Als das noch nicht ganz ausgereifte (aber schon ziemlich gute) Debüt „Kraft“ der Norweger VREID im Jahr 2004 erschien, wirkte die Band noch wie ein erzwungener Reanimationsversuch der durch den Tod ihres Masterminds Valfar auseinandergebrochenen WINDIR. Doch schon der Zweitling „Pitch Black Brigade“ ließ aufhorchen und war ein echter Underground-Tipp, dem man mit „I Krig“ einen mehr als ebenbürtigen Nachfolger hinterherschob. „Milorg“, das sich thematisch mit der gleichnamigen, norwegischen Widerstandsgruppe (Military Organization) gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg auseinandersetzt, perfektioniert die Mischung aus Black Metal und kernigem Rock´n´Roll weiter und ist in Sachen Songwriting das bisherige Meisterstück der Band! VREID klingen auf ihrem vierten Album einen Tick weniger dreckig als auf den Vorgängern, haben dafür aber den Bombastfaktor heraufgesetzt und beeindrucken nun mit grandios eingebauten Gänsehautchören, die aus fast jedem Song eine Megahymne machen. Am überlangen, göttlichen Opener „Alarm“ (überragender Text!) kann man sich schon nicht satt hören, das treibende „Disciplined“ nimmt nicht weniger gefangen, bevor der geile Ohrwurm „Speak Goddamnit“ die mächtige „Uffta“-Schlagseite der Band offenbart. Auch von den restlichen Kompositionen bekommt man allein schon durch die oft äußerst geschickte Wahl der Worte einfach nicht genug. Ich habe selten erlebt, dass die Verzahnung von nach vorne peitschendem Midtempo-Black Metal, eingängigen Melodien, einem Schuss Progressivität (besonders gegen Ende der Scheibe), intelligentem (Text-) Konzept und songdienlichem, effektiv eingestreutem Monumentalsound so mühelos funktioniert. „Milorg“ ist eines der stärksten Alben, die in den letzten Jahren in Norwegen zurechtgebogen wurden und zeugt davon, dass diese Band ihre Daseinsberechtigung in der Szene mehr denn ja verdient hat. Super!
ARCHITECTS sind das gelungene Beispiel einer brutalen Metalcore-Band, die es versteht gute Songs zu schreiben. Ist ja bei vielen Cmobos heute nicht mehr üblich, gerade die Briten-Chose tut sich schwer damit. Die Brightoner sind anders und lassen „Hollow Crown“ zu einem Lehrstück in Sachen Zugänglichkeit bei gleichzeitiger Brutalität und technischer Finesse werden. Da wird nicht stumpf Part an Part geklatscht, ohne zu schauen, ob das passt, und da hat der Sangesknabe mehr drauf als Pig Squals und Growls in abwechselnder Reihenfolge. Nein, ARCHITECTS machen mehr: der Gesang ist oft tatsächlich ein solcher, kann aber auch in den heftigen Tonlagen bestehen, während sich im Songaufbau Struktur findet, die vom reichlichen Hirnschmalzeinsatz zeugen. Die zwölf Songs sind nachvollziehbar, auch wenn sie stellenweise chaotisch sind (so widersprüchlich das klingen mag), hier sind Komplexität und Eingängigkeit keine Widersprüche, sondern ergänzen sich. Abgerundet wird die gute Scheibe mit einem rohen, fast schon punkigem Sound, der aber wie die Faust aufs Auge passt und „Hollow Crown“ endgültig zu einem der besten Scheiben aus dem brutalen Metalcore-Lager seit Langem macht.
„Serbian Metal Of Black Death” – so nennt diese aus dem Osten Europas stammende Formation ihren Stil, der sich tatsächlich irgendwo in der gemeinsamen Schnittmenge aus flottem Black (mehr)- und Death Metal (weniger) befindet. Trotz zahlreicher Veröffentlichungen seit dem Gründungsjahr 1995 dürften MAY RESULT dem Großteil des Zielpublikums aber eher unbekannt sein, und auch „Slava Smrti“ wird nicht groß dazu beitragen, dass sich daran etwas ändern wird. Das liegt nicht etwa daran, dass das Album zu schlecht wäre, aber es fehlt der Band eindeutig die Identität, aus der Masse herauszuragen. „Slava Smrti“ kommt kraftvoll produziert und bombastisch (dabei aber nicht zu kitschig; das Keyboard wird nicht überstrapaziert) daher, kann mit seinen Songs aber nur bedingt überzeugen. Zu unspektakulär klingt das Material, denn man meint, alle Ideen schon einmal bei anderen, stärkeren Bands (zum Bleistift DIMMU BORGIR, CATAMENIA oder DRAGONLORD) gehört zu haben. Am Ende bleibt ein solides bis stellenweise wirklich gutes Album, das keinen Genre-Fan maßlos enttäuschen dürfte, das aber leider nicht genug Substanz besitzt, MAY RESULT einen größeren Platz in der Szene zu erstreiten.
BLODTRU ist ein Projekt des dänischen Black Metallers Trúa, der auch noch in anderen Bands und Projekten, unter Anderem MORKHEIM, herumwildert. Laut Info auf der Homepage soll „The Death Of The Spirit“ eine Hommage an die Zweite Welle des Black Metal Anfang der 90er sein, was rein stilistisch auch hinkommt. Dünn produziert und rotzig, kann das Album aber absolut gar nix. Es wird monoton dahingerifft, gekeift und jeglicher Anfall von spannendem, gelungenem Songwriting im Keim erstickt. Am Ende steht auch noch eine „epische“, akustische Soundcollage, die dieser stinklangweiligen Angelegenheit noch das Krönchen aufdrückt. Mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen, außer noch die Erkenntnis hinzufügen, dass Bands wie DARKTHRONE, MAYHEM, GORGOROTH oder EMPEROR mit solch einer Grütze niemals so groß geworden wären. Rohstoffverschwendung!
Damals, in den Neunzigern ,als die Welt noch einfacher, Fanzines noch auf Papier gedruckt und Crossover kein Schimpfwort war, kam aus New York eine Combo, die auf den Namen DOG EAT DOG hörte und mit “All Boro Kings“ eine der grandiosesten Scheiben ever ablieferte, die jemals aus dem Big Apple kamen. Wild gemsichter Metal, Hardcore, Punkrock, HipHop und sogar Pop verschmolzen zu einer unwiderstehlichen Mischung und fanden in den Kulthits „Who’s The King“ und „No Fronts“ ihren Höhepunkt, wobei die restlichen Songs keinen Deut schlechter sind und immer noch jede Revival-Party bereichern. Ach was, auch die Kids von heute sollten die Scheibe schätzen lernen. Der Bläsereinsatz bei „Who’s The King“ oder die charismatische Stimme von John Connor lassen einfach niemanden kalt. Mehr als eine halbe Million verkaufte Scheiben sprechen für sich, ebenso ausgbiebige Touren und die Tatsache, dass selbst DOG EAT DOG-Jungfrauen beim Hören von „All Boro Kings“ nach zehn Sekunden Tanzen. Diese Scheibe ist einfach großartig – und das Vermächtnis einer Band, die danach mit zu vielen Problemen und Line-Up-Wechseln zu kämpfen hatte, als dass sie an dieses Album noch einmal rankam. Also beim Hören immer eine Träne im Knopfloch haben.
FARTHER PAINT liefern mit „Lose Control” ein Werk progressiver Rocks und Metals ab, das mit komplexen Kompositionen einerseits und verdammt schönen und eingängigen Gesang andererseits zu punkten weiß. Für letzteres zeigt Frontfrau Monia Rossi verantwortlich, für die handwerklich mit hohem Anspruch umgesetzten Instrumentalparts ihre italienischen Landsleute, wobei, typisch Italien, ein Schwerpunkt auch auf den Keys liegt – Geschmackssache das. Nach obligatorisch kurzem Intro (die Herren zeigen mal was sie können) gibt „Hold On“ einen guten Überblick über die Scheibe. Eine hohe, mit leichten Soul-Touch versehene Gesangsstimme, welche man so in diesem Genre eher nicht vermuten würde und vertrackte Strukturen, die trotzdem im Ohr bleiben – leider nicht ganz so fett produziert und trotz härterer Part eher in gemäßigteren Gefilden angesiedelt. Auch die kurze Pianoballade „Chains“ mit seinem Fokus auf den einfühlsamen Gesang und das klasse gefrickelte „Illusion In My Hand“ kommen gut rüber; zu Beginn des abgefahrenen Instrumentalstückes „Anger” wird man erst einmal an die gute alte Radiozeit erinnert – es dauert bis der Empfang klar ist. Das locker experimentelle „Inside The Cage“ geht dann nicht nur dank der gefühlsbetonten Vocals direkt ins Herz, auch die instrumentale Fraktion findet hier den Mittelweg zwischen Anspruch und Eingängigkeit. Recht kurzweilig, und so darf der aufgeschlossene Proggi bei FARTHER PAINT ruhig mal reinhören.
So der Brüller ist das Wortspiel des Bandnamens auch nur beim ersten Mal, aber was soll’s? FREE KEY BIT CHESS fahren Gottseidank nicht auf der Fun-Metal-Welle, sondern rockern sich durch zehn erdige, gradlinige Metalsongs, die irgendwo zwischen METALLICA, PRESIDENT EVIL und den seligen CRACK UP liegen. Mit dem Opener und gleichzeitigem Titeltrack haben die Herren dabei ihren besten Song gleich am Anfang verballert, danach flacht das Niveau deutlich ab und pendelt sich im Mitelmaß ein. Technisch machen FREE KEY BIT CHESS keine Fehler, im Gegenteil: der Gesang ist passend-kratzig, die Gitarren machen ordentlich Druck und die Rhythmusabteilung macht ihren Job unauffällig, aber gut. Aber so recht will der Funke nicht überspringen, zu oft klingt das Ergebnis belanglos, ausgelutscht, schon besser gehört. Live dürften die Songs gut Stimmung machen, gerade mit fünf Bier im Kopf, aber auf Platte ist das nicht so recht überzeugend.
THE EYES OF A TRAITOR sind jung, britisch und haben sich dem brutalen Metalcore verschrieben, der mittlerweile unter der unsäglichen Bezeichnung Deathcore so populär geworden ist. Damit ist die Ausgangslage für „A Clear Perception“ schon mal klar: brutal as fuck, auf hohem technischen Niveau wird vorgegangen. Aber wie so viele Kollegen haben auch THE EYES OF A TRAITOR das Problem, dass sie keine guten Songs schreiben können, was sie von beispielsweise BRING ME THE HORIZON unterscheidet. Da nützen auch viele Breaks und clean gesungene Parts nichts, wenn kaum was davon beim Hörer hängen bleibt. THE EYES OF A TRAITOR ballern sich durch ihre Scheibe, klingen dabei wie tausend andere Bands und sind sofort nach Ende ihrer zehn Songs aus dem Gehirn des Hörers verschwunden. Braucht kein Mensch.
Aus Oslo kommt mit DEATH IS NOT GLAMOROUS schon seit längerem eine ordentlich Dosis old schooligen Hardcores, der in der Tradition von GET UP KIDS oder KID DYNAMITE steht, erweitert um punkrockigen Sound, wie ihn beispielsweise I WALK THE LINE (um mal in der skandinavischen Ecke zu bleiben) machen. „Soft Clicks“ ist das neueste Album der norwegischen Bande und bietet wieder einmal erstklassige Songs, die aggressiv und eingängig gleichermaßen sind, mal verspielt und mal roh-direkt („New Ways To Breathe“) aus den Boxen kommen, angetrieben von rastlosem Drumming und mit einem Gesang gesegnet, der rotzig-aggressiv überzeugt. Dass das die Gitarrenarbeit ebenfalls nicht von schlechten Eltern sein kann, sein darf, versteht sich von selbst. Beigemischt wurde immer wieder Punkrock mit Melodien und fast schon tanzbaren Parts („To Tell You The Truth“), was im Endergebnis eine abwechslungsreiche Hardcore-Platte ergibt, die zu keiner Zeit langweilig wird und mit immer neuen Einfällen überrascht.
Soso, kaum hat sich Onkel Gaahl als Halford des Black Metal geoutet (rosa Corpsepaint ist Krieg!), schon weicht er zu deutlich harmloseren Projekten ab, denn WARDRUNA, die 2002 von Einar Kvitrafn Selvik (ebenfalls GORGOROTH, SAHG, etc.) gegründete Band, spielt norwegischen Folk, den außer einer gewissen, düsteren Grundstimmung nix, aber auch rein gar nix mit Schwarzmetall verbindet. Gitarren, Drums und Bass sucht man auf „Gap Var Ginnunga“ vergebens, dafür werden reichlich undefinierbare Chöre (teils mit dem weiblichem Gesang von Lindy Fay Hella), Percussion-Werkzeuge (diverse Hölzer, wie es sich anhört) und eine Fiedel geboten, die zum größten Teil vom Bandgründer selbst in Szene gesetzt werden. Das gesamte Album klingt wie eine Mischung aus Lagerfeuer- und Beschwörungsmusik, die irgendwo in den tiefsten norwegischen Wäldern zelebriert wird und die gruseligen Geister der verblichenen Urahnen herbeirufen soll. Ein Stück wie das hypnotische „Jara“ hat sicher seine Reize, aber so ganz will sich mir diese still und leise vor sich hinplätschernde Musik nicht erschließen. Vielleicht fehlt mir dafür einfach die spirituelle Wahrnehmung, vielleicht ist „Gap Var Ginnunga“ aber auch genauso hirnrissig und überflüssig wie Ihsahns HARDINGROCK-Projekt. Fahrstuhlmusik für Nordlichter oder so…