JINGO DE LUNCH vermischten schon Punkrock, Hardcore und Metal, als es die Bezeichnung „Crossover“ für einen Musikstil noch gar nicht ab. 1987 in Berlin gegründet, veröffentlichte die Band um Frontfrau Yvonne Ducksworth bis 1994 fünf Alben, löste sich 1997 auf und vereinte sich 2006 wieder, ging auf Tour und veröffentliche 2007 eine Compilation alter Songs. 2010 erschien mit „Land Of The Free-ks“ dann auch wieder neues Material, das stilistisch an den altbekannten Sound anknüpft. „Live In Kreuzberg“ ist das erste Live-Album der Band und verbindet sieben Songs des letzten Studioalbums mit diversen alten Hits. Von den Alben „Underdog“ und „B.Y.E“ ist zwar kein Song enthalten, aber ansonsten hat man hier eine gelungene Mischung aus alt und neu, die bestens aufgeht. Der Sound ist roh und ungeschönt, und die Live-Energie der Band wird perfekt ins heimische Wohnzimmer transportiert. Das macht großen Spaß und beweist, dass der Sound von JINGO DE LUNCH keinesfalls den End-80ern und Früh-90ern verhaftet ist, sondern absolut zeitlos geblieben ist und immer noch bestens funktioniert.
16 HORSEPOWER haben vor einiger Zeit das Handtuch geworfen, da sie sich wohl innerhalb der Band über Interna und spirituelle Themen zerstritten hatten. „Yours, Truyl“ ist das Abschiedsgeschenk der christlich angehauchten Country-Typen. Jetzt schwingt bei posthumen Veröffentlichungen immer Geldschneiderei mit, ein Vorwurf, den sich auch 16 HORSEPOWER gefallen lassen müssen. Immerhin gibt es auf der ersten CD eine Best-Of der Bandgeschichte in einer von Fans ausgesuchten Zusammenstellung. Das ist ganz nett und gibt einen guten Überblick über die Melange aus Country, Rock und eni wenig Punk; von der Stimmung her fröhlich zwischen Melancholie, dezenter Aggression und Entspannung wechselnd, kann der Zusammenschnitt locker weggehört werden. Auf der zweiten CD gibt es B-Seiten, Raritäten und ähnlicher Kram, der für Fans ganz nett ist, aber wenige essentielle Nummern beinhaltet wie das CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL-Cover „Bad Moon Rising“. Leider fehlt beim Booklet alles an interessanten Infos, sprich es gibt keine Linernotes, was den Reiz von „Yours, Truly“ schmälert und das Ganze wie eine schnell zusammengestellte Angelegenheit wirken lässt. Brauchen in dieser Form vielleicht Die-Hard-Fans, ganz vielleicht noch Neueinsteiger, die hier auf viel Gegenwert für ihr Geld hoffen. Ein würdiges Abschiedsgeschenk für eine interessante Band ist das aber in dieser Form nicht.
Die NEKROMANTIX haben es nicht eilig. Im Schnitt kommt nur etwa alle drei Jahre ein neues Album heraus, und für das neue hat es dann eben vier gedauert. Dass die Pause dieses Mal etwas größer war, dürfte auch am überraschenden Tod des letzten Drummers Andrew Martinez liegen, der Anfang 2009 bei einem Autounfall starb. Ersetzt wurde er durch die zauberhafte Lux, und bei der Gelegenheit wurde mit Franc auch gleich noch ein neuer Gitarrist an Bord geholt. Die Besetzungswechsel haben schließlich Tradition bei dem vom irren Kim Nekroman angeführten Trio, der das einzige stetige Bandmitglied ist, und bislang wurden noch keine zwei NEKROMANTIX-Alben mit derselben Besetzung eingespielt.
Der Einstieg in das neue Album ist gewohnt flott: Das schnelle „Bats In My Pants“ liefert gewohnte NEKROMANTIX-Kost mit treibenden Drums, einem sägenden Gitarren-Riff und dem galoppierenden Bass von Kim Nekroman. In dieselbe Kerbe schlagen Songs wie „Demonspeed“, „Monsterbait“ oder der Titelsong. Auffällig häufig geht es aber auch ruhiger zu, wie etwa im swingig-groovenden „NecroTastic Ecstasy“, im in gradem Mid-Tempo gehaltenen „Sleepwalker With A Gun“ oder im fast schon schleppenden „Crazy“ mit seinem an THE CLASH’s „Guns Of Brixton“ erinnernden Riff.
Im Prinzip ist aber alles beim Alten, und die Songs selbst stimmen und bieten auch immer wieder Ohrwürmer, aber trotzdem zündet „What Happens In Hell, Stays In Hell“ nicht so richtig. Immer wieder hat man das Gefühl, dass die Songs nicht so recht vom Fleck kommen und etwas angestrengt klingen. Dabei war das Besondere an den NEKROMANTIX ja immer, dass sie auch Höchstgeschwindigkeit noch mit unvergleichlicher Lockerheit genommen haben und dabei auch noch mördermäßig groovten. Dass das auf diesem Album nicht mehr so ist, liegt zum Teil am neuen Gitarristen. Dieser spielt nämlich weniger Akkorde als Linien, die aus vielen einzelnen Tönen bestehen, auf denen er mehr rhythmisch als melodisch herumhackt. Und auch sein Sound passt nicht so recht ins Gesamtbild, ist weniger warm als der seiner Vorgänger und klingt mehr nach Rock als nach Rockabilly. Zudem ist die Gitarre dann auch noch unnötigerweise extrem in den Vordergrund gemischt, wohingegen Bass und Drums deutlich zu leise geraten sind. Das fällt besonders auf, wenn man sich zum Vergleich die letzte Scheibe „Live Is A Grave & I Dig It“ anhört, wo der Sound deutlich stimmiger ist. Überhaupt ist das Album relativ glatt produziert, was den Spaßfaktor etwas mindert. Vielleicht muss ich mich einfach nur an den neuen Sound gewöhnen, und unterm Strich ist „What Happens In Hell, Stays In Hell“ immer noch ein gutes Album, aber ein Meisterwerk haben die NEKROMANTIX mit dieser Scheibe sicher nicht abgeliefert.
OATHBREAKER sind mittlerweile auch bei Deathwish Inc. gelandet, der Hype um ihr „Mælstrøm“-Album blieb aber überschaubar, was den Belgiern etwas Unrecht tut angesichts der Qualität des Albums. Ihre Landsleute RISE AND FALL haben Einfluss genommen, das wird in der wütenden Grundhaltung der Songs deutlich. Aber wie schon bei der EP gibt es nicht nur stumpf auf die Fresse, sondern wird die Chose durch mal rockige, mal metallische Anleihen interessant gehalten und variiert, ohne das zu irgendeinem Zeitpunkt das Grundlevel in Sachen Aggressivität abnimmt – auch hier wieder Parallelen zu RISE AND FALL. Wer sich durch die ersten acht Songs kämpft, wird mit einer arschtretenden HC-Platte belohnt, die keine Sekunde enttäuscht und sich selbst treu bleibt. Überraschend ist allerdings der Ausklang im letzten Song, in dem ruhig und mit klarem Gesang ein markanter Bruch mit dem bisherigen Material gemacht wird, was nur bedingt klappt, denn die entfesselte Wut der Belgier aus den vorherigen Songs ist da noch zu präsent beim Hörer. Da wäre es sinniger gewesen, auf den Song zu verzichten und sich klar als wütende, angepisste Vertreter Belgiens zu präsentieren (und als Belgier gibt es so einiges, was in einem Wut aufsteigen lassen kann), anstatt noch einen snaften, fast schon versöhnlichen Schlusspunkt setzen zu wollen. Wer sich vom Rausschmeißer nicht beirren lässt, wird OATHBREAKER als gelungene Erweiterung des Deathwish-Rosters und kleine Brüder und Schwestern von RISE AND FALL abspeichern, womit über „Mælstrøm“ alles gesagt wird.
Hört man sich dieses Album an, mag man kaum glauben, dass MONKEY 3 aus der Schweiz kommen. Ihre (be)drückende Mischung aus Post-Rock, Psychedelic, Stoner und Progressive hätte man eher in den USA verortet als im malerischen Lausanne. Aber dass auch Schweizer vortrefflichen düsteren Sound fabrizieren können, haben ja schon CELTIC FROST und die YOUNG GODS bewiesen, und auch THE OCEAN haben ihre Zelte ja mittlerweile im schweizerischen La Chaux-de-Fonds aufgeschlagen. Mit all diesen Bands verbindet MONKEY 3 die Dunkelheit in ihren Stücken. Die komplett instrumentalen Songs, die auch mal bis zu neun Minuten lang sein können, erinnern mit ihren unkonventionellen, fließenden Songstrukturen und ihrer Mischung aus sphärischen Sounds und schwer rockenden Riffs aber eher an Bands wie RUSSIAN CIRCLES, PELICAN oder ISIS. Aber auch Einflüsse von PINK FLOYD und BLACK SABBATH, auf die sich die eben genannten natürlich ebenfalls beziehen, klingen immer wieder durch. Dass der Vierer mit diesem Sound auf dem Hamburger Stickman-Label gelandet ist, bei dem auch MOTORPSYCHO seit jeher beheimatet sind, scheint da nur folgerichtig. „Beyond The Black Sky“ ist ein intensives Album geworden und gleicht einem düsteren Trip, der einen von Anfang bis Ende mitreißt und sich gleichzeitig zum Abheben wie zum Hineinfallenlassen eignet.
CAVE IN stehen für musikalische Veränderung und Neuorientierung, kaum eine andere Band hat sich mit jedem Album so sehr gewandelt wie die Jungs. War es am Anfang noch krachiger Metalcore, wurde es spacig-proggig und wird mit dem neuen Werk „White Silence“ noch experimenteller und viel schwerer zu fassen. Die Musiker, die sich u.a. bei DOOMRIDERS austoben, beginnen „White Silence“ mit einem gnadenlos heftigen Stück, in dem Shouter Stephen sich im wahrsten Sinne des Wortes die Lunge rausschreit ,bevor das folgende „Serpent“ roh auf den Punkt kommt, eni wenig erinnert das an die frühen CAVE IN-Tage. Ähnlich noisig geht es weiter, CAVE IN hatten erkennbar Bock auf verstörende, direkte Musik, jedenfalls in den ersten paar Songs, denn ab „Summit Fever“ wird „White Silence“ sehr experimentall und lässt von seiner Direktheit ab, um sich in Richtugn Progrock und 70er Jahre zu bewegen. Ein akustisch-veträumtes „Reanimation“ schließt dann eine Platte ab, die alle CAVE IN-Schaffensphasen in sich vereinigt und dadurch so vertraut wie überraschend ist, somit perfekt auf den Punkt bringt, wofür CAVE IN stehen.
SET YOUR GOALS sind beim dritten Album angekommen, an dem sich oft die weitere Karriere einer Band entscheidet. Wichtig ist in diesem Fall, dass SET YOUR GOALS ihrem Stil treu geblieben sind und weiterhin poppigen Punkrock mit Hardcore zu einer gut hörbaren, positiv besetzten Melange kombinieren. Mit Jordan und Matt sind wie gehabt beide Sänger am Start (und bringen sich gleichberechtigt in die Songs ein), während das Grundgerüst von nicht zu hartem, nicht zu softem Melodycore von ihren Kollegen aufgebaut wird. „Burning At Both Ends“ klingt frisch, positiv, sommerlich, ganz so, wie es ein paar Jungs aus Kalifornien vom Klischee her machen müssen. Wie schon bei den beiden Vorgängeralben stimmt hier einfach alles und machen alle Songs Spaß und verbreiten gute Laune. Mehr wollen wir von SET YOUR GOALS gar nicht!
Der vertonte schlechte Witz hat wieder zugeschlagen! Hauptmann Feuerschwanz, Prinz Richard Hodenherz, Johanna Von Der Vögelweide, Sir Lanzeflott, Der Knappe und Hans Der Aufrechte marodieren sich einmal mehr durch ein ganzes Album voller akustischem Sondermüll und unglaublich schlechter Texte. „Bück dich, Fee, denn Wunsch ist Wunsch!“… aus diesem Flachzunder mit Vollbart macht die Band allen Ernstes ein Stück, das auch noch als Titelsong des Albums herhalten muss. Lustig ist hier nichts, sondern platt, stümperhaft und einfach nur noch peinlich! Auch musikalisch wird alles aus dem Billigbaukasten für Mittelaltermucke gekramt, samt Dudelsack, Laute, Flöte und Tralala. Inhaltlich geht es in Songs wie „Jungfernkranz“ (boah nee!), „Latte“ (boah echt nee!) oder „Metmaschine“ (boah ganz echt nee!) ums Saufen und Begatten, am Liebsten schön schmutzig von hinten und herrlich versaut. Was hier als „Humor“ durchgehen soll, lässt auf einen Haufen Nerds schließen, die im Leben sowieso keine Muschi live zu Gesicht bekommen und jetzt ihren kollektiven Samenstau besingen. Ich dachte anfangs noch, mit zwölf Bar auf dem Kessel könne man sich „Wunsch Ist Wunsch“ schön hören, aber auch das hat nicht funktioniert: dieses Album ist so schlecht, dass es schon wieder richtig schlecht ist. Gut geblasen wird woanders!
Das LETLIVE-Debüt “Fake History” wird mit drei Bonussongs erneut veröffentlicht, knapp ein Jahr nach dem ursprünglichen Erscheinungstermin. „Hollywood, And She Did“, „Lemon Party“ und das von Brett Gurewitz produzierte „This Mime“ fügen sich dabei nahtlos in das bereits bekannte Songmaterial ein, ohne wirklich Akzente setzen zu können, denn das übernehmen Songs wie das knackige „We The Pros Of Con“ oder das chaotische „Renegade 86“ selbst. Die Vergleiche mit BLOOD BROTHERS, REFUSED oder AT THE DRIVE-IN passen nur teilweise, denn im Vergleich mit deren Werken gehen LETLIVE doch deutlich zahmer und berechenbarer vor. Das Ergebnis kann dennoch überzeugen, da die Band gekonnt zwischen Poppigkeit und Chaoscore wechselt und so langsam eine eigene Identität entwickelt, mit der sie sich vom Metalcore-Einheitsbrei genauso abgrenzen wie vom poppigen Emocore. „Fake History“ ist eine solide, emotionale Platte geworden, die irgendwo zwischen besagten Einflüssen und dezentem Pop-Appeal pendelt und klar macht, dass hier eine durchaus interessante Band aktiv ist.
Kurz nachdem Deathwish Inc. bekannt gaben, dass die Pre-Order zu „Parting The Sea Between Brightness And Me” losgehen würde, brach der Server zusammen. TOUCHÉ AMORÈ sind angesagt, aber wie bei vielen gehybpten Bands stellt sich die Frage, ob das wirklich gerechtfertigt ist. „To The Beat Of A Dead Horse“ war ein gutes, modernes HC-Album, aber noch kein Überflieger. Warum also die hohen Erwartungen an den Nachfolger, warum das manische ordern der neuen Scheibe? „Parting The Sea Between Brightness And Me” ist gut, das machen die ersten Durchläufe klar. Knackige Songs, die mit rauer Stimme und starken Emotionen den Hörer berühren („Method Act“) und dabei auf den Punkt kommen. Keine Schnörkel, sondern ehrliche Frustration. Dabei mit einem wahnsinnig guten Songwriting, das jede Nummer zu einem kleinen Hit werden lässt, ehe sich „Amends“ als der Übersong der Scheibe entpuppt. „Parting The Sea Between Brightness And Me” ist verdammt gut und eine Steigerung gegenüber dem Vorgänger, was den Hype immerhin halbwegs erklärbar macht. TOUCHE AMORE haben ihren Teil dazu beigetragen, indem sie Songs geschrieben haben, die auf emotionaler Ebene berühren und gleichzeitig direkt im Ohr hängen bleiben. Richtig gut!