Es ist schon irgendwie cool, wenn man eine Band seit Jahren und über viele Konzerte aufmerksam verfolgt hat und sie dann plötzlich einen Plattenvertrag bekommt - wie hier im Falle der Münchner Formation ALEV geschehen. Diese Musiker haben sich in den letzten Jahren wirklich den sprichwörtlichen "A.." abgespielt, tingelten durch kleine Hallen & Clubs und traten auf unzähligen (Nachwuchs) Festivals auf und jetzt haben sich alle Mühen verdientermaßen ausgezahlt. Die erste offizielle CD "We Live In Paradise" liegt jetzt vor, darauf enthalten sind 12 energetische Songs im modernen Alternative Rockgewand und tatsächlich ALEV haben auf dieser CD musikalisch noch mal einen Sprung nach vorne gemacht. Weiterhin positiv, von den beiden bisherigen ebenfalls sehr gelungenen Eigenproduktionen haben gleich mehrere Songs den Weg auf das Album gefunden. Hierfür wurden alle Tracks natürlich noch einmal komplett neu aufgenommen und abgemischt. ALEV machen stilistisch keine simplen Rocksongs von der Stange mit vordergründig sofort eingängigen Melodien, nein diese Band ist schon etwas eigenwillig, nicht nur was ihren zwischen modernen Alternativ Rock und leichten Nu Metal Anleihen geprägten Sound betrifft. Nein, auch der gesangliche Mittelpunkt, die Sängerin Alev Lenz mit ihrem charismatischen Organ über mehrer Oktaven, bietet etwas ganz besonderes weit abseits der gängigen Plastikrockkultur. ALEV erinnert mit ihrem ausdruckstarken und hellen Organ sowie den beabsichtigten Stimmüberschlägen manchmal etwas an ALANIS MORISETTE oder den CRANBERRIES z.B. bei "Take A Look Around" bleibt dann doch wieder ganz eigenständig, einfach klasse. Hauptsongschreiber Marc Fleischer beweißt ein sehr gutes Händchen für packende Songs und schafft es, viele gute Ideen in durchdachter laut/leise-Abfolge zu kombinieren ohne beliebig zu sein. Auch die übrigen Bandprotagonisten Saner Ariduru (Keys./Guitar), Martin Fahrnholz (Bass) und Niki Brockt (Drums) liefern einen soliden Job und bieten den idealen Rahmen durch abwechslungsreiche Gitarren, Bass, Schlagzeug sowie einem relativ spartanischen Keyboardeinsatz. Wütende agressiv-schweren Gitarrenriffs kombiniert mit gelegentlich eingestreuten gelungenen Solos folgen wieder atmosphärisch verträumten Parts mit teilweise fast schon progressiven Zügen und das alles in einem stets etwas melancholisch gehaltenen Klangbild. ALEV (aus dem türkischen übersetzt bedeutet dies soviel wie "Flamme) zeigen sich auf dieser CD bei ihrem Debüt bereits als gewachsene bzw. eingespielte Einheit, legen Wert auf Ecken & Kanten in ihren durchdachten Arrangements, so dass auf den aufmerksamen Zuhörer trotz gesunder Härte auch noch viele lohnenswerte Einzelheiten warten. Die herausragenden Songs nach einem fetten Intro sind neben "Time Will Show" mit seinen harten Riffs und etwas orientalisch anmutende Klängen, das flotte "Youth (Sleep Well)" sowie die beiden absoluten Oberhämmer, die ruhige Ballade "Dying Everyday" sowie das absolute Highlight das episch-intensive "Sweet Lullaby". Als kleinen Bonus gibt es noch als 12 Titel den Track "Bugün Degismezsek" einer türkischen Version von "If We Ever (Massdestructive Ignorance)!. Insgesamt ist "We Live in Paradise” von ALEV ein äußerst bemerkenswertes Debütalbum geworden, dass ich nur jedem Rockfan wärmstens an Herz legen muß.
Gestern waren Wahlen im Irak - aber erinnert sich zwischen zwei Autobomben noch jemand daran, dass dort Menschen sterben, weil George Bush meinte, Massenvernichtungswaffen zu suchen? SUCH A SURGE schaffen es wie sonst höchstens noch EMINEM (sic!) über den Irak-Krieg einen Song zu schreiben, der nicht peinlich ist, keinen erhobenen Zeigefinger hat und bei dem 19-jährigen GI und dessen kleinen Lügen und großen Überreaktionen anfängt. Und der auf dem schmalen Grad des Zynismus elegant balanciert, aber nicht böse ausschlägt. Und im Hintergrund werden Peter Dudzik und Antonia Rados eingesampelt. Ganz nebenbei ist "Mission erfüllt" ein Hit - haut dahin, wo es weh tut und ist doch so notwendig. Mal abgesehen davon, dass ich es SUCH A SURGE sowieso von A-Z gönne, wenn sie mit dieser Single die Charts stürmen, gibt es noch den Track "Was jetzt?" vorab vom Album - 100% und mit voller Geschwindigkeit auf die Fresse, sehr schön. "Powersurge" hört sich in meinen Ohren wie die 10-Jahres-Version von "S.U.R.G.E." an, das ist aber ohne Gewähr. "Einfach sein" ist wieder ein straighter Kracher in hohem Tempo. Sollte ich noch ein Haar in dieser Suppe suchen, dann wahrscheinlich, dass man sich heute kaum noch eine Single ohne technischen Extra-Schnickschnack kauft, aber die Songs brauchen keine zusätzlichen Kaufargumente.
Nach der vorab veröffentlichten Single "Spaßmarkt" kommt jetzt das dazu gehörige Debütalbum von CHO-JIN in die Läden. Und was die fünf Düsseldorfer hier abliefern, hat sich gewaschen. Die Jungs spielen Alternative Rock der heftigen Sorte, beeinflusst von New Metal, Stoner Rock und Grunge, mit harten, fetten Gitarren-Riffs, aber immer auch wieder melodischen Parts. Dabei fasziniert vom ersten Ton an, mit viel Energie und Druck sie zu Werke gehen. Songs wie "Carpe Diem", "Spaßmarkt" oder "Masken" treiben nach vorne und ballern ohne Ende, wogegen ein Mid-Tempo-Song wie "Komastar" eher schleppend-düster, aber nicht weniger intensiv rüberkommt. Sie können aber auch die ruhigere Gangart, wie im langsamen, melancholisch-schrebbelnden "A.M" oder auch richtig ruhig, wie in den Strophen von "Augenlied" oder "Stirb Nicht", driften dabei aber nie ins Kitschig-Seichte ab, sondern bleiben immer schlicht und schnörkellos. Die Songs selbst sind allesamt sehr gut aufgebaut und sehr dynamisch und steigern sich auch schon mal von extrem sanft bis extrem heftig. Der Sound könnte nicht besser sein: Fette, dreckige Gitarren treffen auf kickende Drums und einen Gesang, der nie zu sehr im Vordergrund steht, sondern sich perfekt mit der Musik vereint. Überhaupt hat man mit Mike Berndt einen extrem guten Sänger mit an Bord: seine Stimme ist in allen Tonlagen druckvoll, er wechselt mühelos von klar bis rau und in den harten Parts kann er auch richtig böse shouten. Die deutschen Texte verbinden sich dabei erstaunlich gut mit der Musik und sind noch dazu völlig unpeinlich. Z. T. tendieren sie zwar etwas ins Esoterische, wie in "A.M", in dessen Text ein bisschen viel "Seele" vorkommt und man sich an Ober-Dumpfbacke Xavier Naidoo erinnert fühlt. Der Großteil der Texte macht das aber wieder wett, wie z. B. das hintergründig-poetische "Augenlied": "Keine Illusionen / denn erst zu viel Klarheit macht uns blind / keine Träume mehr, wenn wir sehen / was und wer wir wirklich sind". Ganz anders dann wieder das wütende "Masken": "Du denkst, also bist du Mensch / die Krone der Schöpfung / die so sehr an ihrer Herrschaft hängt / und damit ihre verdammte Welt zu Grunde denkt". Trotz der tiefgründigen Texte ist "Woanders" aber vor allem ein Album, das großartig rockt - und ein erstaunlich reifes Debüt einer deutschen Band, von der man wohl noch viel hören wird.
Die Schweizer Formation ANGELHEART stellt eine Fusion der beiden Bands ALLISON und WILD HEARTS da, wenn ich das Presseinfo richtig gedeutet habe. Jedenfalls funktionieren die Eidgenossen in der Tat wie das viel zitierte Uhrwerk aus selben Landen und veröffentlichen mit "Caution It Rocks" schon das nächste Album nach ihrem 2004er Streich "Wild Heart Of Allison". Den Vorgänger kenne ich zwar nicht, aber das neue Werk bietet dem Fan eine hörenswerte Portion klassischen Hard Rocks mit ungekünstelten weiblichen Vocals, die fernab jeglicher "Opernkompatibilität", sprich: Gejaule, durchaus zu überzeugen wissen. Waschechten Metal sucht man hier vergebens, aber den hat sich das Quintett auch nicht auf den Leib geschrieben. Sonderlich originell und spektakulär ist das Album wahrlich nicht geraten, dafür punktet man mit schön kurzen, knackigen Rockern, die unbeschwerten Easy Listening - Spaß garantieren, nicht mehr und nicht weniger. Wer sich hier angesprochen fühlt, sollte einfach mal in die Stücke "Gonna Get You", "Into The Night", die sehr gute Ballade "Wintersong" oder das nicht weniger gute und melancholische "If I Needed You" hineinhören. Zwar bleibt nicht jeder der Songs so flockig im Ohr hängen wie die genannten, aber Hard Rocker, die es auch mal weniger krachend mögen, sind hier ganz gut aufgehoben.
EVEREST hatten die Aufnahmen zu ihrem neuen Album schon an ein Majorlabel verkauft. Das hatte jedoch eine ziemlich andere Vorstellung von der Musik der Wahl-Berliner und wollte sie außerdem überreden, ihre Texte auf deutsch zu singen. Also kaufte die Band die Aufnahmen kurzerhand zurück und gründete ein eigenes Label, um dort das Album zu veröffentlichen. Sehr schön, dass es noch Bands gibt, die auf D.I.Y. setzen! Noch schöner allerdings wäre es, wenn die Musik auch noch stimmen würde. Leider kennt man den Pop-Punk/Melocore-Sound des Fünfers aber bereits zu Genüge von vielen amerikanischen Bands, so dass es der Musik an jeglicher Eigenständigkeit fehlt. Darüber hinaus klingen die 11 Songs auch einfach zu glatt und zu schön, um irgendwie im Ohr hängenzubleiben. Mit Stücken wie "Next Stop Hell" geht es zwischendurch auch immer mal wieder in die Richtung von radiotauglichem 08/15-Alternative Rock, und mit "Castles In The Air" gibt es gar eine Ballade, der mit der Bezeichnung "langweilig" noch geschmeichelt wäre. Bei einigen Songs dudelt auch noch ein Keyboard Melodien über die Riffs oder unterlegt die bombastischen Stellen mit Plastik-Streichern, was dem Rock-Faktor nicht grade zuträglich ist. Zugegeben - insgesamt ist "Demons For Company" ein rundes Album mit gut aufgebauten Songs und einem wirklich guten Sound geworden. Aber man hat irgendwie die ganze Zeit das Bedürfnis, die CD aus dem Player zu nehmen und TSUNAMI BOMB oder HOT WATER MUSIC einzulegen. Und das spricht ja nun nicht grade für EVEREST...
Nach dem eher durchschnittlichen letzten DARKSEED Output "Astral Adventures" nahm sich Sänger Stefan Hertrich eine einjährige Auszeit, aus welcher er mit einer gehörigen Portion Energie zurückkam und diese auch ins sechste Album "Ultimate Darkness" mit einbrachte - Gerüchte über das Ableben der Band waren also verfrüht. Der ausgezeichnete Opener "Disbeliever" (treibender, atmosphärisch dichter Rocksong) gibt dabei die zum Vorgängeralbum leicht geänderte Grundrichtung vor - DARKSEED haben den Härtefaktor angehoben ohne die melancholisch-traurige Grundstimmung der Songs zu verlieren. Metallische Riffs und gezielt eingesetzte Growl-Passagen ("The Dark One") beherrschen das Gros der Songs. DARKSEED setzten punktiert deutsche Lyrics im Wechsel mit englischen Texten ein ("My Burden"), weibliche Vocals sind komplett verbannt worden und elektronische Effekthaschereien sowie ausufernde Keyboards bleiben meist aus oder sind dezent im Hintergrund; die Stärke des Albums sind tanzbare Songs mit eingängigen Melodien welche schnell ins Ohr gehen. An was es aber noch immer etwas krankt: seit der Veröffentlichung des ausgezeichneten "Give Me Light" liefern DARKSEED zwar meist qualitativ hochwertiges ab - große Entwicklungssprünge und Experimente im Songwriting werden aber seitdem vermieden. So findet man zwar schnell "seine Highlights" - verliert sich aber schon mal in der Masse ähnlicher (guter) Songs. Im direkten Vergleich zur nationalen Konkurrenz (Crematory) haben DARKSEED mit "Ultimate Darkness" aber deutlich die Nase vorn - vom Vorhandensein eines Kitschfaktor kann man praktisch nicht mehr sprechen. Freunde metallischer Gothic-Klänge sollten hier also auf jeden mal reinhören. DARKSEED-Fans wird "Ultimate Darkness" nach dem schwächelnden "Astral Adventures" sowieso zu Jubelstürmen hinreißen. Jene Fans sollten auch nach der limitierten Doppel-CD Ausschau halten - die Extra-CD enthält 11 bisher unveröffentlichte bzw. rare Tracks aus der DARKSEED-History.