Im Hause PSYCHOPUNCH gibt es auch Anno 2006 nichts Neues. Die schwedischen Rocker strotzen weiterhin vor Selbstbewusstsein und trotzen der Welle des glattgebügelten, chartorientierten Rock’n’Rolls. Sänger und Gitarrist JM klingt noch immer nach Whiskey und Zigaretten und der Rest des Quartetts (Gitarrist Joey, Basser Mumbles und Drummer Peppe) hält weiterhin das Tempo angenehm hoch. Das sich die gute alte, schon immer latent vorhandene melodische Punkschlagseite auf "Kamikaze Love Reducer" ein wenig mehr in der Vordergrund geschoben hat tut PSYCHOPUNCH darüber hinaus hörbar gut. Am dreckigen Grundfeeling, den melodischen Soli und den oft schnell ins Ohr gehenden Melodien der Kompositionen hält die Band in bewährter Manier fest. Dementsprechend eröffnen PSYCHOPUNCH mit einem furiosen dreier Album Nummer 6 gewohnt druckvoll. Das räudige "Poison Alley Groove", "Overrated" und das hitverdächtig eingängige "Everlasting" sind Fun pur. Mit der hymnischen Halbballade "When This World Is Dying" und dem rockendem Highlight "Comin’ Right Through" wird es nach hinten raus auch nicht schwächer. Das abschließende, irisch anmutenden Saufliedchen "The Black River Song" zeigt dann JM & Co. in Folklaune. Nach dem Ableben Gluecifer’s, den eher gezügelten letzten Alben der Backyard Babies und der Hellacopters dürften PSYCHOPUNCH wohl zusammen mit Turbonegro um die Krone des harten Rock’n’Roll kämpfen. So rotzig kann’s 2006 ruhig weitergehen.
Wer hätte dies bei einer weiteren finnischen Band auf Anhieb gleich so vermutet, denn MALPRACTICE kommen zwar aus dem Land der tausend Depri- sowie Knüppeltodesbands aber diese Jungs spielen zur Abwechslung mal astreinen Prog Metal mit einer mehr oder weniger starken Power Metal Schlagseite sowie leichten aber immer mal wieder eingestreuten schönen Thrashriff-Attacken. Die Band an sich, ist schon seit 12 Jahren existent, zwischendurch hatte man sich öfters mal aufgelöst und die Besetzungen gewechselt aber jetzt mit einer großen Plattenfirma im Rücken hat der Fünfer seine ganze Erfahrung in die Aufnahmen von "Deviation From The Flow" gesteckt. Das Ergebnis ist dabei für ein Majordebüt ausgesprochen solide ausgefallen, wenn auch so mancher Kritiker die fehlende eindeutige Zuordenbarkeit beklagen wird, für die einen wohl zu wenig progig bzw. glatt und den anderen zu melodisch oder umgekehrt. Der im Beipackzettel etwas vollmundig angekündigte sofortige Angriff auf die vordersten Ränge der "DREAM THEATER Schiene" ist jedenfalls nur mit Abstrichen geglückt. Ein Keyboard als Hauptinstrument wird bei den Finnen schon mal nicht geführt insofern grenzt man sich schon etwas vom großen Vorbild ab und setzt eher auf spartanischen Einsatz der Tasten, was durchaus positiv zu werten ist. Die Melodien oftmals zweitstimmig vorgetragen sind insgesamt nicht schlecht, wenn auch nicht immer so griffig, so dass sich der ein oder andere Songfüller mit eingeschlichen hat. Der Sänger ist ebenfalls nicht schlecht (erinnert mich in guten Momenten etwas an ENCHANT), in den oftmals langen bis sehr langen Tracks wurden immer mal wieder schöne treibende Gitarren sowie auch metallische Riffs eingebaut. Die vielen Details auf "Deviation From The Flow" benötigen natürlich einige Durchläufe. Was mich etwas stört und vielleicht (noch) nicht den ganz großen Sprung dieses Albums zulässt sind die oftmals etwas zu langatmigen Zwischenteile, zu viele Wiederholungen ohne dass etwas passiert und eine gewisse technische Kühle, die bei so manchem Song die Seele oder emotionale Tiefe vermissen lässt. Handwerklich sowie spieltechnisch gibt es an MALPRACTICE nichts zu kritisieren auch die wuchtige Produktion ist o.k. keine Frage hier sind Könner am Start. Insbesondere die vielen kleinen aber virtuos vorgetragenen Gitarrensolos stehen auf der Habenseite dieser CD und machen aus einem eher durchschnittlichen Song wie "Colors In Between" doch noch einen soliden Song. Die obligatorischen Frickelelemente sind natürlich auch immer mal wieder zu finden aber die Jungs übertrieben es (meistens - außer bei "Fragile Pages" dauert viel zu lange und kommt einfach zu undifferenziert daher) nicht und lassen die Songstrukturen schon noch erkennbar durchklingen. Wie gesagt die Songqualität der 8 Titel schwankt etwas zu stark zwischen den bärenstarken Opener "Assembly Line" (eine tolle Doublebass Hymne mit geilem Refrain), dem coolen "The Industry", "Divided" (eine akustische Halbballade, die gegen Ende mit vielen Breaks und schnellen Gitarren gut abgeht) sowie dem genialen "The Long Run" (ein siebenminütiger Progüberhammer mit allen typischen Facetten und viel Melodie) - hier wird hammergeiler Progmetal der oberen Klasse geboten. Der Rest ist mitunter etwas halbherzig, manchmal dahingeschludert, hätte man vielleicht noch mehr draus machen können. Trotzdem kommen MALPRACTISE bei mir diesmal, wenn auch nur knapp mit einer 2- durch, doch zukünftig muß da noch eine Schippe sowie etwas mehr Individualität drauf gelegt werden, wenn der ganz große Sprung an die Spitze geschafft werden soll, denn wirklich gute Progmetalbands gibt es derzeit wie Sand im Meer.
Irgendwie eine seltsame Idee, jetzt ein altes PSYCHOTIC YOUTH-Album wieder aufzulegen, immerhin gibt es die Band seit 1999 nicht mehr. Was auch immer die Gründe sein mögen - das Label hat sich Mühe gegeben, den Fan etwas zu bieten, denn als Bonus zum lange vergriffenen "Bamboozle"-Album von 1995 gibt es eine komplette Live-CD, die dazu noch das letzte Konzert enthält, das die Schweden gespielt haben. Ich persönlich kann aber zumindest mit dem Sound des Studio-Albums nicht viel anfangen. Zwar stimmen die Ingredienzen - 60´s Garagen-Rock, End 70er New Wave, Punkrock und Pop - aber insgesamt klingen die Songs zu aufgesetzt und geradezu aufdringlich fröhlich-ironisch, um mich wirklich zu rocken. Hinzu kommt noch, dass mir der quäkig-jaulige Gesang von Jorgen Westman ziemlich schnell auf die Nerven geht, was die Sache nicht besser macht. Etwas anders sieht es aber mit dem Live-Mitschnitt aus: Die Songs sind härter, rauer und schneller gespielt, und hier kann man endlich die Punkrock-Wurzeln der Band erkennen, wobei man vor allem Einflüsse der RAMONES, aber auch der BUZZCOCKS und der UNDERTONES ausmachen kann. Auch wenn ich wohl nie zum PSYCHOTIC YOUTH-Fan mutieren werde - zumindest das Live-Album bescheinigt den entscheidenden Einfluss der Band auf die Entwicklung des Surf- und Poppunk. Für die Fans der Band ist dieser Release sicherlich ein Muss, alle anderen sollten erst mal vorsichtig antesten, ob sie sich mit dem Sound der Schweden anfreunden können. Ach ja: Die Doppel-CD wird zum Preis einer einfachen Mid-Price-CD verkauft. Aktionen dieser Art sollte es viel mehr geben...
"A Day And A Thousand Years" ist mitnichten das neue WALLS OF JERICHO-Album, sondern der Re-Release des ersten Tonträgers der Band. Ursprünglich wurde die MCD 1999 in den USA (und 2001 in Europa) veröffentlicht und hat eingeschlagen wie eine Bombe (wenn auch der Durchbruch erst mit dem Nachfolgealbum kam). Schon damals war das Markante am WALLS OF JERICHO-Sound die Stimme von Sängerin Candace, die wir eine Irre keift, schreit und wütet. Zwar hatte die Band damals noch nicht die Knallersongs wie auf "All Hail The Dead", aber die Richtung war schon klar erkennbar. "Collecting On A Debt" findet sich z.B. noch immer im Set der Amis, ganz schlecht sind die Songs also nicht. Die Grundrichtung, brutaler Mid-Tempo Hardcore, wird in den sieben Songs kaum einmal verlassen und auch Candace setzt nur selten einmal zu klaren Passagen an. Bei der kurzen Spielzeit aber kein Problem, Langeweile kommt da nicht auf - und die MCD ist durchgehend saubrutal. Leider haben Genet Records keine Boni auf die Neuauflage gepackt, so dass der Kauf für Besitzer des Originals unnötig ist. komplettisten und Neueinsteiger in den WALLS OF JERICHO-Sound können aber bedenkenlos zugreifen.
Leider ist die neue CD des BRIAN SETZER ORCHESTRA ein wenig zu spät bei mir angekommen. Für "Dig That Crazy Christmas" hat der STRAY CATS-Frontmann nämlich - der Titel legt es nahe - sowohl Weihnachtslieder verswingt als auch alte Swing-Klassiker mit weihnachtlichen Texten versehen. Das ist zwar nichts Neues, denn bereits 2002 erschien mit "Boogie Woogie Christmas" das erste Weihnachtsalbum der 17-köpfigen Swing-/Rockabilly-Bigband, das Klassiker wie "Jingle Bells" oder "Winter Wonderland" enthält, macht aber natürlich erneut großen Spaß und gute Laune, vor allem auch, weil hier wieder ein ganzer Haufen begnadeter Musiker am Werke ist und die Arrangements wie gewohnt erste Sahne sind. Verglichen mit anderen Veröffentlichungen des BSO geht es auf "Dig That Crazy Christmas" zwar etwas ruhiger zu, aber es wird nach wie vor nach vorne geswingt und gerock ´n rollt, was das Zeug hält. Denkt man sich die Texte weg, kann man sich daher fast sämtliche Songs zu jeder Jahreszeit anhören. Ein wenig besinnlich wird es lediglich beim wunderschön atmosphärischen Instrumental "My Favourite Things", bei der Bar-Jazz-Ballade "What Are You Doing New Year´s Eve" und bei den Bläser-Chor-artigen Zwischenteilen von "Angels We Have Heard On High", bei denen das Thema von "Gloria In Excelsis Deo" aufgegriffen wird - letzteres liegt dann allerdings doch ziemlich nah an der Schmerzgrenze. Insgesamt kommen leider der Rockabilly-Anteil und Setzers geniales Gitarrenspiel etwas zu kurz, aber wunderbare Passagen, wie der Anfang des Solos zu "´Zat You Santa Claus", wo er das Solo des STRAY CATS-Überhits "Stray Cat Strut" anspielt, entschädigen vollkommen. Wer das BRIAN SETZER ORCHESTRA noch nicht kennt, sollte allerdings erst einmal zu einer anderen Veröffentlichung greifen, wie "The Dirty Boogie" oder dem hammermäßigen Doppel-Live-Album "The Ultimate Collection". Am besten trägt man sich aber gleichzeitig beide BSO-Weihnachstalben für Anfang Dezember in den Outlook-Kalender ein, denn eine bessere Alternative zum üblichen, Brechreiz erregenden Weihnachts-Gedudel à la "Jingle Bells", "Last Christmas" und "Ihr Kinderlein kommet" gibt es definitiv nicht.
Um Drogen in jeder Form geht es in den Lyrics von NEGLICENT COLLATERAL COLLAPSE. Also im Prinzip - verstehen wird das durch einen Harmonizer verzerrte Gegrunze eh niemand. Die Tschechen geben sich neunzehn Tracks lang alle Mühe, musikalische Konventionen zu sprengen und ein alles zermalmendes Werk vorzulegen. Fette, sehr tief gestimme Gitarren und der unmenschlich verzerrte Gesang dominieren die Musik, der Rest ist eher Staffage, selbst das Schagzeug muss sich der geballten Wucht geschlagen geben. Trotz allem setzen die Mucker auf einen gewissen Groove, wodurch "Sick Atoms" bei der Obscene Extreme-Disco ein Tanzflächenfeger sein könnte. Trotzdem bleibt die Platte was für beinharte Grind-Freaks, jeder andere wird nach dem Intro aufgeben.