Mag man Journey, Toto und Yes, hört sich gerne Russ Ballard, Genesis, Peter Gabriel und ähnliches an, dann sollte man unbedingt weiterlesen, denn geknüppelt wird bei Arc Angel Cannata definitiv nicht. Wer also rechts und links harter Klänge nichts kennt, kann sich den Rest sparen. Denn auf "Tamorok" herrscht symphonisch und orientalisch angehauchter AOR klassischer Prägung vor, versehen mit einem Schuss Pop. Die CD besteht jeweils zur Hälfte aus älteren, für die Scheibe neu eingespielte Songs und brandneuen Tracks, welche sich wahllos abwechseln, ohne das es zu einem hörbaren Bruch in der Struktur des Albums kommt. Die "älteren" Songs stammen von Jeff Cannata’s beiden Solo-Alben aus den Jahren 1988 und 1993 sowie dem AOR-Klassiker "Arc Angel" aus dem Jahre 1983. "Sailing Ships", "Fortune Teller", "Stars", "When It’s Love” und "Watching The World” sind dabei die Anspieltips; nicht alle der Neukompositionen kommen an die alten Melodien heran. Die sieben neueren Tracks sind dann teilweise geschmückt mit vor allem aus dem Mittleren Osten stammenden Musikelementen. Darauf lässt schon das ägyptisch anmutenden Artwork des Albums schließen. Besonders die beiden starken, recht ruhig gehaltenen Opener "Tamorok" und "Prisoner In The Holy Land" verströmen diese Atmosphäre nach Wüste und Orient und bestechen durch ihre klasse Melodien. "Big Life" hingegen geht etwas mehr in die technische AOR-Ecke und lässt Meister Gabriel durchscheinen, fällt aber genauso wie "Calling You" etwas gegenüber dem starken Anfang ab. Dafür schließt das Album aber so stark wie es angefangen hat, mit dem fast siebenminütigen, abwechslungsreichen und symphonischen "Kings Of The Nations". Ausfälle sind auf "Tamorok" keine zu verzeichnen, trotzdem hätte es dem Album gut getan, wenn zwischendurch mal das Gaspedal etwas mehr durchgetreten worden wäre. Die 14 Songs von Tamorok hat Cannata fast im Alleingang eingespielt und eingesungen - Schlagzeug, Gitarre, Synth und Vocals stammen allenthalben von ihm, nur das eine oder andere Gitarrensoli, Piano oder Saxophon wurde im Studio von anderen Musikern beigesteuert. Auch das Songwriting, sowohl der älteren wie auch der neueren Stücke, trägt Jeffs Handschrift. Warum ein Künstler mit einem derartigen Gefühl für Songs nur so selten zu Veröffentlichungen kommt, bleibt wohl ein Rätsel. Naja, wie oben bereits erwähnt, die ausnahmslos auf harte Rockmusik eingeschworene Gemeinde ist mit Sicherheit nicht Cannata’s Zielgruppe. Freunde ruhiger, leicht progressiver Töne mit einem hörbaren Hang zum AOR der guten alten Endsiebziger und Achtziger Jahren sollten sich mal ein paar intensivere Momente des Reinhörens unterm Kopfhörer gönnen. Denn auch im 21. Jahrhundert wird noch gute Musik dieser Stilrichtung produziert.
Gegen Ende des letzten Milleniums kam eine Scheibe auf den damals noch nicht so überfüllten Stoner-Markt und wurde ob ihrer Klasse gleich das bestverkaufte Album ihres Labels, des legendären Man’s Ruin Records-Labels, das will also schon was heißen. Das neue Jahrtausend kam, die Welt ging nicht unter und nun endlich halte ich den Nachfolger von "Neanderthal Speedway" in Händen. Endlich! Wer den Vorgänger kennt, wird auch hier nach zehn Sekunden wissen, daß Solarized am Werk sind. Groovig, baßlastig und mit einer psychopathischen Stimme hinter dem Mikro mischen die Typen Kyuss, Black Sabbath und Monster Magnet zu einer gelungenen Mucke. Sänger Hogan gibt dieser Musik dann den letzten Kick, seine ironischen Lyrics setzt er mit einer einfach geilen Stimme um, die ein wenig wie Davy Wyndorf nach einer durchzechten Nacht mit viel zu vielen Kippen klingt. Einfach geil! Das Songwriting kam gottseidank auch nicht zu kurz, Solarized haben knackige Rocker geschrieben, die grooven und sofort ins Blut gehen und eine logische Konsequenz aus der "Neanderthal Speedway"-Platte sind. Egal ob kurz und bündig ("Stab Your Back") oder den Stoner-Aspekt hervorhebend ("Born Of Fire"), "Driven" rockt! Zwei, drei Krücken haben sich zwr eingeschlichen (und verhindern den TIP), aber unter’m Strich eine mehr als gelungene Stoner-Platte.
Vader. Das sollte als Vorstellung reichen, die Polen müßten mittlerweile jedem Metaller bekannt sein. Jedes Jahr auf Tour, jedes Jahr eine neue Platte, da sind echte Arbeitstiere am Werk. Nur schleicht sich langsam bei vielen Fans Ermüdung ein. Ähnlich wie bei Motörhead oder Pro-Pain gilt auch bei Vader "Kennste eine, kennste alle". Auf "Revelations" gibt’s gewohnte Death Metal-Kost aus polnischen Landen, mit den altbewährten Zutaten: Doc zerlegt wieder in unglaublicher Weise sein Kit, Peter growlt mit seiner markanten Stimme und bildet zusammen mit Mauser ein erstklassiges Gitarrenduo. Oh, eine Neuerung gibt’s. Bassist Simon ist neu, fügt sich aber nahtlos in den Sound ein. Im Vergleich zum Vorgänger "Litany" (das 2001er Werk "Reign Forever World" war ja nur ’ne bessere MCD) gibt’s also keine großen Veränderungen, wer die ernsthaft erwartet hat, glaubt auch noch an den Weihnachtsmann. Allerdings gefiel mir persönlich "Litany" noch einen Tick besser, hochklassigen Death Metal bieten aber beide Scheiben. Was soll ich noch sagen? Fans kaufen sich die Scheibe sowieso, wer sich aber nicht zu den Fanatikern zählt, sollte überlegen, ob er seine Kohle mal nicht in eine andere Death Metal-Band investiert..... Scheiße, das ganze hier hört sich negativer an, als es gedacht war! Also, "Revelations" ist ’ne klasse Death Metal-Scheibe, gewohnte Vader-Kost eben. So!
Für AOR-Jünger sind die Zeiten echt hart - in deutschen Landen läuft ja nicht mal mehr Bon Jovi und Journey im Radio, in den Staaten regiert der Nu-Metal. Und die Anzahl der noch in den Achtzigern in Massen erschienenen, qualitativ hochwertigen AOR-Neuerscheinungen lässt sich anno 2002 auch an einer Hand abzählen. Um so mehr freut man sich, wenn man wieder mal was neues von den Amis Harlan Cage zu hören bekommt. Die Jungs hatten vor drei Jahren mit dem tollen, voll Ohrwürmer gespickten Album "Forbidden Colors" einen Volltreffer bei der AOR-Gemeinde gelandet. Der Nachfolger "Temple Of Tears" steht dem nicht viel nach. Auch hier regiert der Sound von Bands wie Survivor, Styx, Magnum und Journey. Überwiegend im Midtempobereich gehalten, mit eingängigen Melodien und Gesangslinien versehen, geht der Silberling sofort ins Ohr. Es erstaunt schon, mit welcher Leichtigkeit L.A. Greene (Vocals, Guitars) und Roger Scott (Keyboards) auf dem vierten Harlan Cage Album Hits aus dem Ärmel schütteln. Dabei haben es die beiden Jungs geschafft einen eigenen Sound zu basteln, der von solider Gitarrenarbeit (Michael Turner, Billy Liesegang) unterstützt wird und auch entsprechen erstklassig und transparent produziert ist. Mit der ersten Melodic-Rock-Perle "Any Port In The Storm" fängt es äußerst vielversprechend an, "Wooden Cross" legt melodiemäßig noch was drauf und bis zum exzellenten Schluss ("We Belong") fällt da auch nichts groß ab. Dazwischen sind Songs mit Südstaatenflair wie "Just A Face In The Rain" (mit leichten Anleihen bei Molly Hatchet), das die Geschehnisse des 11. September 2001 verarbeitende "One New York Morning”, das für Harlan Cage etwas ungewöhnlich geratene "On The Nickel” oder das rockende Refrain-Monster "Sin City". Mit "Deep In The Heart Of The Night" wurde auch wieder mal der Vergangenheit Tribut gezollt, und ein hervorragender Track der Melodic-Rock-Heroes "Fortune" gecovert, aus deren Kern Harlan Cage ja eigentlich besteht. Für mich persönlich kommt "Temple Of Tears" nicht ganz an die Klasse des bereits zitierten 99er Outputs "Forbidden Colors" heran (ein Monsterhit wie "Two Ships In The Night" fehlt einfach) - aber im Bereich AOR legt diese Scheibe für 2002 die Meßlatte verdammt hoch. Deswegen gilt für die Zielgruppe, schaut zu wo ihr das Ding herbekommt.
Auch wenn das letzte reguläre Studio-Output der Rock-Götter von Rush schon sechs Jahre zurückliegt ("Test For Echo"), manches ändert sich nie: Man ist sofort hellauf begeistert, und braucht dann dessen ungeachtet mehrere Durchläufe um alles in sich aufzunehmen. Also eines vorneweg: Rush haben mit "Vapor Trails" wieder mal eine Hammerscheibe in Umlauf gebracht die Kritiker wie Fans einiges abverlangt und zugleich einer der Anwärter für die Scheibe des Jahres darstellt. Zwar gehen die wenigsten Songs gleich ins Ohr, selbst beim x-ten Durchlauf entdeckt man noch neue Melodien und Details, aber was das Trio aus Kanada auf Bass, Gitarre und Schlagzeug an druckvoller Musik bietet, genügt wie selbstverständlich höchsten Ansprüchen. Dabei scheint der Albumtitel "Vapor Trails" auch das Motto der CD vorzugeben: Denn schon der erste Track steht schon voll unter Dampf - "One Little Victory" ist ein treibender, mit brachialen Gitarrenriffs versehener Rocker, welcher vor allem Freunde der Achtziger Rush-Scheiben dazu verleiten wird, erst mal zu prüfen, ob da auch Rush drin ist, wo Rush drauf steht. Ist es! Denn Geddy Lee, Alex Lifeson und Neil Peart sind den mit den letzten beiden Scheiben eingeschlagenen Weg zu wieder rockigeren, gitarrenlastigeren Songs konsequent weitergegangen - auf "Vapor Trails" kommt man praktisch ohne Keyboards aus. Der aktuelle Longplayer legt da jetzt noch eine Schippe drauf. Einzelne Tracks hier hervorzuheben und ausführlich zu beschreiben würde jedweden Rahmen sprengen. Trotzdem ein paar - subjektive - Anmerkungen zu einigen Songs: Das geniale "Freeze" (Part IV of "Fear" - Fans kennen sich aus!) und das eher getragene, balladesk angehauchte "How It Is" sind Highlights auf Jahre hinaus. Herausragend auch das melodische, im Midtempo gehaltene "Ghost Rider", das faszinierende, mit einem überragenden Spannungsbogen versehene "Secret Touch" und "Nocturne", welches heftig, ultramodern und leicht Industrial daherkommt. Den Schluss bildet dann mit "Out Of The Cradle" ein weiterer Prog-Rock-Track der Extraklasse. Nicht alle Songs können diese Klasse halten, ein paar "normalere" Stücke sind auf der CD auch enthalten, vor allem wenn Rush es mal ruhiger angehen lassen. Um die Konkurrenz in die Flucht zu schlagen, reichts aber immer noch. Rush holt sich schon die eine oder andere Anleihe bei den eigenen Songs aus ihren Anfangstagen, ohne sich dabei selbst zu kopieren. Der Gitarrensound erinnert in seiner Heftigkeit schon mal an Tool; die Rhythmusmonster am Bass und Schlagzeug stehen da in nichts nach, Melodie und Gesang reihen sich nahtlos in die Reihe der außerirdisch guten Rush-Scheiben ein. Bezüglich Songwriting gibt es bei Rush eine echte Arbeitsteilung: Geddy und Alex sind für das Schreiben der Musik zuständig, Dichter Neal steuert die Texte bei. Und auch wenn Neal Peart in den letzten Jahren einige Schicksalsschläge zu verzeichnen hatte (bekanntermaßen verstarben Frau und Tochter innerhalb kürzester Zeit), die Songs und insbesondere die Texte driften nie ins depressive ab, auch wenn doch mal die eine oder andere Textzeile die innere Melancholie wiederspiegelt. Man sollte in der Kirche ein paar Kerzen anzünden und beten, das die drei Kanadier sich endlich mal wieder Live in Deutschland präsentieren um ihr neues Album zu promoten (letzte D-Tour war anno 1992). Leider stehen die Chancen dafür nicht so toll, denn im Vergleich zu Nordamerika, wo Rush zu den absoluten Superstars zählen und jede Arena problemlos füllen, sind die Verkaufszahlen hierzulande eher bescheiden. Das wird sich auch mit dieser Scheibe nicht ändern (vielleicht zu "anspruchsvoll"), obwohl Rush der Mehrheit der sich gerade in den Hitparaden tummelten "Möchtegern"-Stars zeigen, wo musikalisch der Hammer hängt. Denn das Ding Namens "Vapor Trails" - wie auch so manches andere Teil von Rush - lässt sich auch in zwanzig Jahren noch ohne Verschleißerscheinungen anhören. Und da gibt’s dann nur eins - KAUFEN.
"Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte" zitieren SEELENFRIEDEN Schriftsteller Kurt Tucholsky und geben damit die Richtung der Texte auf "Rufe aus dem Nirgendwo" vor. Auch das ganze Info durchzieht (pseudo?)-intellektuelle Schwadronierkunst. Da geht’ s also nicht um "stumpfe Todessehnsuchtsparolen", sondern um "zornige, inbrünstige Schreie in eine von Ignoranz und Egoismus regierte geistige Leere." Nun gut. Leider verstehe ich die deutschen Texte nur stellenweise und tatsächlich ist es mal erholsam, dass eine Band versucht, sich vom Einheits-Gefasel um Blei und Blut, Tod und Teufel vieler Genrekollegen zu entfernen. Die Musik hingegen bewegt sich auf keinesfalls außergewöhnlichem Niveau: Death-Metal, zumeist in mittlerem Tempo gehalten. Wird‘s schneller, so rauschen ein paar nette Black-Metal-Wurzeln aus dem baden-württembergischen Gehölz hervor. Durch das Zusammenspiel der verschiedenen Tempostufen fabrizieren SEELENFRIEDEN ordentlichen Groove, wenn auch der Sound zum Teil sehr hölzern klingt und das Grunzen doch ziemlich aufgesetzt wirkt. Dann "dudelt" die Gitarre von Zeit zu Zeit ein wenig verloren in der Gegend herum und das Schlagzeug scheint manchmal den Anschluss zu verlieren. Letztlich handelt es sich aber bei den genannten Mängeln um Kinderkrankheiten. Die Band hat Ideen und bemüht sich um Eigenständigkeit. Und musizieren können sie letztlich auch. Gute Voraussetzungen, um das "Nirgendwo" in nächster Zukunft zu verlassen - der Brechreiz sollte eh kein Thema sein.