Wenn eine Band nach einer langen Auszeit wieder mit neuem Material vorstellig wird, dann ist oftmals Skepsis angesagt. TOXIK jedoch haben das ganz clever gemacht und nichts überstürzt. So gab es erst einmal ausgiebige Touren und die eine oder andere EP als Testballon. Teils mit neu eingespielten alten Nummern und teils auch mit neuen Stücken. Live konnten sich TOXIK in den letzten Jahren immer weiter steigern, was auch dem stabilen neuen Line-Up geschuldet ist. Aber gerade, weil TOXIK live so ziemlich alles wegblasen, war ich sehr gespannt, was die Herren uns auf "Dis Morta" präsentieren. Um es vorwegzunehmen: Es ist der absolute vertonte Wahnsinn. Ultratechnischer Thrash, welcher zwischen VOIVOD-artigen Dissonanzen und WATCHTOWER-Breaks hin und her pendelt und es dabei sogar noch schafft, dies mit prägnanten Songs und eingängigen Melodien zu verbinden. Bei aller Komplexität überfordert "Dis Morta" nicht. Es lädt zum Headbangen genauso ein wie zum analytischen Hören unter dem Kopfhörer. Für eine Thrash-Band von immanenter Wichtigkeit sind Power und Aggression, und auch das gibt es hier ohne Ende. Die 23 Jahre seit dem zweiten Album "Think This" haben Mastermind Josh Christian reifer werden, aber nicht auswimpen lassen. Darüber hinaus hat er mit dem lebenden Gummiball Ron Iglesias einen Sänger an seiner Seite, der nicht nur intelligente Texte beisteuert, sondern auch mit einer zu den Songs psychotischen Performance glänzt. Ein absoluter Maniac hinter dem Mikro. Aber auch der Rest der Mannschaft (Drummer James DeMaria, Gitarrist Eric Van Druten und Basser Shane Boulos) sind wichtige Teile im Gesamtkunstwerk TOXIK. Gerade live wird die gute Stimmung innerhalb der Band mehr als deutlich, und diese Energie hat sich nun offensichtlich auf das Album übertragen.
Neben dem Grundgerüst aus meist sehr speedigen Abfahrten, sind es die Überraschungen, die Feinheiten, die aus einem sehr guten Album einen modernen Klassiker machen. Der fast schon symphonische Refrain im Titelstück, der kurze Friedman/Becker-Tribut in "Feeding Frenzy", das "PINK FLOYD-Break" in "Hyper Reality" oder der balladeske Beginn von "Devil In The Mirror" (bevor ein rasendes Riff jedwede aufkeimende Romantik pulverisiert). Nichts davon geht aber auf Kosten der Power. Ein Stück wie "Straight Razor" hätte auch auf "World Circus" eine gute Figur gemacht. Das Album strotzt nur so vor technischen Kabinettstückchen, die aber kein Show-Off bedeuten, sondern kompositorisch sinnvoll den jeweiligen Song bereichern. Man ertappt sich öfter dabei zu denken: "das kann jetzt aber echt keinen Sinn machen", und trotzdem funktioniert es. Es ist ein Paradigmenwechsel im klassischen Songwriting. Christian schafft es, Puzzleteile, die eigentlich nicht zusammenpassen, so zu verbinden, dass, am Ende vollkommen überraschend, ein stimmiges Gesamtbild dabei herauskommt.
TOXIK haben das Kunststück fertig gebracht, ein neues, frisches, zeitgemäßes und vor allem relevantes drittes Album zu komponieren, ohne mit der eigenen Vergangenheit brechen zu müssen. Es mag wie pure Häresie klingen, aber nachdem das Album nun über einen Monat lang sehr regelmäßig hier lief, bin ich geneigt zu behaupten, dass es das beste TOXIK-Album ist, da es die Stärken der beiden legendären Vorgänger bündelt und zusammen mit einer juvenilen Frische ein Gesamtkunstwerk darstellt, welches ich so schon lange nicht mehr gehört habe. Also den 05.08.2022 rot im Kalender anstreichen, denn da wird "Dis Morta" in die Welt gelassen.
Eintöpfe sind was Feines, und ich liebe es, für eine Party etwas im großen Topf zuzubereiten. Ob das nun ein Gulasch, Pichelsteiner, eine Soljanka o. Ä. ist. Zuweilen gönne ich mir auch gerne musikalische Eintöpfe, wenn die Zutaten passen.
RXPTRS (gesprochen: RAPTORS) ist ein Quintett aus Bristol (UK), das uns mit seinem ersten Longplayer nun ein leckeres Süppchen zubereitet hat. Die Jungs machen schon seit 2018 zusammen Musik (2019 gab´s eine 5-Track-EP mit dem Titel "I") und haben aktiv an der produktiven Musik- und Kunstszene ihrer Heimatstadt mitgewirkt, bevor sie sich gefunden haben. Da sie zuvor in zahlreichen Bands spielten, konnten sie die Quintessenz aus allem zusammentragen, und herausgekommen ist ein mannigfaltiges Album mit dem Titel "Living Without Death's Permission". Die Hauptkomponente ist moderner Metal, gepaart mit Punk, Rock und Hardcore, der aber nie die Melodie aus dem Focus verliert. Simon Roach (Gesang) erklärt hierzu "Wir kommen alle aus unterschiedlichen Bereichen und haben uns von so vielen verschiedenen Genres inspirieren lassen. Wir wollten einen Sound hören, der all diese Einflüsse vereint, also dachten wir: "Lasst uns diese Band sein". Ich verstehe vollkommen, dass Genres helfen, die Leute zu lenken, aber wir wollen diese Stabilität nicht. Ich habe das Gefühl, dass nichts Großartiges aus einer Komfortzone kommen kann."
Die CD startet furios mit dem punkigen "Burning Pages", im nächsten Track wähnt man sich jedoch schon fast in einem anderen Genre, wenn mit "Rock Bottom (Is A Stepping Stone)" das erste Highlight die Zunge schnalzen lässt. Nach zornigem Einstieg gelangt man an eine Schicht, die nahezu süßlich schmeckt, um im nächsten Moment angenehm scharfes Brennen zu verspüren. Hier geben sich hymnischer Rock und Metalcore gleichsam die Hände. Die Kombination der verschiedenen Zutaten gibt dem Ganzen einen individuellen Geschmack, der unter anderem die Spannung auf der Platte extrem hoch hält. Jede einzelne Nummer variiert mehrmals an Härte und Struktur und gleicht, durch den alternierenden Gesangsstil von Simon, gelegentlich einem Zwiegespräch, das ermit sich führt. "The Death Rattle" enthält außer bereits genannten Ingredienzien noch eine Prise Rockabilly und eine gute Portion Chorgesang, die diesen Song zu etwas ganz Besonderem macht, ja ich bin sogar versucht, hier einen Querverweis zu "Bohemian Rhapsody" (QUEEN) zu ziehen. Das letzte Drittel der Scheibe ist eine Spur leichter und wird mit der großartigen Ballade "Cold Ground" eingeleitet. "The Frail" hinterher, kommt zwar mit Metalcore aus den Startlöchern, mutiert aber zum Ende hin ebenfalls in eine wunderschöne Ballade. Das Sahnestückchen kredenzt uns RXPTRS allerdings zum Schluss. "Let Me Die How I Want" ist ein episches Stück über sieben Minuten, das nicht nur die Klasse und vor allem das gesamte Spektrum der Engländer sowie dieses Werkes widerspiegelt, sondern immer wieder auf´s Neue Gänsehaut zu erzeugen vermag.
"Living Without Death's Permission" ist unfassbar weit weg von einem Einheitsbrei und verhält sich ansonsten ebenso wie ein guter Eintopf, der nach jedem erneuten Aufwärmen immer besser wird. Was kann man erwarten von einer Band, die solch ein Debüt abliefert, das obendrein mit einem außerordentlich knackigen Sound punkten kann? Es könnte der Anfang von etwas ganz Großem sein, und mir schmeckt´s bereits jetzt schon vorzüglich!
Ähnlich wie sein Kollege Alex Beyrodt mit VOODOO CIRCLE, lebt R.D. Liapakis mit DEVIL'S TRAIN seine Liebe zum bluesigen Hard Rock aus. Beide sind ansonsten mit ihren Hauptcombos PRIMAL FEAR bzw. MYSTIC PROPHECY Power Metal-mäßig beschäftigt. Und beide machen das so überzeugend, dass die Frage erlaubt ist: was liegt ihnen eigentlich näher? DEVIL'S TRAIN legt mit "Ashes & Bones" einen derart leidenschaftlichen Longplayer auf die Ladentheke, dass diese Frage wahrlich an Brisanz gewinnt.
Produzent und Sänger R.D. Liapakis hat für das dritte Album seine Mannschaft, bis auf Schlagzeuger Jörg Michael, ausgewechselt und mit Dan Baune (LOST SANCTUARY, Ex-MONUMENT) einen neuen Co-Songwriter und Gitarrist an seiner Seite. Indes wird weiterhin ein brutzelnd heißer Sud aus Southern-, Blues und Heavy Rock geboten, wie ihn frühe BLACK STONE CHEERY, THE DEAD DAISIES, und INGLORIOUS praktizieren. Die Gesangs-Performance von R.D. ist hingebungsvoll und mitreißend, daneben glänzt die Neubesetzung an der Gitarre mit muskulösem Spiel und feurigen Soli. Bei "Girl Of South Dakota" schraubt sich der Refrain gleich einer Leuchtkugel in den Himmel, und "Rising On Fire" vereint Groove und Atmosphäre und punktet darüber hinaus, ein weiteres Mal, mit hitverdächtigem Refrain. "More" klingt nach quirligen VICTORY, und "In The Heat Of The Night" hat dazu noch eine Priese WHITESNAKE.
Es sind alles gute bis sehr gute Songs, dazu eine moderne und druckvolle Produktion. Aber mehr noch ist es die Performance, die überzeugt; deren ansteckender Energie und Lebensfreude kann man sich nicht verschließen. Ich für meinen Teil bin da ganz klar - DEVIL'S TRAIN ist das heißblütigste Pferd im Stall von R.D. Liapakis.
Auch wenn bei KREATOR sozialkritische Töne grundsätzlich eine große Rolle spielen, mit plakativen Songtiteln wie „Hate Über Alles“, „Killer Of Jesus“ oder „Strongest Of The Strong“ muss man sich Fragen gefallen lassen. Schwamm drüber, da im Endeffekt nur die Musik zählt - und diese ist, zu meinem Leidwesen, nur mittelprächtig gelungen. Zu Beginn stimmt ein dramatisches Intro auf das Kommende ein, und mit „Hate Über Alles“ wird tatsächlich die „Flag Of Hate“ gehisst. Der Song hätte gut auf „Coma Of Souls“ gepasst und ist somit ein Volltreffer - KREATOR, wie man sie kennt und liebt. Auch beim Folgetrack „Killer Of Jesus“ ist die Welt noch in Ordnung, und man thrasht sich durch einen soliden und flotten Song, der eindeutig die Handschrift von den alten KREATOR trägt. Leider wird bei „Crush The Tyrants“ die „Flag Of Hate“ wieder eingerollt. Selten klangen KREATOR langweiliger, und das klebrige Midtempo lässt ein leichtes Stirnrunzeln aufkommen. „Strongest Of The Strong“ geht als durchschnittlicher KREATOR-Song durch und nervt nur ein wenig durch den aufdringlichen Refrain. Musikalisch werden einige gefällige Leads angeboten, die den Song noch in die Gewinnerzone bugsieren.
Bis zu diesem Zeitpunkt kann ich mit „Hate Über Alles“ noch leben, aber in der zweiten Albumhälfte bauen KREATOR merklich ab. Ein missglücktes Experiment wie „Endorama“ aus dem Jahre 1999 ist für KREATOR scheinbar kein Grund, wieder etwas Neues auszuprobieren und zu scheitern. Man mag mich konservativ nennen, aber ich benötige keine „Oh-Oh-Stadionchöre“, die ein wenig an Pagan Metal erinnern und den Song „Become Immortal“ gleichzeitig auf die Verliererspur befördern. Die „Flagge der Peinlichkeit“ wird weiter ausgerollt, wenn bei „Conquer And Destroy“, welches wie ein gutklassiger MAIDEN-Song beginnt, die Pagan-Chöre wieder die Oberhand bekommen. Nö, Leute, welche Zielgruppe wollt Ihr mit diesem Mist bitte erreichen? Bezeichnend ist, dass als Gastsänger der mir unbekannte Indie-Sänger Drangsal gewonnen werden konnte. Und da wir schon im Indie-Rock wildern, versaut Gastsängerin Sofia Portanet den vielversprechenden Beginn von „Midnight Sun“ schon nach ein paar Minuten. Jetzt haben KREATOR es geschafft, die Zornesfalte des Schreiberlings vertieft sich, und eine maßlose Enttäuschung macht sich breit. Ich persönlich benötige keine Mischung aus „Endorama“ und Indie-Frauengesang. „Demonic Future“ macht im Anschluss viel richtig, und KREATOR schwenken wieder vorsichtig die „Flag Of Hate“ und ziehen das Tempo an. Auch der Refrain sitzt, und somit kann ein erstes Highlight auf der zweiten Albumhälfte verzeichnet werden - besser spät als nie! Weiter geht’s mit „Pride Comes Before The Fall“, welches besinnlich und mit Klargesang startet. Harte und aggressive Gitarren versprechen einen munteren Song, der durch weiteren Klargesang und eine doomige Atmosphäre wieder komplett zerstört wird. Mit „Dying Planet“ endet das Album unspektakulär und hinterlässt einen fassungslosen Autor.
Was haben sich KREATOR bei dieser Veröffentlichung gedacht? Auch wenn der Plan war, neue Fangruppen zu erschließen, so werden Mille & Co. feststellen, dass ihre Miete zum Großteil von einer fanatischen Anhängerschaft bezahlt wird, und diese mit „Hate Über Alles“ überfordert ist. Kein Wunder, wenn die Band scheinbar nicht das Ziel kennt, wie sollen die Fans dann den Gedankengängen der Band folgen? Fazit: Überflüssig wie ein Kropf und allenfalls Durchschnitt. Unwürdig für eine Band wie KREATOR!
Das neue Album heißt MICHAEL SCHENKER GROUP - "Universal", und die verwirrenden Zeiten von Michael Schenkers - Fest, Temple of Rock und Anniversary scheinen erst einmal vorbei zu sein. Unklarheit herrscht allerdings bei der Frage, wer denn jetzt zur MICHAEL SCHENKER GROUP gehört? Feste Größe, neben dem Namensgeber, bleibt Steve Mann; ansonsten hat Michael sich wieder viele alte Bekannte und neue Gäste dazu geladen (u.a. Michael Kiske, Tony Carey, Brian Ticky). Ronnie Romero ist neuer Hauptvocalist (Vocals auf 9 von 13 Songs - zum Vergleich bei "Immortal" 4 von 10), wobei die Deutschland-Tour ein gewisser Robin McAuley als Frontman bestreiten wird, um die personelle Labilität nochmal zu verdeutlichen.
Musikalisch rutscht der Saiten-Akrobat noch ein Stück näher an seine Hard Rock-Wurzeln, was sich ja bereits auf "Immortal" angedeutet hat. Der Opener "Emergency" wird von einer im Hintergrund agierenden Orgel begleitet. Darüber hinaus bietet er einen vertrackten, aber interessanten Rafrain, der sich erst nach mehrmaligem Hören einzunisten beginnt. Ronnie Romero singt auf dem Hard Rocker "Under Attack" für seine Verhältnisse nahzu gedämpft, was der Nummer gut zu Gesicht steht und die von mir bereits genannten Roots ein weiteres mal offenbart. Generell zeigt sich Romero hier mehr als Rocksänger denn als Metal Shouter. Schlagzeug-Doppelbass-Gewitter und zum Teil metallastige Songs, wie partiell zuvor, sind einer eher erdigeren und lässigeren Ausrichtung gewichen. "A King Has Gone" ist epische Kost, die überraschend stimmig von einem Michael Kiske intoniert wird. Der Titelsong nimmt den zuvor gesponnenen epischen Faden wieder auf und wird zusätzlich mit dem ersten MSG Sänger Gary Barden geadelt. "London Calling" ist ein hochmelodiöser, geschmeidig wippender Rocksong mit Hit-Qualität. Und natürlich ist Michaels unverkennbares Spiel der Leim, der alles bindet und zusammenhält.
"Universal" ist homegener als zuvor, da weniger abwechselnde Vokalisten am Werk sind, und es ist von seiner musikalischen Ausrichtung eher ein klassisches MSG Album mit viel purem Hard Rock inside. Auch wenn die alte Schenker-Sänger-Riege, wie Bonnet, McAuley oder Barden, nicht oder wenig zu hören sind - kein Album der letzten Jahre hat mehr Recht das MSG-Logo zu tragen als "Universal".
Scot "Little" Bihlman ist eher hinter dem Schlagzeug zu Hause, so gehört er zum Blues Trio GRINDER BLUES, das er zusammen mit seinem Bruder Jabo und KING X Mastermind Doug Pinnick bildet. Hier gibt es zwei starke Alben zu entdecken, wobei ich Euch das aktuelle "El dos" ganz besonders ans Herz legen möchte. "The Legend Of Hipster Billings" ist sein Solo-Debüt, und das darf man durchaus wörtlich nehmen. Alle Songs, bis auf "Straight Time" (BRUCE SPRINGSTEEN), sind von ihm geschrieben, werden von ihm gesungen, dazu spielt er die kompletten Drums, und auch die Gitarrenparts werden größtenteils von ihm beigesteuert.
"The Legend of Hipster Billings" ist eine ganze Spur relaxter als die exzentrischen GRINDER BLUES-Alben. Sein lässiger Gesang korrespondiert perfekt mit den bluesigen, gechillten Songs. "Gotta Girl" trägt sowohl modernen EVERLAST als auch klasssichen RORY GALLAGHER in seiner DNA und bietet dazu einen groovenden, vor Spielfreude strotzenden Mittelteil an. "Money, Lies, Hate und Drugs" verbindet Country, Blues und Southern Rock in einem Sound, der an KID ROCK oder auch an CLAPTONs "Pilgrim"-Album denken lässt, während das warme, auf Orgel und Akustikgitarre gebettete "It Ain't Easy" direkt aus einem 80er Jahre Country Club schallen könnte. Der Longplayer ist auf der einen Seite unfassbar traditionell in seiner Anmutung und in seinen Songs, aber LITTLE BIHLMAN gelingt es auch, modern und zeitgemäß zu klingen. Das Kunststück ist, dass er genau weiß, wann Wärme und Natürlichkeit unabdingbar sind und wann "zeitgemäß" einen Mehrwert darstellt.
"The Legend of Hipster Billings" ist BBQ, Pick-up Trucks, Fast Food, Weite, Einbauschränke, Thanksgiving, und unentschieden - einfach gesagt: Amerika 2022 zum Hören. Starkes Album!
Nach den alten Klassikern „Gates To Purgatory“, „Branded And Exiled“, „Under Jolly Roger“, „Port Royal“ und „Death Or Glory“, sowie den späteren Werken „Blazon Stone“, „Pile Of Skulls“, „Black Hand Inn“ und „Masquerade“, erscheint dieser Tage, mit rund fünfjähriger Verspätung, auch der saustarke Live-Mitschnitt „Ready For Boarding“ aus dem Jahr 1988, der eine Show vom November 1987 in München enthält und auf der „Under Jolly Roger“-Tour mitgeschnitten wurde. Neben frühen Großartigkeiten wie „Ghengis Khan“, „Raise Your Fist“, „Diabolic Force“, „Adrian (S.O.S.)“ oder „Prisoner Of Our Time“ wird auf einen der größten Bandhits überhaupt, „Chains And Leather“, verzichtet, dafür finden sich mit dem Intro „Hymn Of Long John Silver“ und dem bereits 1980 entstandenen und bis heute auf keiner offiziellen RUNNING WILD-Studioveröffentlichung vertretenen „Purgatory“ zwei bis dato unveröffentlichte Stücke, die „Ready For Boarding“ nicht nur damals zur adäquaten Ergänzung der Diskografie machen. Egal, wie man generell zu Live-Alben stehen mag; hier ist eine - auch soundtechnisch - fantastisch aufspielende Band (neben Rock ´n´ Rolf sind Jens Becker am Bass, Stefan Schwarzmann am Schlagzeug und Michael Kupper alias Majk Moti an der zweiten Axt zu hören) mit aus heutiger Sicht ausschließlich Klassikern zu hören!
Der vorliegende Re-Release von Noise Records im Digipak kommt leider ohne Bonustracks daher, dafür gibt es ein achtseitiges Booklet mit Linernotes zu jedem Song sowie zahlreichen alten Fotos. Außerdem beinhaltet das Package eine Bonus-DVD mit einer Show von der „Death Or Glory“-Tour vom Oktober 1989, aufgezeichnet in Düsseldorf. Die ebenfalls zehn Songs umfassende Show bietet bis auf „Raw Ride“ und „Prisonder Of Our Time“ eine gänzlich andere Setlist („Riding The Storm“ ist immer noch einer der besten Opener aller Zeiten!) und liegt qualitativ auf gutem Bootleg-Niveau. Als separates Produkt wäre diese DVD indiskutabel, aber als Ergänzung zu „Ready For Boarding“ ist sie wirklich top. So ist diese Wiederveröffentlichung auch für Fans geeignet, die das Originalwerk bereits im Regal stehen haben.
Nach den alten Klassikern „Gates To Purgatory“, „Branded And Exiled“, „Under Jolly Roger“, „Port Royal“ und „Death Or Glory“, sowie den späteren Werken „Blazon Stone“, „Pile Of Skulls“, „Black Hand Inn“ und „Masquerade“, erscheint dieser Tage, mit rund fünfjähriger Verspätung, auch die ursprünglich im Jahr 1991 erschienene „Best-Of“ der oben genannten ersten drei Alben plus der vorausgegangenen EP „Victim Of States Power“. Nun war diese Compilation keine simple Zusammenstellung der Plattenfirma, wie man sie von jeder größeren Band findet, sondern eine Neueinspielung alter Songs im damals aktuellen „Blazon Stone“-Line-Up mit Rock´n´Rolf, Jens Becker, Rüdiger Dreffein alias AC und Axel Kohlmorgen alias Axel Morgan. Ob es diese Zusammenstellung – damals wie heute - wirklich gebraucht hat, muss natürlich jeder Fan für sich selbst entscheiden, aber ähnlich wie anno 2000 der großartige „Blast From The Past“-Ausflug der Hanseaten GAMMA RAY, bietet „The First Years Of Piracy“ einen guten Eindruck, wie betagte, relativ rohe Songs in neuem, zeitgemäßem Gewand klingen können. Und RUNNING WILD-Neueinsteiger machen hier gar nix falsch, denn was Herr Kasparek und seine Crew in Form von „Under Jolly Roger“, „Soldiers Of Hell“, „Walpurgis Night“, „Marching To Die“ oder „Prisoner Of Our Time“ abliefern, thront, egal, ob neu eingespielt, in Urform oder auf dem Waschbrett geblasen, Universen über späteren Rolf-Solo-Eskapaden mit „Studiogehilfe“ Angelo Sasso….
Der vorliegende Re-Release von Noise Records im Digipak kommt leider ohne Bonustracks daher, dafür gibt es immerhin ein zwölfseitiges Booklet mit allen Songtexten und zahlreichen alten Fotos.
BLOOD TORRENT zeigen auf„Void Universe“einenrecht eigenen rotzigen Musikstil mit hohem Wiedererkennungswert!
Bereits seit 2005 existieren BLOOD TORRENT aus Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg; mit „Void Universe“ haben sie ihren zweiten Longplayer am Start. Sie bieten der Hörerschaft Old School Black Metal mit Einflüssen von Hard Rock, NWOBHM, Thrash und Punk.
Nach dem Intro „The Renascence“ startet „A Knowledge Of Light“ mit langsamen Gitarren. Der Song nimmt bald Fahrt auf, es entwickelt sich eine bedrohliche Atmosphäre, und es gesellen sich mehr und mehr rotziger Thrash und teilweise Doom hinzu, bevor die Musik schließlich in hallenden, militärisch angehauchten Drums untergeht. Bei „Decay And Transformation“ gehen BLOOD TORRENT wüster und schneller zu Gange: roh und treibend peitscht der arschtretende Sound wie ein harter Hagelsturm ins Gesicht. Garniert wird das mit einem schönen Midtempo-Zwischenpart und einem klasse Schlagzeugspiel von Drummer Myrmeleon. „The Cosmic Breakdown“ offenbart coole rockige Gitarrenarbeit, und wir können hier durchaus von Black´n´Roll sprechen. Es folgen einige Riffs in Stile der alten METALLICA und VENOM-artige, aggressive Unverfrorenheit; hier trifft eine ziemlich spannende Mischung aufeinander. Weiter geht´s mit dem riffigen „Elemental Scorn“ und „Necromass“, welches sich durch viele plötzliche Wendungen und Tempowechsel auszeichnet. Insgesamt zeigt Sänger H.A.V.O.C. stimmliche Varianz mit oldschooligem Shouting und Screaming. „Raised Knives“ ist ein etwas seltsames Industrial-Zwischenspiel. „Phantom Propaganda“ steigt sofort flott ein, und die elfeinhalbminütige Nummer hat ordentlich Hard Rock-Schlagseite. Die letzten beiden Songs lassen mich zumindest kurzzeitig verwundert bis verwirrt zurück. Man denkt, ähnlich wie bei „Raised Knives“, einen Moment lang, sie würden von einem anderen Album stammen. „Prisma“ ist progressiv und beinhaltet sogar ein Bass-Solo. Bei „The Strive“ ertönen sandige Stoner Rock-Klänge und der cleane Gesang vom Gitarristen Erebos #14; erst nach sechs Minuten beginnen Black Metal-Töne, und nach zehn Minuten folgt ein amtliches Gitarrensolo.
BLOOD TORRENT ist mit „Void Universe“ ein spannendes Album gelungen, dass durch die mannigfachen Einflüsse etwas speziell und mitunter chaotisch gestaltet ist. Vielleicht ist dieser Eindruck aber auch nur durch meine zu „modernen“ Hörgewohnheiten gefärbt, und die musikalischen Einflüsse des Albums sind gar nicht so divers - immerhin zockten Erste-Welle-Truppen wie HELLHAMMER in den 80ern eine ähnliche Mischung mit Thrash und Co. und frönten ebenso wie BLOOD TORRENT eher unkonventionellen Songstrukturen. So gesehen liegt die Innovation der Band aus dem Ländle auch im Festhalten an alten Tugenden oder deren Wiederentdeckung.
„The Endgame“ ist das nunmehr vierte Album seit des Combacks „Coup De Grace“ aus dem Jahre 2010. Und da, wo TREAT draufsteht, ist auch 2022 erstklassischer Melodic Rock enthalten. Vielleicht ein wenig entspannter als noch auf dem direkten Vorgänger „Tunguska“, aber wir sprechen hier wirklich von Nuancen. Denn, dass die Herren auch das Rocken nicht verlernt haben, beweisen das an zweiter Stelle positionierte „Rabbit Hole“ oder das treibende „California Reaper“. Den Gegenpol dazu bildet das schwelgerische „My Parade“. Der Rest ist einmal mehr vorzügliche Plüschkost, deren Eingängigkeit nicht zu süßlich daherkommt. Im Spannungsfeld von ECLIPSE und soften PRETTY MAIDS fühlen sich die Schweden offenkundig nach wie vor am wohlsten. Was mich am meisten fasziniert, ist der Gesang von Frontman Robert Ernlund, dessen Stimme kaum gealtert ist, und den man locker für einen Mitzwanziger halten könnte. Im besten Wortsinne einfach zeitlos. TREAT haben sich von den 80ern emanzipiert, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen und sind auch 2022 eine Bereicherung für die Szene und jede Melodic Rock-Sammlung. Gerade an diesem Spagat sind schon ganz andere Legenden gescheitert, und TREAT scheint dies geradezu mühelos zu gelingen. Weitere Highlights sind das positive „Home Of The Brave“ und das etwas an neuere EUROPE erinnernde „Dark To Light“. „The Endgame“ trägt den Namen TREAT zu Recht, und jetzt muss mir nur noch jemand das Cover-Artwork erklären.