Es gibt Werke, die sind einem von Anfang an nicht geheuer. Das liegt zum einen daran, dass das Gründer-Duo schon mit Krayenzeit wirklich hartes Brot gebacken hat, zum anderen ist das Namedropping dieser Formation mit Gastmusikern in Mannschaftsstärke so auffällig wie der Matsch beim großen, ehemals metallsischen Festival in der norddeutschen Tiefebene. Will sagen: Unter den Besuchern selbiger Veranstaltung ist „Das Lied der steinernen Engel“ sicherlich das, was MYSTOPERA ankündigen: „mächtiges Metall, mitreißender Folk dank renommierter Gastmusiker mit einem episches Filmmusikorchester“. Und sähe man einen Popcorn-Kinofim mit orkiger Breitwandschlacht und elfiger Liebesgeschichte, dann wäre das Album vielleicht (in Teilen) der gelungene Soundtrack. Nur erzählt das Album eben nicht „eine packende Fantasy-Geschichte über Wikinger, Drachen und mystische Wesen in epischer, energiegeladener Musik“. Vielmehr wirkt die Chose oft wie ein übergestülpter Regieplan, der sich an den Gastmusikern orientiert, um ihnen das passende Liedchen zu schenken. Und obendrauf gekippt wird ein bisschen Odin und Valhalla, der Menschheit Ende und Blut. Das beste Beispiel ist das powermetallisch angestrahlte „Land in Sicht“ mit Ralf Scheepers, das dann klingt wie Helloween und neue Die Apokalyptischen Reiter, die sich mit Robin Hood im Wald treffen und Stockbrot grillen und ein bisschen eigene Spotify-Mucke hören. Natürlich verstehen die Musiker vermutlich alle ihr Handwerk, Alina Lesniks Vocals sind echt schön, wenn man auf diesen klaren Engelsgesang steht, aber das Ganze wirkt so aufgesetzt wie ein Met im Schlamm des Hartwurst-Mainstreams. Dass in dieser „Folk-Metal-Oper“ kaum eine Peinlichkeit erspart bleibt, wird eigentlich schon beim Lesen der Gästeliste deutlich: Schandmaul, Primal Fear, Mr. Hurley und die Pulveraffen, Corvus Corax, Harpyie, Crematory, Robse, Die Irrlichter, The Kings Pipers und als Musikproduzent Chris Harms von Lord of the Lost. Es mag ein Herzensprojekt der MacherInnen sein, aber warum wird das Stipendium „Neustart Kultur“ von der GEMA und Der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und die Erlöse einer Crowdfunding-Kampagne dann nicht in junge hungrige Musiker gesteckt? Mit diesen ganzen Stars wirkt MYSTOPERA unecht und künstlich. Und „Das Lied der steinernen Engel“ nervt mit all der Professionalität sogar recht schnell. Der erste Eindruck täuschte nicht. PS: Warum waren Santiano und Doro eigentlich nicht dabei?
„Wie heißt der Bürgermeister von Wesel? Esel!“ Dieser Spruch über die Heimatstadt der Band aus Rheinberg/Wesel trifft natürlich nur bedingt auf NEUROTOX zu. Denn Esel gelten aus intelligent, lernwillig und neugierig, aber auch als stur und eigensinnig. Die Deutschrock-Punks sind ein bisschen von allem. Innovativ-inteligent, weil sie sich nicht auf Punk-Trademarks verlassen, sondern auch Euro-Dance, Keyboards, Deutsch-Pop, Rap, Schlager und noch viel mehr in „Könige der Nacht“ einbauen. Damit wär die Kapelle in der früher engstirnigeren Punk-Community sicherlich auch gleich stur und eigensinnig. Gut, diese Art von deutschem Punk gibt es in verschiedenen Versionen schon lange und besser. Was nicht heißt, dass das Album richtig Scheiße ist, denn e ist ja wie es ist: Mit ein paar Bier oder einfach guter Laune lassen sich die Songs von „Nichts zu verlieren“ über „Herzen aus Beton“ bis hin zu „Scherben, Pech und Dreck“ schnell mitsingen, „Schwarz zu Blau“ ist richtig geil, das Titelstück mit Klischeetext eigentlich recht hymnisch, abgesehen von den Disco-Keys. Auch wenn das Sido-Cover „Mama hat Gesagt“ eher abschreckt und die Beinahe-Ballade „Versprochen ist versprochen“ einen kleinen Fremdschäm-Text liefert. Wo der Esel sein eigenes Ding durchzieht, wirkt NEUROTOX' neues Album ein wenig zu kalkuliert, Genre-Freaks dürften aber genauso jubilieren wie über die vielen anderen deutschen Punk-Nachfolge-Bands. Oder mit anderen Worten: Wo die Hosen eine Kiste Altbier sind, Feine Sahne Fischfilet ein Pulle Küstennebel, die Abstürzenden Brieftauben eine Lüttje Lage oder die Dimple Minds lecker Whisky, da sind NEUROTOX das Pülleken unter den Punk-Formationen.
Wer jemals an der Bedeutung dieser Band gezweifelt hat, dem ist nicht zu helfen. Nicht, dass Metallica sie mit ihren Coverversionen ins Nachtgebet eingeschlossen haben {und DIAMOND HEAD so vielleicht sogar am Leben erhalten haben), aber die Songs der Engländer sind einfach unsterblich. Das beweist gleich und mehr als eindrucksvoll der Opener „The Prince“ mit schneidendem Riff und dem Tatler-Solo für die Ewigkeit. Die Hits sind alle auf dieser Compilation aus verschiedenen britischen Städten, die Songs wirken mit wirklich gutem Sound härter, schneller und lebendiger als in den Originalen und zeigen, dass die „älteren Herren“ im Jahr 2022 noch extrem motiviert waren. Es ist müßig, darüber nachzudenken, warum DIAMOND HEAD es nicht geschafft haben, sich aus der hinteren Reihe der NWOBHM langfristig nach vorn zu drängeln, schließlich gehören sie zu den wirklich guten Gründerbands der mächtigen Ursuppe. Also, junge Burschen: Probiert mal eine Kelle echten Metals aus früheren Zeiten. Und, Generation Graurücken: Aufgewärmt schmeckt manchmal noch besser als frisch gekocht. DIAMOND HEAD sind sicherlich keine Sterneköche, aber ein bisschen mehr Beachtung haben sie verdient. Und die Fans von Brian Tatler neue Songs, wenn es denn neben seinem Saxon-Engagement auf die Kette bekommt.
01. The Prince (Live At The Bexhill De La War Pavilion)
02. Bones (Live At St David’s Hall, Cardiff)
03. The Messenger (Live At The Cambridge Corn Exchange)
04. In The Heat Of The Night (Live At The York Barbican)
05. Set My Soul On Fire (Live At The Bexhill De La War Pavilion)
06. It’s Electric (Live At The Bexhill De La War Pavilion)
07. Dead Reckoning (Live At The Aberdeen Music Hall)
08. Death By Design (Live At The Aberdeen Music Hall)
09. Sweet And Innocent (Live At The Aberdeen Music Hall)
10. Helpless (Live At The Aberdeen Music Hall)
11. Belly Of The Beast (Live At The Aberdeen Music Hall)
12. Am I Evil? (Live At King George’s Hall, Blackburn)
Wer will, kann über den Stilwechsel schwadronieren, da das 1978er Album "Level Headed" THE SWEET (oder SWEET) eben jenen bescherte – ihr wisst schon Glam-Bubblegum vs. Albumorientierung. Oder wir labern über die eigene SWEET-Geschichte, die mit den bekannten Hits begann – „Teenage Rampage“, „Fox on the Run“ und so weiter – und mit dem Besitz von „Level Headed“ als Musikcassette endete. Jedenfalls fühlte sich der kleine Meisenkaiser wie ein harter Rocker, kaufte sogar die Single „Good Time Fanny“ von Copycats wie Angel (von Mick Tucker gemanagt) und fand „Level Headed“ früher richtig scheiße. Und ging seinen Weg über Status Quo und AC/DC zum Heavy Metal. Tun wir aber alles nicht ausführlich. Wer THE SWEET und „Level Headed“ mag (was in der Retroperspektive leichtfällt), der muss das Album haben, weil es einfach interessant ist, die zwischenzeitlichen Versionen oder anderen Varianten der Songs (siehe unten) zu hören. Wer mit dem Material nicht vertraut ist und nur die noch älteren Hits aus dem Radio kennt, den wird diese Compilation verwundern, wenn nicht sogar abschrecken. Ein paar Fakten: "Level Headed-Alternate Mixes & Demos" erschien zum Record Store Day auf Vinyl lediglich in den USA und jetzt als CD und Pladde weltweit. Das Original Album war das letzte mit Sänger Brian Connolly, von der Originalbesetzung lebt lediglich noch Andy Scott. Und „Love Is Like Oyxgen“ war der letzte Top-10-Hit der Band. Da ist der Stilwechsel letztlich nicht geglückt. Und doch steht eins fest: Dieses Album macht Bock mal wieder das Original zu hören, wie damals, im Kassettenrekorder! Und das gibt es auf "Level Headed-Alternate Mixes & Demos" zu hören:
Andy Scott Talking About Level Headed (Interview-Schnipsel)
Das dritte BLESSINGS-B ist da: Nach „Bittervaten“ und „Biskopsniven“ jetzt also „Blodsträngen“. Die schwedische Band einzusortieren, fällt „etwas“ schwerer als bei ihren Landsmännern aus dem HM-2-Bereich. Die Göteborger sortieren sich vielleicht irgendwo zwischen Metal, Hardcore, Post Punk und Noise Rock-Band und passen mit ihrer unkonventionellen Mischung ins Aufgebot des verrückten Labels Pelagic Records. „Alt Vi Kan Ge Ar Upp“ („All We Can Give Is Up“) scheint ein gutes Beispiel, um (wenigstens einen Teil) des Stil-Portfolios der Westküstler abzubilden. Nach dem schier britpoppigen Einstieg folgt eine frustrierte Kanufahrt an den Ufern der Schären, vom Ufer aus ruft Johan G. Winther um Hilfe. Aber die kommt nicht, auch wenn der Song am Ende zu einer wahren Hymne aus Doom, Post Rock und Deep-Purple-Orgel-Orgie steigert, die im beinahe im kakophonischen Desaster endet. Und wer dann noch auf Rettung hofft, dem hauen die Skandinavier mit dem frustrierten Punk-Postcore-Hammer „Copper + Dirt“ die letzten Synapsen zu Brei. Und dennoch klingen BLESSINGS viel verträglicher als angenommen, sie haben immer wieder richtig schöne Momente in ihren Songs, sind oft „nur“ melancholisch und es scheint immer noch ein wenig Hoffnung in den Blutbahnen zu schwimmen. So auch im traumhaft startenden „Through Veils of Glass ans Silica“, das mit leicht orientalischen Klängen zunächst beruhigt, um dir dann den Rest zu geben. „Blodsträngen“ ist interessanter als anstrengend, hat mehr spannenden Momente als langweilige Parts. Aber es ist rein gar nichts zum „einfach so hören“. Doch wer sich auf die dritte Scheibe einlässt, den belohnt BLESSINGS mit einem vielschichtigen Album und einem großen Vergnügen in all dem Übel der Welt. Das ist so ein bisschen wie ein Knoblauch-Schnaps im „Garlic & Shots“ zu Stockholm. Schmeckt auch besser als vermutet.
Der US-Gitarrist Joe Stump ist schon seit Anfang der 90er mit seinen Shred-Instrumental-Platten unterwegs – war aber auch schon bei REIGN OF TERROR und HOLY HEKK aktiv; und ist zurzeit wohl bei ALCATRAZZ beschäftigt. Unter der Firmierung JOE STUMP’S TOWER OF BABEL gibt es nun mit „Days Of Thunder“ eine neue Platte, welche die musikalischen Vorlieben des Namensgebers recht deutlich herausstellt. Denn vieles auf diesem Album klingt weder neu noch innovativ – aber auf seine eigene Art gut. RAINBOW, DIO, DEEP PURPLE dürften die Paten des dargebotenen sein. Und mir kommt dabei auch YNGWIE J. MAMLMSTEEN in den Sinn. Vor allem der Song „Alone In The Desert“ klingt besonders auch auf Grund der Gesangslinien nach dem guten MALMSTEEN der 80er. Das hat durchaus was. Und mit Jo Amore (u.a. NIGHTMARE) hat man einen klassischen Rocksänger dabei, der die 10 Tracks der Scheibe in klassischer Rockmanier veredelt. Wer sich die melodisch-riffige Single „Days Of Thunder“ anhört kriegt einen guten Eindruck davon, was einen auf diesem Album erwartet. Das von einem doomigen Intro eingeleitete, flotte „Rules Of Silence“ gibt mit tollen Gitarren- und Orgelparts sicher auch Live einen formidablen Opener ab. „Days Of Thunder“ ist kein Überflieger, aber angenehmer Stoff fürs Fachpublikum (welches auch die analoge Produktion zu schätzen weis).
HIROE liefern auf „Wield“ sechs wunderbare Instrumentalkompositionen mit der Kraft dreier Gitarren!
Die US-Amerikaner zeigten 2022 mit der EP “Wrought” bereits ihr Können. HIROE stehen für anspruchsvollen progressiven Post Metal mit Shoegaze-Elementen, der locker ohne Gesang auskommt. Neu an Bord sind Brian Kong (Gitarren), Jon Seiler (Bass) und Dan Sagherian (Schlagzeug) und die ursprüngliche Bassistin Jill Paslier wechselte an die Gitarre. Gitarrist und Hauptsongwriter Eric Kusanagi erschafft reiche Schichten von Harmonie und Melodie, es sind vielschichtige breite Kompositionen. Dabei werden oft lange, sich entwickelnde Strukturen und Crescendos verwendet, anstatt traditioneller Songstrukturen.
„The Calm“ beginnt dabei beinahe minimalistisch und leichtfüßig mit filmischem Sound. „Tides“ kommt viel dynamischer und schwer daher, mit ordentlichem Doom-Riffing und einer schönen melancholischen Grundmelodie. Post-Gitarren flimmern und Rhythmuswechsel bringen Unvorhersehbarkeit. Große Klasse! Als „Collider“ beginnt, dachte ich durchaus an GHOSTS „Kaisarion“. Es ist eine mitunter nervöse Prog/ Heavy Rock-Nummer, ausufernd und postrockig im späteren Verlauf. „Dancing At The End Of The World“ beginnt zart und hat Tremolo-Picking an Bord: wehmütig mit phantastischer Epik. Die Drums zeigen sich teilweise dominant und durchschlagsvoll. HIROE nutzen oft ausgedehnte Klangflächen, die durch sich wiederholende Effekte und Texturen entstehen. „The Crush“ ist düster und verdammt dicht und massiv, gegen Ende des Songs begibt sich der Hörer in eine repetitive Trance. „I've Been Waiting For You All My Life“ beginnt mit elektronischen Spielereien und besticht dann mit wirklich wunderbaren Tremolo-Picking- und Akkordfolgen: Soundberge, die es zu erklimmen gilt.
Freunde von Kapellen wie RUSSIAN CIRCLES, YEAR OF NO LIGHT, MOGWAI, TIDES FROM NEBULA, ISIS und PELICAN aufgepasst: HIROES „Wield“ ist nuanciert, majestätisch und aufbäumend. Ein beeindruckender Einstand auf Albumlänge.