Hier paarten sich jugendlicher Enthusiasmus, Spielfreude mit überraschend ausgereiftem Songwriting und ein hohes Maß an eigenem Profil. Was nicht zuletzt an Sänger und Bassist "Peavy" Wagner lag, richtig, RAGEs "Peavy" Wagner. Die Band änderte ihren Namen in RAGE, um Rechtsstreitigkeiten mit der gleichnamigen Band (AVENGER) aus England aus dem Wege zu gehen. Somit handelte es sich bei "Prayers of Steel" quasi um das Debüt der aus Herne stammenden Metalinstitution. Dieses längst vergriffene Metal-Werk, zumindest als Platte, wird heuer, limitiert auf 666 Stück von Pure Steel Records als Doppel-LP in schwarz und schwarz/orange neu aufgelegt.
Viel nostalgische Gefühle umschleichen mein Herz, wenn ich mir den Longplayer zu Gemüte führe. Selbstverständlich darf man nicht nach heutigen Maßstäben an die Texte und Titel der Songs herangehen. Aber handwerklich kann man den noch als Quartett agierenden Jungspunden nichts vorwerfen. Allen voran, wie eingangs erwähnt, punktet das Songwriting. "South Cross Union" vereint stoischen Teutonen-Metal mit der NWoBHM, der Titelsong groovt wie Bolle und erinnert an ACCEPT, "Sword Made Of Steel" überzeugt als True Metal-Hymne und "Adoration" sowie "Faster Than Hell" sind purer Speed Metal. Die zwei Nummern "Victim Of Rock" und "Seven Gates of Hell" gibt es als Non-Album Tracks auf Scheibe Zwei als Kaufanreiz obendrauf. Der Rest des zweiten Rundlings sind Demo-Songs und eher etwas für Komplettisten; ich für meinen Teil ziehe klar die besser klingenden Versionen auf Scheibe Eins vor.
Das Doppel-Album kommt in 180g mit Texten und Bildern aus der damaligen Zeit in Gatefold zum Händler. "Prayers of Steel" ist ein Stück deutsche Metal-Vergangenheit und für True Metal-Fans und Stahl-Historiker unverzichtbar.
Der Sound der neuen Scheibe hat dieses brachiale, leicht übersteuerte Dröhnen ihrer Livekonzerte. Und das sicher nicht aus Versehen, haben KADAVAR sich doch dieses Mal bewusst dazu entschieden, das neue Album "Rough Times" ohne Hilfe oder Einfluss von außen selbst zu produzieren.
Die Kompositionen sind, wie schon auf dem Vorgänger "Berlin", kompakter und songdienlicher arrangiert, aber um einiges roher, härter und dynamischer. Christoph „Lupus“ Lindemanns Gesang zeigt sich facettenreich wie selten zuvor und trägt so mehr zur Gestalt und Formgebung der Songs bei. Das sowohl entrückte als auch hymnische "Vampires" darf hier als Beispiel dienen. Manches Mal erinnern Lindemanns Gesangslinien gar ein wenig an Ozzy Osbourne. Und wenn dann noch sein Gitarrenriff "Paranoid"-Aroma in sich trägt, wie bei "Words of Evil", lässt das aufhorchen.
KADAVARs neue Scheibe zeigt die ganze Erfahrung und daraus resultierende Cleverness, welche die Band mit den Jahren gewonnen hat. Kein Album zuvor war ausgereifter, die Stärken der Band wurden verdichtet und die vermeintlichen Schwächen wunderbar kaschiert. Starke Platte!
COUNTERPARTS haben sich einen Namen in der Hardcore-Szene gemacht, ja sogar die ewigen COMEBACK KID-Vergleich hinter sich lassen können. Ihr neues Werk "You're Not You Anymore" überzeugt mit knackigen, auf den Punkt gespielten Songs wie dem heftigen "Bouquet" oder "Rope". Die nicht mal 30 Minuten Spielzeit sind mit durchweg guten Songs gefüllt, die überraschend brutal sind ("No Servant Of Mine") und selten einen Fokus auf melodische Parts legen, auch wenn die Refrains immer catchy sind. COUNTERPARTS wissen, wie sie einen Breakdown zu setzen haben und generell einen Song interessant zu halten ("Rope"); gleichzeitig ist das Songwriting ausgefeilt genug, um die Songs zu differenzieren und voneinander abzugrenzen. So macht die halbe Stunde Laune, wird das Gehör mit sehr guter Gitarrenarbeit und einem Shouter in Bestform beschäftigt und das Hirn dank der guten Lyrics auf Trab gehalte. COUNTERPARTS liefern einen guten Job ab. Wer Nummern wie das catchy "Fragile Limbs" schreibt und dafür sorgt, dass diese nur eine von vielen starken Nummern ist, hat alles richtig gemacht.
Der Erscheinungstermin des letzten Albums "The Holographic Principle" liegt noch nicht gar zu lange zurück, da kommt schon der nächste EPICA-Silberling in die Läden. Was den einen oder anderen aufgrund der Kürze der vergangenen Zeit vielleicht verwundern mag, liegt darin begründet, dass die Band bei den Albumaufnahmen so produktiv war, dass sie am Ende deutlich zu viel Material für "The Holographic Principle" hatte. Da man jedoch weder eine Doppel-CD herausbringen noch die überzähligen Songs unveröffentlicht lassen wollte, entschied man sich, stattdessen zusätzlich eine EP herauszubringen, welche die Lieder in ihrem thematischen Kontext belassen würde - und genau diese EP ist nun "The Solace System". Der gleichnamige Titeltrack beginnt mit opulenter, bombastischer Inszenierung und zieht schon ganz gut das Tempo an, das nachfolgende "Fight Your Demons" legt diesbezüglich mit fettem Chor und treibenden Gitarren nochmal eine Schippe drauf. Damit wäre im Großen und Ganzen auch der Gesamtsound von "The Solace System" treffend beschrieben: bombastisch, wuchtig, opulent und ausgefeilt instrumentiert, geprägt vom Simone Simons klarem Gesang, der über allem schwebt und durch Growls ergänzt wird. Aber EPICA können auch anders, wie sie auf "Immortal Melancholy" klarstellen: hier wird eine hübsche Gitarrenballade präsentiert, wie sie die Band bisher noch nicht in ihrem Katalog hatte. Fazit: hochwertiger Futternachschub für Symphonic-Metal-Fans!
Als nach drei tollen bis überragenden Scheiben in 2013 Glenn Hughes das Aus für BLACK COUNTRY COMMUNION verkündete (mit recht deutlichen Worten gen Joe Bonamassa bezüglich der Ursachen) rechnete kaum jemand mit einer Wiederauferstehung; geschweige denn im Original-Line-Up. Aber totgesagte leben bekanntlich ja länger und 2017 erlebt mit BLACK COUNTRY COMMUNION Album Nummer vier – sinnigerweise „BCC IV“ betitelt - ein echtes Classic Hard Rock Highlight. Eben jene bereits genannte Protagonisten - Stimmwunder Glenn Hughes und Wundergitarrist Joe Bonamassa – zusammen mit Schlagzeuger Jason Bonham und Keyboarder Derek Sherinian (beide jeweils herausragende Könner ihres Fachs) haben sich dann doch nochmals zusammengerauft. Und eines vorneweg – das hat sich gelohnt - denn „BCC IV“ weis zu überzeugen und schreit regelrecht nach einer Live-Performance.
Mit „Collide“ eröffnet ein fett-stampfender Rocker in LED ZEPPELIN-Manier den Reigen der zehn Kompositionen – Glenn Hughes tritt hier regelrecht die Tür ein – mehr als passend und die Richtung vorgebend. Beim folgenden sehr eingängigen „Over My Head“ frisst sich sofort der etwas ungewöhnliche Refrain ins Ohr. Der ganze Song ist eher mainstreaming (ohne auch nur ansatzweise banal zu wirken), hat aber höllisch Groove und weist die höchste Radiotauglichkeit des Albums auf. Ein Highlight sicher das von Bonamassa selbst eingesungene, fast 8-minütige „The Last Song For My Resting Place”. Ein dramatischer Song über den Untergang der Titanic und die Geschichte eines sich an Bord befindlichen Musikers und seiner Geige. Eingerahmt von einem Folk-Rock Intro und Outro (natürlich mit Geige und Mandoline) verbreitet das Stück eine dunkle, tragische Stimmung und gipfelt in einem der unnachahmlichen Bonamassa-Gitarren-Soli. Reinhören!
Bei „Sway“ schwebt wieder das Luftschiff über den Song. Die Vibes der Bonhams sind spürbar, das Bassspiel von Hughes treibt das Stück nach vorne – ein typischer, flotter BBC-Song, dem man anhört, dass es dem Quartett Anno 2017 richtig Spaß macht. „The Cove“ (ein Song über das Abschlachten von Delfinen) setzt dann auf viele Emotionen (Hughes) und auf einen deutlich hörbaren Sherinian. Der Keyboarder darf hier mal mehr im Vordergrund agieren und macht das auf tolle, unaufdringliche Weise, die den düsteren, härteren Track bis zum Schluss hin wachsen lässt. Beim nachfolgenden „The Crow“ (das auch auf dem BBC-Debüt eine gute Figur gemacht hätte) darf der Keyboarder sich dann ein Duell Hammond gegen Bonamassa leisten. Der Song wirkt laut, fast hektisch – muss ins Live-Programm. Mit „Wanderlust“ hat man dann gleich das nächste, überlange Highlight platziert. Ein sehr melodischer und fast schon lyrischer Song, welcher trotz der Länge nicht langweilig wird, sich wiederum zum Ende steigert (Gitarrenpart beachten) und nochmals Sherinian (Piano) sich deutlich einbringen lässt. Für Kompositionen wie das etwas weniger spektakuläre „Awake“ mit seinem Funk-Touch und das von Riffs dominierte „Love Remains“ würden andere Bands Verbrechen begehen und hätten auch LED ZEPPELIN gut mit Leben können – bis zum Schluss keine Füller. Das abschließende, großartige „When The Morning Comes” ist eine Reminiszenz an die wuchtigen Halb-Balladen der 70er. Ruhig und träumerisch in den Gesangspassagen, treibender Groove auf instrumentaler Seite, erwacht bei dem Longtrack das Feeling von BAD COMPANY meets WHITESNAKE – Blues-Rock zum Schwelgen halt.
Ergo: Mit „BCC IV“ haben sich BLACK COUNTRY COMMUNION verdammt stark wieder in Erinnerung gebracht und allen Freunden des härteren und rifforientierten Blues-Rock eine echte Freude bereitet. Pflichtveranstaltung!
„The Tower“ stellt in mehrfacher Weise einen Einschnitt für MOTORPSYCHO dar: Vor den Aufnahmen hat Drummer Kenneth Kapstad die Band verlassen, der zehn Jahre in der Band gespielt und die Musik des Trios auf ein weiteres Niveau gebracht hatte. Außerdem – und vermutlich auch infolgedessen, um den Beginn dieses neuen Abschnitts zu markieren – haben MOTORPSYCHO zum ersten Mal ein Album komplett in den USA aufgenommen, u. a. im legendären Rancho de la Luna-Studio in Joshua Tree, und noch dazu nicht ihre eigenen Instrumente gespielt, sondern ausschließlich das vorhandene Equipment verwendet. Zudem tritt auf mehreren Stücken ein gewisser Alain Johannes als Gastmusiker in Erscheinung, der für seine Zusammenarbeit z. B. mit den QUEENS OF THE STONE AGE hinlänglich bekannt sein dürfte.
Die neue Umgebung hat ihre Spuren hinterlassen: „The Tower“ hört man gewisse Stoner und Heavy Rock-Einflüsse deutlich an und ist sicher das härteste Album, das die Norweger jemals aufgenommen haben. Gleichzeitig finden sich dort aber auch die wohl ruhigsten, melodischsten und – man muss schon sagen – süßlichsten Stücke der Band-Geschichte. Tatsächlich klingt der neue Sound erst einmal ungewohnt. Kaum ein MOTORPSYCHO-Album klingt wie ein anderes, aber trotzdem stellt sich immer irgendwie ein Gefühl von Vertrautheit ein, das auf „The Tower“ jedoch auch nach mehreren Durchgängen fehlt. Und das, obwohl man die Band, wie man sie kennt, überall heraushört: die großen Riffs, die ungewöhnlichen Instrumental-Parts, die mehrstimmigen Gesangsharmonien. Was hier aber etwas zu kurz gekommen ist, ist das Songwriting. Die Strukturen der Stücke sind weniger ausgefeilt als üblich, die Jams wirken oft etwas ziellos. Man höre sich z. B. nur das an PINK FLOYD erinnernde Gitarrensolo im ersten Teil von „A Pacific Sonata“ an, bei dem Snah immer wieder in bloßes Gedudel abzudriften droht. Die kurzen Songs „Stardust“ und „The Maypolet“ dagegen sind trotz der ausgefeilten Gesangsharmonien (oder gerade deswegen) doch etwas zu Hippie-mäßig ausgefallen. Was man vermisst, sind Stücke wie „The Magic & The Wonder“ von „Behind The Sun“ oder „The Alchemyst“ von „Little Lucid Moments“, in denen fantastische Melodien, komplexe Rhythmen und treibende Energie scheinbar mühelos miteinander verbunden werden.
Zugegeben: Das alles ist Jammern auf höchsten Niveau. Jeder anderen Band würde man für ein solches Album wahrscheinlich zu Füßen liegen. Und es gibt immer wieder Passagen, die einen unweigerlich mitreißen. Im zweiten, grandiosen Teil des bereits erwähnten „A Pacific Sonata“ etwa muss man vor lauter Space einfach abheben, eine psychedelische Mini-Oper in gut sieben Minuten wie „The Cuckoo“ muss man erst mal schreiben können, und wie sich das abschließende „Ship of Fools“ über eine knappe Viertelstunde in einen wahren Höllenritt verwandelt, kann man nur als meisterhaft bezeichnen.
Und der neue Drummer? Ist nicht Kenneth Kapstad, so viel ist von Anfang an klar. Tomas Järmyr ist sicher ein hervorragender Schlagzeuger (sonst hätte er den Posten bei MOTORPSYCHO auch sicher nicht bekommen). Aber er spielt mehr im Hintergrund, konventioneller, weniger akzentuiert und nimmt insgesamt eine weniger bedeutende Stellung in der Musik ein. Aber geben wir ihm eine Chance und warten wir mal ab, wie er sich auf der kommenden Tour live in das Band-Gefüge einbringt.
SIMOs letzte Scheibe „Stranger Blues“ war eine Hommage an den erdigen, psychedelischen Blues Rock der 70er – Bands wie THE DOORS und CREAM kamen einen dabei zum Beispiel in den Sinn. Mit dem Nachfolger „Rise & Shine” gehen SIMO jetzt aber noch einen Schritt weiter – verstärken den souligen und funkigen Touch mancher Sogs, klingen noch abwechslungsreicher und improvisieren noch mehr. Den Mainstream hinter sich lassend dürften SIMO dabei aber doch all jene Fans verprellen, welche auf die nächste große Blues-Rock-Band gesetzt hatten; auf Bandleader JD Simo (er wird nicht von wenigen als einer der kommenden großen Gitarristen beschrieben) der gerne in die Fußstapfen eines JOE BONAMASSA treten dürfte. Das ist aber erstmal nicht. Wobei JD Simo auch auf „Rise & Shine“ sein Können offenbart; aber die dazugehörigen Songs eben weniger einem Stil-Schema unterwirft, sondern von nebelgeschwängerten Balladen bis funkigen Instrumentalparts zum Teil recht ausufernd experimentiert. Gitarre und Stimme wird verzerrt, Effekte setzen Akzente, zwei- bis mehrmaligen Hinhören ist notwendig um das mitzugehen. Das geht nicht gleich ins Ohr, benötigt an sich eine bestimmte Atmosphäre und eine musikalische „open mind“-Einstellung. Dies aber sind die besten Vorrausetzungen um an „Rise & Shine“ lange Freude zu haben. Den SIMO haben auf dem Fundament von hoher Gitarrenkunst, empathischem Gesang und kräftigen Rhythmusparts klasse Songs geschrieben (die Live viel Platz zum jammen lassen) und definitiv Langzeitwirkung offenbaren. Wer dem folgen kann, der sollte dann auch mal Songs wie das intensive, psychedelische Southern-Nummer „To Be With You“, die eingängige 70er-Heavy-Rock-Hommage „Shine“, die fast schon poppige Soul-Blues-Ballade „I Want Love“ (hat was von KRAVITZ) oder den 13-minütigen Longtrack „I Pray“ (hier wird sogar auf Platte ausufern gejammt) antesten.