InterviewWie geht’s Euch denn?
Im Moment zum Glück besser denn je.
Wieso denn das?
Nun, wir hatten ja schon verschiedene Phasen oder besser: ich hatte schon verschiedene Phasen mit STORMWITCH und es waren auch sehr dunkle Phasen dabei. Aber im Moment läuft es bei uns richtig gut!
Hast Du die Reunion denn schon einmal bereut?
Nö, im Gegenteil. Die Reaktionen der Leute sind einfach klasse und ich war noch nie so dankbar wie jetzt in den letzten zwei Jahren. Es ist ja auch nicht selbstverständlich und normal, dass einem von so vielen Leuten positive Emotionen entgegenschlagen. Für mich ist so etwas immer… bewegend klingt so hochtrabend, aber mich rührt es schon irgendwie. Ich sehe, wie viele Leute unsere Musik nach wie vor mögen und wie sie begeistert mitgehen. Wir haben ja vor kurzem beim "Keep It True" - Festival gespielt und das war emotional schon sehr intensiv. Das sind die Momente, für die ich lebe und in denen ich mit mir selbst, mit den Leuten und mit der Welt irgendwie eins bin. Man sieht dann, wie sich beide Seiten in der Vision und in den Songs vereinen und man dann zusammen abhebt und das ist immer das geilste Gefühl!
Denkst Du denn, dass in den 80er Jahren alles besser war? Es heißt ja immer, der Metal sei dort auf seinem Höhepunkt gewesen und heute sei alles tot und blablabla… Wie hast Du es denn selbst, gerade auch, weil Du von vielen "dunklen Phasen" sprichst, damals erlebt?
Ich denke, dass jede Zeit immer irgendwo beides hat. Ich möchte nicht sagen, dass es früher besser war, aber genauso wenig ist heute alles schlechter. Da scheint sich etwas zu verschieben und für mich persönlich ist mitentscheidend, dass ich früher noch nicht so bewusst gelebt habe. Bei mir war es früher so, dass ich als junger Mensch noch gar nicht richtig wusste, wer ich eigentlich bin und was genau ich will. Viele Dinge haben mich eher irritiert und ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihnen umgehen soll. Als wir damals angefangen haben, war ich noch ein unbeschriebenes Blatt und heute kann ich viel bewusster sagen, wer ich eigentlich bin und was ich will. Außerdem kann ich die Leute, die vor mir stehen, viel besser einschätzen und mittlerweile kenne ich auch die Lebensläufe vieler Fans, wobei ich mit einigen davon in engem Briefkontakt stehe. Es relativiert sich im Laufe der Zeit auch vieles und ich denke, dass sich Musiker auch oft um ihr eigenes Ego drehen und zu viele Empfindlichkeiten haben, die gar keine Rolle spielen. Von unseren Fans sind mittlerweile auch welche gestorben, zum Beispiel an unheilbaren Herzkrankheiten und wenn man so etwas mitbekommt, sieht man vieles in anderen Verhältnissen. Da kann ich wirklich dankbar sein, dass ich mit knapp 40 Jahren immer noch körperlich gesund und fit bin und das Leben noch genießen darf. Das ist schon ein Geschenk.
Du bist ja auch der einzige, der von der einstigen Band noch übrig geblieben ist…
Ja, genau. Wir hatten die Band ursprünglich zu dritt gegründet, das waren Harald Spengler, Stefan Kauffmann und ich. Wir kannten uns aus der Schule und der Harald und der Stefan sind zusammen in dieselbe Klasse gegangen. Ich war ja drei Jahre jünger und in einer entsprechend unteren Klasse. Nun, aber im Laufe der Jahre hat es sich so ergeben, dass jeder einen anderen Plan vom Leben und seiner Zukunft hatte und ich selber konnte mir nie etwas anderes vorstellen, denn das Konzept, mit dem wir gestartet sind, fand ich ideal. Es waren Themen, die von Literatur oder Geschichte inspiriert waren, gemischt mit klassischen Heavy Metal und das hat mir immer am besten gefallen. Ich habe in den 90ern auch teilweise mit anderen Musikstilen experimentiert und habe auch Respekt vor allen möglichen anderen Musikarten, aber die echte, große Liebe hängt beim klassischen Heavy Metal. Und an der ersten großen Liebe hängt man ja emotional am meisten.
Hast Du denn noch Kontakt zu den beiden anderen Gründungsmitgliedern?
Mittlerweile wieder, ja. Es gab schon ein paar unschöne Erlebnisse, aber ich bin nicht der Typ, der gerne auf solchen Dingen herumreitet. Ein Krach lässt sich ja auch in der glücklichsten Familie nicht vermeiden, aber heute überwiegt mehr, dass man sich an viele Dinge, die man zusammen erlebt hat, gerne zurückerinnert. Ich bin heute mit der Welt, mir selber und mit den Leuten mehr im Reinen als früher.
Ist Euer neues Werk "Witchcraft" denn ein Konzeptalbum geworden oder stehen die Songs darauf für sich alleine?
Nein, diesmal ist es kein Konzept, das hatten wir schon auf der "War Of The Wizards" und der "Shogun". Dort hatten wir einen kompletten Roman musikalisch umgesetzt und dieses Mal ist es wieder so wie auf den ersten vier Alben. Es ist eine Mischung aus traditionellen STORMWITCH - Werten, die man von der Band immer gerne gehört hat und aktuellen Einflüssen, also Dingen, die uns in den letzten zwei Jahren inspiriert oder bewegt haben.
Euer eigentliches Comeback, also der Punkt, an dem die Leute wieder angefangen haben, über STORMWITCH zu reden, war doch, als HAMMERFALL Euren alten Klassiker "Ravenlord" gecovert haben?!
Damit hat auch kein Mensch gerechnet! Zu dieser Zeit hatte ich gerade meinen emotionalen Tiefpunkt. Zwischen den Jahren ´94 und ´97 war ich schon recht enttäuscht, weil dieser Zeit ein paar Jahre voraus gingen, in denen nichts mehr richtig funktioniert hatte. Für den Metal war es Anfang der 90er relativ schwierig, weil das Interesse bei anderen Stilen lag, wie Grunge, Alternative und solchem Zeug. Es war dort für jede Metalband schwierig, Gehör zu finden. Und auf der anderen Seite war dieses emotionale Band, das uns zusammenhielt, zerrissen, nachdem die Gründungsmitglieder die Band verlassen hatten, denn mit denen ist man ja fast schon im Sandkasten groß geworden. Mit der aktuellen Besetzung funktioniert es jetzt auf einer anderen Ebene, denn sie alle waren früher schon Fans von STORMWITCH und hatten sich mit unseren Ideen identifiziert. So funktioniert es auch wieder, aber in den Jahren dazwischen kamen Leute aus anderen Bands, die von vornherein schon musikalisch andere Vorstellungen hatten. Von daher war es sehr schwer, die Band in ihrer bekannten Form am Leben zu erhalten. Es ist ja auch logisch, denn wenn eine Band auseinander bricht, dann kann es mit anderen Leuten plötzlich nicht mehr dasselbe sein. Ich glaube, der Grund, warum es bei den letzten beiden Alben wieder funktioniert hat, ist… nimm zum Beispiel mal den Martin Winkler. Er hat sich total mit der Band identifiziert, hat uns mal live gesehen und daraufhin begonnen, selbst Gitarre zu spielen. Er hat dann auch versucht, so ähnlich wie ich zu singen. Das ist schon gut, denn wenn wir live zusammen singen und er die zweite Stimme übernimmt, dann klingt es so, als sei ich gedoppelt.
Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass Ihr quasi nicht im Alleingang wieder bekannt geworden seid, sondern durch eine andere Band, einen Newcomer, der in kürzester Zeit von 0 auf 100 geschossen ist und "zufällig" gerade einen Song von Euch gecovert hat. Das ist jetzt auf keinen Fall abwertend gemeint, aber du verstehst, wie ich das meine?! Warst Du im diesem Moment froh oder eher etwas enttäuscht, weil Ihr im Prinzip "nur durch fremde Hand" wieder im Gespräch ward?
Ja, ich verstehe schon, aber es ist im Endeffekt doch egal, wie das Schicksal zuschlägt. Ich bin auf jeden Fall dankbar für das, was passiert ist. Es ist im Prinzip scheiße, wenn Du mit Deiner zerbrochenen Band und den ganzen negativen Erfahrungen, die damit verbunden sind, alt wirst. Da bin ich schon froh, dass es so gelaufen ist. Und es ist ja so, dass ich die Jungs von HAMMERFALL wirklich mag. Wir haben uns persönlich getroffen und sie sind absolut ok! Wir sind ja auch einmal zusammen beim "Bang Your Head" Open Air aufgetreten, das war 1997. Davor hatten wir uns getroffen und sind auf die Idee gekommen, das zu machen. Wir hatten uns auf Anhieb verstanden und der Oscar hat auch ähnliche musikalische Ideale wie ich. Von daher hat es schon Sinn gemacht und ich hatte die Band ja politisch unkorrekter weise gefragt, aber ich war einfach so begeistert, weil ich die Band gut finde und gerade auf ihrem ersten Werk hört man Anleihen unseres "Stronger Than Heaven" - Albums. Und da habe ich sie glatt gefragt, ob sie an den Songs unseres eigentlichen neuen Albums von 1994, an dem wir gerade gearbeitet hatten, bevor die Band zerbrach, interessiert seien. Und tatsächlich haben sie dann einen davon auf ihr zweites Album genommen, nämlich "At The End Of The Rainbow". Der Song hätte normalerweise auf dem Album stehen sollen, das ursprünglich nach "Shogun" geplant war. Ich war also wirklich glücklich, dass es HAMMERFALL gab, denn die Jungs sind absolut in Ordnung und in Prinzip kann Dir auch nichts Besseres passieren, als dass die Dinge, die Du gut findest, mit anderen Leuten geteilt werden, seien es Fans oder eben andere Bands. Sie greifen Deine Ideen auf und machen etwas Eigenes daraus. Und nach "Shogun" sah es so aus, als verlaufe alles im Sand und nichts bleibe übrig. Ein anderes Beispiel ist eine italienische Band, die "Tears By The Firelight", unsere Ballade von "Beauty And The Beast" - Album, gecovert hat. Ich finde es sehr schön, dass jüngere Bands unsere Ideen aufgreifen und den Mut beweisen, wie wir früher, Dinge zu tun, die nicht unbedingt in die normale Vorstellung von Heavy Metal passen. Wir haben dafür immer Schelte bekommen, aber letztendlich hat sich der Mut dann doch ausgezahlt, dass wir versucht haben, immer ein wenig origineller zu sein als der Rest. Ich finde es klasse, wie es in den letzten fünf Jahren gelaufen ist.
Was hat es denn genau mit dem Bonustrack des neuen Albums, "Blood Lies In My Hand", auf sich? Immerhin steht darunter als zusätzliche Angabe "STORMWITCH feat. Martin Winkler", wo dieser doch Mitglied bei Euch ist. Normal wird mit so einer Zeile doch eher auf einen Gastmusiker hingewiesen.
Wir wollten damit herausstellen, dass es ein Song ist, der dem Martin besonders am Herzen liegt. Es ist eine ganz persönliche Sache und der Song klingt auch etwas anders als STORMWITCH normalerweise. Von der Musik her hat der Song einen kleinen Gothic - Touch und vom Text her ist er sehr persönlich. Wir verstecken uns ja normal gerne hinter geschichtlichen Figuren, wie dem "Ich - Erzähler" aus Romanen. In diesem Song aber verarbeitet Martin die Trennung von seiner Frau. Er hat sich vor drei Jahren scheiden lassen und es war wohl emotional sehr dramatisch. In einer dunklen, traurigen Nacht hat er den Song dann komponiert. Wir begleiten ihn dabei und eigentlich sollte es ein regulärer Song auf dem Album werden. Er hat mir dann mal eine Pilotspur der Melodie vorgesungen und ich habe dann entschieden, dass wir den Song nicht in dieser Form mit auf das Album nehmen und ich ihn nicht singen werde. Mich hat es persönlich berührt, aber viele Leute denken auch: "Was soll der Scheiß?". Ich empfinde die Emotionen in dem Song als echt und ich fand es interessant, auch einmal so etwas einzubauen. Wie gesagt, STORMWITCH haben ja schon immer mal Dinge ausprobiert, aber es ist immer ein zweischneidiges Schwert. Es kann Begeisterung auslösen, aber es kann auch dafür sorgen, dass Dich die Leute erst recht für bescheuert halten, haha! Ich selbst finde es aber wichtig, dass Musik immer eine starke Emotion transportiert.
Apropos Emotion: ich habe Euch auf dem "Keep It True" - Festival gesehen und hatte den Eindruck, Ihr seid eher eine lustige Theater - Gruppe als eine echte Metal - Band, hähä.
Das war eine Show, speziell für’s "Keep It True". Dort wollten wir wieder mal richtig theatermäßig auftreten. Wir waren in unseren Anfangstagen dafür berühmt, dass bei uns immer etwas in dieser Richtung abgelaufen ist. Früher hatten wir immer Klamauk, auch mit entsprechend farbigem Nebel, eben immer irgendwelchen Firlefanz. Und das "Keep It True" ist ja fast schon, auch wenn es negativ klingt, ein "Oldietreffen" und darum war es eine gute Gelegenheit, die alte Bühnenshow noch einmal aufleben zu lassen. Nur darum haben wir auf diesem Festival wieder Klamauk veranstaltet, denn normal halten wir uns bei unseren Shows eher bedeckt. Ich glaube, wir präsentieren uns heutzutage optisch bescheidener denn je, denn früher sind wir noch mit Kostümen auf die Bühne gekommen und heute tragen wir normalerweise schlichtes Schwarz und lassen unsere Begeisterung für die Songs sprechen. Wir nehmen uns auch selbst immer gerne auf den Arm und bewegen uns an der Grenze, aber man kann es als die "kindliche Begeisterung am Spiel" ausdrücken. Für mich war es damals schlimm, als Stefan Kauffmann gemeint hat, ihm werde das alles zuviel und er möchte lieber ein normales Leben führen. Das war für mich der größte Schock überhaupt, weil bei ihm immer beide Seiten zum Tragen kamen, die Lustigkeit und seine unheimliche Intelligenz! Er hat sich sehr für Literatur interessiert und dafür standen STORMWITCH ja auch immer. Sie spiegelt sich in unseren Texten wider und wir haben immer versucht, sie in eine lustige Form zu pressen. Ich glaube sowieso, dass Metal immer schnell zur Parodie tendiert, weil übersteigerte Sachen schnell parodistisch wirken, da sind MANOWAR mein bestes Beispiel. Bei Bands, die ständig von Superlativen singen und sich als große, nordische Krieger präsentieren, ist es zum Beispiel besonders lustig, wenn der Sänger nur 1,50 Meter groß ist. Übersteigertes Getue reizt natürlich die Lachmuskeln und wir waren immer bereit, uns der Lächerlichkeit preiszugeben, denn es geht hauptsächlich darum, dass man seinen Spaß hat. 2002 haben wir in Wacken gespielt, morgens um zehn Uhr und ich war noch nicht richtig wach und vielleicht noch ein wenig angesäuselt vom Vorabend, da bin ich volles Rohr über die Monitorbox gefallen. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, da habe ich die amüsierten Gesichter gesehen und musste selber loslachen. Es sind oft eben die Sachen, die in die Hose gehen, die bei einem Konzert am Meisten Spaß machen. Heutzutage steckt in der Metal - Szene zuviel Fanatismus und Fundamentalismus, wie ich es schon in den 80ern beobachtet habe. Die Szene läuft dann Gefahr, sich selbst zu limitieren, weil sich die Bands nicht mehr trauen, etwas Eigenwilliges zu machen. Es werden dann immer dieselben Outfits und Riffs präsentiert und das Ganze fällt am Ende in sich zusammen.
Was sind denn jetzt Eure Pläne für die Zeit nach der Veröffentlichung von "Witchcraft"?
Es wäre schön, wenn wir dieses Mal großflächiger touren könnten. Mit Nuclear Blast stehen die Chancen dafür ziemlich gut. Wir möchten gerne mal für unsere Fans in ganz Europa spielen, denn es war nicht immer einfach, ein STORMWITCH - Fan zu sein. Die Leute stehen auch nach 20 Jahren noch hinter uns und dafür bin ich wirklich dankbar. Es ist für viele Fans, gerade im Ausland, schwer, an das alte Material und die Platten ´ranzukommen und trotzdem bekommen es Leute immer wieder hin, sich die ganzen Alben und CDs zu besorgen, die ich dann unterschreiben soll. Ich bin jedes Mal verblüfft, wie das noch möglich ist. Auf diesem Weg ein riesiges Dankschön an die Fans, die uns und mir schon teilweise seit der Erstveröffentlichung unseres "Walpurgis Night" - Albums die Treue halten!
InterviewHallo Mille, hat es Spaß gemacht, so ein Oldschool-Album aufzunehmen?
Ja. Sonst würde ich es ja nicht machen. "Enemy of God", dieses Album hat schon ziemlich viel Spaß gemacht. Vor allen Dingen da wir einfach dieses Mal versucht haben, auch alles so zu machen, dass es nicht Oldschool im Sinne von Oldschool ist. Also: Es ist nicht "retro" im Sinne von "schon mal gehört". Wir haben stattdessen versucht, es so zu machen, dass es trotzdem noch relevant für die heutige Zeit ist und aufregend ist für die Leute, die es hören.
Ich finde es ja witzig, dass ihr ausgerechnet Andy Sneap als Produzenten genommen habt. Andy hat die vorausschauendsten Alben der letzten Jahre produziert, und freut sich einen Keks, dass er mit euch ein richtiges Thrash-Album machen kann.
Geil. Er ist ja auch aus unserer Generation.
Ja, natürlich ist er das, aber...
Andy Sneap ist mittlerweile Mitte 20.
Mitte 20. Schon wieder.
Ja, und von daher... Wir kommen aus dem gleichen Umfeld. Er hat dieselben Lieblingsbands wie ich. Diese Aufnahmesessions hatten wir für ein paar Tage unterbrechen müssen und er hat uns zum Download-Festival begleitet. Dort haben die ganzen alten Helden gespielt, und wir haben beide uns sehr gut amüsiert.
Wer waren deine persönlichen Helden?
Ach, was weiß ich, halt die ganzen Oldschool-Bands eben von früher. Was soll ich sagen...
Sag mal drei Namen:
Wahrscheinlich CELTIC FROST, POSSESSED und von METALLICA die ganz alten Sachen, nicht die neuen. Und dann diese ganzen alten Bay Area-Bands: TESTAMENT, SLAYER - also die Sachen, mit denen wir beide aufgewachsen sind. Da haben Andy und ich ein stilles Verständnis. Auch MAIDEN. Eigentlich war MAIDEN "meine" erste Metal-Band. Durch Andy manifestiert sich das, der ist sogar noch räumlich aus der gleichen Ecke. Andy Sneap kommt aus England und er hat einen ganz anderen Bezug zu dieser Musik, er kennt MAIDEN ganz anders. Die Melodien von MAIDEN, das ist klassisch englisch. Wir haben da einen Super-Bezugspunkt, wir brauchen kaum miteinander sprechen, wir verstehen uns blind.
Etwas ähnliches sagte er auch.
2001 wurde aus der Thrash-Renaissance eine Mega-Welle gemacht, DESTRUCTION, SODOM und ihr wart damals zusammen auf Tour. Was ist aus dieser Renaissance geworden?
Ich weiß nicht, was da hätte draus werden sollen?
Zunächst einmal wart ihr zu dritt auf Tour.
Die Tour war super. Aber es war ja nicht so, dass wir damals geheiratet haben. Das Ding ist einfach folgendes, diese Tour wurde oft zitiert, und viele Leute haben mich auch oft danach gefragt, "diese Tour da im Winter, blablabla." Und ich finde auch, diese Tour war auch wirklich wichtig für die Zeit, 2001/2002 war eine Super-Tour, und wir haben uns super amüsiert. Aber man darf nicht vergessen, dass die drei Bands, die da auf Tour waren, untereinander eigentlich total verschieden waren. Also es waren drei Bands aus der gleichen Epoche...
... und ihr kennt euch ja auch seit...
... und wir kennen uns seit 200.000 Jahren, wir haben zur gleichen Zeit begonnen. Allerdings ist weder Band A noch Band B noch Band C miteinander - wir können uns untereinander nicht vergleichen. Das einzige, das wir noch wirklich gemeinsam haben ist, dass wir irgendwo alle drei Bands extremen Metal spielen und wahrscheinlich auch zu der gleichen Zeit angefangen haben und auch die gleichen Einflüsse haben, aber alle drei Bands haben sich in völlig verschiedene Richtungen entwickelt. Und haben auch zum Teil eine völlig andere Auffassung und eine sehr unterschiedliche Attitüde zur Musik und deshalb hinkt hier jeder Vergleich völlig. Aber: Es war eine schöne Tour.
Nach all den Experimenten, die du in deinem Leben schon gemacht hast - wie ist das, jetzt mit deinem zweiten Gitarristen Sami Yli-Sirniö zusammen zu komponieren?
Macht Spaß! Sami ist ein Typ, der sich sehr gut in ein Bandkonzept eindenken kann. Das heißt, er - sein Ego - existiert sozusagen nicht. Er spielt songdienlich und macht das, was zur Band passt. Ohne sich dabei selbst zu limitieren. Und er hat auch völlige Freiheit bei KREATOR, und ich glaub, damit ist er auch ganz zufrieden. Das passt gut zwischen uns, das geht einfach. Das funktioniert ohne große Kommunikation.
Habt ihr euch MP3-Files hin und hergeschickt?
Nee. Ich schick ihm ab und zu mal CDs, nur mit den Drums drauf. Bei "Violent Revolution" kam er erst ganz am Ende dazu. Als alles schon aufgenommen war, hat er auf seinen Part die Solos aufgenommen. Dieses Mal war es anders: Wir haben zusammen geprobt, einmal in der Mitte, noch mal am Ende, und zwischendurch auch noch mal, und wir haben da zusammen die Sache ausgearbeitet. Ich glaube, dass das Konzept KREATOR den beteiligten Leuten eine Möglichkeit gibt, sich in bestem Licht darzustellen, und gleichzeitig noch den Bandsound nach vorne zu bringen. Und ich glaube, darum geht´s bei uns: Das jedes Einzelmitglied hundertprozentig er selbst sein kann.
Sami sagt, "Violent Revolution" sei fröhlich gegen "Enemy Of God".
Sami... (der Blick deutet schon fast Klassenkeile an). Wenn das seine Auffassung ist... (Mille lacht). Ja, ist schon so, das neue Album ist härter. Aber, und das ist mir wichtig, ohne nervig zu sein. Härter kann ja manchmal auch nerviger sein. Hart heißt ja nicht gleich gut. Unser neues Album ist hart im positiven Sinne. Also mitreißend hart, nicht penetrant hart. Meiner Meinung nach.
Musstest du in letzter Zeit neue Aggressionen ausdrücken? Oder warum ist das Album so düster geworden?
Nein, ich denke jetzt nicht, dass da irgend etwas bewusst eingeflossen ist. Künstler denken... Das ist jetzt wahrscheinlich schwer zu vermitteln, aber ich glaube, Musik ist eine Sache, bei der viel im Unterbewusstsein abläuft. Also auch Kompositionen, die entstehen nicht zuerst im Kopf.
Ja, aber du bist schon ein Mensch, der sehr reflektiert.
Ja, aber Inspiration ist nicht greifbar. Ich kann nicht sagen, "ich habe es jetzt deshalb gemacht..." oder "der Grund, warum dieser Song jetzt so und so ist, ist weil ich da und da das und das gehört habe".
Nein, ihr macht ja weder MathCore noch Prog, so meinte ich das nicht.
Eben, genau. Ich glaube einfach, dass da viel im Unterbewusstsein passiert. Und dann erst so etwas wie Reflektion. Man macht so eine Art Bestandsaufnahme der jeweiligen Zeit, in der du deine Musik aufnimmst, du versuchst das irgendwie einzufangen und auch akustisch umzusetzen. Hört sich jetzt alles ziemlich kompliziert an, ist aber eigentlich gar nicht so schlimm. Im Prinzip ist man auch nur jemand, schreibt irgendwelche Songs, wo du denkst die könnten jemandem anderen gefallen. Also wenn ich mir jetzt von einer anderen Band ein Album kaufen würde, und es wären diese Songs drauf, würde ich sie gut finden. Seit der letzten Platte hatten wir viel Kommunikation mit den Fans und eine Menge Live-Erfahrung. Diese Platte nun haben wir genau für eine Live-Situation geschrieben.
Apropos Live-Situation: Ihr geht mit DARK TRANQUILLITY auf Tour?
Ja.
Cool.
Magst du die?
Sehr.
Ich auch, ich finde die gut. Aber wir gehen auch mit HATESPHERE und EKTOMORF auf Tour.
Oh. Werdet ihr denn mit diesen Jungspunden jeden Tag mithalten können?
Na klar! (Nach einem langen, durchdringenden Blick:) Na, das wird schon gut. Wir nehmen uns gerne Bands mit, die auch gut sind. Wir haben damit Erfahrung, BIOHAZARD waren damals auch ziemlich stark, als wir die mitgenommen haben. Das war eine Herausforderung, danach auf die Bühne zu gehen und dann zu versuchen, noch mal einen draufzusetzen. Das spornt an. Und ich glaube, das ist ein guter Ansatz, um auf Tour zu gehen. Es macht keinen Sinn, unterwegs zu sein mit irgendwelchen Bands, die Scheiße sind. Vor allen Dingen macht es keinen Spaß. Das Publikum ist genervt und wartet nur auf den Headliner, das ist blöd. Ich glaube, es ist schon nett, wenn man ein gutes Paket hat, wo auch alle sagen, "ey, die Kombination von Bands möchte ich sehen". Da hat jeder Spaß dran.
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InterviewDid you mix it all alone or was one of the band members coming over?
No, I did the original mix after we finished recording. And then I came over here to Hamburg to work with MASTERPLAN and I wasn´t happy with it. I was so burnt out with the recording by the time of the mix - we were working long hours. So I gave me a couple of weeks off and then I went back in July and re-did it. Mille trusts me and so I did the mix myself and sent the mix to the band to listen to it. It´s the easiest way to do it.
Why have you been so burnt out?
Every time I do an album, it gets me on. You know, you start at 10 a.m. in the morning, and you finish ´round 1 a.m. in the morning. As a producer you´re concentrating, you´re certainly trying to work things out. Your mind doesn´t wonder because you´re paying attention all the time, it´s like relentless. And when you sit between the paravan extends and you´re listening to KREATOR all day it´s - it fucking hurts, I tell you.
Ok, ok. It´s fucking intense, I guess.
Yeah, it is. Six weeks of that. That´s the worst German torture that´s happening in the past 50 years, put it that way. (laughing and watching the torture chamber in the Hamburg Dungeon). So, it is hard work. It is. I enjoy it, else I won´t do it. But I do find it very hard work, and I can say to everyone, to mix an album after six weeks of that, it´s the worst time to do it. Whenever I do a project I really try and take at least two weeks off before I get into the mix. And to get away from it, I don´t even listen to it. Then I´ll come back to it with fresh ears.
Did you have such a tight schedule this time?
Things are really running back to back usually and then certain people have got deadlines so I have to go elsewhere. This time I came over here to work here in Hamburg and then went back and just re-did the mixes. So it worked out for better in the end. But you always got labels, and you know they want to put it out in the fall because all tours are happening ´round then.
So, are you satisfied with "Enemy Of God"?
Yeah, I am very satisfied with it.
Ok. What do you think, what is your new turn to KREATOR?
Sorry?
Don´t you think that you influenced KREATOR in a certain way during the recording, or were they very strict with what they wanted to sound like?
I think, me and Mille work well together. We both were playing in bands back in the late eighties. I think we both understand this style of music very well. And I think the band´s idea is about this thrash. And while working we try hardly on this bitten, try this arrangement. And we both understand this style of music, so I think that´s why we work well together.
What was your approach to it? Did you want to have basic thrash idea to that?
Yeah, to me, KREATOR is a thrash band. From what I´m seeing and how I know the band. It wants to be fucking down-picking, it wants to be double-kicks, it wants to be screaming solos, it wants to be aggressive vocals, and to me that´s what people love about the band. Obviously they went for a more melodic sound for a little while, but I think this is where the band feels most comfortable, I think it´s what suits the band better, as well. Especially with this line-up, I think - the guys who are in the band, especially Ventor, I think his style is top when the heavier thrash is, that suits him better. To me, I think this is the direction they should go in. And as a producer that´s what I try to force them to do it.
Yes of course. The same time they have two guitar players who have such a wide range of music they are able to play. And on this album they both play this strict thrash thing and limit themselves.
Yeah I know. But that is what people want to hear.
Well.
Yeah. Totally. It would really damage a band if they start to go in another direction this sudden. I tell you this right: I first came to Germany in 1987. The fucking scene over here hasn´t changed one bit since then. I´ve done tours round Germany for years. And every time I come back here it´s the same old faces, same people in the crowd, same haircut, same jackets you see, same patches on the jackets. This is the way German metal is. I´m not criticising it. I love it, because it keeps me in business. It´s the way you Germans are, and I mean it´s great, because you haven´t followed any trends.
And it´s not like in England.
Oh, England... Everything, the scene is the Kerrang magazine: England, it´s so influenced by what´s in the media. Well you know, if you play metal, you´re always safe when you go to Germany.That´s good, it´s great. Apparently, KREATOR - what album is this, is it eleven? Twelve? Whatever. Why should they invent new sounds now?
They did.
Yes they did. And I don´t think it was successful for them. You know, a few people liked it, you´re one, another one is over there (pointing at one of the tortured figures behind him).
But people want fucking down-picking guitars, they want double-bass jolts and screaming solos and they want Mille. That´s what people want at this band. You´re not gonna break any new band with this style of music anymore. There is a sort of thrash thing coming back, and it´ll never gonna be as big as it was back in the days, but there is a resurgence in it. We haven´t made a thrash album for the sake of that, it´s just gone where the bands heart is. It´s what Mille understands. That´s what I understand. And it´s what we wanted to do. We wanted to take what we´ve got with the last album "Violent Revolution", sort of one step further with the thrash stuff. Screaming solos, you know? Screaming vocals, double-kicks. You can´t get wrong.
That´s what this album is about.
I think this is the right thing to do. You might disagree, but I think it´s the right thing to do.
I totally agree. Last question, which artist did you like most to work with in general?
I had some good times in the states actually. The STUCK MOJO guys are always good fun to work with. Rich, the guitar player, you´ve got the best mate in him. I was the best man at his wedding. I did a PISSING RAZORS album in El Paso, Texas. And EXODUS, well, Gary Holt is off the hook, he is so funny. He´s mad. He lives in a cartoon. When you´re going on an EXODUS album, you don´t know if you´re coming back from it. Well, EXODUS I would say, that was good fun.
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