Nach zig Jahren Pause sind BEHIND THE SCENERY wieder da. Zeit für große Veränderungen hätten sie also gehabt und doch ist glücklicherweise das meiste beim Alten geblieben. Ihr hochmelodiöser Death Metal ist an einigen Stellen verspielter geworden und um einige Facetten nachdenklich ruhigerer Sounds erweitert worden. Hat man das ein ums andere Riff zwar schon mal anderswo gehört und sind bei den Prog Einflüssen, die sich bisweilen in den Vordergrund drängen, ganz klar die musikalischen Vorbilder auszumachen, sammelt "Retroviseur" grade durch die Abwechslung massiv Pluspunkte. Würden die Drums nicht ganz so zahnlos aus den Boxen ploppen hätten sich auf dem Album die nackenbrechenden Tracks ("The Architect") mit komplex arrangiert Songs einander in die Hände gespielt. Dieser leicht störende Eindruck steht vor allem in einem seltsamen Kontrast zu dem ansonsten höchst professionell und bis ins Detail arrangierten Album - damit haben sich die fünf Schwaben unnötigerweise Steine in den Weg gelegt. Nichts desto trotz: An Songs wie "Response To Solitude" führt kein Weg vorbei. Die Breaks sind phänomenal, wer erwähnte Abwechslung derart mit Eingängigkeit zu verbinden weiß, spielt in der obersten Liga. Mitten ins Gesicht schlägt "Fassadenspiel" mit deutschen Vocals und grandiosen Gitarren. Warum bei einigen Songs weibliche Vocals zum Einsatz kommen entzieht sich meiner Wahrnehmung eines roten Fadens, tut aber auch hier der musikalischen Klasse von Beispielsweise "Silence Within" kaum Abbruch - Schweden ist definitiv nicht mehr das einzige Mekka. Würden sich DARK AGE etwas von BEHIND THE SCENERYs gewitzten Songstrukturen abscheiden, die Schwaben dafür aber von den Hamburgern die gnadenlosen Riffs übernehmen, wäre man nah am Optimum für einheimischen, modernen Melodic Death.
1999 war das Jahr von LIT - auf dem Reading-Festival in Großbritannien waren sie der meist-abgefeierte Opener aller Zeiten und haben selbst das verwöhnte und trendsüchtige UK-Publikum in aller Herrgottsfrühe aus ihren Zelten gezogen, so dass Menschen bis zum Horizont auf die Orange-County-Jungs warteten. Damals waren LIT schon einige Jahre mit kleinen Vans kreuz und quer durch die USA gezogen, machten ihre erste eigene Nightliner-Tour und eine Tour mit THE OFFSPRING - und begannen geradezu exzessiv, auf, vor und hinter der Bühne jede Kleinigkeit mitzufilmen. Da LIT auf ihrer letzten Tour in Zentraleuropa maximal 800er, im Schnitt wahrscheinlich eher 300er und 500er Clubs bespielt haben, mutet es teilweise komisch an, eine mittelgroße Band auf dem Bildschirm in großer Geste zu sehen. Aber LIT sind große Entertainer und füllen auch größte Bühnen aus - da werden Gitarren buchstäblich im Fluge getauscht. Ähnlich wie die RED HOT CHILI PEPPERS vor etlichen Jahren oder BLINK 182 haben die gut gebauten West-Coast-Kids einen Spaß daran, nackig auf die Bühne zu stürmen. A.J. Popoff singt sogar im Studio ohne alles, allerdings so extrem verpixelt, dass man noch nicht mal mehr seine Bauchmuskeln sieht. Und während der Sänger dafür in den USA für 24 Stunden in den Knast geht, singen die anderen ein Hohelied auf das alte Europa und deren alkoholische Exportschlager. Das "schmückende Beiwerk" hat es in sich, Carmen Electra steigt freiwillig mit LIT im Bikini auf eine Strandbühne und für ein Video dürfen sie Pamela Andersons fast nackten Arsch als Bühne benutzen. Dexter Holland von THE OFFSPRING spielt Kameramann und Dave Grohl macht lustige Andeutungen, warum er gern mit LIT abhängt. Es gibt zwar Ausschnitte aus zahllosen Konzerten in jeder mögliche Qualität von unhörbar-verzerrt bis gut, aber der Hauptposten bei LIT scheinen die Entertainer-Qualitäten zu sein - diese Jungs würde man sich gern auf eine Party einladen, auf der nicht allzu viel kaputt gehen kann und dann feiern bis der Arzt kommt. Dessen Arbeitseinsätze werden ebenfalls dokumentiert - von der frischen Stagedive-Wunde am Bein bis zum zerquetschten Fußnagel. Wer bei der Party nicht mithält, wird zum Opfer des lustigen "Betrunkene dekorieren"-Spiel, "Don´t pass out in our bus" heißt die Warnung. Die Musik wird von so vielen zu berichtenden Dingen in den Hintergrund gedrängt, Sprüche, Gelaber und die Verfolgung der Band 24 Stunden am Stück und in jeder erdenklichen Backstage-Situation stehen im Vordergrund. Gerade zwei volle Songs werden im regulären Teil ausgespielt, die anderen Musikvideos sind in die Bonus-Ecke geschoben worden. Und LIT beweisen ihren guten Geschmack, indem sie an entscheidender Stelle Moby, Blink 182 oder Silverchair als Soundtrack benutzen anstelle eines eigenen Songs. Zu den großen Highlights zählt, dass Lit das Geheimnis lüften, wie man ein Tourbus-Klo entleert, oder wie sie beweisen, dass Gwen Stefani von NO DOUBT zwar absolut nicht singen kann, aber ein bißchen Humor hat. Schwach auf der Brust sind einige der Songs der Band und die frühen SPINAL TAP-Zitate, die sind auch schon mal besser erzählt worden. Doch trotz vieler Trivialitäten schimmert hinter den surfgebräunten Grinsen durch, dass LIT hart arbeitende Rock-Entertainer sind - und das macht sie extrem sympathisch.
Griechenland ist amtierende Fußballeuropameister - eine Eintagsfliege? Durchaus wahrscheinlich. Griechenlands Gitarrengott Gus G. und seine Mitstreiter von FIREWIND dagegen setzen gradlinig ihre Erfolgsgeschichte fort und sind auf dem besten Wege eine feste Größe im Rockbiz, respektive im melodischen Power Metal zu werden. Nach dem mehr als beachtlichen Debüt "Between Heaven And Hell" in 2002 und dem ebenso gelungenen Nachfolger "Burning Earth" soll Album Nummer drei "Forged By Fire" für Furore sorgen. Mit neuen Label im Rücken, einem Gus G. der sich bei Dream Evil zurück gezogen hat um sich mehr auf FIREWIND konzentrieren zu können (was wohl auch für sein Engagement bei Mystic Prophecy und Nightrage gilt) und nicht zuletzt mit einem neuem Mann am Mikro. Der nennt sich Chity Sompala (ex-Avalon, Faro, Moonlight Agony) und klingt nicht nur bei der das Album abschließenden Ballade "Land Of Eternity" (welche ohne Probleme auf eine der herausragenden Scorpions-Scheiben Ende der Siebziger gepasst hätte) wie eine Mischung aus dem ex-Sänger Stephen Frederick und Klaus Meine. Nicht weniger stark, aber weit powervoller der Start des Albums mit dem exzellenten Dreierpack "Kill To Live" (druckvoll stampfendes Heavy Metal Kraftpaket), "Beware Of The Beast" (wäre mein Single-Favorit - gute Laune Power für die Tanzflächen der Republik) und der tatsächlichen Auskopplung, dem hymnischen Ohrwurm, an Dream Evil erinnerte "Tyranny" (das Video dazu ist auch auf der CD enthalten). Über allen Songs zelebriert Gus G. seine herausragende Gitarrenarbeit und schüttelt dabei leichthändig Riffs und Soli aus dem Ärmel das einem fast schwindlig wird - und dies ohne auch nur im Ansatz bemüht zu klingen. Darüber hinaus könnte man fast vergessen, das FIREWIND weder im Genre, noch im Vergleich zu ihrem letzten Album etwas Neues bieten - aber was da mit satter Lautstärke aus den Boxen dröhnt ist einfach zeitlos gut - und darüber hinaus auch noch schön fett produziert. Dazu holten sich die Jungs noch die Gitarristen James Murphy (Testament) für das temperamentvolle "The Forgotten Memory" und Marty Friedman (ex-Megadeath) für das Instrumentalstück "Feast Of The Savages". Ach ja, und kurz vor Schluss weis noch das auf Sabbath-lastigen Gitarrensound aufgebaute, behäbig epische "Perished In Flames" zu überzeugen. FIREWIND liefern mit "Forged By Fire" ein abwechslungsreiches Album ab, dass Liebhaber traditioneller Power Metal Klänge mit gehöriger Achtziger-Schlagseite auf jeden Fall abgreifen sollten.