Mit dem Fünfer aus Fulda verhält es sich seit den letzten beiden Alben so ähnlich wie mit einem Dreier: Die Erwartungen daran sind hoch, der Akt selbst macht durchaus Spaß, aber zum Ende hin ist die Sache ziemlich anstrengend und man ist froh, wenn es vorbei ist.
Nach Tobias Sammets wirklich beachtlichem Doppelpaukenschlag "The Wicked Symphony" / "Angel Of Babylon" war die Vorfreude bei den Fans auf das neue EDGUY-Werk "Age Of The Joker" riesig. Wird der kleine Kerl mit der großen Stimme nach zwei eher verhalten aufgenommenen Platten wieder zu alter Stärke zurückfinden oder geht man den mit "Tinnitus Sanctus" eingeschlagenen Weg gar noch ein Stück weiter? Die Antwort liegt - wie so oft - irgendwo dazwischen...
Der Beginn der neuen Scheibe macht auf jeden Fall Bock auf mehr, denn die Single-Auskopplung "Robin Hood" ist ein gutes Vorspiel: Ein eingängiger Refrain, Tempowechsel in den Strophen, ein atmosphärisches Zwischenspiel - da regt sich der kleine Metaller im Schritt. Auch das folgende "Nobody´s Hero" heizt die Lust weiter an und erinnert wegen des vergleichsweise aggressiven Riffings an JUDAS PRIEST und Konsorten. Ein erster kleiner Höhepunkt ist der dritte Track der Platte: "Rock Of Cashel" erinnert Fans der Band musikalisch sofort an "Jerusalem" vom innig geliebten "Mandrake"-Album und besticht ebenso wie sein geistiger Vorläufer durch keltisch-folkloristische Einschläge, einen Bombenrefrain und ein tolles Solo. Die Zigarette danach hört auf den Namen "Pandora´s Box", bietet wildromantische Wilder Westen-Atmosphäre und verdeutlicht die nach wie vor vorhandene Experimentierfreudigkeit der Band, um auch nach vielen Ehejahren im musikalischen Schlafzimmer interessant zu bleiben. Hier funktioniert das ganz gut, denn die Nummer hat einen guten Chorus und gibt dem Hörer Zeit zum Atem schöpfen für Runde Zwei des auditiven Liebesspiels.
Diese Runde wird von einer traditionellen EDGUY-Nummer eingeläutet: "Breathe" ist schnell, hat flashige Keyboards und einen echten Sing-along-Refrain - da ist man schnell wieder auf Touren, das Melodic Metal-Herz schlägt schneller und man ist bereit, wieder richtig loszulegen. Doch dann passiert es: Die silberne Partnerin, die bisher alles richtig gemacht hat und sich erotisch in ihrer CD-Schublade unter dem Rotlicht geräkelt hat, bringt mit "Two Out Of Seven" einen echten Abturner. Spaß hatte die Band dabei zwar bestimmt, denn der Track besticht durch einen witzigen Text – leider allerdings nur dadurch, denn musikalisch ist die Nummer meiner Meinung nach ein Totalausfall. Die Keys zu Beginn erinnern an den 90er-Jahre Nerv-Hit „Narcotic“ und die Refrainmelodie klingt irgendwie nach Toni Braxton. Einmal anhören, schmunzeln und in Zukunft bitte nur noch skippen. Das folgende „Faces In The Darkness“ ist da schon ernsthafter. Wir bewegen uns im Mid-Tempo-Bereich, doch irgendwie zündet das Ganze nicht wirklich - der Refrain ist zwar Sammet typisch ganz nett, doch leider ist das Stück ziemlich flach. Und wer will schon ein flaches, nettes Stück im Bett haben, wenn er im Zweifelsfall auch ein wohlgeformtes, dreckiges Miststück haben kann? Zum Glück für alle EDGUY-Fans geht "The Arcane Guild" wieder intensiver zu Werke. Die Nummer bietet einfach das, worauf die Zielgruppe steht und wofür die Leute die Band immer geliebt haben: schnell, positiv, mitreißend - eine gelungene Wiedergutmachung!
Der nymphomane Metaller ist natürlich immer noch nicht am Ende. Also auf zu Runde drei! "Fire on The Downline" ist ähnlich gehalten wie "Faces In The Darkness": Mittleres Tempo, hardrockiges Riffing, netter Refrain, doch auch hier springt der Funke nicht gänzlich über ebenso wenig beim darauf folgendem "Behind The Gates To Midnight World". Der Track beginnt mit einem bockstarken Metallica ähnlichen Riff und nimmt dann das Tempo und die Aggressivität leider fast komplett raus. Den Abschluss des Silberlings stellt "Every Night Without You" dar, die obligatorische Ballade. Ein nettes letztes Kuscheln mit der Partnerin, ehe man einschläft mit der Gewissheit, dass man sich sicherlich noch ein paar Mal unverfänglich zum Spaß haben treffen wird - die Frau für´s Leben ist mit "Age Of The Joker" aber nicht gefunden worden. (Micha J.)
Age Of The Joker
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
11
Länge:
65:0 ()
Label:
Vertrieb:
Review: Raised In Captivity
JOHN WETTON war und ist mit seinem charismatischen Timbre noch immer einer meiner absoluten Lieblingssänger. Der britische Bassist hat Anfang der 80er mit der Gründung von ASIA, einer der ersten sogenannten Supergroups mit prominenten Mitmusikern, einige wirklich lohnenswerte Alben veröffentlicht. Zuvor war er bereits in so bekannten (Prog)Formationen wie WISHBONE ASH, URIAH HEEP oder KING CRIMSON aktiv. Nach dem erfolgreichen ASIA-Comeback 2006 ist der Gute wieder voll ausgelastet und neben diversen Touren mit den Bombastrockern sowie dem letzten Output hat er sogar noch die Zeit gefunden mit "Raised in Captivity" ein weiteres Solowerk aufzunehmen.
Für dieses Album hat sich der mittlerweile 62-jährige zwar einige hochkarätige Gastmusiker wie u.a. Steve Morse (DEEP PURPLE), Robert Fripp (KING CRIMSON) oder auch Steve Hacket (GTR, GENESIS) mit an Bord geholt aber auch die können dieses allenfalls gerade noch so als mittelmäßig zu wertende Album nicht herausreißen. Bei mir jedenfalls macht sich schon etwas Enttäuschung breit, soundlich sind einige Tracks natürlich schon mit typischen ASIA-Sachen vergleichbar, dies liegt aber sicher auch hauptsächlich an der tragenden Stimme. Ansonsten wird hier durch weniger Keyboardpräsenz der Bombastanteil merklich nach unten geschraubt, die Gitarren der Gäste dürfen sich mehr in den Vordergrund spielen. Nur es sind einige zu viele und vor allem arg seichte pathetische Schnulzen (erinnern etwas an die ICON-Sachen zusammen mit Tastenguru Geoff Downes) auf dem Silberling vertreten. Der Großteil des Materials dieser zwölf Tracks bietet vielfach nur passable Ansätze und sicher viel guten Willen etwas vom Gewohnten wegzukommen. Aber was hauptsächlich fehlt sind wirklich hängen bleibende große Melodien und catchy Refrains – an das letzte recht gute ASIA-Werk „Omega“ kommt Wetton hier qualitätsmäßig leider nicht im entferntesten ran.
Vieles plätschert einfach zu belanglos oder schlicht etwas langweilig dahin, zig Refrainwiederholungen (u.a. bei dem melancholischen “The Devil In The Opera House” könnte auch ein ASIA-Song sein aber warum sieben Minuten lang - der musikalische Inhalt reicht für knappe drei) ziehen einige Songs nur künstlich in die Länge. Die vielen gezogenen „uhhuus“ u.a. beim Titelsong reißen ebenfalls nichts raus und sind für einen Sechzigjährigen auch eher etwas peinlich. An der Stimme als solche liegt es ganz klar nicht, die ist nach wie vor klasse, sehr volumig mit typischen Timbre und auch live habe ich ihn zuletzt auf der letzten Asia-Tour absolut in guter Form gehört.
Es liegt leider einfach am recht unspektakulären Songwriting, nur drei,vier mit viel Wohlwollen fünf solide Songs auf einem Album sind schlichtweg viel zu wenig für so einen profilierten Musiker. Vielleicht hätte er sich lieber etwas mehr Zeit nehmen sollen, um manches besser auszuarbeiten. Der relativ schnelle und kraftvolle Opener „Lost for Words“ wartet mit einem guten Gitarrensolo auf, es klingen schöne Hammonds durch – ein solider Start. Der flotte Titelsong "Raised In Captivity" (mit Morse an den Saiten) hätte schon noch etwas besser funzen können wären die erwähnten banalen „uhhus“ nicht und dann folgt gleich der Tiefpunkt des Albums das unheimlich lasche und total seichte „Goodbye Elsinore“. Weitere nicht viel bessere Songs sind das zwar recht rockige (mit Mick Box) mit einem schwachen Refrain aufwartenden „New Star Rising“, das auch textlich recht platte AOR-Gegurke „We Stay Together“ und die gräusliche Ballade „Don’t Misunderstand Me“.
Das etwas „verschachtelte“ und mit vielen Tempowendungen versehene „The Last Night Of My Life“ überzeugt hingegen auch mit schönen mehrstimmigen Backings genauso wie das eher etwas schleppend startende „The Human Condition“ mit relativ krachendem Rockambiente. Beide Songs erinnern stark an YES zu mainstreamigeren Zeiten – kein Wunder hier war ex-YES-Mann Tony Kaye an den Tasten dabei. Weitere positive Sachen sind „Steffi's Ring", eine leider zu kurze melancholische Folknummer die Downes mit gelungenen Panflöten-Klängen veredeln darf. Der mit Abstand stärkste Song kommt erst zum Schluss denn die tolle etwas düstere orchestrale Hymne „Mighty Rivers“ ist ein tolles Duett von Wetton zusammen mit der niederländischen Sängerin und ehemaligen THE GATHERING-Frontfrau Anneke Van Giersbergen. Hier harmonieren diese beiden außergewöhnlichen Stimmen in schönen Wechseln perfekt.
Letztlich kann Wetton (die Fanbrille mal abgesetzt) mit diesem achten Solowerk leider nur teilweise überzeugen und ganz sicher nicht sein bestes Werk abgeliefert. Daher empfehle ich allen Nichtfans lieber seine wohl stärkste Scheibe „Battle Lines“ aus dem Jahr 1994, die ist qualitativ einfach besser.
Raised In Captivity
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
12
Länge:
54:25 ()
Label:
Vertrieb:
Review: In The City Of Wandering Lights
THE STATIC AGE kommen ursprünglich aus der Punk-Ecke. Ein Hinweis darauf ist schon der Bandname, immerhin haben sie sich nach dem ersten MISFITS-Album benannt. Auf ihrem neuesten Album „In The City Of Wandering Lights“ hört man davon allerdings nicht mehr viel. Vielmehr klingt es so, wie der Albumtitel vermuten lässt: atmosphärisch, ruhig, verträumt, sanft – und auch ein bisschen kitschig.
Alles passiert sehr dezent, die Gitarren sind zwar gut hörbar, aber gedämpft und in den Hintergrund gestellt worden, die Drums geben den Rhythmus vor, ohne allzu sehr zu ballern, und auch der stark im Vordergrund stehende Gesang ist oft hauchig, kommt aber auch an den lauteren, mit viel Pathos gesungenen Passagen nie zu direkt, sondern immer auch etwas zurückhaltend daher. Dazwischen liegen oft Keyboard-Flächen, und ab und zu hört man auch den Bass ein bisschen pluckern. Soundmäßig bedient man sich oft bei den 80ern, was vor allem bei den Gitarren und den Keyboards hörbar ist.
Alternative oder Indie-Rock könnte man das nennen, aber das „Rock“ scheint hier schon fast fehl am Platze, denn gerockt wird auf diesem Album eigentlich gar nicht. Vielleicht würde so etwas wie Ambient-Rock passen, aber das ist nun wirklich eine schlimme Wortkombination. Aber seien wir ehrlich: Allzu aufregend ist diese Scheibe nun mal wirklich nicht. Vielleicht nicht schlimm, aber doch sehr gleichförmig und auch – na ja – lahm. Zu ruhig, zu schön, zu wehmütig, zu sehr auf Atmosphäre bedacht und dafür den Song vernachlässigend. Passagenweise klingen alte U2 oder auch COLDPLAY durch. Beide Bands kann man mögen oder nicht, aber die können wenigstens Songs schreiben.
Die Musik von THE STATIC AGE seiert aber nur ohne irgendwelche Höhepunkte vor sich hin, ohne das irgendetwas hängenbleibt. Ihrem Bandnamen machen die Jungs mit diesem Album wahrlich keine Ehre, und man kann nur hoffen, dass sie vielleicht irgendwann doch noch mal die Kurve zurück zu ihren musikalischen Wurzeln kriegen.
In The City Of Wandering Lights
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
8
Länge:
36:9 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten