InterviewIhr seid jetzt seit Mai fast durchgehend auf Tour und wart schon in Kanada, den USA, Australien und Japan. Hat man da nicht irgendwann keine Energie und keine Lust mehr?
Manchmal ist das schon ermüdend. Ich bin jetzt seit ungefähr dreieinhalb Jahren fast ununterbrochen auf Tour. Wenn die HORRORPOPS nicht touren, haben die anderen frei, aber ich bin dann mit den NEKROMANTIX unterwegs. Aber ich mag das. Mann muss es mögen, sonst wird es langweilig und macht einen fertig.
Ihr habt dieses Jahr auch auf der Warped-Tour gespielt. Normalerweise bekommt man da ja hauptsächlich Punkrock- und Emo-Bands zu sehen. Wie ist Eure Musik angekommen?
Sehr gut! Natürlich ist das Publikum eher an Punkrock- und Emo-Bands gewöhnt, aber wir passen in keine Kategorie. Aber das ist auch unsere Stärke. Jedes Mal, wenn wir gespielt haben, sind eine Menge Leute abgegangen, was uns wirklich überrascht hat. Wir waren geradezu überwältigt, es war fantastisch.
Habt Ihr einen Unterschied zwischen den Musik-Szenen der verschiedenen Länder festgestellt, in denen Ihr getourt habt?
Das ist schwierig zu beantworten… Ja, es gibt einen Unterschied, aber es ist schwer zu sagen, worin genau er besteht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der grösste Unterschied das Alter ist. In den USA beginnen Kids, mit 13 oder 14 Jahren zu Konzerten zu gehen. Und die Kids gehen immer voll ab, wohingegen Leute ab Mitte 20 oder so etwas ruhiger sind. Das Beste ist, wenn Du ein junges Publikum begeistern kannst, denn es braucht keinen Alkohol. Erwachsene benötigen Alkohol, um abzugehen, aber dann sind sie auch oft wieder zu besoffen dazu. Aber generell gibt es wohl keinen Unterschied, lediglich kleine Variationen.
Wie sieht die Rock ´n Roll-Szene in Dänemark aus?
Sie hat nie existiert. Vielleicht entsteht gerade eine. Es gibt da eine schöne Geschichte: Vor ein paar Jahren haben wir mit den NEKROMANTIX in Leipzig gespielt, und da lagen Flyer für unser Konzert aus. Und darin stand etwas wie: "Die NEKROMANTIX kommen aus einem 3. Welt-Land des Rock ´n Roll." Und ich sagte zu mir: "Ja, die haben recht!" Denn in Dänemark gehen die Leute gerne in Discos, in Dance- oder Techno-Clubs, aber Dänemark hatte nie eine grosse Live-Szene. Schau Dir dagegen Deutschland an: Man ist gerade mal drei Stunden von Kopenhagen entfernt, aber war für ein Unterschied! Auch Schweden hat heutzutage eine riesige Rock ´n Roll-Szene. Dänemark ist immer ziemlich tot gewesen, und das ist auch jetzt auch noch so.
War das auch ein Grund dafür, dass Du vor drei Jahren in die USA gezogen bist?
Der Hauptgrund war, dass das einfach ein riesiges Land ist. Wenn man auf Tour geht und dann irgendwann wieder zurück kommt, kann man direkt wieder los fahren, denn man war drei bis vier Monate unterwegs. Hier in Europa ist alles so klein. Wenn hier zehn Leute etwas mögen, mögen es dort tausend Leute, einfach weil es da so viele Menschen gibt. Ein anderer Grund war, nah bei unserem Label zu sein, das in Los Angeles sitzt.
Auf "Bring It On!" ist Eure stilistische Bandbreite noch grösser als auf "Hell Yeah!". Ihr habt z. B. Ska-Parts, ´50s Rock ´n Roll und Pop integriert. Woher kommen diese neuen Einflüsse?
So genau weiss ich das auch nicht. Wir sind vier Menschen, die vier Instrumente spielen, mit unterschiedlichen Inspirationen und musikalischen Backgrounds. Wir hören eigentlich alles, von Dolly Parton bis MOTÖRHEAD. Hendrik und Geoff sind Fans von altem Metal, Patricia kommt aus der Punk-Ecke, und ich bin der Einzige, der vom Rockabilly und Psychobilly kommt. Der Grund, warum wir diese Band gegründet haben, war, dass wir alles spielen können, was wir wollen. Patricia und ich mögen auch BLONDIE, DEPECHE MODE und andere 80er Musik. Und jeder in der Band mag auch AC/DC. Also wenn wir einen Ska-Song machen wollen - lass es uns tun! Wenn Du in einer Rockabilly-Band spielst, kannst Du nur Rockabilly spielen. Denn sonst fragen sich die Fans: "Was soll das denn jetzt?" Und wenn Du in einer Punkband spielst, kannst Du nichts allzu Poppiges spielen, denn sonst sagen die Leute: "Uuh, ist das poppig!" Die Regel in dieser Band ist, dass es keine Regeln gibt. Wenn jemand sagt: "Das ist jetzt aber zu poppig", kratzt uns das nicht. Wenn jemand sagt: "Das klingt zu sehr nach Stadion-Rock.", sagen wir: "Ja, das soll auch wie Stadion-Rock klingen!" Wir haben keine Regeln und tun immer das, was wir grade wollen.
"Bring It On!" wurde von Brett Gurewitz produziert. Er ist nicht grade als Rock ´n Roll-Produzent bekannt...
Wir alle dachten, dass es cool wäre, es mit ihm als Produzenten zu versuchen. Er mag in Europa nicht so bekannt als Produzent sein, aber er hat schon eine Menge gemacht. Vor BAD RELIGION und bevor er Epitaph gegründet hat, war er Studio-Tontechniker. Er hat auch die letzte RANCID produziert - eigentlich hat er fast alle ihrer Alben produziert - und wir lieben den Sound der RANCID-Platten…
Es gibt da eine romantische Geschichte über die Gründung der HORRORPOPS, wie Du Patricia auf der Popkom getroffen hast, Ihr Euch gegenseitig Eure Instrumente beigebracht und schliesslich eine gemeinsame Band ins Leben gerufen habt...
Das ist wirklich die Wahrheit! Wir haben diese Show gespielt und uns danach unterhalten, darüber, was wir beide für Musik mögen und so. Und dann kamen wir darauf, wie es wäre, eine Band ohne Regeln zu gründen. Sie kam aus der Punk-Szene, ich aus der Psychobilly-Szene, und schliesslich kam noch Niedermeier an den Drums dazu. Wir haben also als Trio angefangen.
Letztes Jahr ist Geoff als zweiter Gitarrist bei Euch eingestiegen, davor hat er bei TIGER ARMY Kontrabass gespielt. Wie habt Ihr Euch kennen gelernt?
Geoff ist schon lange ein Freund der Band gewesen. Bis er bei TIGER ARMY am Bass angefangen hat, war er Gitarrist, und er ist genau zu dem Zeitpunkt bei TIGER ARMY ausgestiegen, als sich unser voriger Gitarrist Karsten dazu entschieden hat, nach Dänemark zurückzugehen. Als wir das hörten, war das perfekt für uns und wir sagten uns: "Hey, lasst uns ihn fragen!"
Wie ist es für Dich, in dieser Band Gitarre zu spielen?
Es ist cool! Man kann einfach mal was Anderes machen. Wie ich vorhin schon sagte, können diese langen Touren wirklich ermüdend sein, und ein Grund dafür ist, dass man immer dasselbe macht, und irgendwann will man etwas Neues ausprobieren. Deshalb kann ich wahrscheinlich auch so lange touren, denn wenn ich keine Lust auf den Bass habe, wird es Zeit für die Gitarre. Aber das sind natürlich zwei komplett verschiedene Dinge.
Auf der Bühne werdet Ihr von zwei Go-go-Girls unterstützt. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Die Idee bekamen wir schon nach zwei oder drei Konzerten. Wir dachten uns einfach, dass es cool wäre, wenn die Leute etwas zum Anschauen hätten. Es ist nicht immer so, aber manchmal bin ich schnell gelangweilt, wenn eine Band einfach nur da steht und ihren Kram spielt. Ich meine, dass eine Show auch etwas benötigt, dass man ansehen kann, sonst kann man gleich zu hause bleiben und sich das Album anhören. Patricia hat da grade mit Kamilla und Mille in einem Piercing-Shop gearbeitet, und sie waren sowieso auf jedem Konzert. Also sagte wir zu ihnen: "Kommt einfach auf die Bühne und tut irgendwas Verrücktes." Und es hat wunderbar funktioniert. Wenn ich mit den NEKROMANTIX spiele, starren die Leute nur uns an, aber in dieser Band schauen sie auf die tanzenden Mädchen. Das ist eine gute Ablenkung, und so können wir uns mehr darauf konzentrieren, die richtigen Töne zu spielen und müssen nicht gleichzeitig durchgehend Show machen. Es scheint eine gute Kombination zu sein, was wohl auch daran liegt, dass sie nicht so sehr auf klassische sexy Go-go-Girls machen, sondern herum springen und dabei seltsame Gesichter machen.
In Europa sind Stile wie Rock ´n Roll, Rockabilly und Punkrock seit einigen Jahren wieder extrem angesagt, und speziell viele Kids scheinen darauf abzufahren. Was glaubst Du ist der Grund dafür?
Der Hauptgrund ist dieses SOCIAL DISTORTION-/Mike Ness-Ding. Er spielt keinen Rockabilly, aber hat diesen Greaser-Look, und der spricht viele junge Menschen an. Und dadurch hören sie sich auch den ganzen Rockabilly-Kram an. Dadurch entstand diese Greaser-Punk-Generation, die sich irgendwann auch nach Europa verbreitet hat. Vor 15 Jahren hätten die Kids noch gesagt: "Ah, Du bist Rockabilly.", aber eigentlich ist es eher eine andere Art Punkrock, eben Greaser-Punk. Als es mit Psychobilly anfing, wurden Punk und Rockabilly gemischt, und diese neue Entwicklung verlief gleichzeitig parallel und ist komplett davon verschieden. Alles bewegt sich in Kreisen, und das ist jetzt die neue Generation.
Was sind Deine Pläne für nächstes Jahr? Endlich Urlaub und Erholung…?
Na ja, die Band wird sich einige Monate Erholung gönnen, aber für mich bedeutet das Ende der Tour, ein neues NEKROMANTIX-Album aufzunehmen. Und wir planen, auch nächstes Jahr wieder viel in den USA, in Kanada und in Australien zu touren, und wir hoffen, dass wir wieder auf dem Grossteil der Warped-Tour spielen können. Also alles in allem: mehr touren…
InterviewIhr seid seit gut 10 Tagen in Europa auf Tour und habt bis jetzt jeden Abend auf der Bühne gestanden. Ist das nicht anstrengend?
Zach: Wenn wir auf Tour sind, haben wir normalerweise nie einen day off. Das kann natürlich manchmal ein bisschen hektisch werden, aber wir sind eben ständig unterwegs. Wenn wir auf Tour sind, sind wir Arbeiter. Wir stapfen wie Rinder herum, man kann uns umhauen und einfach wieder aufstellen...
Ist es anders, in Europa unterwegs zu sein als in den USA?
Zach: Ja, in den USA kümmert sich keine Sau darum, wo Du nachts schläfst und ob Du etwas zu essen bekommst...
Gibt es einen Unterschied zwischen der Punkrock-Szene in den USA und der in Europa?
Zach: Ich weiß nicht, das ist schwer zu sagen. Die Szene verändert sich eher von Stadt zu Stadt als von Land zu Land. Es kommt gar nicht so sehr auf das jeweilige Land an, da jede Stadt ihre eigene Szene hat.
Wie kommt es, dass Euer neues Album "Punkrock Rhythm & Blues" bei dem deutschen Label People Like You erscheint?
Zach: Wir haben Andre (Gründer und Inhaber von People Like You - Anmerk. d. Verf.) schon auf unserer ersten Europa-Tour getroffen. Und jetzt sind wir schon zum vierten Mal in Europa, wir kennen uns also schon eine Weile. Wir haben uns dann für People Like You entschieden, weil das Album in Europa dadurch eher veröffentlich werden konnte als in den USA, und besonders hier schienen eine Menge Leute darauf zu warten, deshalb war uns das wichtig. In den USA wird das Album im März erscheinen.
Das Album wird in den USA unter einem anderen Titel erscheinen: "Over The Counter Culture". Warum?
Zach: Wir haben das noch nicht vollständig entschieden. Aber wir glauben, dass dieser Titel mehr Sinn für englischsprachige Leute macht. Ich denke, dass "Punkrock Rhythm & Blues" dagegen eher unviersell verstanden werden kann. Es steckt also keine besonders clevere Idee oder so etwas dahinter...
Ungefähr die Hälfte des Albums besteht aus Cover-Versionen. Ist es ein Tribut an alte Musik oder Musiker?
Zach: Ja, auf jeden Fall. Wir wollten auch möglichst schnell etwas veröffentlichen, und viele der Songs haben wir sowieso schon gespielt. Aber wir wollten die Leute auch in unsere musikalischen Wurzeln einführen, denn viele scheinen nicht verstanden zu haben, wie wir bei unserem jetzigen Sound angekommen sind - Punkrock-Sound, gespielt wie Rhythm ´n Blues, oder Rhythm ´n Blues-Sound, gespielt wie Punkrock, wie auch immer.
Wie habt Ihr die Songs ausgewählt? Durfte einfach jeder seinen Lieblings-Song in den Proberaum mitbringen?
Liam: Ja, im Grunde war es so. Zumindest, nachdem wir lange darüber diskutiert und darum gekämpft hatten... Aber im Grunde haben wir alle die gleiche Meinung darüber, welche Songs zu uns passen, und deshalb war es letztendlich nicht so schwer, Stücke zu finden, auf die wir uns alle einigen konnten. Größtenteils zumindest... haha...
Das Album klingt sehr rau und direkt, fast, als wäre es live eingespielt worden...
Zach: Das ist genau das, was wir wollen: Auch auf Aufnahmen wie eine Live-Band zu klingen.
Liam: Und eigentlich haben wir auch genauso aufgenommen, indem wir möglichst viele Instrumente zusammen aufgenommen haben. Und aus irgendeinem Grund waren wir alle unglaublich heiß auf diese Session und hatten unglaublich viel Energie!
Zach: Wir hatten auch nicht viel Zeit. Wir sind einfach ins Studio gegangen und haben unseren Kram eingespielt. So nehmen wir eigentlich immer auf... Es war also tatsächlich ein bisschen so, als wenn wir ein Konzert spielen würden. Es war auch wieder großartig, mit Jim Siegel zusammenzuarbeiten. Das war jetzt das zweite Mal, dass wir mit ihm eine Platte gemacht haben, und er ist wirklich gut und schnell, und er hält uns alle zusammen. Es ist gut, jemanden zu haben, der weiß, wie man klingen will.
War Euer sehr typischer und spezieller Sound von Anfang an beabsichtigt oder ist er ganz einfach das, was dabei herauskommt, wenn Musiker mit Punkrock im Herzen traditionellen Rock ´n Roll spielen?
Zach: Ich würde sagen, das letztere trifft auf jeden Fall zu. Wir haben zwar einen ziemlich direkten Weg genommen, aber anfangs haben wir doch versucht, irgendwie traditionelleren Rhythm ´n Blues und Rockabilly zu spielen. Aber wir haben sehr schnell gemerkt, dass wir das einfach nicht können. Wir sind alle mit Punkrock aufgewachsen und haben auch vorher nichts anderes gespielt, also war diese Entwicklung wohl nur natürlich.
Wie sieht die Musik-Szene in Boston aus? Kennt Ihr Euch alle untereinander?
Liam: There´s just a shitload of bands!
Zach: Ja, man kennt sich mehr oder weniger. Und es gibt wirklich Tonnen von Bands in Boston. Viele sind sehr schlecht, aber viel sind auch großartig. Man muss dadurch natürlich besonders hart arbeiten, um irgendwie aus der Masse herauszustechen. Was an der Bostoner Musik-Szene gut ist, ist, dass die Bands, die wirklich groß werden, absolut einzigartig klingen und sich so von allen anderen abheben.
Wie denkt Ihr angesichts der vielen jungen Poppunk- und Emo-Bands über die derzeitige Entwicklung des Punkrock?
Liam: Ich glaube, dass die derzeitige Band-Generation Punkrock durch MTV kennen gelernt hat, was komplett von dem verschieden ist, wie wir dazu gekommen sind, denn damals war Punkrock noch viel mehr Underground.
Zach: Ich glaube nicht, dass das echte Punkrock-Feeling verloren gegangen ist, aber es ist oberflächlicher und verwässert geworden. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass man heute viel leichter Zugang zu jeder Art von Musik hat. Wir mussten uns unsere Platten noch mühsam in kleinen Geschäften suchen, denn das Internet gab es noch nicht, so dass wir weder einfach etwas bestellen noch uns über Bands informieren konnten. Als Fan musste man richtig hart dafür arbeiten, um etwas über seine Bands herauszufinden. Und der ganze Hardcore-Kram, den wir damals hörten, war eben absolut noch nicht akzeptiert. Ich kann mich noch daran erinnern, als während meiner High School-Zeit NIRVANA groß herauskamen, das war das erste Major-Release, das irgendwie verwandt mit Punk war.
Liam: Es ist alles viel sicherer geworden...
Zach: Ja, inzwischen wird Punkrock mehr akzeptiert. Ich werde nicht mehr zusammengeschlagen, nur weil ich eine bestimmte Musikrichtung höre oder mich auf eine bestimmte Art und Weise kleide. Die Leute haben uns als einen Teil von etwas verstanden.
Wie geht es nächstes Jahr für Euch weiter? Werdet Ihr in den USA touren, nachdem Euer Album dort erschienen sein wird?
Liam: Wenn wir nicht sterben... haha...
Zach: Wir planen eigentlich nie irgend etwas wirklich, deshalb ist diese Vorhersage schon fast zu langfristig. Aber ich denke mal, wir werden spielen, trinken, unser Album veröffentlichen... so lange, wie wir damit durchkommen.
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