Das Konzept der Supergroup ist ja derzeit schwer in Mode. Auch die LOW FLYING HAWKS muss man dazurechnen, denn im Kern bestehen sie aus MELVINS-Drummer Dale Crover und MR. BUNGLE-Bassist Trevor Dunn, die unterstützt werden von zwei Multiinstrumentalisten, die sich die kryptischen Kürzel EHA und AAL verpasst haben. „Genkaku“ (Japanisch für „Halluzination“ oder „Illusion“) ist ihr zweites Album, an dem sich außerdem auch MELVINS-Frontmann King Buzzo mit zwei Gesangsbeiträgen beteiligt hat.
Ambient-Metal nennt die Band selbst ihre Musik. Tatsächlich leben die Stücke von einer intensiven Atmosphäre. Diese ist allerdings durchgehend sehr düster und basiert auf doomigen, repetitiven Riffs, auf die weitere, zum Teil ziemlich irre Gitarrenspuren gelegt wurden. Überhaupt dominieren die Gitarren (so soll es ja auch sein): Tief gestimmt und maximal verzerrt bewegen sie sich immer nah am Übersteuern und verleihen dem Gesamtsound eine gewisse Noise-Kante. Der Gesang spielt sich meist eher im Hintergrund ab, ist dazu auch noch oft verhallt oder wurde durch irgendwelche Effekte gejagt. Stillere Momente – wie im meditativen Mittelteil von „Twilight“ (Ist das ein Cello...?) – sind selten, und trotzdem strahlt die Musik eine eigentümliche Ruhe aus.
Überhaupt entdeckt man nach und nach immer wieder tolle melodische Parts in dem drückenden Gewummer und Gesäge, wie das fantastische Riff, dass in „Virgin Witch“ nach knapp drei Minuten einsetzt, oder das wunderbare Thema, das das abschließende „Sinister Waves“ in der ersten Hälfte bestimmt. Solche Stücke brauchen Zeit, so bewegen sich die Songlängen zwischen gut fünf und knapp achteinhalb Minuten. Von mir aus könnten sie noch länger gehen, denn aus ihrem dunklen Sog will man sich eigentlich gar nicht befreien.
Nicht ganz so variabel, aber allein die Stimmfärbung von Sängerin Pierina O’Brien erlaubt durchaus den Vergleich zu Elin Larsson (BLUES PILLS). Die musikalische Ausrichtung der Australier DEVIL ELECTRIC ist passend zum atmosphärischen Artwork, aber heavier, doomig und ein ganzes Stückchen düsterer. Wie ihre Landsmänner von CHILD, die wir auch schon rezensieren durften, bringt das Quartett ihr Debüt auf dem deutschen Label Kozmik Artifactz in die Läden. Das Besondere dabei ist, das Label hat sich dem Genre Doom, Stoner, Phsychodelic Rock verschrieben und bringt passend dazu seine Künstler überwiegend auf Vinyl auf den Markt. In diesem Fall in 180 Gramm und den zum Cover passenden Farben schwarz, rot, und rot/schwarz marmoriert. Die uns vorliegende rot/schwarz marmorierte Platte sieht phantastisch aus, man meint auf den ersten Blick, eine schwarze Scheibe in den Händen zu halten, doch wenn mehr Licht auf den Rundling fällt, schimmert sie blutrot mit schwarzen Schatten durchzogen - großartig!
Der Klang ist differenziert und druckvoll, die Kombi passt zum weichen, warmen Vinyl-Charakter. Musikalisch bietet die Band 70er geprägten, traditionellen, doomigen Heavy Rock. Gitarrist Christos Athanasias kann seine Verehrung für Mr. Tony Iommi kaum im Zaum halten. Sein Spiel setzt aber durchaus eigene Akzente. Die Songs leben und atmen eine geheimnisvolle, dunkle Aura aus. Das Quartett spielt gekonnt mit laut/leise-Kontrasten. "Hypnotica", Single und Video des Albums, darf hier als Beispiel dienen. Großartig sind dabei die nuancierten Vocals, nicht weniger als weltklasse die Gitarre. Wunderbar, wie das Saiteninstrument sanft bluesig und sensibel vor sich hin sinniert, gleich Mr. Jekyll, der sich dann zunehmend in den bösen, doomigen Mr. Hyde verwandelt. Nicht alle Songs auf dem Longplayer sind so brilliant, doch Ausfälle sind keine vorhanden. Manchmal fehlt ein wenig die Abwechslung in Tempo und Songaufbau, aber das ist durchaus genretypisch. DEVIL ELECTRICs Debütalbum ist traditionell und Retro, jedoch ohne kalkuliert zu wirken; die Liebe zum ursprünglichen harten Doom Rock ist authentisch, seine Essenz füllt nahezu jede Rille.
Den Sommermonat August haben sich die Amerikaner von SEVEN SPIRES als Veröffentlichungstermin ihres Debütalbums "Solveig" ausgesucht. Wobei hier Herbst oder Winter eher zu dem düsteren, dunkel-bedrohlichen musikalischen Inhalt gepasst hätten. Das von Frontfrau Adrienne Cowan angeführte Quartett belebt mit einem beeindruckenden, 15 Titel umfassenden, einstündigen Konzeptalbum das recht ausgeleierte, oft viel zu berechenbare und überraschungsarme Symphonic Metal Genre. SEVEN SPIRES bleiben auf der gesamten Strecke abwechslungsreich, heavy und kontraststark. Adriennes kraftvolle und wandlungsfähige Stimme passt perfekt zu den Songs, so kann sie sowohl sanft emotional berühren als auch wütend böse abrocken. Die symphonischen Momente sind eingebettet in einem harten, kantigen Umfeld, das Songwriting überzeugt und auch die restlichen Musiker beherrschen souverän ihr Handwerk. Eine kleine Schwachstelle habe ich dennoch ausgemacht: da sind als Stilmittel die oft unnötig eingesetzten Growls, die in den modernen, ausgewogenen Nummern teilweise wie ein Relikt und eher altbacken wirken.
Die Band stellt mit "Solveig" ein sehr ambitioniertes und ausgereiftes Werk in die Händlerregale, vielleicht sogar eine Spur zu ambitioniert. Mit ein bis zwei Songs weniger hätte man die vorhandene Qualität mehr komprimieren und so das Album noch kurzweiliger wirken lassen können. Gleichwohl, hier gibt es auf einem sehr gelungenen Debüt hervorragende Nummern zu entdecken, wie z.B. "100 Days", "Stay" oder das pathetische "Depths". Nicht nur für Genre-Fans ein Tipp.
Nach dem von mir überaus geschätzten 2014er-Album „Smokin’ Hearts & Broken Guns“ liefern SHAMAN’S HARVEST mit „Red Hands Black Deeds“ einen Nachfolger ab, welcher abwechslungsreich nach vorne schaut – die größeren Bühnen im Blick, sich ihren Wurzeln aus Southern und Blues mehr zuwendent. Nach dem titeltragenden Intro scheint der eigentliche Opener „Broken Ones“ einem Ausflug gen dem Stoner-Genre gleich – das eröffnende Gitarrenriff hätten die „QUEENS OF THE STONE AGE“ ja auch nicht besser hingekriegt – fett ist der Song, Laune macht er auch. Die folgende Singleauskopplung „The Come Up“ hat dann was von den guten alten STONES, eingängig, ja gar mainstreamig würde ich sagen, aber mit tollen Groove. Die empathische Ballade „A Longer View“ mit ihrem druckvollen Gesang bietet sich als zweite Single geradezu an (dürfte in ihrer Heimat Missouri sicher im Radio des Öfteren laufen). Danach wird es mit „Soul Crusher“ richtgehend laut – einen verdammt guten Heavy Rocker haben SHAMAN’S HARVEST hier geschrieben – der Song kommt mit klasse Gitarrensoli daher, und einer fast schon kontrastierenden souligen Gesangsleistung (Sänger Nathan Hunt klingt nicht mehr so stark nach Chad Kroeger) – Live-Knaller. Ähnlich routiniert, und auch im Detail passend spielt sich die hörbar gereifte Band durch alle 12 Songs von „Red Hands Black Deeds“ – Rock, Southern, Stoner, Blues inklusive – aber auch ein paar weniger zwingende Stücke mit Mittelteil des Albums. Das Ende spannt dann mit dem stimmungsvollem Folktrack „Tusk And Bone“ oder dem düster-sumpfigen „Scavengers“ wieder den Bogen zum Intro und zum ersten Song. SHAMAN’S HARVEST sollten damit zumindest in Nordamerika (im Country-Land) langsam die Verfolgung von NICKELBACK aufnehmen können (auch wenn deren letztes Album wieder zur alten Stärke fand); denn „Red Hands Black Deeds“ ist ein Album das unterhält und das man gerne wieder einlegt – und das Werk hat reichlich Live- und Stadionpotential.
RADIATION ROMEOS sind das neue Projekt von Ex-Warrior-Sänger Parramore „Perry“ McCarty und Ex-Billy Idol-Gitarrist Steve Stevens. Das gibt dann entsprechend auch schon die ungefähre Marschrichtung vor: melodischer Hard Rock mit 80er-Flair. Der Sound ist ziemlich amerikanisch geprägt und eigentlich durchweg (Rock-)radiotauglich, die Melodien gehen durchweg recht schnell ins Ohr. Der titelgebende Opener „Radiation Romeos“ rockt ganz ordentlich, die erste Single „Ocean Drive“ ist klassisches Melodic Rock-Radiomaterial. „Bad Bad Company“ präsentiert sich deutlich dreckiger. Die Pianoballade „Like An Arrow“ ist etwas arg kitschig geraten, mit dem melodischen „Promised Land“ kehrt man wieder in ruhige Rockgefilde zurück. „Castaways“ kommt rauer und rockiger, aber gleichermaßen melodisch daher, durch „Ghost Town“ weht eine Prise Southern Rock. Fazit: RADIATION ROMEOS erfinden das Rad nicht neu, liefern aber ein durchweg solides Melodic Rock-Album ab.
Das die Natur den Menschen seit jeher bei kreativem Schaffen inspiriert, ist nichts Neues. Und was für ein (europäisches) Land ist inspirierender als Island? Keines. Das Land, das schwarzes Eis, blaue Gletscher, unwirkliche Vulkanlandschaften, grüne Moose und sanfte Hügel in unendlicher Weite vereint, hat schon einige namenhafte Künstler hervorgebracht.
Anders als SÓLSTAFIR sind DYNFARI außerhalb ihrer Heimat noch recht unbekannt, völlig zu Unrecht: Mir ist nämlich keine (isländische) Band bekannt, die so sehr nach Island klingt, wie DYNFARI. Ruhe und Sturm wechseln sich hier gekonnt ab, finstere Black Metal-Passagen münden in atmosphärischen, epischen Parts. DYNFARI klingen nach Feuer und Eis und noch soo viel mehr und konnten bereits 2015 mit „Vegferð tímans“ begeistern.
Doch seit „Vegferð tímans“ hat sich einiges getan: Das neuste DYNFARI-Werk „The Four Doors Of Mind“ überrascht nicht nur mit englischen Titel, sondern auch musikalisch versuchen die Isländer offenbar zugänglicher zu werden. Während man „Vegferð tímans“ noch durch und durch als atmosphärisches Black Metal-Album betiteln konnte, verliert sich „The Four Doors Of Mind“ zusehends in ausgeprägten Post Rock-Passagen. Insgesamt ist das Quartett ruhiger geworden und bietet ruhigen, atmosphärischen Parts mehr Raum. Vergleiche mit der Doom Metal-Band AGALLOCH sind hier durchaus angebracht.
Während die erste Hälfte des Albums (und insbesondere „1st Door: Sleep“) noch mit einer reichlichen Portion Black Metal und ordentlich Wumms daherkommen wird es zusehends ruhiger. „Sorgarefni segi eg þér“ hat zwar weniger atmosphärisch ruhige Parts, setzt aber komplett auf Klargesang (in isländischer Sprach) und erinnert damit dezent an SÓLSTAFIR.
Ab der zweiten Tür vergessen DYNFARI dos ursprüngliche Black Metal-Konzept und werfen es bald komplett über den Haufen: Ab „2nd Door: Forgetting“ dominieren atmosphärisch arrangierte Instrumentierung und gesprochene Worte auf wahlweise Englisch oder auch Isländisch („Sorg“). Die Instrumentierung darf hierbei auch gerne mal lauter werden und stellenweise geht es auch in „3rd Door: Madness“ und vor allem „4th Door: Death“ – zumindest instrumental – ziemlich wild zu.
„The Four Doors Of Mind“ ist die logische Konsequenz aus „Vegferð tímans“. DYNAFRI schaffen es hier meisterlich ruhige und heftige(re) Parts miteinander zu verschmelzen, so dass man gar nicht merkt, wie schnell das Album an einem vorbeirauscht. „Atmosphäre“ wird bei DYNFARI jedenfalls ganz groß geschrieben und Fans von atmosphärischem Schwarzmetall UND Post Rock sollten hier unbedingt mal reinhören!
Anspieltipps: „1st Door: Sleep“, „4th Door: Death“ und „Sorgarefni segi eg þér“.