Aus der Türkei kommen SINCE YESTERDAY, was ihnen auch 2010 noch einen (leichten) Exotenbonus verschafft. In den neun Tracks der „The Artificial Truth“-Scheibe, mit der sich die Band auf Labelsuche befindet, kommen orientalische Einflüsse aber nicht zum Tragen, dafür europäischer und US-Metalcore, von MAROON bis KILLSWITCH ENGAGE und MISERY SIGNALS. Das Album fängt stark an, die ersten beiden Songs sind gelungene, wenn auch nicht überragende, Metalcoresongs, die sich klar an den Vorbildern orientieren und handwerklich gut gemacht sind. Richtig durchstarten kann der Longplayer erst mit dem dritten Song, „Episode Two (Worst Case Scenario)“: hier packen die Gitarristen einige wirklich gute Riffs aus, die vom Sänger sehr gut aufgegriffen werden. Selbst der Drummer steuert mit einem Blast-Part was Feines dazu bei, dass dieser Track richtig gut wird. Dieses hohe Level halten die beiden folgenden Tracks ebenfalls, bevor „Dead Today“ und „Sinatra Doctrine“ das Tempo etwas rausnehmen, dafür aber mit einem sehr variablen Gesang aufwarten, gerade die clean gesungenen Abschnitte sind hier hervorzuheben. Zum Ende der Scheibe hin geht es dann wieder schneller und härter zur Sache, was SINCE YESTERDAY gut zu Gesicht steht und einen sehr guten Eindruck beim Hörer zurücklässt. „The Artificial Truth“ ist ein sowohl gut geschriebenes als auch gut produziertes Metalcore-Album, für das sich Genre-Freunde sicher erwärmen können. Exotenbonus haben SINCE YESTERDAY gar nicht nötig.
AS I LAY DYING haben sich für „The Powerless Rise” drei Jahre Zeit gelassen, was aber nicht zu einer radikalen Abkehr vom Bandsound geführt hat. Stattdessen wird der auf „An Ocean Between Us“ eingeschlagene Weg weitergegangen, was bedeutet, dass die von Basser Josh gesungenen cleanen Vocals weiterhin einen wichtigen Teil im AS I LAY DYING-Sound darstellen. Tim Lambesis hat sich aber nicht zu weit in den Hintergrund drängen lassen, wodurch er eine weitere wichtige Komponente bleibt und zudem eine gute Figur abliefert, was auch für die gewohnt zwischen filigranen Melodien und Brachialität wechselnde Gitarrenarbeit gilt, selbst Soli sind mittlerweile zu finden. Kontinuität also an allen Orten, da bleibt auch das Songwriting nicht außen vor, bei dem die Amis auf Experimente verzichtet haben. Brachiale Nummern wie dem Opener „Beyond Our Suffering“ oder „Condmned“ stehen fast schon epische Songs wie „Anger And Apathy“ und die vom cleanen Gesang proftierenden Sachen wie „Anodyne Sea“ gegenüber, was am Ende eine Ausgewogenheit zwischen Härte und Melodie eribgt. Das steht AS I LAY DYING gut zu Gesicht, zumal die Produktion von Adam D. gewohnt gut, wenn auch fast schon zu glatt. Es macht für die Band durchaus Sinn, ihren Sound zu konsolidieren und den Fans das zu geben, was die verlangen. Ob das für die Musiker auf lange Sicht befriedigend ist, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass „The Powerless Rise“ das erwartet starke AS I LAY DYING-Album ist, von dem kein Fan enttäuscht sein wird.
WINTERMOND haben 2008 den Bandwettbewerb “Battle of the Bands” für sich entschieden, nun hat die Kombo mit dem Silberling “Desiderium” ihr erstes Studiowerk vorgelegt. Dieses liefert einen Background von fetten Gitarren gepaart mit einem Wechselspiel aus männlichem und weiblichem Gesang. Sängerin Gabrielle wechselt zwischen tieferen, etwas mystisch anmutenden Passagen und hohen Lagen, ihr männlicher Gegenpart Didic dagegen klingt stellenweise etwas angestrengt bis anstrengend, wie im gesanglich nicht gerade brillanten Refrain von „Deine Welt“. Da klingt das volksweisenhaft angehauchte, akustisch gehaltene „Vollmond“ schon wesentlich besser , und es wartet vor allem auch mit einer Melodie auf, die einem Erinnerung bleibt. Denn was man auf „Desiderium“ vermisst, ist das Mitreißende- große Gefühle sind in den Texten durchaus vorhanden, aber irgendwie will der Funke nicht so recht überspringen. Weder Leid noch Verzweiflung, Liebe oder Verachtung sind im Gesang spürbar, wenn man nicht explizit im Text nach ihnen sucht. Die Texte bleiben mehrheitlich genau das- bloße Worte, deren Darbietung es dadurch an Überzeugungskraft fehlt. Das tut einem dann zwar nicht unbedingt weh, gibt einem aber auch nichts. Schade.
PRO-PAIN haben mit “No End In Sight”, dem Titel ihres letzten Albums, klar gesagt, dass sie weitermachen werden. Anno 2010 also das nächte Album, wie gewohnt knapp zwei Jahre nach dem Vorgänger. Mit neuem Drummer machen die ex-New Yorker da weiter, wo sie 2008 aufhörten und variieren ihren Sound weit genug, um nicht stillzustehen und gleichzeitig klassisch PRO-PAIN zu sein. „Unrestrained“ ist genau das, ein klassischer PRO-PAIN-Groovesong, der von der Wucht und Gary Meskils Röhre lebt, während das folgende „Destroy Your Enemy“ schleppender, aber nicht weniger wuchtig ist. Auf die Fresse gibt es bei dieser Band immer, knochentrocken und gerade raus. Mit DESTRUCTION-Sänger Schmier wurde „Stand My Ground“ eingespielt, das mit melodischerem Gesang und fast schon entspannten Melodien daherkommt, genau wie „Road To Nowhere“. Dem gegenüber sind knack-kurze Nummern Marke „Divided We Stand“ oder „AWOL“ angesiedelt, die die Hardcore-Wurzeln offenbaren. Beim abschließenden, bitterbösen „Hate Coalition“ zeigt Neu-Drummer Rick, was in ihm steckt: brutal, schnell und auf den Punkt knüppelt er gerade im zweiten Teil des Songs alles nieder. Mit dem Mann haben Gary & Co. einen guten Fang gemacht. Musikalisch ist mit der neuen PRO-PAIN-Scheibe also alles im grünen Bereich, über das etwas plump provokante Artwork und die gewohnt schlichten Texte lässt sich streiten, allerdings erwartet bei dieser Band auch niemand etwas anderes. Alles wie immer im Hause Meskil also, von daher kann „Absolute Power“ allen Fans und Krachmaten ans Herz gelegt werden.
HALESTORM klingen irgendwie nach einer Mischung aus AVRIL LAVIGNE (als sie noch Rock machte) und den guten alten HEART Sisters – und das Ganze als modernen Hard Rock à la NICKELBACK verpackt. Wen das bereits abschreckt, braucht gar nicht erst weiterlesen. Für alle anderen gilt – HALESTORM liefern mit ihrem selbstbetitelten Debüt ein Album ab, das durchaus den Spagat zwischen Mainstream Hard Rock und Alternative schafft ohne dabei kitschig oder gar flach zu wirken - und dabei immer ein Händchen für eingängige Radiohits offenbart. Sängerin und Bandleaderin Elizabeth „Lzzy" Hale (tatsächlich ohne „i“) die zusammen mit ihrem Bruder Arejay Hale bereits seit 1997 Material für HALESTORM verfasste, ist das zweite große Plus der Band aus Pennsylvania. Lzzy Hale ist mit ihrer rockigen und emotionalen Stimme, welche in mittlerer Tonlage auch gekonnt zwischen gefühlvoll und Power pendelt, maßgeblich an obigen Vergleichen schuld - was ja nicht die schlechtesten Referenzen sind. Wer sich davon mal überzeugen möchte kann sich mit der kompakten Hit-Single „It’s Not You“ und dem nicht weniger tollen Ohrwurm „I Get Off“ einen Eindruck verschaffen und zusammen mit dem etwas ruhigeren „Innocence” und dem leicht angecrossten „What Were You Expecting” einige Appetizer reinziehen – die gut in einem Rutsch zu hörende Scheibe endet mit „Nothing To Do With Love“ ebenfalls hitverdächtig. Das HALESTORM dabei offensichtlich auf Erfolg schielen und schon etwas auf Nummer sicher gehen ist nicht zu überhören, dürfte aber die angestrebte Zielgruppe kaum interessieren – Spaß macht’s allemal. Das dass Quartett mit ihrem Debüt bereits letztes Jahr in den Staaten recht erfolgreich waren braucht da nicht zu wundern – und im Vorprogramm von THEORY OF A DEADMAN im März dieses Jahres gab man wohl auch keine schlechte Figur hierzulande ab. Und so sollte das erste Album (mit klasse Cover) Lzzy und HALESTORM auch in Europa zu einem Achtungserfolg verhelfen.
Mit den Italienern OVERMASTER stellt sich eine Band vor, die aus namhaften Vertretern des Stiefel-Metals besteht: Sänger Gus Gabarro (Ex-WHITE SKUKLL), die beiden Gitarristen Pino Sixcari (ebenfalls Ex-WHITE SKULL) und Alessio Berlaffa (DOOMSWORD), Bassist Dimitri Oldani (Ex-EDGE OF FOREVER) und Schlagzeuger Carlos Cantatore (AMETHISTA). Liefern tun OVERMASTER auf ihrem „Madness Of War“ betitelten Debüt deutschstämmigen Power Metal ohne dabei in den für italienische Bands typischen symphonischen Overkill abzudriften – das Keyboard gibt es zwar, aber (meist) recht unaufdringlich, der Pathos liegt im vertretbaren Rahmen. Die Zielgruppe sollte daher auch eher dem Power Metal ohne zuviel zucksüße Melodien verbunden sein. Das man textlich hier 2000 Jahre Krieg besingt sollte auch noch erwähnt werden; aber das hatten wir doch schon. An SABATON’s Thron können sie echt nicht rütteln. Trotzdem! Fettes Riffing, Mitgröl-Refrains und gutes Songwriting lassen bei Tracks wie dem Double-Bass lastigen, thrash-mäßig startenden „Spartan Warriors“ und dem ebenfalls mit Thrash-Anleihen versehenen „Overlord“, bei „Revolution World“ (präsentiert OVERMASTER im Mid-Tempo und sorgt für zwischenzeitlichen Entspannung), dem mit guten Refrain daherkommenden „Jungle Of Madness“ sowie der klar gen typischen geradeaus Power Metal tendierenden Hymne „Battle Prayer“ Freude aufkommen. Eine kitschige Ballade wie „Nameless Hero“ geht dagegen gar nicht und auch das Intro und der Opener „Marble King“ lässt nicht ahnen, dass es danach besser wird. So kann nicht jeder Song den Level der oben Aufgeführten erreichen, und es mischt sich der eine oder andere solide Füller unters Volk. Das Sänger Gus mit seinem typisch südländische Gesang (nicht ganz akzentfrei, oft rau aber auch mal recht hoch) dabei prägend auf OVERMASTER wirkt, wird zu Diskussionen Anlass geben. Nicht jedweder kann diesen Art von Gesang ab. Alles in allem haben OVERMASTER aber mit „Madness Of War“ ein gutes Album am Start, welches man als gelungenes Debüt bezeichnen darf. Bei Ausmerzung letzter Italo-Sünden könnten Cruz Del Sur eine weitere starke Band im Petto haben.
Eine unglaublich professionelle Scheibe kommt von den Slowaken VINDEX. Sie beherrschen viele Facetten von Hard Rock, Metal, Teutonenstahl, Bombastmetal bis hin zu traditionellem Thrash – und liefern damit ein Feuerwerk für True-Metal-Anhänger. Klar, es klingen Judas Priest, Accept, Gravedigger, Overkill, Blind Guardian, Savatage und eigentlich alles Mögliche durch. Sänger Ludek zeigt sich extrem wandlungsfähig und spannt den vokalischen Bogen zwischen Blitz („Reptilization“!) und meinetwegen Jon Oliva, vergisst sich selbst aber dabei auch nicht. Und so ist das Album sicherlich kein Feuerwerk der Innovationen, aber eine mehr als taugliche Alternative für den wahren Metaller und eine riesige Überraschung. Denn bei „Ultima Thule“ hätten wohl nicht wenige an die nächste Pagan-Problem-Posse gedacht… VINDEX sind vielleicht anachronistisch, aber, das, was sie machen, machen sie echt prima. Schätze, das ist ne richtig geile Live-Band.
„Sinner“ ist eine höchstens durchschnittliche AC/DV-Kopie mit phrasenhaften Songtiteln („Sold My Soul to Rock’n’Roll“, „Rock’n’Roll or Bust“ oder „The Thunder Down Under“), Dazu gesellen sich zig geklaute AC/DC-Momente. Ach ja, nicht zu vergessen die Betonung, dass DAVE EVANS ja mal ein paar Wochen bei den australischen Originalen gesungen hat. Alles in allem also eine mittelmäßige Alternative für absolute Atzedatze-Maniacs. Leider wird aber nirgendwo kund getan, dass es sich bei dieser Scheibe um einen Re-Release von 2004 ohne irgendwelche Extras handelt und das Ganze dann ohne Boni auskommt – irgendwie frech.
Die Zeit ist stehen geblieben. Und dennoch schmeckt bei WILD CHAMPAGNE nichts schal – im Gegenteil. NWOBHM trifft German Metal, wie Faust ins Ohr. Die Ostfriesen stehen in der Tradition von Priest, Saxon, Running Wild und anderen – und scheuen sich keineswegs, abgegriffene Klischees aufzugreifen. Komischerweise funktioniert das wie’s Brezelbacken in Bayern. Ein hymnischer Song wie „United Heavy Metal“ bietet zwar rein gar keine Innovationen oder Überraschungen, Spaß macht er einem wahren Metaller aber allemal. Zumal der Sound auf der ganzen Scheibe recht dick und transparent klingt und die Stimme trotz ohrenscheinlicher deutscher Herkunft unpeinlich daherkommt – ein standesgemäßes, echtes Metal-Organ. Und so geht’s irgendwie mit der ganzen Scheibe und den doch recht platten Texten („Do you what you want, do what you feel…“): Eigentlich sagt das Szenepolizei-Gen in dir drin, WILD CHAMPAGNE ist abgelaufene Grütze – aber im Grunde schmeckt es wie ein frisches Bierchen. Jeder weiß genau, was kommt und dennoch gibt es keinen Grund, nicht noch eins zu süppeln. Prost.
BLEED FROM WITHIN wurden nach dem Release ihres Debütalbums als typische Rising Records-Band abgetan, was sich in den Worten jung, britisch und langweilig erschöpft. Von daher waren die Erwartungen an das Zweitwerk niedrig, zumal das in relativ kurzer Zeit geschrieben und aufgenommen wurde. Großes Aber! Die Briten haben eine so nicht zu erwartende Leistungssteigerung hingelegt und sich vor allem im Songwriting verbessert, was „Empire“ zu einem durchweg gelungenen Death Metal-Album der modernen Schule macht. „Dishonour“ ist ein brutaler Kracher geworden, der die Brücke von Schweden nach Amerika schlägt und permanent Druck macht, während das folgende „Vanity“ moderner angelegt ist, aber in Sachen Heftigkeit in die gleiche Kerbe haut. Die Gitarrenarbeit ist druckvoller und variabler geworden, die Saitenhexer scheuen weder vor Trash-Riffing („The Healing“), old schooligem Death Metal oder Metalcore zurück und machen dabei immer eine gute Figur Gleiches gilt für den Drummer, der ebenfalls mehr Druck als auf dem Vorgängeralbum macht und gerade in den Blast-Parts extrem präzise ist. Shouter Scott hat ebenfalls an sich gearbeitet und sich eine enorm kraftvolle Stimme angeeignet. Einzig der Bass fällt, bedingt durch die Produktion, hinten über und ist differenziert zu hören. Das Wichtigste ist aber die Tatsache, dass BLEED FROM WITHIN massiv am Songwriting gearbeitet haben und ihre Songs variabel und hörbar gestaltet haben. War „Humanity“ eher ein Schaulaufen der technischen Fähigkeiten (wie es so vielen Labelkollegen geht), ist auf „Empire“ endlich Struktur im Geballer, THE BLACK DAHLIA MURDER lassen da immer wieder grüße. „Empire“ ist eine der Überraschungen im Death Metal des Jahres, so viel steht fest!