ENTOMBED haben nach dem Weggang von Uffe Cederlund mit der letztjährigen "When In Sodom"-EP ein Ausrufezeichen gesetzt, mit dem sie sich auf ihre Death Metal-Wurzeln besonnen haben. Auf ihrem ersten Longplayer ohne den Cederlund und Peter Stjärnvind (NIFELHEIM) gehen die schwedischen Oldies einen großen Schritt zurück und lassen ihre Death’n’Roll-Phase hinter sich. Der Opener "Serpent Saints" entpuppt sich als schön fiese Death Metal-Nummern, in der aber das große Manko der Scheibe offenbart wird: die Produktion. Die Gitarren sind viel zu leise in den Hintergrund gemischt worden, das Schlagzeug hat weniger Wumms als noch bei der EP, während Petrovs Gesang zu dominant ist. "Masters Of Death" kann das noch mit gutem Songwriting und vielen Verbeugungen vor alten Kollegen kaschieren, spätestens beim dritten Song ("Thy Kingdom Coma") gibt es nichts mehr zu beschönigen. Die Produktion ist ENTOMBED nicht angemessen. Dafür haben sich die Schweden beim Songwriting im Vergleich zu ihren letzten Alben gesteigert und einige coole Death Metal-Nummern fabriziert - allen voran der Opener und das von der EP bekannte "When In Sodom". Einige lahme Nummern haben sich trotzdem auf das Album schleichen können, wodurch "Serpent Saints" am Ende nur zu einer guten Platte wird, die ENTOMBED auf Nostalgie-Pfaden wandelnd zeigt, wobei sie die Sicherheit vergangener Tage vermissen lassen.
Bandname, Cover und auch Promo-Agentur Club Inferno ließen gegebenenfalls auf eine zielgruppen-orientierte Band schließen. Aber BESTIANERA machen "Alternative Rock Wave", der in den besten Momente an eine schlechte Kopie Faith No Mores denken lässt, meistens aber als Ferienmusik für Italien-Urlauber durchgeht. Pop-Rock oder auch Rock-Wave, mit seichtem Keyboard elektrifiziert, der niemandem schmerzt, ein Sänger, der wohl nur dank italienischer Vocals an große Vorbilder erinnert und bei den man im Grunde nicht weiß, wer mehr leidet: Seine Stimmbänder oder der Hörer? Am furchtbarsten aber quält die Band, die sich angeblich an 80er-Vorbildern wie Depeche Mode oder Duran Duran orientert und sogar Elemente von Jane’s Addiction verwursten will, mit der billigen Key-Klimperei - klingt billiger als die geschenkte Plastik-Tröte für Fußball-Zuschauer im Stadion. BESTIANERA sind die Hölle, entfachen aber beileibe kein Inferno.
Bei METALLICA endete der Ausflug mit Orchester in meinen Ohren in völlig unnötiger Musik und war nur der eigenen kreativen Leere geschuldet, bei RAGE oder THERION hingegen drängte sich oft eine bombastisch erdrückende Materialschlacht in den Vordergrund. Der eigentlich elektronisch umgesetzten Musik von DEINE LAKEIEN wurde zum zwanzigjährigen Bandjubiläum die Ehre zuteil, ein über zweistündiges Programm mit den Musikern der Neuen Frankfurter Philharmonie aufzuführen. Auf der Tour mit ebendiesem wurde der Auftritt in Oberhausen für die nun vorliegende DVD verwendet - ein optisch recht unspektakuläres Ereignis, das seine Stärke voll auf der musikalischen Seite ausspielt. Denn die Musik des Duos Veljanov/Horn tönt, vollständig umgeschriebenen, gänzlich anders als man dies von den regulären Studioalben kennt. Denn was vorher ein einfacher Höhepunkt in einem Song war, klingt bei dieser Umsetzung mit Streichern und Bläsern wahrhaft dramatisch. Was vorher schon fesselte, macht nun eine richtige Gänsehaut. Die Soundtüftelei - hier in sauberem 5.1 Surround Sound aufgenommen - liegt ihnen seit jeher am Herzen und auch wenn - ohne die Musik irgendwie schmälern zu wollen - die etwa 30 Musiker rein technisch sicherlich nicht von den eher einfachen und klaren Kompositionen überfordert waren: DEINE LAKAIEN haben sich mit dieser DVD/CD ein Denkmal gesetzt. Ihre Musik klingt facettenreicher und nicht ganz so steril arrangiert wie bei manchen Alben. Horn dirigiert die Musiker und herrscht über einige Keyboards und Veljanov tut mit hochtupierten Haaren was er am besten kann: Er singt hochkonzentriert, bisweilen gar verbissend guckend, mit seiner unverwechselbaren Tonfarbe. Für diese Musik und erst recht für diese Umsetzung muss man jedoch in der richtigen Laune sein, DEINE LAKAIEN sind auf ihrem Jubiläumsoutput nur was für bestimmte Zeiten und sicher auch nur für bestimmte Hörer. Wer "20 Years of Electronic Avantgarde" im vollen Umfang erleben möchte, kann auf eine dicke Box mit 3 DVDs und 2CDs zurückgreifen. Die beiden CDs und beide DVDs beinhalten den gleichen Auftritt, die dritte DVD widmet sich dem beinahe obligatorischen Backstage-Shottings, Interviews und allen Videos von DEINE LAKAIEN - nur letzteres ist in meinen Augen wirklich sehenswert. Ob mich auch was stört an "20 Years of Electronic Avantgarde"? Es mag kleinlich klingen, aber den unnötig häufigen Szenenapplaus des sicherlich begeisterten Publikums empfand ich beinahe als störend.
Was mit dem selbstbetitelten Debut vor knapp fünf Jahren begann, wurde bis heute eine Erfolgsgeschichte, die die Vorgängerband COAL CHAMBER überflügelt hat. "The Last Kind Words" klingt viel härter als die beiden ersten Alben der Band um Sänger Fafara - und ich glaube kaum, dass das am allgemeinen Trend zu "härter, schneller, brutaler" liegt. Vielmehr scheint es so, als habe Fafara nach schon superben Vorgänger "The Fury Of Our Makers´ Hand" sehr gradlinig seinen eigenen Weg verfolgt und sich 2007 seinem Ziel genähert: Eine moderne, knallharte und doch stets melodische Metalcombo um sich zu scharen, deren "The Last Kind Words" das beste Album der jungen Bandgeschichte der nicht mehr ganz so jungen Musiker markiert. Wo ihre blutjungen Labelgenossen TRIVIUM den Metal abseits des Core wieder salonfähiger gemacht haben oder MACHINE HEAD vielleicht noch einen Tacken dicker auftragen, besetzen DEVILDRIVER mit ihrem melodischen Thrash eine eigene Nische. Nicht mehr ganz so eingängig wie zu "I Could Care Less"-Zeiten sind sie, nachvollziehbar aber immer - das beginnt bereits beim tollen Opener "Not All Who Wonder Are Lost" und wird mit Double-Bass Attacken bei "Clouds Over California" festzementiert. Generell gehen DEVILDRIVER meistens recht flott zur Sache, geben ihren Songs einen ordentlichen Bumms weniger durch langsam groovende Gitarren als viel mehr durch die wahre Wucht ihrer fähigen Saitenfraktion und erbarmungslos tackernden Drums. Langsamer geht’s aber auch: Etwa beim groovigen Ende von "Horn Of Betrayal" oder dem schwachen und bis auf einige coole Gitarrenparts zu trägen"Monsters Of Deep". Dass die Produktion hierbei auf höchsten Niveau und auch dem aktuellen Standard liegt, erklärt sich von selbst. Was DEVILDRIVER jetzt nur noch limiert ist Fafaras monotoner Gesang, der nicht nur etwa beim live sicherlich gut feierbaren "These Fighting Words" von den Gitarren (Schweden grüßt) komplett in den Schatten gestellt wird. DEVILDRIVER sind mit dem Album - trotz einiger nicht ganz überzeugender Momente - oben angekommen!
Genau wie man bei Hustensaft erst dann eine Heilung erwartet, wenn er bitter schmeckt, erwartet man auch bei einem Neurosis-Album schon gleich im voraus, dass es weh tun muss - mindestens emotional. Gern erzähle ich die Geschichte von meinem allerersten NEUROSIS-Konzert, das so intensiv war, dass ich davon eine Woche lang Alpträume hatte. Derart beeindruckend kann meines Wissens keine andere Band dieser Welt die ansonsten eher hohle Phrase "psychedelisch" tatsächlich umsetzen. NEUROSIS konnten durch ihre dunklen Klangabenteuer die dunkelsten Winkel der Seele ausloten. Und dann kamen die letzten beiden, schon fast "altersmilden" Alben "A Sun That Never Sets" und "The Eye Of Every Storm", deren Grundstimmung eher dazu diente, gute und böse Geister miteinander zu versöhnen. Also sehr gute Alben, die aber beileibe nicht so polarisierten wie die "frühen" NEUROSIS. Warum ich diese Volte ziehe, bevor ich zu "Given To The Rising" komme? Weil ab Dezember 2006 Gerüchte durch Telefonleitungen zogen, wie hart und "oldschool" das aktuelle Album werden würde. Noch gesteigert wurde die Vorfreude dann durch die Online-Single "Water Is Not Enough", die seit Monaten auf Myspace verfügbar ist - tighte 7 Minuten lang und doch ohne Abnutzungserscheinung: Stetig wie eine Mühle pulverisieren die Gitarrenriffs die Nerven zu Staub, nur anscheinend träge säbeln NEUROSIS Scheibe um Scheibe von der bisherigen Gemütsverfassung ab und Steve von Till schreit sich die Seele dazu heraus und in den Hörer hinein. Und man kann weder weiter skippen noch weghören, weil dieses Stück Musik einfach die gesamte Aufmerksamkeit erfordert. Dadurch wird natürlich die Erwartungshaltung noch einmal um ein x-faches nach oben geschraubt - und kann nur enttäuscht werden. Trotzdem ist "Given To The Rising" ein Wahnsinns-Album geworden, es ist wieder hart und dunkel, tiefschürfend und hochemotional - aber es hat auch erhebliche Längen. Während der Titelsong und das bereits erwähnte "Given To The Rising" beides Überhämmer sind, brauchen andere Songs 10-20 Durchläufe eh sie zünden, und je mindestens sechs Minuten von "At The End Of The Road" und "Origin" hätten NEUROSIS genauso gut weglassen können. Darum, aber auch weil Epigonen wie CULT OF LUNA, ISIS oder JESU qualitativ an ihre Väter im Geiste angeschlossen haben, wirken NEUROSIS anno 2007 nicht mehr gar so spektakulär...
Im Interview, das ich mit Devin Townsend im Rahmen seines letzten SYL-Albums geführt habe, erklärte er, dass er eine Pause von seinen Bands machen und sich lieber auf Produktionen konzentrieren wolle… wie ernst diese Aussage gemeint war, lässt sich anzweifeln, wenn man sich sein neuestes Werk "Ziltoid The Omniscient" anhört. Keine Ahnung, was sich "Hevy Devy" eingeworfen hat, aber ich will auch was davon haben! Das komplette Werk handelt von einer kaffeesüchtigen Handpuppe aus dem Weltraum, die die Erde unterjochen will und wurde komplett von Devin selbst eingetütet, ohne Musiker von SYL oder seiner DEVIN TOWNSEND BAND. Von Fredrik von MESHUGGAH habe er laut Info das Computerprogramm "Drumkit From Hell" bekommen und damit herumexperimentiert… ohne Worte! Aber völlig wumpe alles das, denn der gute Ziltoid ist aus die Ferne von der Weltall gekommen, uns allen Erdlingen gewohnte Soundwand - Breitgebirge zu kredenzen, die man so und wirklich nur so vom "Mad Professor" der Szene um die Ohren gehauen bekommt. Alles völlig bekloppt, alles völlig genial! Lediglich die Spoken Word-Parts (auch innerhalb der Songs) sind auf die Dauer etwas zu präsent ausgefallen, was den Hörfluss ein wenig ausbremst, aber das macht alles nix, denn dafür entschädigen typisch progressiv-galaktische Hymnen-Teppiche der Marke "By Your Command", "Hyperdrive" (grandios!), "N9" oder "Color Your World", wobei es aber ratsam ist, die Invasion des Ziltoid am Stück zu genießen, weil sich die durchweg bekloppten Ideen auf diese Weise am Besten entfalten. Das Album dürfte sowohl den Fans der rabiateren SYL, als auch denen der gemäßigteren DEVIN TOWNSEND BAND gefallen, dann Devy hat hier beide stilistischen Welten kombiniert und seinen verrückten Einfällen scheinbar freien Lauf gelassen. Mehr muss man dazu nicht sagen, denn wer den Kanadier (den sicher nicht nur ich für eines der größten Musikgenies des 20./21. Jahrhunderts halte) kennt, weiß, was er hier bekommt. Oder um es mit Ziltoids Worten zu sagen: "Das Universum ist die ultimative Tasse Kaffee!". Und jetzt alle wieder husch, husch zurück in die Zellen…
Auch wenn es viele Leute mittlerweile nicht mehr hören mögen: DREAM THEATER gehören neben ihren ewigen Vorbildern RUSH zu den ganz wenigen großen Bands, die noch nie, nie, nie gepatzt haben. Ein schwaches Album kennt man von Mike Portnoy, John Petrucci und Co., egal in welcher Restbesetzung, einfach nicht, Punkt! Mögen einige Scheiben der Vergangenheit ("Falling Into Infinity", "Six Degrees…", "Train Of Thought") vielleicht ein wenig dröge produziert worden sein (Kevin Shirley hat wie immer Schuld - wann setzt den Kerl endlich mal einer ab?!), so zeigten auch sie allen Nachahmern mit Wucht, wo der Prog-Hammer hängt. Und das Schwindel erregende Niveau wird auch mit "Systematic Chaos" gehalten, denn die acht Mini-Epen, die die Spielzeit der CD mal wieder komplett ausreizen, sind einmal mehr unglaublich vielschichtig geraten, decken alle Spektren der großen stilistischen Bandbreite der Band ab und gehören teilweise zu den besten Stücken, die DREAM THEATER seit langer Zeit geschrieben haben. Mit "The Presence Of My Enemies Pt. 1" beginnt das Album sehr verspielt und recht sperrig, aber ebenso spannend und ergreifend. "Forsaken" beginnt dann ganz frech mit SAVATAGE-artigem Klavierintro und steigert sich zu einer getragenen Hymne. "Constant Motion" ist die obligatorische METALLICA-Ehrerweisung, bei der die Band heavier spielt und James LaBrie besser singt als das Original; muss man mehr dazu sagen?! Bei "The Dark Eternal Night" entdecken DREAM THEATER ihre "industrielle" Schlagseite und arbeiten mit allerlei Gitarreneffekten und verzerrtem Gesang, allerdings auf einem Level und mit Breaks versehen, dass manch erfahrener Proggie am Liebsten seine Instrumente auf den Sperrmüll werfen möchte. Das balladeske, getragene "Repentance" geht metertief unter die Haut und rührt in schwachen Momenten zu Tränen, bevor das sehr eingängige, bombastische und mit elektronischen "Discosounds" versehene "Prophets Of War" den Unterkiefer komplett aus den Angeln hebt. Die beiden jeweils (über) viertelstündigen "The Ministry Of Lost Souls" und "In The Presence Of My Enemies Pt. 2" geben dem Fan dann am Ende den kompletten Rest und fahren noch mal alles auf, was DREAM THEATER aus 20 Jahren in die Gegenwart gerettet haben - besser geht es in diesem Genre wirklich nicht! Man mag ja der Ansicht sein, dass die Band von allen Seiten gehypt wird, von ihrem Namen lebt oder sonst was, aber man kommt nicht umhin zu erkennen, dass es diese Jungs einfach schaffen, aus ihren auf Weltklasseniveau liegenden technischen Fähigkeiten immer noch wahnsinnig geniale und nachvollziehbare, mitreißende Songs zu kreieren, die bei aller Perfektion fesselnden Hörgenuss bereiten. Zu guter Letzt durfte auch Kevin Shirley diesmal zu Hause bleiben, denn "Systematic Chaos" wurde von Portnoy und Petrucci selbst in Zusammenarbeit mit Paul Northfield (u.A. RUSH) produziert, was dieses Album noch wertvoller macht als ohnehin schon.
Das 2001 gegründete, schwedische Quartett BEARDFISH hat bereits zwei Alben in Eigenregie veröffentlicht und sich damit einen kleinen Kultstatus in der progressiven Szene erspielt. Mit ihrem nunmehr dritten Werk "Sleeping In Traffic: Part One" konnte die Band um Sänger und Songwriter Rikard Sjöbolm endlich einen Deal einfahren und präsentiert sich auf dem Album sehr verspielt und ganz sicher nicht für Jedermann zugänglich. Zu hören bekommt man ausschweifenden Artrock im Stil von SPOCK´S BEARD, GLASS HAMMER oder ganz alten GENESIS, der zumeist in überlangen Songs gipfelt, in denen die Band all ihren technischen Fähigkeiten (nicht nur bei der klassischen Rock-Instrumentierung, sondern auch im Bereich Keyboard, Percussion und Akkordeon) freien Lauf lässt. Dabei schaffen es BEARDFISH aber stets, schlüssige Songs zu stricken, die zwar erwartungsgemäß nicht sofort zünden, aber nach mehreren Durchläufen echt gut ins Ohr gehen und nur ganz selten "intellektuell" wirken. Als Anspieltipps empfehle ich den verspielten Ohrwurm "Sunrise", das sehr dynamische "And Never Know" oder das teils beschwingte, teils relativ hart rockende "Year Of The Knife", aber auch die anderen Stücke fallen nicht ab und lassen "Sleeping In Traffic: Part One" als durchweg gutes Prog Rock-Album durchgehen. Sehr gelungen!