Die erste WITHIN THE RUINS-Scheibe war langweiliger Mist. Hochanspruchsvoll, keine Frage, und handwerklich wirklich gut, aber ohne Seele geschriebene Songs, die partout nicht hängen bleiben wollen beim Hörer. So lässt sich leider auch das Fazit für den Nachfolger „Invade“ schreiben, denn geändert haben sich WITHIN THE RUINS in keinem Punkt. Wie gehabt sind die Songs technisch beeindruckend, die Gitarrenarbeit ist sogar noch progressiver und frickeliger als beim Vorgänger, aber wirklich umhauen wird das niemanden, der auf Musik mit Herz steht. Denn daran kranken die elf Songs wieder einmal, ist doch jeder der technisch sauber gespielten und etwas zu seelenlos-klinisch produzierten Songs eine Lehrstunde in das Ziel verfehltem Songwriting. Sauber werden Frickelparts and Blastparts gereiht, gibt es ruhige Abschnitte und heftigste Gewalteruptionen, aber im Ohr bleibt nichts davon hängen. Was genau WITHIN THE RUINS von ihren ähnlich gelagerten Genrekollegen unterscheidet, bleibt unklar. Ebenso auch nur ein Grund für Interessierte, sich diese Scheibe zu kaufen und dafür die neue WHITECHAPEL oder BRING ME THE HORIZON im Regal liegen zu lassen.
Metalcore-Bands gibt es schon seit geraumer Zeit wie Sand am Meer. PARKWAY DRIVE ist eine davon und sticht vor allem insofern heraus, weil sie nicht aus den USA, wie die meisten ihrer Kollegen, sondern aus Australien kommt. Eine Band der ersten Stunde ist der Fünfer zwar nicht, aber auch mit ihren bislang „nur“ zwei Alben feiern die Jungs mittlerweile große Erfolge und können ausverkaufte Europa-Tourneen vorweisen. Mit „Deep Blue“ steht ihr drittes Album in den Läden, für das sie sich immerhin drei ganze Jahre Zeit genommen haben. Das Album bietet dem geneigten Metalcore-Fan so ziemlich alles, was er von einer guten Scheibe erwartet: hartes, messerscharfes Riffing, melodisch-eingängige Parts, mörderische Breakdowns sowie böse Growls und Shouts von Front-Schreihals Winston McCall. Alles zusammen kommt noch dazu in äußerst fettem Sound daher, für den Joe Barresi (u. a. QUEENS OF THE STONE AGE, BAD RELIGION, TOOL) verantwortlich zeichnet, und ist mit jeder Menge Energie und immer voll auf die Nuss gespielt. Von der Masse der Metalcore-Bands abheben werden sich PARKWAY DRIVE mit „Deep Blue“ nicht. Dazu klingen sie dann doch zu ähnlich wie UNEARTH und Konsorten. Aber immerhin gibt es hier qualitativ hochwertiges, neues Futter für die Metalcore-Fangemeinde.
THE AUTUMN OFFERING machen irgendwas richtig, immerhin sind sie schon seit Ewigkeiten aktiv am Platten veröffentlichen und das sogar bei Victory Records. Allerdings stellt sich die Frage, wer die Sachen kauft, denn musikalisch ist die Chose recht belanglos, was auch für die neue, selbstbetitelte Scheibe gilt. Was vor ein paar Jahren noch eine starke Mischung aus Hardcore und Death Metal war, ist anno 2010 nicht mehr sonderlich aufregend und krankt zudem an belanglosen Songs, was der Opener direkt beweist, „Synapse“ und das folgende „Born Dead“ sind einfach nur vorhersehbar und langweilig. Wirklich besser wird es danach nicht, auch wenn THE AUTUMN OFFERING einen Zacken zulegen und gleichsam mehr Härte wie auch Melodie in auffahren. Aber cleane Vocals, melodische Gitarren und gleichzeitig viel Brutalität gibt es bei anderen Bands in besseres Songwriting verpackt. „The Autumn Offering“ ist eine Mittelmaßscheibe, die nur fanatische Sammler brauchen.
WE ARE WOLF haben mal unter dem Namen EAT UNDA TABLE Musik gemacht, dann aber aus “künstlerischen Gründen” einen Neustart unter dem jetzigen Namen gemacht. „Aeons“ ist also ein Quasi-Debüt, auch wenn die Combo dahinter schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, was dem Album zu jeder Sekunde anzumerken ist, da sitzt einfach alles und ist auch die Produktion routiniert gut geworden. Vor ihrem Wechsel haben WE ARE WOLF fleißig NEAERA gehört, anders lassen sich die frappierenden Ähnlichkeiten bei Gesang, Songaufbau, Gitarrenarbeit und Produktion nicht erklären, mit Zufall hat das nichts zu tun, denn so blind und taub können die Bonner sich nicht geben – Aber besser gut geklaut als schlecht selber gemacht, nicht wahr? In dem Sinne ist „Aeons“ eine gute Platte geworden, die druckvollen Metalcore mit Death Metal-Kante bietet, von Anfang bis Ende Druck macht und handwerklich einwandfrei ist. Zwar haben WE ARE WOLF keinen Übersong geschrieben, aber als Gesamtwerk funktioniert ihr Erstling sehr gut, sofern die kleine nörgelnde Stimme im Hinterkopf ausgeschaltet werden kann.
Catchy Refrains und cleanen Gesang hatten THIS OR THE APOCALYPSE auf ihrem Lifeforce-DEbüt “Monuments” nicht nötig, um den geneigten Hörer zu überzeugen, zu gut war ihre technische anspruchsvolle Metalcore-Spielart auch ohne diese Zutaten. Auf „Haunt What’s Left“ hat sich das geändert und ist der Drang nach Massenkompatibilität scheinbar stark genug geworden, um sich Nummern wie „Subverse“ auf den Leib zu schreiben: klarer Gesang, KILLSWITCH ENGAGE-Gitarrenarbeit und kaum etwas von dem Wahnsinn, der „Monuments“ so gut machte. Ok, ganz zurückgenommen haben sich die Herren beim Einsatz ihrer MESHUGGAH-Einflüsse nicht, aber diese sind viel zu stark in den Hintergrund gedrängt worden, zugunsten eines anno 2010 soliden, aber zu sehr auf Nummer Sicher gehenden Songwritings, das so gut wie keine Überraschungen mehr bereit hält. Ein Schelm, wer sich fragt, wie groß der Einfluss der beiden Produzenten Josh Wilbur (ATREYU, AVENGED SEVENFOLD) und Chris Adler (LAMB OF GOD-Drummer) dabei war, denn genau nach deren Handschrift klingt „Haunt What’s Left“. Kurzum: wer auf eingängigen Metalcore steht und neuere KILLSWITCH ENGAGE und LAMB OF GOD abfeiert, ist hier richtig. Wer auf eine Fortführung des relativ mutigen zweiten Albums gehofft hatte, wird von THIS OR THE APOCALYPSE enttäuscht.
PLACENTA hatten nach den Aufnahmen zu ihrem Album entweder noch Songs in petto oder sind fixe Songschreiber, anders lässt sich die kurze Spanne zwischen „Fixed Action Pattern“ und der „Brutalis“-EP nicht erklären. Fünf Songs haben die Berliner draufgepackt, in denen sie sich weiterhin auf dem SUICIDE SILENCE/ BRING ME THE HORRIZON-Pfad unterwegs zeigen, wo sie eine gute Figur machen. Technisch ist das neue Material noch einen Ticken komplexer als die in der Hinsicht schon krassen Sachen von „Fixed Action Pattern“ – insbesondere beim Gesang haben PLACENTA noch eine Schippe draufgelegt. Selbst die Breakdowns passen und sind nicht wie bei vielen anderen Bands aus der Ecke unsinnig platzierte Stilmittel („Trendcutter“). PLACENTA sind um Abwechslung bemüht, wodurch sie nicht vor überraschend genutzten Mitteln wie Gangshouts („Trendcutter“) oder die immer wieder wechselnde Gitarrenarbeit, die sich nicht auf stumpfes Schema F limitieren lässt. Unter dem Strich, dem berühmten, ist „Brutalis“ eine saugute EP geworden, die auch Produktionstechnisch mit den Genre-Größen mithalten kann und somit für Fans genannter Bands ein Muss ist.
Über die Stimme von 36 CRAZYFIST-Sänger Brock Lindow ist jetzt schon eine Menge geschrieben worden, aber wenn es darum geht, was "Collisions And Castaways" besonders macht, ist es eben die Benutzung dieser Stimmbänder. Das witzige daran: Metalcore-Shouter, die nicht richtig singen können, gibt es ja wie Sand am Meer, das lustige an Lindow ist aber, dass sich seine cleane Stimme cremig ins Ohr einschmeichelt, während sich seine Shouts teilweise anhören wie das Gekläffe eines geschlagenen Hundes. Gut, 36 CRAZYFISTS sind dafür berüchtigt, dass eben diese Stimmbänder live ab und zu ihren Dienst versagen, aber wir reden hier über "Collisions And Castaways". Zum inzwischen fünften Studioalbum in disziplinierten 10 Jahren räumen wir jetzt endlich mit dem Alaska-Klischee auf, denn im nördlichsten Bundesstaat der USA wohnen die vier Mitglieder von 36 CRAZYFISTS schon lange nicht mehr. Es macht auch nur Sinn, eine Band lokal zu verorten, wenn dadurch ihr Stil signifikant beeinflusst wird (siehe Göteburg, zum Beispiel). 36 CRAZYFISTS haben sich über die vergangenen Jahre deutlich im Rahmen ihrer Roadrunner-Labelmates weiterentwickelt. Mit dem Wechsel zu Ferret Music in den USA (für Europa bleibt alles beim alten) scheinen sie sich jetzt auch davon freizuschwimmen. Als Anzeichen dazu nehme ich das ruhige Instrumental "Long Road To The Late Nights", das in sich ruht und stilsicher groovt. Keine Angst, wer bei 36 CRAZYFISTS im Moshpit abgehen will, kann das weiterhin zu "Trenches", "Whitewater" oder "The Deserter". Aber den Schritt weg von der Austauschbarkeit von drölfundneunzig anderen Bands machen 36 CRAZYFISTS mit Songs wie "In The Midnights", "Carving in Spirals" oder "Mercy And Grace", in denen sich Ruhe und Aggression vor dem Hintergrund von großen Gitarrensounds tolle Duelle liefern und dazu große Melodien und punktgenaue Raserei in den Ring schmeißen.
Große Namen werden vom Promomenschen aufgefahren, wenn es um A HERO A FAKE geht. OPETH und DREAM THEATER werden genannt, was Lust auf „Let Oceans Lie“ macht. Aber was ist das? Die ersten Songs sind gesichtsloser Metalcore mit Death Metal-Kante, weit weg von irgendwelchen progressiven Ideen. Wird auch nicht besser, die elf Songs sind allesamt typischer US-Metalcore, der besser mit KILLSWITCH ENGAGE als mit OPETH verglichen werden könnte, wobei A HERO A FAKE weitgehend ohne Klargesang auskommen und ihren Shouter wahrscheinlich von einer HC-Band weggeholt haben. Etwas Prog findet sich dann doch in der Gitarrenarbeit, geht aber unter gegen das aggressive Grundschema. A HERO A FAKE will es nicht gelingen, auch nur einen Song mit Widererkennungswert zu schreiben, dafür sind die auf dem Album benutzten Ideen zu ausgelutscht und von zig anderen Bands besser genutzt worden. „Let Oceans Lie“ ist nett, mehr aber auch nicht.
CORPUS CHRISTI haben mit „The Darker Shades Of White” einen guten Einstand gehabt, auch wenn sie sich noch zu sehr an den offensichtlichen Vorbildern KILLSWITCH ENGAGE und UNEARTH orientiert haben. Es war die Hoffnung da, dass die Kerle noch etwas mehr Hirnschmalz und Ellbogenfett in das Songwriting investieren, um eine eigene Note zu bekommen und nicht mehr ein bloßer Abklatsch der Genre-Größen zu sein. Ach, wäre das schön gewesen. „A Feast For The Crows“ bietet zwar nette Songs, kann sich aber nicht vom Einfluss der Vorbilder freimachen, was gerade beim in jedem Song eingebauten clean gesungenem Refrain deutlich wird. Egal ob passend oder nicht, das Teil muss drin sein („Blood In The Water“). Von den obligatorischen Breakdowns und brutalen Parts gar nicht zu reden, die finden sich alle in beinahe jedem Song. Ist ja im Grunde nicht wild, wenn CORPUS CHRISTI nicht auf das immer gleiche Schema beim Songaufbau gesetzt hätten, so klingt die Scheibe viel zu oft nach einem banalen KILLSWITCH ENGAGE-Abklatsch. Mutige Songs wie das düstere „Little Miss Let You Know” sind viel zu selten, obwohl sie der Band sehr gut zu Gesicht stehen und die Vielfältigkeit zeigen, die sich im Metalcore verbirgt. Mehr davon und „A Feast For The Crows“ wäre richtig gut geworden, in der vorliegenden Form bleibt die Scheibe aber nur ein gut gemachter, auf Dauer etwas eintöniger, Klon bekannter Bands.
INTEGRITY sind eine der Vorreiter des ursprünglichen Metalcore-Sounds gewesen, also Metal-Einflüsse in Hardcore einzubauen. In den letzten Jahren dödelten die Kerle aus Cleveland mehr vor sich hin, noch dazu in wechselnder Besetzung, bekamen aber immer neue Veröffentlichungen hin. „The Blackest Curse“ ist zur Abwechslung mal ein komplettes Album, vorher gab es nur kleinformatigere Sachen. Aber das ist auch das Problem an der Sache: die Scheibe kickt nicht. Dabei bemühen sich INTEGRITY 2010 nach Kräften, den brutal-rohen Sound, die unbändige Wut, den Hass, in ihre Songs zu bringen, also genau das, was sie in den 90ern so fantastisch machte. Stellenweise gelingt das („Through The Shadows Of Forever”), aber das bleibt die Ausnahme als die Regel. Viele Songs wirken seltsam bemüht, seltsam kraftlos, fast so, als wäre es der Band egal, was auf dem Album wie klingt. Im direkten Vergleich mit der eigenen Discography kann „The Blackest Curse“ noch viel weniger überzeugen und bleibt ein Schatten dessen, was diese Band zu leisten im Stande war.