„Snacks” macht Spaß. So wirklich, ohne Einschränkung. Und das, obwohl KIDCRASH nach ihrem Debütalbum einen Stilbruch hingelegt haben und „Snacks“ in die Mathcore/ Frickel-Ecke tendiert; dabei aber so federleicht und verspielt ist, dass es eher an AIRPEOPLE als an CONVERGE erinnert. Die Harcore-Wurzeln finden sich immer noch ganz tief vergraben im Sound der Amis, darüber wurden aber viele Schichten jazziger Ideen („Sleeper Wave“), Chaoscore-Riffing und unkonventionelle Songstrukturen gepackt, die „Snacks“ zu einer intensiven Hörerfahrung machen, ohne völlig ins Chaotische abzugleiten. Irgendwie wirkt „Snacks“ leiser und ruhiger als vergleichbare Werke, ohne weniger hart zu sein – das ist ein Spagat, den so selten eine Band zustande gebracht hat und der zusammen mit dem eingängig wie komplexen Songwriting für offene Münder und Mitsummen von Melodien sorgen wird. „Snacks“ ist eine überraschend gelungene Scheibe, die vom COALESCE-Fan bis zum VIRULENCE-Freund jeder hören kann, der mit sperriger, komplexer, eingängiger, entspannter Musik was anfangen kann und nicht durchgehend verzerrte Gitarren braucht.
Als schickes grünes Vinyl gibt es die neue DEFEATER-EP „Lost Ground”, in Zeiten billig aufgemachter CDs immer wieder ein Genuss. DEFEATER beschäftigen sich in den sechs Songs mit dem Kerl, der auf dem „Travels“-Album in „Prophet In Plain Clothes“ zu hören war – und das in ausgezeichneter Form, mit intelligenten, verschachtelten Hardcore-Songs, die den Hörer fordern, ohne ihn zu überfordern. Natürlich ist die Bridge9-Zielgruppe auch die für diese EP, aber jeder, der mit anspruchsvoller emotionaler Musik was anfangen kann, wird mit „Lost Ground“ glücklich. „Home Ain’t Never Home“ ist das perfekte Beispiel für einen Song, der melodisch und eingängig genug ist, um jedem Uncle Sally’s- oder Visions-Sampler zu bereichern und gleichzeitig so viel Wut in sich trägt, dass auch der härteste Bollo damit glücklich wird. Produktionstechnisch ist natürlich alles in Butter, immerhin ist Jay Maas im DEFEATER-Line Up zu finden, und da auch beim Songwriting alles richtig gemacht wurde, kann „Lost Ground“ auf ganzer Linie überzeugen und wird ausdrücklich jedem ans Herz gelegt, der sich auf emotionale Musik einlassen kann. Großes Kopfkino!
SUBAUDITION liefern mit „Light On The Path“ den ersten Soundtrack für den kommenden Winter: langsam, getragen und sehr melancholisch, wie es sich für Finnen so gehört wird da zur Sache gegangen. Streicher, Klavier und ruhige Gitarre spannen den instrumentalen Rahmen, in dem der Gesang zerbrechlich-melancholisch vorgetragen wird, andere Gefühlsebenen aber vermissen lässt. Anfang klingt das alles schön und vermittelt die erwünschte melancholische Atmosphäre, die wahlweise nach einer Abschiedsparty oder dem Verlust der Herzdame herrscht, erweitert um die Tatsache, dass das Ganze ausgerechnet im grauen November passieren musste. Aber nach 20 Minuten geht das ewig gleiche Geseier etwas auf die Nerven, etwas mehr Abwechslung in Form von anderen Emotionen wären wünschenswert und würden „Ligt On The Path“ mehr Tiefe verleihen. Da das ausbleibt, wirken die Finnen etwas zu weinerlich und zu sehr in den (Herz)Schmerz verliebt, um außerhalb eines kleines Kreises Gleichgesinnter Freunde zu finden.
Die beiden KANSAS-Recken Steve Walsh und Kenny Livgren (der ja an sich nur noch als Live-Aushilfe tätig ist) verweigern sich nun schon geraume Zeit dem Songwriter-Job. Ergo, keine neue KANSAS-Scheibe in Sicht. Das dass nicht allen Kollegen in den Kram passt ist offensichtlich – und fand ein Ventil. Billy Greer (Bass und Gesang), David Ragsdale (Violine), Phil Ehart (Schlagzeug) und Richard Williams (Gitarre) gründeten als Side-Project (neben den KANSAS Liveauftritten) die Band NATIVE WINDOW um auch mal wieder neues Material zu spielen. Deren selbstbetiteltes Debüt bedient dabei weniger die Rockfraktion, sondern lässt es betont entspannt angehen. Billy Greer gibt den zehn Songs eine angenehme Stimme ohne allerdings für Überraschungen zu Sorgen, David Ragsdale Violine dient oft als zentrales Instrument und ersetzt dabei gekonnt die Keyboards. Aber Achtung - das auf „Native Window“ vorwiegend solide AOR-Kost ohne progressive Ansprüche regiert sollte man wissen. Damit zufrieden lassen sich Songs wie das schöne Album-Highlight „The Way You Haunt Me”, die mit schöner Gesangslinie versehene Ballade „An Ocean Away“ (das an Billy Greer’s SEVENTH KEY erinnert) und das mit Country-Versatzstücken angereicherte „Got To Get Out Of This Town” recht lässig genießen. Für NATIVE WINDOW sind die Original-KANSAS-Schuhe sicher einige Nummern zu groß. Nichts desto trotz dürfte die Scheiben den Fans durchaus manch angenehme Stunde bescheren, alte KANSAS Glanztaten natürlich außen vorgelassen. Wer auf Rock der ruhigeren Sorte und Violinenklänge steht darf auch mal antesten.
Laut ihrer eigenen Biografie wurden HEARTLYNE bereits 1986 aus den Überresten der Band DARK AVENGER gegründet. Nach jahrzehntelanger Odyssee durch die deutsche Hard Rock-Szene kam die Band jedoch nie so recht zum Zuge. Die Mitglieder Jogy Rautenberg, Chris Lyne und Tommy Heart zocken heute geschlossen bei SOUL DOCTOR, doch die Rufe seitens der Fans nach der Veröffentlichung des alten HEARTLYNE-Materials hielten laut Band bis heute an, so dass nun, nach gut 20 Jahren, „No Retreat No Surrender“ das Erbe dieser hörenswerten Band präsentiert. Geboten wird im positiven Sinn „angestaubter“, melodischer Hard Rock der ganz alten (80er-) Schule, der meist bombastisch und nicht immer schmalzfrei die Boxen verlässt. Spektakulär ist hier absolut nichts, aber das wird die Fans des Stils und dieser Band sicher nicht weiter stören, denn ganz objektiv wissen Songs wie das Titelstück, „Broken Promises“, die gute Ballade „Strike An Arrow“ oder „Sacred Heart“ einfach zu gefallen. Stellenweise erinnern mich HEARTLYNE, besonders, wenn sie mal etwas kerniger drauflos rocken, an die SCORPIONS zu jener Zeit, etwa auf „Love At First Sting“ oder „Savage Amusement“. HEARTLYNE waren sicher keine überragende Band, aber wer ganz unverfälschten, „konservativen“ Hard Rock schätzt, wird hier ein gelungenes, wenn auch nicht zwingendes Album vorfinden.
Was um die norwegische Band GORGOROTH herum in den letzten zwei Jahren passierte, war absolut reif die „Praline“ oder „Brigitte“: Streit um den Bandnamen, ein fertiges Album auf Halde, ein Coming-Out und lauter lustige Interviews, in denen sich die streitenden Parteien gegenseitig die Schuld in die Latschen schoben – köstlich! Ende vom Lied: Prozesse beendet, Namensrechte liegen bei Bandgründer und Gitarrist Infernus, Gaahl und King gründen mit ihrem fertigen neuen Album GOD SEED, Gaahl will aber irgendwie keinen Black Metal mehr machen, weil die sprichwörtliche rosarote Brille das verhindert, und Infernus heuert eine komplett neue Truppe an um „Quantos Possunt Ad Satanitatem Trahunt“ in trockene Tücher zu hieven. Zum Mitschreiben: GORGOROTH bestehen nun aus Infernus, den beiden Alt-Gorgorothianern Pest (Gesang) und Tormentor (zweite Gitarre) sowie Produzent und Drummer Tomas Asklund (Ex-DISSECTION) und dem amtierenden OBITUARY-Basser Frank Watkins. Die Auswirkungen auf den Sound der Band sind vernehmbar, wenn auch für die Fans leicht zu verschmerzen. Gegenüber dem letzten, sehr starken Werk „Ad Majorem Sathanas Gloriam“ klingt „Quantos Possunt Ad Satanitatem Trahunt“ noch basischer, sägender und die meiste Zeit über sehr gebremst-midtempolastig. Das ist auch der größte Kritikpunkt an dem Album, denn die Abwechselung kommt in dem recht eintönigen Massaker ein wenig zu kurz. Das Tempo wird nur in sehr abgestecktem Rahmen variiert; ein Umstand, der hier von der sehr trockenen Produktion zusätzlich verstärkt wird. Am Ende bleibt das Gefühl, dass das Album trotz seiner starken Riffs und aggressiven, kalten Stimmung sehr eintönig klingt. Stücke wie „Building A Man“, „Prayer“, „Cleansing Fire“ oder „New Breed“ wirken, wenn man sie im Kontext des Albums hört, sehr monoton und immer in der selben Geschwindigkeit gespielt. Das ist zwar ein sehr subjektiver Eindruck, aber meiner Meinung nach schaffen es die „neuen“ GORGOROTH damit nicht, den sehr guten Vorgänger zu toppen. Objektiv ist die Scheibe keine Enttäuschung und wird im Kreis der Fans sicher ihre Anhänger finden, aber der Autor bleibt mit dem komischen Gefühl zurück, dass hier in Sachen Songwriting längst nicht alles ausgereizt wurde. Gut, aber mit Beigeschmack!
Der neue Hassbrocken der Norweger URGEHAL, „Ikonoklast“, gehört zu den Scheiben, die man sich trotz aller akustischer Kälte warm hören muss. Das Quintett lässt sich nämlich nach wie vor nicht in ein bestimmtes Korsett zwängen, denn Vielschichtigkeit und Abwechselung bestimmen hier das Geschehen. Legt die Bande mit „Stesolid Self-Destruction To Damnation“ noch einigermaßen flott los, so wird bereits im zweiten Stück, „Dodelagt“, (zumindest teilweise) die schwere Midtempo-Keule ausgepackt. Speziell in diesen Momenten können Enzifer, Trondr Nefas und Co. ihre Vorliebe für Genre-Vorreiter wie VENOM, ganz alte SODOM oder HELLHAMMER nicht verbergen. Und eben genau diese Mischung aus flotter norwegischer Schwärze und stampfendem Old School-Getrümmere macht den Reiz von „Ikonoklast“ aus, das mit weiteren Stücken wie dem geilen, treibenden „The Necessity Of Total Genocide“ oder dem abermals zügigen, rotzigen „Approaching Doom“ noch einige Klassesongs mehr auffährt. Allerdings erscheint mir das Album unterm Strich eine Spur zu langatmig und trotz des durchweg sehr gelungenen Songwritings etwas dröge, was man vielleicht darauf zurückführen kann, dass die Produktion zwar ordentlich knarzig und zweckmäßig undergroundig ausgefallen ist, dabei aber einen Tick zu steril tönt. Das ändert aber nichts daran, dass URGEHAL hier eine richtig gute Scheibe für symphoniefeindliche Black Metaller abgeliefert haben, bei der die Stärken eindeutig überwiegen!
Wenn Josh Homme (QUEENS OF THE STONE AGE, DESERT SESSIONS, KYUSS), Dave Grohl (FOO FIGHTERS, NIRVANA) mit einem Basser zusammentun, der vom Schlage John Paul Jones (LED ZEPPELIN) ist, kann mit Fug und Recht von einer All-Star-Band gesprochen werden. THEM CROOKED VULTURES nennt sich das Trio, hat sich für ihr Debüt keinen Titel einfallen lassen und wird sicher völlig entspannt dem Medienhype harren, der da kommt. Zufrieden können sie mit der Scheibe sein, keine Frage – die 13 Songs, die da in mehr als einer Stunde zum Besten gegeben werden, sind feiner Alternative, der starke Stoner Rock-Schlagseite hat. „Caligulove“ ist so ein Paradebeispiel, hat seine Wurzeln im 70s Rock, dem ein fetter Bass spendiert wurde und dank Mr. Hommes Stimme gar nicht anders kann, als wie eine entspannte QUEENS OF THE STONE AGE-Aufnahme zu klingen. Bei „Mind Eraser No Chaser“ kommt Mr. Grohls Stimme im Refrain zum Einsatz, wodurch der Song etwas rauer ist, während „Gunman“ mit einem arschgeilen Riff und echter Tanzbarkeit überzeugen kann. „Dead End Friends“ ist ziemlich sicher ein Überbleibsel aus der „Songs For The Deaf“-Session, wohingegen „Bandoliers“ so auch von den FOO FIGHTERS sein könnte. Keine wirklichen Überraschungen also, an völlig neuen Sound haben sich die drei nicht gewagt, was ihnen mit etwas Böswilligkeit als Berechnung vorgeworfen werden kann, denn so ist „Them Crooked Vultures“ eine Scheibe, die sich jeder Fan ihrer Bands bedenkenlos kaufen kann. Die werden sich auch an den zwei, drei lahmen Songs im Mittelteil nicht stören (weniger wäre mehr gewesen, was die Anzahl der Songs angeht). Die Scheibe wird ein Erfolg, keine Frage, aber mutig ist sie leider nicht. Dafür solide und durchaus mit Charme.
THE VOID’S LAST STAND sind eine äußerst ambitionierte Progformation aus Aachen und legen mit „A Sun By Rising Set“ ein gerade zwei Longtracks enthaltenes Album vor, welches auf den ersten Hör ratlos zurück lässt. Ein zweiter Durchgang kostet dann durchaus Überwindung und ist auch nur standfesten Proggies mit Hang zum Dissonanten und Open Mind zu empfehlen. Der Sound ist dabei Prog-Untypisch erdig und rau (was ja kein Fehler sei muss), der Gesang und die Gesangslinien mehr als gewöhnungsbedürftig, die instrumentale Spielfreude lässt sich freien Lauf und die Produktion kommt eher etwas dünn. Der erste Song, das über 25-minütige „Mother Sun And The Other Son (Part I)“ verquert dann schon alles was es landläufig im Rockbereich gibt, plus Funk, plus ... was weis ich .... dabei blitzen immer wieder neue Ideen auf, aber auch Belanglosigkeiten werden in den Kontext munter eingebaut. Gar nicht langweilig – aber oft auch etwas des Guten zuviel. Der zweite Song „Under The Ardent Sun“ (kommt auf fast 20 Minuten) wurde in kürzerer Fassung ja bereits 2008 als Demo veröffentlicht und gibt sich auch alle Mühe wenig auszulassen. Allerdings kommt er nicht so überfrachtet wie der Vorgänger daher und hinterlässt daher einen durchdachteren Eindruck. Schwer verdaulich, kaum vergleichbar – die Grundessenzen des Prog haben THE VOID’S LAST STAND durchaus verinnerlicht. Aber ohne gesetzte Ruhephasen für Hirn und Ohr und vor allem ohne einen etwas ausgeglicheneren Gesang (man könnte ja auch mit zwei Stimmen arbeiten) kommt einen „A Sun By Rising Set“ doch etwas überambitioniert und anstrengend vor.
Dieser Haufen aus Brooklyn serviert uns reichlich derbe Kost, die dem Hörer auch nach mehreren Durchläufen schwer im Magen liegt. Insgesamt ein gutes Dutzend Musiker wird auf der „Myspace“-Seite von A STORM OF LIGHT aufgeführt, von denen die meisten auch an „Forgive Us Our Trespasses“ mitgearbeitet haben. Und mit Vielschichtigkeit und Atmosphäre wird nicht wirklich gegeizt: der monumentale Klangbastard, den diese Truppe loslässt, erinnert mal mehr, mal weniger an apokalyptische Soundvisionäre wie NEUROSIS, epischere Geschichten von Devin Townsend, aber auch an die zerstörerischen Wutklumpen RED HARVEST. Inhaltlich geht es auf dem Album um die durch Industrie und menschliche Arroganz hervorgerufene Zerstörung der Erde, angelehnt an Alan Weismans „The World Without Us“ (2007 erschienenes Buch des 1947 geborenen, amerikanischen Autors und Journalisten). Nichts auf dem Album klingt in irgend einer Weise fröhlich oder aufbauend; das fast schon doomige Inferno erdrückt einen förmlich, was auch den größten Kritikpunkt an „Forgive Us Our Trespasses“ darstellt. Viele Passagen wirken fast schon (zu) lahm und dümpeln zwar intensiv, aber auch wenig mitreißend durch die Gehörgänge. Besonders der sehr monotone Gesang von Bandkopf Josh Graham wirkt mitunter geradezu einschläfernd. Mir ist bewusst, was die Band mit ihrem langsam walzenden Stil bezwecken will, und er passt auch sehr gut zur Message dieses Albums, doch strengt er auf Dauer sehr an – was wohl auch so gewollt ist. Als Anspieltipp empfehle ich das mächtige, hymnische „Tempest“, das einen ganz guten Überblick über diese sehr originelle Scheibe gibt, die zudem mit einem tollen, mit endzeitlichen Computergrafiken versehenen Booklet daherkommt, das aber leider keine Texte offenbart. Insgesamt trotz der Kritik sehr gelungen, aber garantiert nicht Jedermanns Sache!