Drei Worte: Fear. Factory. Demanufacture. Vielleicht noch Obsolete. Ok, und Cyberwaste. Also fünf Worte. Fünf Worte, die das Schaffen von Burton C. Bell bestens wiedergeben, über den Rest der FEAR FACTORY-Dekade wird nicht gesprochen. „Soul Of A New Machine“ war ja vor dem großen Knaller. Tja, mit der Angstfabrik ist es wohl vorbei, Drummer Raymond geht mittlerweile in der Videospielindustrie seinem Tagwerk nach und von Basser Christian hört man nix mehr. Dino Cazares hat drei Bands am Start. Und der Sänger? Mr. Bell hat sich zusammen mit FEAR FACTORY-Live Keyboard John Bechdel (PRONG, MINISTRY) sieben Monate im ländlichen Pennsylvania abgehangen und gefeie… hart nach Inspiration gesucht. Veröffentlicht wird das Ergebnis in Form von „Numinosum“ bei Al Jourgensens (MINISTRY) Label, was schon für interessante Klänge spricht. Sehr experimentelle Klänge sind in den mehr als siebzig Minuten versteckt, die sich querbeet bei Alternative, Synthie-Pop, Wave und Rock bedienen, im Großen und Ganzen aber sehr sphärisch klingen. Gitarren sind soft, die Songs eher verhaltenes Plätschern und Burtons Gesang oft klar und mit viel Hall unterlegt. Weit, weit, weit weg von FEAR FACTORY. Wird der Name Bell ausgeblendet, lässt sich die Scheibe leichter (weil unvoreingenommener) erschließen – und siehe da, sie hat ihren Reiz. Einige Songs sind atmosphärisch dichte Nummern („Residual Presence“), die fesseln können. Ein Knaller ist der Longplayer aber nicht, dafür findet sich zuviel Füllmaterial und sind einige Nummern zu sehr in die Länge gezogen. Interessant ist es allemal, was Mr. Bell so an Musik macht. Ob einem das fünfzehn Euros wert ist, sollte niemand taub entscheiden, sondern erstmal lange und intensiv reinhören.
UP THE FURY ist ein Ableger der Long Island-Bande um THIS IS HELL und CRIME IN STEREO, Inzest gibt es halt überall. Aber solange das Ergebnis so starke Scheiben wie „Behind Every Mind“ sind, soll das nicht störe. Der Zehn-Tracker versprüht Gift und Galle, erweitert um Wut, ganz so wie es THE HOPE CONSPIRACY auch machen. Und wie eine Mischung aus deren Stil und THIS IS HELL-mäßiger eingängigen Rotzigkeit klingen die Tracks. Geschickt wird zwischen bösartig-schleppenden Nummern wie „From My Cold Dead Hands“ und Up Tempo-Nummern (oftmals mit sehr coolen Backing Shouts) wie „Wolf Parade“ gewechselt, was „Behind Every Mind“ viel Dynamik gibt. Handwerklich haben die Jungs ebenfalls keine Fehler gemacht, so dass sich jeder Corler die Scheibe mal anhören sollte. Einziges Manko ist, wie so oft, die kurze Spielzeit von nicht mal einer halben Stunde. Aber irgendwas ist ja immer.
Dino Cazares ist seit dem Ausstieg-Rausschmiß bei FEAR FACTORY nicht untätig und hat mit BRUJERIA und DIVINE HERESY zwei Eisen im Feuer. Zusammen mit dem STATIC-X-Basser und dem SADISTIC INTENT-Drummer hat er zudem ASESINO ins Leben gerufen. Aufgenommen wurde die Scheibe (das nächste Name-dropping) bei Logan Mader, der mal bei MACHINE HEAD war. Gemeinsam haben die Herren eine Vorliebe für äußerst brutale Musik, die zwischen Grindcore und Death Metal pendelt, wie es Mr. Cazares bereits in BRUJERIA vorgemacht. Hier wie dort sind die Lyrics komplett in Spanisch, was anfangs ungewohnt klingt, nach kurzer Eingewöhnungsphase aber bestens funktioniert. Die Songs vertrackter, kein rein primitiver Grindcore, dabei äußerst brutal. Mr. Mader hat für eine druckvolle Produktion gesorgt, dank der „Cristo Satanico“ seine volle Kraft entfalten kann. Sind die ersten dreizehn Songs noch erbarmungsloser brutaler Stoff, wird in den letzten beiden experimentiert – herausgekommen sind ein beinahe poppiger Song und ein Klassikstück. So wird eine gelungene Grind-Scheibe überraschend abgeschlossen. Krachmaten kommen mit den wilden Dreizehn trotzdem voll auf ihre Kosten und sollten sich diese Klangmatte ins Haus holen.
Nach dieser Scheibe ist es mit DIVINE NOISE ATTACK hoffentlich nicht vorbei, allen Implikationen des Albumtitels zum Trotz. Dafür macht der gebotene Death Metal zu viel Laune und ist zu gut. Im Grunde reicht die Aufzählung von MALEVOLENT CREATION, OBITUARY und CANNIBAL CORPSE schon alles – hier gibt es elfmal gepflegt auf die Glocke, in ziemlich guter Qualität wohlgemerkt. Die Truppe versteht ihr Handwerk, an ihren Fähigkeiten gibt es nichts auszusetzen und auch das Songwriting istgelungen. Abwechslungsreich werden die Songs runtergeprügelt und genau die Sorte grooviger Death Metal zustande gebracht, der sowohl Live als auch auf Konserve überzeugen und zu dem sich trefflich die Rübe schütteln lässt. Kein stumpfes Geballer, sondern intelligent aufgebaute Songs, die mit viel Groove alles in Schutt und Asche legen. Feine Scheibe, der hoffentlich noch viele weitere folgen!
Das Vereinigten Königreich ist ja allseits bekannt für ein überzogenes hochjubeln von Bands, nur um die zuvor verehrten später umso tiefer in den Niederungen der Yellow Press zu verreisen. BURN aus Leiceistershire scheinen auf der Insel in einschlägigen Kreisen mit „Global Warning“ schon recht hoch zu fliegen. Ob man die halben Veteranen (immerhin wurden in 1993 („So Far, So Bad“) und 1995 („Spark To A Flame”)bereits zwei Alben veröffentlicht) auch wieder abschießt – keine Ahnung. Wie meist, liegt die Wahrheit in der Mitte. Und da bewegen sich BURN mit ihren in den Achtzigern verwurzelten Hard Rock deutlich am positiv oberen Rand der Szene. Eingängige, recht schnell auf den Punkt kommenden Songs, melodieorientierte Instrumentalisierung (einschließlich Hammondsound und ordentlichen Riffs) und gehörig Wumms kennzeichnen das Material, dazu der angenehm voluminöse Gesang von Jeff Ogden und das virtuose Gitarrenspiel von Julian Nicholas welche den druckvollen Kompositionen ihren Stempel aufdrücken. Zum Schnupperkurs empfiehlt man dem geneigten Melodic Hard Rock Fan: das etwas verhaltene, mit gutem Solo ausgestatte „Dangerous Times“, der flotte, gitarrenorientierte Ohrwurm „Meltdown”, „Weight Of Expectation“ mit seinen pumpenden Rhythmus und Hammerrefrain und als absolutes Highlight die überlange, mit Piano und Bluesanleihen versehene recht emotional daherkommende und episch ausgebreitete Powerballade „Pray For Rain“. Wie gesagt – mit britischen Hypes sollte man vorsichtig sein – aber ein grundsolides, richtig gutes Album für Freunde von Whitesnake & Co. haben BURN mit „Global Warning“ allemal am Start.
Das holländische Quintett TOXOCARA, bei dem unter Anderem Ex-Mitglieder von KATAFALK, PROSTITUTE DISFIGUREMENT, THE MONOLITH DEATHCULT oder SEIZURE eine neue Heimat gefunden haben, holzt sich auf seinem zweiten Album “The Great Rebellious“ durch 38 Minuten Dampfhammer-Death Metal, bei dem sich hyperschnelle Doublebase-Parts im Stil von CANNIBAL CORPSE (an deren Corpsegrinder auch das Gegrunze von Kevin Quilligan erinnert) mit stampfendem Midtempo abwechseln. Mitunter bekommt man fiese Screams oder auch mal ein atmosphärisches Intro („Wake Of The Controversy“) zu hören, doch zu 80 Prozent regiert kannibalisches Vollgas. So einfach sich das jetzt anhören mag, so einfach ist es auch. TOXOCARA machen keine Gefangenen, aber das ist auch das größte Manko der Band. So sehr wie die Band technisch hochwertig spielt, so statisch wirkt „The Great Rebellious“ über die gesamte Spielzeit, da hier zu sehr auf Aggression und Grenzbereichsauslotung geachtet wurde als auf Heaviness und Songdienlichkeit. Pure Highspeed-Death Metaller sind hier andererseits prima aufgehoben, und wer etwa die meiner Meinung nach völlig überbewerteten (Blow-) JOB FOR A COWBOY zu seinen Faves zählt, erhält hier einen sehr patenten Anspieltipp. TOXOCARA sind starke, tighte Musiker, die ihr Talent jedoch in der jetzigen Form leider wenig aussagekräftig verpuffen lassen, was ich echt schade finde.