, wie das die alten AT THE GATES-Scheiben auf ihre unnachahmliche Art taten. Wer auf melodischen Death Metal steht, ist mit "At War With Reality" gut bedient, sollte aber trotz des Bandnamens nicht das Überalbum 2014 erwarten. AT THE GATES haben eine solide Comebackscheibe abgeliefert, das ist festzuhalten. Leider nicht mehr; immerhin nicht weniger.
TOKIO HOTEL, eine Band, über die nicht viele Worte verloren werden müssen. Vom Magdeburger Nachwuchs-Act zu einer Teenie-Idol-Band und zurück. Ernsthaft, wer hat auf dem Schirm, dass die Band drei Alben und eine Best-Of am Start hat? Der Rummel um die Jungs, allen voran Sänger Bill, war bei allem auf und ab im Erfolg immer riesig. Irgendwann hatten TOKIO HOTEL die Nase voll und sind nach L.A. geflüchtet. Jetzt melden sie sich zurück, mit einem erwachsenen Album, so die Hoffnung. "Kings Of Suburbia" ist dann auch kein Teenie-Pop mehr, kein Nummer-Sicher-Kram. Es ist vor allem elektronisch und bemüht cool, mit noch mehr Effekten über Bill Kaulitz' Stimme, was nicht immer klappt. Manche Songs sind nett, so der Opener oder das DEPECHE MODE-lastige "Love Who Loves You Back", bei dem die Gitarren dezent zu hören sind. Songs wie das zu simple, zu bemühte und schlicht zu nervige "Girl Got A Gun" zehren dafür an den Nerven und scheinen das Album zu dominieren. TOKIO HOTEL bemühen sich, sind dabei aber zu verkrampft und haben ihrem Stamm-Songwriter nicht genügend Freiraum gegeben, denn so richtig will "Kings Of Suburbia" nicht zünden. Es ist eine nette elektronische Popplatte, von der einige Songs Club-Potential haben. Zum Hit taugt keiner. Immerhin befreien sich TOKIO HOTEL von ihrem Teenie-Idol-Image und werden erwachsen. Es ist spannend, einer Band dabei zuzuschauen, das ohne Frage - und es bleibt spannend, was die Jetzt-Amerikaner in den kommenden Jahren machen werden. Keiner Teenie-idol-Band ist es gelungen, länger als vier oder fünf Jahre aktiv und erfolgreich zu sein. Vielleicht gilt das auch für TOKIO HOTEL? Vielleicht müssen sich die Mitglieder neuen Projekten zuwenden und ihren Goldesel endgültig in den Stall schicken? Wir werden sehen, wofür sie sich entscheiden.
OZZY OSBOURNE braucht immer mal 'ne Mark, denn spätestens seit seiner MTV-Zeit wissen alle, wie groß und teuer seine Bude und seine Familie sind. Da macht die Clip-/ Interview-Compilation "Memoirs Of A Madman" schon irgendwie Sinn. Auf zwei DVDs gibt es alle Musikvideos, in denen Ozzy jemals eine (Haupt)Rolle gespielt hat, was in Zeiten von frei verfügbaren Clips etwas nostalgisch anmutet, aber für einen Bier&Bretzel-DVD-Abend super praktisch ist. Richt gut wird die Chose spätestens dann, wenn die Making Of-Beiträge und Interviews mit Mr. "I am married to Sharon" Osbourne himself zu sehen sind, sowas kann mit einem Charakterkopf wie ihm nur interessant sein - und ist es dann auch.
Spannend wird die Cipsammlung dabei nicht nur durch die Interviews, sondern auch durch die chronologische Sortierung, denn dank der kann die musikalische Entwicklung des Madman verfolgt werden. Nebenbei darf über die zahllosen illustren Musiker, die mit Ozzy gearbeitet haben, gestaunt werden. Die Live-Clps der zweiten DVD unterstreichen das einmal mehr, auch wenn Ozzy stellenweise echt angeschlagen ist. Soundtechnisch gibt es bis auf wenige Stellen nichts zu meckern.
"Memoirs Of A Madman" ist eine halb informative, halb nostalgische Reise durch die Zeit und das Leben eines der interessantesten Musikers der jüngeren Geschichte. Wer damit was anfangen kann, kann hier bedenkenlos ein paar Euronen investieren.
DVD 1
01. Bark At The Moon
02. So Tired
03. The Ultimate Sin
04. Lightning Strikes [Live]
05. Crazy Train
06. Miracle Man
07. Crazy Babies
08. Breaking All The Rules [Live]
09. No More Tears
10. Mama, I’m Coming Home
11. Mr. Tinkertrain
12. Time After Time
13. Road To Nowhere
14. I Don’t Wanna Change The World [Live]
15. Changes
16. Perry Mason
17. I Just Want You
18. See You On The Other Side
19. Back On Earth
19. Gets Me Through
20. Dreamer
21. In My Life
22. I Don’t Wanna Stop
23. Let Me Hear You Scream
24. Life Won’t Wait
25. Let It Die
BONUS:
01. Mama, I’m Coming Home [Alternate Version]
02. Let Me Hear You Scream [Making Of] 03. Life Won’t Wait [Making Of]
Wenn der lauernde Untergang, ungebändigte Boshaftigkeit und schneidende Intelligenz einen Soundtrack hätten, es wäre ANAAL NATHRAKH. Eine der extremsten Spielarten des Metal wird hier seit nun mehr als vierzehn Jahren zelebriert und das in Perfektion, unangefochten. Nirgends sonst liegen Wahnsinn und pure Ekstase so nahe beieinander. Freunde und Kenner der Briten wissen, was gemeint ist: Highsspeed-Drumming und rasende Gitarren treffen auf gurgelnde und krächzende Vocals, die am ehesten dem Grind, wenn nicht dem Black Metal, zuzuorden sind. Hier wurde durchdacht und geplant statt mit blanker Willkür an die Sache herangegangen, wie die wahnsinngen Strukturen beweisen. Auch positiv zu bewerten ist die Tatsache, dass ANAAL NATHRAKH es stets zu vermeiden wissen, dass aus dem Album ein Einheitsbrei wird und alles im Matsch des Grind versinkt: Hier wird mit eingängigen Riffs, Clean-Vocals, Chor-Gesang und elektrischen Einspielungen gearbeitet – trotz der brisanten Härte und der scheinbar undurchdringlichen Geschwindigkeit. Perfekte Beispiele hierfür sind „The Joystream“, „Idol“ oder „Unleash“, welche die eingängigsten Refrains und den leichtesten Zugang liefern und garantiert eine Weile im Ohr hängen bleiben. Letztlich hat aber jeder der elf Songs auf „Desideratum“ diese Momente, die einen einfach umhauen. Auffällig im Vergleich mit den Vorgängern ist, dass die Vocals hier noch vielfältiger daher kommen und mehr Elemente des Industrial-Metals ihren Platz in dem Sound-Gewand der Extreme-Giganten finden. Ein gutes Beispiel dafür ist vor allem der Titeltrack, wo eigentlich alles, was die Scheibe ausmacht, perfekt auf den Punkt gebracht wird. So haben ANAAL NATHRAKH mit „Desideratum“ eine großartige Fortsetzung ihrer Diskographie geschaffen! Sicher nicht ihr bestes Album, aber auf keinen Fall eine Enttäuschung!
Nach dem tragischen Tod von Bandgründer und dem einzig verbliebenen Originalmitglied Mark Reale sah es nicht so aus, als ob RIOT weitermachen würden / können. Besonders als auch noch Sänger Tony Moore seinen Ausstieg bekannt gab. Aber Totgesagte leben bekanntlich länger und so steigen RIOT als RIOT V mit „Unleash The Fire“ wie Phoenix aus der Asche. Langzeit Gitarrist Mike Flyntz holte sich den Segen von Marks Vater, um das Vermächtnis seines Sohnes weiter in die Welt zu tragen und verfasste mit Bassist Don Van Stavern 12 Hammertracks, auf die Mark mit Sicherheit stolz wäre. Der größte Gewinn ist aber die Verpflichtung von Gottstimme Todd Michael Hall (BURNING STARR, REVERENCE, HARLET), der „Unleash The Fire“ endgültig auf den Olymp hebt. Der Namenszusatz „V“ soll übrigens klar machen, dass hier RIOT mit ihrem 5ten Frontmann zu Werke gehen (worunter aber nur offizielle Studiorecordings fallen, d.h. Harry Conklin oder Mike Tirelli eben nicht mitgezählt werden).
Was aber kann „Unleash The Fire“ genau? Bereits der speedige Opener „Ride Hard Live Free“ zeigt die Marschroute auf. RIOT V orientieren sich an ihrem Jahrhundertwerk „Thundersteel“, fügen etwas mehr Melodie hinzu -ohne an Härte zu verlieren- und toppen das Ganze mit solchen Widerhakenrefrains, dass man weder den genannten Opener, noch die beiden Nachfolger „Metal Warrior“ und „Fall From The Sky“ jemals wieder aus dem Ohr bekommt. Mit „Bring The Hammer Down“ zeigen sich RIOT V dann von ihrer etwas garstigeren Seite, während es beim Titeltrack noch etwas mehr raucht und sich sogar leichte Thrash Einflüsse bemerkbar machen. Mit der Japan-Ode „Land Of The Rising Sun“ kommt dann die hochmelodische Seite von RIOT V zum Vorschein. Auch wenn aus dieser Zeit kein Musiker mehr an Bord ist, so könnte „Land Of The Rising Sun“ von seiner Melodieführung durchaus aus „Born In America“-Zeiten stammen. An „Kill To Survive“ werden sich wohl etwas die Geister scheiden. Ich für meinen Teil sehe es als ein Highlight von „Unleash The Fire“ an. Nach sehr rythmischen Strophen kommt eine aggressive Bridge, nur um dann im Refrain hymnenhaft zu explodieren. Freudentränenalarm. „Return Of The Outlaw“ orientiert sich natürlich am 81er „Fire Down Under“ Klassiker „Outlaw“ und bringt das variierte Thema gekonnt ins Jahr 2014. Mit „Immortal“ gibt es den ersten von zweien Mark Reale gewidmeten Songs und beim Lesen der Texte wird wieder einmal der behutsame und wertschätzende Umgang mit Mark's Vermächtnis bewusst. Einfach nur traurig-schön. „Take Me Back“ erinnert an die frühen 80er und gefällt aus einem Mix von melodischem „Fire Down Under“-Material mit früh 80er SCORPIONS und MSG. Sehr emotionale Nummer. Mit dem programmatisch „Fight Fight Fight“ betitelten nächsten Song geht es nochmal richtig in die Vollen. Speed ohne Ende. So bissig waren RIOT V auch in den späten 80ern eher selten. Den Abschluß bildet die unkitschige und tieftraurige Ballade „Until We Meet Again“, welche auch Mark gewidmet ist und in der die Band Abschied nimmt.
Als Bonus hätten wir dann noch eine gelungene Liveversion von „Thundersteel“, aufgenommen beim diesjährigen Metal Assault Festival in Würzburg.
Fazit: „Unleash The Fire“ ist eine perfekte Heavy Metal Scheibe und mein persönliches Jahreshighlight. SHINE ON!
Mit AMULET begibt sich eine weitere Band in das Rennen um den authentischsten NWoBHM Sound. Allerdings kommen AMULET nicht aus Schweden, sondern tatsächlich mal aus England. Das ist echt was Neues. Musikalisch haben AMULET eine leichte Okkult-Schlagseite und erinnern an ANGEL WITCH oder SATAN. Was bei AMULET gefällt ist, dass die Jungs sich nicht lange verzetteln, sondern super auf den Punk(t) kommen und die Songs straff, ohne Längen, arrangiert haben. „The First“ ist ein bis ins letzte Detail authentisches Früh-80er Werk, welches den Spirit der frühen NWoBHM perfekt einfängt und ins Hier und Jetzt überträgt. Mit dem abwechslungsreichen „Mark Of Evil“, dem flotten „Heathen Castle“ und dem Opener „Evil Cathedral“ sind sogar ein paar richtige Hits dabei. AMULET werden die Metalwelt nicht von Grund auf verändern, Spaß macht „The First“ aber trotzdem und richtige NWoBHM Fans kommen an dieser Scheibe ohnehin nicht vorbei.
Mit „The Road Of Destruction“ legen die Schweden ROCKA ROLLAS ihr drittes und bestes vollständiges Album vor. Was zuerst auffällt ist, dass Mastermind Cedrick Forsberg sich nun auch für die Vocals verantwortlich zeigt und diesen Job besser als seine beiden Vorgänger erledigt. Auch wenn im Opener „Curse Of Blood“ mehr oder weniger dezent MANOWAR's „Holy War“ anklingt, sind die Paten doch eher bei alten BLIND GUARDIAN und RUNNING WILD zu suchen. ROCKA ROLLAS haben ein feines Händchen für mitreißende Refrains und flotte Hymnen. „The Road Of Destruction“ besticht durch unbändige Spielfreude und ehrliche Begeisterung für speedigen Heavy Metal. Hier wird weder nach links noch nach rechts geschaut, sondern es geht straight voraus auf die Zwölf. Dieses Fokussieren macht ROCKA ROLLAS zwar weniger interessant für Hörer, die auf der Suche nach Innovationen sind. Wer sich aber nur Treu-Metallisch den Arsch versohlen lassen möchte, der ist bei ROCKA ROLLAS an der richtigen Adresse. Mit dem Auftritt des OVERDRIVE Gitarristen Janne Stark wird „The Road Of Destruction“ dann auch von berufener Stelle geadelt, hat Stark doch die „The Heaviest Encyclopedia of Swedish Hard Rock & Heavy Metal Ever!“ verfasst. Zum Schluß wird noch MAGNUM's „Kingdom Of Madness“ äußerst unterhaltsam durch den Speed Metal Fleischwolf gedreht. Wer 2014 die Alben von STALLION, STRIKER, HITTEN und COBRA liebt, der könnte in „The Road Of Destruction“ sogar sein Highlight finden. Sehr geil.
Die QUIREBOYS kenne ich seit ihren Anfangstagen, ihr formidables Debüt "A Little Bit of What You Fancy" steht seit seinem Erscheinen Anfang 1990 in meinem CD-Regal und hat mir so manche Stunde versüßt. Ihr Bar Rock´n´Roll hat sich nicht groß verändert und liegt auch im neuen Jahrtausend immer noch irgendwo zwischen THE DOGS D´AMORE, FACES, den ROLLING STONES und altem ROD STEWARD. Wobei Spikes Stimme sich im Verlauf seiner Karriere doch immer mehr, sagen wir mal "etabliert" hat und der gute Rod einem nicht mehr sofort ins Gehör springt. Zum 30-jährigen "Bandjubiläum" gibt es fett Value for Money und die Engländer bringen im schnieken Digi-Pack gleich 3 Silberlinge zusammen auf den Markt: das neue Album, eine Live Akkustik-CD "Live in Sweden" und eine DVD von einem Gig im London . Die zwei Zugaben sind ein nettes Bonbon und sowohl sound- als auch bildmäßig ein echt gelungenes Extra.
"Black Eyed Sons" startet standesgemäß, "Troublemaker" passt irgendwie zum "Problem Child" Spike und drückt die Freude an seinem gelebten Rock`n´Roll aus. "What Do You Want From Me" ist mit seiner melancholischen, ins schummrige Kneipenlicht getauchten Melodie eines meiner Highlights und wird öfter als jeder andere Song des Albums gehört. "Julieanne" könnte jetzt auch eine von ROD STEWARDs Verflossenen sein, und bei "Lullaby Of London Town" bewegen sich die QUIREBOYS gar in Schlaghosen und Plataeuschuhen an den Hörer heran und zeigen ihre funkig, beim Refrain leicht soulige Seele.
Apropos Seele, das Ding hat ein musikalisches Innenleben, das mit Sleazerock und Blues paniert, tief im Arbeitermillieu verwurzelt ist und welches so glaubhaft und stimmig nur wenige Bands in der Lage sind rüberzubringen. Und das jetzt schon 30 Jahre lang - Respekt.