Weniger als 2 ½ Jahre nach der Veröffentlichung des Longplayers „WIR LEBEN LAUT“ und kaum ein Jahr nach dem dazugehörigen Live-Album bringen UNANTASTBAR mit „FÜR IMMER WIR“ die nächste Scheibe auf den Markt. Dreizehn Brandneue Tracks, die so ziemlich nahtlos dort anschließen, wo sie zuletzt eigentlich nie aufgehört haben.
Bereits die ersten 4 Sekunden vom Opener „ICH WILL NICHT“ sind schon der Knaller und weisen die Richtung für die kommenden Songs –gute Punkrock-Laune auf Knopfdruck. „DER LETZTE MACHT DAS LICHT AUS“ gibt mir ein bisschen Matrosen- und „FÜR IMMER JUNG“ Lagerfeuer-Feeling. Drei abwechslungsreiche Songs, die sich durch den typischen UNANTASTBAR-Mitsing-Refrain auszeichnen. Die erste, etwas langsamere Nummer kommt mit „ICH WARTE AUF DICH“ und danach wird bei „BEAUTIFUL DAY“ ein klitzekleines bisschen dem Alkoholkonsum gefrönt, aber natürlich immer verantwortungsbewusst („Wir laufen nicht, wir fahren, Schlüssel oder Bier.“). Textlich bleibt die Band beim altbewährten Rezept: die Lyrics handeln hauptsächlich davon, das eigene Ding zu machen und sich nicht unterkriegen zu lassen und, passend zum roten Faden der Singalong-Refains, Freundschaft und das Wir-Gefühl sind wichtige Zutaten bei den Südtirolern. Der immer größer werdende Erfolg gibt ihnen Recht, aber für meinen Geschmack dürfte es bei den Texten doch etwas mehr Abwechslung geben. Lediglich gleich beim ersten Song, in dem es um einen Überfall geht („Zehn gegen einen, stolze Krieger für ein Land“), kann man eine gewisse linksgerichtete Haltung erahnen, ansonsten, denke ich, bleibt die Band bewusst unpolitisch, vermutlich um einen Teil der Fans nicht zu verprellen...
Wieder einmal kann man als UNANTASTBAR-Fan hier überhaupt nichts falsch machen und auch Nicht-Kenner, die auf gut produzierten Punkrock mit deutschen Texten stehen, sind durch uns zum Reinhören animiert. Die Gruppe hat binnen relativ kurzer Zeit wieder ein richtig starkes Ding geschrieben und aufgenommen, welches sowohl mit Kopfhörern als auch live bestimmt bestens funktioniert. Zu erwerben gibt es den Release auch dieses Mal wieder in den unterschiedlichsten Formen und Bundles. Direkt im Online-Shop als schwarzes Vinyl mit T-Shirt, als Box-Set mit einigem Schnick-Schnack wie z. B. Trinkflasche, Anhänger, Patch und – mal was Neues und wie ich finde, eine coole Idee – einem Freibier-Chip für das „WIR LEBEN LAUT FESTIVAL“, und als gelbe Vinyl beim Versandhandel mit dem großen A.
"Drama club Dillinger Escape Plan" - so ein einzeiliger Kommentar zu einem Video von THE CALLOUS DAOBOYS auf YouTube. Viel exakter kann man das Sextett aus Atlanta, Georgia eigentlich auch gar nicht beschreiben. Auf ihrem neuesten Longplayer wird der Wahnsinn der Vorbilder aus New Jersey konsequent weitergelebt und modernisiert. "I Don't Want to See You in Heaven" ist ein weiteres unvorhersehbares und aufregendes Chaos-Meisterwerk. Das dritte Album der Band zementiert ihren Ruf als eine der aufregendsten und unkonventionellsten Kräfte im modernen Metalcore und darüber hinaus. Wer gehofft hatte, sie würden ihren Sound zähmen, sieht sich getäuscht: "I Don't Want to See You in Heaven" ist ein noch intensiverer und sprunghafterer Trip als seine gefeierten Vorgänger.
Die musikalische Palette ist schwindelerregend breit. Rasende Mathcore-Riffs gehen nahtlos in jazzige Zwischenspiele über, nur um dann in wütenden Hardcore-Ausbrüchen zu explodieren oder ansatzlos in lieblich-eingängige Refrains zu münden. Elektronische Elemente und unübliche Instrumentierungen tauchen immer wieder auf und verleihen dem Sound eine zusätzliche Unberechenbarkeit. Es ist ein Album, das sich konsequent jeder Genrezuordnung widersetzt und stattdessen eine ganz eigene Identität entwickelt.
Dabei ist "I Don't Want to See You in Heaven" keineswegs nur Kakophonie. Unter der Oberfläche des scheinbaren Chaos verbirgt sich eine bemerkenswerte kompositorische Finesse. Und auch zu reinen Rock/Pop-Songs sind THE CALLOUS DAOBOYS fähig, wie das großartige "Lemon" beweist. Die Übergänge zwischen den Stimmungen und Tempi sind oft überraschend, und die einzelnen Songstrukturen sind komplex, aber nie willkürlich. Jeder Moment scheint einem übergeordneten Ziel zu dienen, auch wenn dieses Ziel zunächst schwer zu durchschauen ist. Oder wie es Schlagzeuger Matthew Hague im Video zu "Lemon" so schön sagt: "All of our songs are insane!"
Carson Pacs Gesang ist erneut ein zentrales Element des DAOBOYS-Erlebnisses. Er wechselt mühelos zwischen heftigen Screams, gutturalem Growls und tollen melodischen Passagen. Seine Performance ist intensiv und ein tragendes Element des Albums. Zum musikalischen Irrwitz gesellt sich auch noch der lyrische Wahnsinn, der doch ziemlich an die lange verblichenen Progressive-/Alternative-Metaller THE THOUGHT INDUSTRY erinnert und mit wunderbaren Songtiteln wie "Tears On Lambo Leather" oder "The Demon of Unreality Limping Like a Dog" aufwartet.
"I Don't Want to See You in Heaven" ist kein Album für den bequemen Hörer. Es fordert Aufmerksamkeit, Geduld und die Bereitschaft, sich auf unkonventionelle musikalische Pfade zu begeben. Wer sich jedoch darauf einlässt, wird jedoch mit einem ungewöhnlichen Hörerlebnis belohnt, mit dem THE CALLOUS DAOBOYS beweisen, dass Metalcore noch lange nicht auserzählt ist. Dieses Album ist ein Muss für alle, die nach etwas wirklich Neuem und Aufregendem in der aktuellen Musiklandschaft suchen.
DEEP SUN aus der Schweiz spielen sehr bombastischen Symphonic Metal, welcher aber mit ordentlich Drive daherkommt. Man möchte sein Publikum positiv stimmen, antreiben und fit für den Alltag machen. DEEP SUN sehen sich als Teil ihrer eigenen Fanbase und als solcher ist man von den gleichen Alltagsproblemen betroffen und möchte mit seiner Musik dazu beitragen, dass eben dieser Alltag ein bisschen einfacher wird. Dabei erinnert man manchmal an Bands wie MOONLIGHT HAZE oder AMBERIAN DAWN und natürlich auch an die Großmeister NIGHTWISH. Allerdings hat man sich für einen geradlinigeren Weg entschieden als das finnische Original. Trotz der opulenten Inszenierung hat man die Songs nicht überladen und bleibt stets nachvollziehbar und im besten Sinne sehr eingängig. Sängerin Debora Lavagnolo hört man ihre klassische Ausbildung an und sie schafft es sich von den offenkundigen Vorbildern zu emanzipieren und verhilft DEEP SUN zu genug Eigenständigkeit. Während man früher auch gerne etwas ausufernder komponiert hat, reißt dieses Mal kein Song die 6-Minuten Marke und diese Straffung steht DEEP SUN ausgesprochen gut zu Gesicht. Songs wie „Worlds Collide“ und „Wasteland“ gehen gut nach vorne und verhelfen schnell zu der oben angesprochenen guten Stimmung. „Mood-Uplifting Metal“ eben. Das funktioniert beim Sport (nicht selbst getestet) oder nach einem harten Arbeitstag auf dem heimischen Sofa (ausgiebig getestet) und sollte auch Live ziemlich abgehen und mitreißen. Aber auch verspieltere Nummern wie das abschließende „The Last Stand“ oder das folkige „The Ballad of Tragedy“ wissen zu begeistern und runden ein schlüssiges Symphonic Metal Album gelungen ab. „Storyteller“ ist mehr als nur solide Genre Kost und sollte Freunden der genannten Referenzbands mit der Zunge schnalzen lassen. Aber auch Fans von treibender, bombastischer und höchst melodiöser Musik im Allgemeinen sollten ein Ohr riskieren.
YOUR SPIRIT DIES fallen mit der Tür ins Haus. Das Quintett aus dem beschaulichen Columbia, South Carolina, schleudert dem Hörer gleich zu Beginn seines Debütalbums mit "Trenches Of Pain" einen mit wunderbar dissonanten Riffs gewürzten Hardcore-Batzen entgegen. Dabei werden Erinnerungen an Genre-Pioniere wie TURMOIL wach und auch die Godfather allem Schräg-Corigem THE DILLINGER ESCAPE PLAN sind zumindest latent auszumachen. Dem ganz wirren Chaos der Letztgenannten gehen YOUR SPIRIT DIES allerdings nicht nach. Mit den folgenden "Serpentine" (mit Unterstützung von ZAOs Dan Weyandt) und besonders " A Rose For Every Stone" frönen die Amis eher dem Thrash-betonten Metalcore der frühen KILLSWITCH ENGAGE, CHIMAIRA oder UNEARTH. Während das für Teile der Metal-Szene immer noch als "neumodisches Zeug" gilt, muss man jedoch konstatieren, dass alle genannten Referenz-Bands bereits an die dreißig Jahre auf dem Buckel haben. In diesem Spektrum haben YOUR SPIRIT DIES fast schon etwas anachronistisches, aber trotzdem macht das Album richtig Spaß, denn die Riffs sind der Hammer ("In The Depths Of Grief"!) und die Songs heben sich angenehm voneinander ab. In "Monochrome" oder "Unjust God" finden sich deutliche Anklänge an Melodic Death der Sorte THE BLACK DAHLIA MURDER, während der heftige Zweiminüter "Ritual Sacrament" das Pendel wieder weit Richtung Hardcore ausschlagen lässt. Trotzdem schaffen YOUR SPIRIT DIES, das Album als Ganzes sehr homogen wirken zu lassen. Die wunderbar transparente Produktion von Greg Thomas lässt der Musik trotz aller Wucht und Aggressivität die nötige Luft zu atmen und macht es dem Hörer leicht darin den Überblick zu bewahren. In Sachen Clean-Gesang hält man sich angenehm zurück und nimmt so dem Album nicht durch zu viele süßliche Refrains den Drive.
Wie der Albumtitel bereits verspricht, bieten die Texte einen unverfälschten und introspektiven Blick auf persönliche Kämpfe, spirituelle Fragen und die Last des Verlusts. Aber auch ein kämpferisches Element lässt sich ausmachen, das ein Leben als Außenseiter in einer kleinen Stadt im Süden der USA mit sich bringt. YOUR SPIRIT DIES kanalisieren dies auch musikalisch ganz hervorragend. "My Gnawing Pains Will Never Rest" ist bislang die positive Metalcore-Überraschung des Jahres!