Dass Viking/Pagan Metal mittlerweile einen ähnlichen Boom erlebt wie zuletzt Metalcore oder davor „True Metal“, dürfte inzwischen jeder mitbekommen haben. Solche Trends werfen zwar immer ein paar echt geile Kapellen ab, aber leider auch einen unvermeidlichen Rattenschwanz aus Kopisten, Nachzüglern und Deppen, die den fahrenden Zug noch erwischen wollen, aber daneben hüpfen und auf den harten Gleisen der Realität landen. Zu diesen Bands würde ich auch die Frankfurter (Oder) VRANKENVORDE zählen, die sich nicht scheuen, ihr Heimatbewusstsein auch akustisch in die große, weite Welt heraus zu posaunen. Das heißt so viel wie: stampfender Midtempo-Metal der simpleren, mitunter sogar thrashigen Sorte (auf Keyboards wurde zum Glück gleich ganz verzichtet) trifft auf Texte über alte Mythen, germanisches Heldentum und das schöne Brandenburg. Auszüge gefällig? Aber nicht lachen! „Ja, in deinem Lande hat er seinen Horst - zwischen Sumpf und Sande, zwischen See und Forst“ (aus „Brandenburg“ – aber wer ist Horst?) oder „17, 18, 19, wir brachten euch Verderben - wir sind von des Hammergottes Geschlecht - und wollen sein Weltreich erben“ (aus „17, 18, 19“), und das sind nur ein paar spontane Proben, die man nicht mal groß suchen muss! Vorgetragen wird dieser geistige Sperrmüll von Sänger Robse wahlweise in Kreisch-Dur oder Growl-Moll, was zwar etwas Abwechselung bringt, aber im Grunde auch nix Besonderes ist. Keine Ahnung, wie weit der Band ihre Heimatliebe geht, aber politische Tendenzen sind zumindest auch auf den zweiten Blick nicht auszumachen. Das ändert aber nix daran, dass VRANKENVORDE mit „Schlachtensang“ keine nennenswerten Akzente setzen können und als eher unfreiwillig komische Truppe aus der dritten Reihe durchgehen.
Die sechs Typen von FAREWELL sind nette Jungs. Zumindest sehen sie auf dem Foto so aus, das man sieht, wenn man die CD aus der Hülle nimmt - auch wenn einige von ihnen versuchen, ein bisschen böse zu gucken. Und sie spielen nette Musik. Man könnte sie als poppigen Gute-Laune-Alternative-Rock bezeichnen, oder auch als Mischung aus BILLY TALENT und FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE. Insgesamt klingt das gar nicht so schlecht, wie man aufgrund dieser Beschreibung vermuten könnte. Denn der Sound ballert ganz gut, die Jungs können spielen, gehen mit viel Energie zu Werke und haben außerdem ein Händchen für schöne Melodien und gute Arrangements. Dazu haben sie mit Marshall Davis einen Sänger mit einer tollen Stimme in ihren Reihen und sind die Keyboards von Tastenmann Chris Lee angenehmerweise fast unhörbar hinter die breiten Gitarren gemischt. Und dann habe ich sogar noch einen wirklich genialen Song auf dieser Scheibe entdeckt: Das leicht durchgeknallte „Sing, Baby“, das mit einer Polka-mäßigen Strophe aufwartet und einem Chorus, der gleichzeitig swingt und rockt und sich unmittelbar und unerbittlich im Gehörgang festschraubt. Mehr davon wäre schön gewesen. Leider muss man aber sagen, dass alle anderen Songs auf Dauer doch zu schön, zu fröhlich und zu glatt klingen. Wer auf Musik dieser Art steht, wird sicher Gefallen an der Band finden, mir selbst ist sie trotz allem Wohlwollen einfach zu langweilig.
Wenn Skandinaviern langweilig ist, gründen sie anscheinend mal flugs ein neues Projekt. Oder trinken. Die hier beteiligten Herren (die u.a. bei I, ENSLAVED und AETERNUS lärm(t)en) können mit BOURBON FLAME beides verbinden, denn so richtig funktioniert Schweinerock nur mit Oktan im Blut. In den ersten Sekunden des Openers wird schön DIRE STRAITS gefrönt, dann die rotzige Röhre ausgepackt und cool gepost. BOURBON FLAME nehmen sich nicht zu ernst (Songtitel wie „Rooster In A Henhouse“ belegen das), der Spaß am huldigen ihrer Jugendhelden steht im Vordergrund. Da wird dann auch AEROSMITHs “Back In The Saddle“ gecovert. Wirklich überragend ist „Bourbon Flame“ nicht geworden, aber auch die Großen des Genres haben mal klein angefangen. Als Huldigung an die unschuldig-feierfreudigen 80er ist der Silberling aber allemal gut und solange die Musiker Spaß hatten, ist doch alles bestens.
Über Bandname sollte niemand zuviel nachdenken, Sinn machen die meisten nicht. 21 LUCIFERS ist da so ein Kandidat.. Der Schwedenfünfer hieß früher mal GRIDLOCK, hat sich dann teuflisch gut umbenannt und legt mit „In The Name Of…“ sein Debüt vor. Achtzehnmal gibt’s ordentlich einen vor die Nuss, wobei Death, Black und Thrash fröhlich gemischt werden. Ergibt eine gut produzierte saubrutale Platte, die Fans von ROTTEN SOUND, CENTINEX und MALEVOLENT CREATION gleichermaßen zufriedenstellen dürfte. Zuviel Abwechslung gibt es zwar in der halben Stunde nicht, dafür jede Menge High Speed-Songs, die trotz der hohen Geschwindigkeit viel Groove haben. Die Mucker sind technisch fit, einzig der Sänger könnte etwas mehr aus seiner Stimme machen, wenn er mal die Stimmlage variieren würde. Änder aber nicht viel am guten Gesamteindruck, den die Teufel mit ihrem Erstling beim geneigten Totmetaller hinterlassen werden.
BLACK THOUGHTS BLEEDING ist das gemeinsame Projekt einiger Kölner Musiker, die Querverweise zu u.a. KORODED und CIRCLE OF GRIN aufweisen können. Mit ihrem neuem Baby frönen sie dem Metalcore, ohne dabei den Anspruch zu haben etwas komplett Neues auf die Beine zu stellen. Stattdessen wird fröhlich drauflosgespielt und Metal mit Hardcore kombiniert. Herausgekommen ist eine gelungene EP, der man die Spielfreude und Erfahrung der Musiker anmerkt. Jeder Ton sitzt, die Songs kommen auf den Punkt und handwerklich gibt es nichts zu meckern. „Hearts Got Broken“ kann mit melodischem Gesang überzeugen, während „Stormachion“ an AS WE FIGHT erinnert und „Escape“ der fieseste Track der EP ist. Das Beste kommt zum Schluss: die EP gibt es gratis auf der Homepage der Combo zum runterladen – wer da nicht zugreift, ist selbst Schuld!
ILL NINO gehören unbestreitbar zu den letzten verbliebenen Größen der New Metal-Bewegung, wobei sie durch die südamerikanischen Einflüsse schon immer etwas anders waren als der Rest der Bande. Im Vorfeld zum vierten Album „Enigma“ gab es Unruhe, man fühlte sich von Roadrunner nicht mehr geliebt und heuerte bei einem neuen Label an. Auf das Songwriting der dreizehn Nummern hatte das anscheinend keine Auswirkungen, weder sind übermäßige Wut noch Verunsicherung zu finden, stattdessen gibt es die mittlerweile gewohnte Kost. Brachiale Parts („2012“) wechseln sich mit clean gesungenen, sanften Passagen („Me Gusta La Soledad“) ab, letztere oftmals auf Spanisch vorgetragen. Dadurch wird die Musik bereits exotisch, durch die Hinzunahne von Kastagnetten, Synthies und den Trademark-Percussions umso mehr. Letztendlich ist das alles aber egal – was zählt ist auffem Platz. Und da kann „Enigma“ vollends überzeugen. Jeder Song ist eingängig, viele sind mit hitverdächtigen Refrains ausgestattet und überraschen immer wieder, ohne die ILL NINO-typischen Merkmale aus den Augen zu lassen. Bestes Zeichen für die Güteklasse der Scheibe ist die Tatsache, dass trotz mehr als 50 Minuten Spielzeit zu keiner Sekunde Langeweile aufkommt. „Enigma“ rockt, schlicht und einfach!
Eine Prozession (so der Name der Band übersetzt) der besonderen Art liefern uns die Finnen SAATTUE. Denn wer bei der Erwähnung der Nationalität in Zusammenhang mit dem verwendeten Doom Metal auf eine typische Veröffentlichung schließen will, der irrt. Ntaürlich denkt jedermann zu allererst an Kapellen wie Paradise Lot (alt), Swallow The Sun oder andere typische Genrevertreter –zumal die 2001 gegründete Formation tatsächlich vieles an Elementen dieser Kollegen verarbeitet. Indes: Während Paradise Lost in ihren vergleichbaren Anfangstagen irgendwie rauer waren, während Swallow wesentlich depressiver und Moonsorrow viel epischer klingen, da hören sich SAATTUE trotz durchaus komplizierter Songstrukturen fast frohgelaunt an. Das liegt einerseits an den unglaublich eingängigen Refrains, die Sänger Tuukka Koskinen eben nicht growlt, sondern rau singt (und stellenweise auch mehr als brauchbar klar singt). Erfreulich: SAATTUE binden weibliche Chöre ein - ohne diesen nervigen, bombastischen Firlefanz (wie er auch gern in Holland Anwendung findet) – klasse. Durch die ausschließlich finnischen Texte bekommt die Musik zusätzlich einen leicht folkloristischen Einschlag, ohne dass SAATTUE diese Richtung auch instrumental unterstützen. Die sechs Skandinavier machen rifforientierten, abwechslungsreichen Doom-Death – aber ihnen ist ein Rest Hoffnung geblieben.
Die Norweger SJODOGG bestehen aus (Ex-) Mitgliedern von CREST OF DARKNESS, ENTHRAL und THE FLESH und wollen laut eigener Aussage „dunkle Musik mit dem Schwerpunkt auf Atmosphäre und Groove“ spielen, was dem Vierer auch ganz gut gelingt, zumal die Entscheidung, kein High-Tech-Geballer zu praktizieren, sondern eher minimalistisch und old-schoolig vorzugehen, die Zugänglichkeit zum Songmaterial noch verstärkt. SJODOGG scheuen bei ihrer Mischung aus Black (mehr)- und Death Metal (weniger) weder leicht progressive Ausflüge in Form geschickt platzierter Breaks noch diverse Spoken Word-Parts, was „Landscapes Of Disease And Decadence“ zu einer sehr hörenswerten, wenn auch nicht überragenden Angelegenheit werden lässt. An ihren Songwriting-Künsten müssen Dracuneulus, Vulnus und Co. noch etwas arbeiten, da kein Song der Scheibe dauerhaft im Ohr hängen bleibt und sich mitreißende Hymnen auch noch nicht ausmachen lassen. Einen schlechten Job macht die Band aber nicht, so dass Freunde von anspruchsvolleren, aber rohen Klängen ruhig mal reinhören dürfen.
Black Metal aus Frankreich hat ja in der Szene immer noch eine Ausnahmestellung, da unsere Froschfahrgestell-mampfenden Nachbarn in Sachen härterer Klänge stets zurückhaltend waren und kaum nennenswerte Bands hervorgebracht haben. Doch inzwischen gibt es etwa mit (den in letzter Zeit besser gewordenen – früher war´s nicht auszuhalten!) BLUT AUS NORD oder den famosen DEATHSPELL OMEGA ein paar interessante Zuwächse, die die Szene eher bereichern denn zum Abwinken anregen. Eine weitere dieser neuen Bands nennt sich HEGEMON und veröffentlicht mit „Contemptus Mundi“ bereits ihr drittes Album, das ebenfalls sehr positiv überrascht. Das Quartett mit den sehr kryptischen Namen beherrscht die alte norwegische Schule, klingt auf der einen Seite räudig genug, die Basis zu bedienen, kann auf der anderen Seite aber auch mit großer Musikalität, einem Schuss Progressivität und einer kraftvollen Produktion glänzen, die auch notorische „Das klingt alles zu sauber!“-Nörgler zufrieden stellen sollte. HEGEMON schaffen also den gerade im Black Metal schwierigen Spagat zwischen Tradition und Moderne spielend und stellen Qualität an erste Stelle. Etwas packender könnten die kalten Hymnen zwar noch sein, aber etwa mit dem bombastischen, tollen „Asakku“ oder dem geilen „Eli, Eli, Lamma Sabacthani“ zeigen sie schon, was machbar ist. Falls sie diese Klasse beim nächsten Mal über ein komplettes Album hinweg halten, ist ganz locker der „Tipp“ drin!
Der Hype um die umbenannten Tulpenfresser geht manchem gewaltig auf die Testikel. Klar, sie machen gute Musik, dennoch klingen LOTD einfach viel zu berechnet, Thrash aus dem klinischen Labor sozusagen. Das könnte man den Finnen THE SCOURGER oberflächlich sicherlich auch attestieren, spielt(e) doch ein Mitglied bei Gandalf, sicherlich alles andere als eine Referenzgröße in Sachen Thrash Metal. Aber nein, nein, nein, bei den Skandinaviern haut das nicht, sie haben schlichtweg eine saubere Arbeit hingelegt. Krankte der Vorgänger vielleicht noch an einer gewissen Beliebigkeit, so sind die Finnen auf ihrem zweiten Album einen gewaltigen Schritt weiter. Mit viel mehr Herz als eben - zum Beispiel - die holländischen Genrekollegen thrashen sich THE SCOURGER durch eine knappe Stunde - und das mit jeder Menge Feeling (Und mit dem Live-Bonustrack "Hatehead"). Wer braucht den x-ten lauen und missgelaunten Testament-Aufguss, wenn es hier frischen, lustvoll gespielten Stoff gibt? Thrash, wie er sein soll - hart, groovig und eben nicht zu modern.