Konzert:
Close-Up Festival 06 - Sonntag
Konzert vom Am Sonntag wurde eine dritte Bühne für "Demobands" geöffnet - das Fylkingen ist ein Nebenraum der Bryggeriet, und dort ging es um 15 Uhr los. Allerdings noch nicht für diese kleine deutsche Abordnung, denn wir hatten am Vorabend noch gut im "Rocks" auf der KATATONIA-Aftershowparty gefeiert. In der Metaldisco "Rocks/Tivoli" hatten von Gründonnerstag an schon die "Förfests" stattgefunden, an diesem abend sollte dort auch die OPETH/AMON AMARTH Aftershowparty steigen. Wir brauchten deshalb erst mal frische Luft.
Das heißt, so schlecht ist die Luft in den Clubs gar nicht: In Schweden herrscht seit kurzem absolutes Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und bei öffentlichen Veranstaltungen, also auch in Kneipen und bei Konzerten. Auf dem Balkon und vor den Türen treffen sich seitdem die Raucher, lassen sich (besonderer Service der Kneipen) vorher eine dicke Decke zum Umhängen geben, damit sie bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im T-Shirt nicht erfrieren. Denn das ist auch eine schwedische Besonderheit: Die Abgabe der Garderobe ist Pflicht, die Gebühr dazu ein versteckter "zweiter Eintritt" - gegen den im Zuge der Rauchergesetze vorgegangen wurde, allerdings nicht sonderlich erfolgreich.
Bei BLINDSIDE war die Luft noch zusätzlich sehr gut, weil sehr viel Platz war: Diese Schweden touren sonst 300 Tage im Jahr in den USA und spielen dort inzwischen nur noch die Riesen-Hallen - daheim sind sie dagegen wie der Prophet im eigenen Lande, und der hat bekanntlich nix zu melden. Nun ja, jedenfalls etwas weniger: Extra wegen BLINDSIDE hatte sich ein Häufchen Emo-Kids Tageskarten gekauft und supportete die Band nach Kräften - aber war mir nur so, oder hat die Band vor halbvollem Saal auch nur mit halber Kraft gespielt?
Mindestens genauso viele, eher aber mehr Zuschauer drängeln sich eine halbe Stunde später im kleinen "Fylkingen" vor der Demo-Bühne und die Stimmung ist neugierig bis aufgeregt: Niclas Engelin (ex-IN FLAMES/PASSENGER), Mangan Klavborn, Johan Andreassen, Mojjo und der letzte THE CROWN-Arbeitslose Marcus Sunesson stehen heute erst zum 5. Mal zusammen als ENGEL auf einer Bühne. Und dieses ENGEL aus Göteborg brennen von der ersten Minute an das fette Metal-Entertainment ab: der Sequenzer startet jeden Song, und die Mischung aus Elektro-Metal mit fettesten Gitarren ging bei der dicht gedrängten Menge über den Nacken in die Beine - ENGEL war die erste Band des Festivals, bei der sich ein richtiger Mosh- und Tanzpit bildete. Wer sich in etwa The Kovenant mit Death-Wurzeln und heiserem Shouter vorstellen kann - setzt ENGEL fett auf die Merkliste!
Bereits auf der Wendeltreppe zurück in die Bryggeriet bollern die Töne von AMON AMARTH durch Mark und Bein: Im Vergleich zu den letzten europäischen Shows hat dieses Heimspiel was spartanisches: Toller Sound, aber nur einfach Lichtshow, kaum Requisiten. Der "feindliche", weil dem Fußball-Club "Hammarby" nahestehende Stadtteil wird von den erklärten Djurgården-Fans AMON AMARTH wird mit den einfachsten Mitteln genommen: Hits wie "Fate of Norns", " Where Silent Gods Stand Guard", "Bleed For The Ancient Gods", "Versus The World" - eins nach dem anderen werden Songs wie Pfeilspitzen abgefeuert und keine Gefangenen gemacht. Johann Hegg, Olli Mikkonen und Ted Lundström schütteln die Haare auf der Bühne vor, und das Publikum schüttelt hinterher. Also: Lokalderby haushoch gewonnen!
Kann man dieses Gewitter noch toppen? BOLT THROWER können. Karl Willets ist ein ganz anderer Fronter als Dave Ingram, und das bekommen die großen Songs aus der Ingram-Ära wie "Mercenary" zu spüren - die Stimme von Ingram hat mehr Volumen und Tonumfang. Dafür bölkt Karl Willets die klassischen, eigenen Songs in einmaliger Heiserkeit in den Saal. Genauso heiser wie seine lustigen Ansagen, die in ihrem breiten Dialekt selbst im sprachtalentierten Schweden kaum jemand versteht. Willets ist der Gute-Laune-Bär des Death Metal und hier und heute auch eine wandernde Litfass-Säule für die britisch-niederländische Freundschaft: Die Brust ziert das T-Shirt der Toursupporter God Dethroned, das Handgelenk ein Schweißband in den holländischen Farben und das Mischpult ein holländischer Soundmischer.
Setlist BOLT THROWER:
At First Light
Entrenched
Mercenary
When Glory Beckons
World Eater
The Killchain
Powder Burns
Those Once Loyal
Inside The Wire
The Fourth Crusade
---
When Cannons Fade
OPETH dürfen danach, also nach zweieinhalb Tagen voller Party, Musik und Hin- und Herlaufen zwischen den Clubs um 1 Uhr nachts auf die Bühne. Mikael Akerfeld, der die Tage selbst ordentlich mitgefeiert hat, und seine Mitstreiter stecken voller Spielfreude - und werden nach dem ersten Song durch die schwedische Version von "Happy Birthday" unterbrochen, Mikael begeht nämlich außerdem seinen 32. Geburtstag. Die kommenden zwei Stunden vergehen dann in trance-artigem Unwissen denn Mikael Akerfelds lustige Ansagen sind ausschließlich auf Schwedisch...
Setlist OPETH
Ghost of Perdition
Waiste Cluster
The Amen Corner
The Baying
Closure
Unerth Feeling Morn
The Grand Conjuration
The Leper Affinity
Deliverance
Konzert:
Close-Up Festival 06 - Samstag
Konzert vom Oslo hat den Black Metal und das Inferno - Stockholm eine nicht minder legendäre und (den Death Metal) stilprägende Musikszene und hielt dieses Jahr zu Ostern mit dem Close-Up Festival dagegen an. Das Line-Up war mit den Headlinern SATYRICON und OPETH erlesen und die Ryanairflüge billig, der Umtauschkurs Krone-Euro günstig - also nix wie hin! Auch wenn das Bier trotzdem noch teuer ist...
Das Indoor-Festival erstreckte sich über 2 1/2 Bühnen und für die nimmermüden zudem über 3 Clubs im Stadtteil Södermalm, die in maximal 15 Minuten Fußmarsch voneinandern entfernt lagen. Auf dem Weg von der "Main Stage" im Veranstaltungszentrum "München Bryggeriet" (einer ehemaligen Brauerei) zur kleineren Bühne im "Kolingsborg" in den Katakomben unter der U-Bahn konnte man den besten Ausblick über den Touri-Magneten "Gamla Stan" genießen. Die Organisation durch das Team um Close-Up Chefredakteur Robban Becirovic war rührig und reibungslos und das Booking ausnahmslos geschmackssicher.
Los ging es in der abgedunkelten München Bryggeriet mit CULT OF LUNA und ihrem trippigen Noisecore - also leicht angedrogtem Krach zwischen Psycho- und Träumfaktor und mit introvertiertem Schreihals am Mikrofon. Geile Band ohne Frage, und "Salvation", das dritte Album dieser unglaublich jungen Musiker aus Umea hat es auch ganz zu Recht in die Top 10 der Jahresbestenliste 2005 des Close-Up geschafft - aber so etwas möchte man lieber mit einer Flasche Rotwein im Arm spät in der Nacht hören als am frühen Nachmittag auf nüchternen Magen. Achtungapplaus gab es also, aber so richtig mitgehen konnte um diese Uhrzeit kaum einer.
Nach dem Newcomer stehen die alten Hasen auf der Bühne - und müssen eher noch mehr um ihr Publikum kämpfen. Die Göteborger EVERGREY legen eine technisch perfekte, routinierte Show mit bestem Sound aufs Parkett, die aber das verwöhnte Hauptstadtpublikum zunächst nicht im Geringsten zu kratzen scheint. Sei es die Abneigung der Stockholmer für Melodien oder gegen Power-Metal-Einschübe: Die zahlreichen Herren Musiker-Kollegen im Publikum wie etwa Olli und Ted von AMON AMARTH und Kristian und Johan Niemann von THERION klatschen zwar kollegial, aber Sven Normalkonzertbesucher machte einen auf Zuschauer-Denkmal. Da kann Sänger Tom Englund noch so sehr mit seinen beindruckenden Cowboy-Stiefeln mit extralanger Spitze auf der Monitorbox rumtreten. Dock mit den Krachern "The Masterplan" und "Touch of A Blessing" stecken EVERGREY ihr Publikum letztlich doch in den Sack.
Setlist EVERGREY:
Obedience
Recreation Day
Blinded
End Of Your Days
More Than Ever
I´m Sorry
Monday Morning Apocalypse
Still In The Water
Mark Of The Triangle
The Masterplan
Touch Of A Blessing
Während RENTOKILLER und RAISE HELL nacheinander den Kolingsborg angeheizt hatten, wird auf der Mainstage für KRUX umgebaut. Die alten Haudegen Leif Edling (CANDLEMASS), Jörgen Sandström (Ex-ENTOMBED, Ex-GRAVE) und Peter Stjärnvind (ENTOMBED) haben sich den weniger bekannten Mats Levén geschnappt, der als THERION-Backgroundsänger zu versauern drohte und stellen zusammen Songs auf die Bühne, bei denen Led Zeppelin- und Black Sabbath-Fans ganz anders wird. Fett, fett, fett - und fett besucht, bisher die Band mit den meisten Zuschauern und enthusiastischsten Zuschauer-Reaktionen.
Danach hieß es husch rüber ins Kolingsborg: Bei KHOMA standen fast dieselben Leute wie bei CULT OF LUNA auf der Bühne, dieselben Anzüge - klar, Johannes Persson ist bei beiden Bands für die Gitarren verantwortlich, Fredrik Kihlberg hatte sich eben noch hinter seinem Keyboard verschanzt, ein Teil der Hintermannschaft stimmt ebenso überein - aber Sänger Jan Jamte macht den Unterschied, denn der wirbelt um sein Mikrofon, rennt hin und her wie auf einer 30-Meter-Festivalbühne und singt und schreit alle zur Extase. Der eben noch so schüchterne Pianist Fredrik wechselt jetzt im Akkord die Instrumente und schlägt auf ein Tambourin ein, die Gitarristen, die eben noch auf ihre Fußspitzen gestarrt haben, feuern plötzlich das Publikum weiter an. KHOMA haben erst ihr Debüt veröffentlicht, aber das hier ist mehr als Emo: Großes Gefühlskino und großer Sport in einem, tighter Rock und sphärische Klänge passen zu moshen, ausrasten, abgehen - alles geht, und die Stockholmer feiern die Jungs aus dem wirklich hohen Norden ab.
... und rannten mit den Tönen des letzten Songs zurück in die Bryggeriet: KATATONIA geben ihr erstes Konzert seit Release des Albums "The Great Cold Distance" und spielen das erste Mal neue Songs wie "My Twin" live. Und da in Schweden nur übt, wer kein Talent hat und KATATONIA zudem zu weit auseinander wohnen für einen gemeinsamen Übungsraum, werden die ersten beiden Songs so zur öffentlichen Probe. Der Soundmann kämpft mit Rückkopplungen und die Band mit den richtigen Tönen, Songwriter und Gitarrengott Anders "Blackheim" Nyström post wie ein Truemetaller im Wind und Jonas Renske versteckt sich hinter seinen wieder sehr langen Haaren. Das hört sich nun schlimmer an, als es war, die Norrman-Brüder halten den Laden musikalisch und optisch zusammen und die Songs sind insgesamt über alle Zweifel erhaben. Zudem ist das Konzert ein "doppeltes Heimspiel", denn Fans sind aus der ganzen Welt für diesen Gig angereist und feiern ihre Band ab. Trotzdem, ein G´schmäckle bleibt: Die neuen Songs sind außer "My Twin" auf die erste Hörprobe eher langsam und schwer zugänglich, alte Deathmetal-Kracher aus der Zeit vor dem Wendepunkt "Last Fair Deal Gone Down" gibt es nicht. Immerhin: Blackheim und Fred Norrman versprechen, dass ab jetzt jeder Gig der Tour besser wird...
Während sich die Musiker diese Statements entlocken lassen, schmeißen NIFELHEIM schon längst stinkede Fleischstücke ins Kolingsborg. Ekelig, aber kult. Genau wie der ordentlich eingerostete Deathmetal, der ein bißchen nagelt wie ein alter Diesel. Aber eigentlich sind ja sowieso alle wegen der fast meterlangen Stachelnieten gekommen. Zurück in die Bryggeriet, dort gibt es die schöneren Männer...
... denn hier spielen die DEATHSTARS! Die Stockholmer gehen in den Fantasie-Uniformen aus dem Video zu "Cyanide" auf die Bühne und rocken wie ein Verschnitt aus SISTERS OF MERCY, MÖTLEY CRÜE und TURBONEGRO. Und hier gibt es endlich Schweden, die einem die witzigen Hintergrundinformationen geben können: Sänger Whiplasher Bernadotte hat "ganz zufällig" den gleichen Künstler-Nachnamen wie die königliche Familie Schwedens, die über diese Anspielung nicht sonderlich amused war. Doch mitten im schon reichlich witzigen Set, bei dem Whiplasher Männer für "nach der Show" ins Backstage einläd, fällt das Schlagzeugpodest von Showdrummer Bone W Machine auseinander und die Bühne vibriert, so dass die Techniker hinter den Kulissen rotieren. Die Pause wird lang und länger, Whiplasher charmiert und bittet Witzeerzähler aus dem Publikum auf die Bühne. Aber es läßt sich niemand zum Pausenclown machen, also treten seine Bandkollegen ihren Frontmann zum Strippen. Eine gute Entscheidung, denn Whiplasher macht den aufreizenden Tanz mit immer weniger Oberbekleidung und Federboa ganz zu seiner Sache und als er unter seinem Hemd das beeindruckende Sixpack freigelegt hat, funktioniert auch die Technik wieder, so dass die Brauerei zu den Tanzflächen-Abräumern "Cyanide" und "Synthetic Generation" die Hüften und Haare schwenkt. Vom Amüsement-Faktor ganz nah dran an der Turbonegro-Arschrakete.
Setlist DEATHSTARS:
New Dead Nation
Semi-Automatic
Blitzkrieg
Tongues
Modern Death
Motherzone
Little Angel
Last Ammunition
Damn Me
Trinity Fields
Play God
Cyanide
Synthetic Generation
Inzwischen hatte die Hauptbühne einen stattlichen Zeitverzug, so dass RAGING SPEEDHORN genau parallel die folgenden Knaller anfeuerten:
Different Shade
Hate Song
Redweed
How much?
Snatching
Super Scud
Voodoo Man
How The Great Have Fallen
Shitsuille
Scrapin
Deadman
Knives
---
High Whore
Bis SATYRICON war aber entsprechend Zeit zum Aufholen eingeplant, so dass der Headliner pünktlich um 1 Uhr auf die Bühne gehen konnte. "Tysen Tak" - also höfliche bis überwältigte "Tausend Dank" sagte der arroganteste Mann Norwegens nach "A Moment Of Clarity", und der Zuschauer aus dem etwas südlicheren Europa wunderte sich. Satyr wirkte, als hätte er Sabbelwasser getrunken, und hielt zwischen den Songs lange, einnehmende Reden. Das hier war kein Vergleich mit den letzten Konzerten der Norweger in Deutschland, bei denen Herr Vongraven das Maul niemals weiter als zum Fauchen aufbekam. Der neue Song, nein, Hit "K.I.N.G." black´n´rollt wie ein alter Volvo, danach kommt die nächste Überraschung: Der Überhit "Mother North" wird in der Mitte des Sets verfeuert, die Ansage dazu richtet sich - jetzt wieder in der SATYRICON-typischen Arroganz - gegen Songs, in denen Melodie um der Melodie wegen und nicht wegen der Atmosphäre und Bedeutung des Songs eingesetzt wird. Als I-Tüpfelchen nehmen Band und Zuschauer den Mitsing-Part der Blackmetal-Hymne mit und es kommt fast Stadion-Atmosphäre auf - ein denkwürdiger Moment, erst Recht nach dieser vorangeganen Ansage. Die nächsten warmen Worte bellt er wieder raus, "Filthgrinder" wurde wie im Moment des Komponierens allen gewidmet, die ausgewhimpt sind (wieder die Geschichte mit den Melodien und den Synthies). Die Erklärung für den überraschenden Sympathie-Einbruch von Satyr liefert JB, der Frontmann von Grand Magus und den Spiritual Beggars: "Wenn er hier einfach nur den Blackmetal-Zirkus mit festgetackerten Mundwinkeln abgezogen hätte, hätte er hier in Schweden keinen Blumentopf gewonnen, und das weiß er." Die Schweden würden schließlich das Norwegische verstehen und wüßten, wovon Blackmetal handelt - jemand, der idiotisches Benehmen mit dem angeblichen "nicht lachen dürfen" des Blackmetal zu rechtfertigen versuche, werde schnell auf Granit beißen.
Setlist SATYRICON:
Du som hater gud
Repined Bastard Nation
The Pentagram Burns
A Moment Of Clarity
K.I.N.G.
Mother North
Filthgrinder
The Rite Of Our Cross
Fuel for Hatred
To The Mountains
Seiten