Konzert:
Story Of The Year, Mucc, Horse The Band, Callejon - Hamburg, Docks
Konzert vom AS I LAY DYING und ATREYU gemeinsam auf Tour, das versprach ein Fest zu werden. Dass die beiden Headliner die Deutschlanddates der „Taste Of Chaos“-Tour gar nicht mitspielen war aber an mir vorübergegangen und zu diesem Zeitpunkt meine Vorfreude noch entsprechend groß. Zu ihr gesellte ich gewisses Amusement bei Ankunft auf dem Hamburger Kiez und eine wichtige wie einfache Erkenntnis.
Ich stehe nicht auf Mädchen in Hochzeitskleidern und dilettantischer Kajalbemalung. Gar nicht.
Und dabei war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ansatzweise das ganze Ausmaß der Kleidungsverbrechen bewusst, die an diesem Abend begangen wurden. Und bei den gepfeffertern Bierpreisen im Docks wars auch Essig mit Schönsaufen.
Los ging es – ganz in hanseatischer Tradition - so früh am Abend, dass man prinzipiell die erste Band verpasst. Er begann für mich also mit CALLEJON. Und die sympathischen deutschsprachigen Core-Rabauken, die Hamburg bereits von den Aufnahmesessions zu ihrem neuen Album „Zombieactionhauptquartier“ kennen, kamen nach technoidem Intro schnell zu Bekanntem: „In Dunklen Wassern Brennt Ein Licht“ tönte fast hittig-brachial, Breakdowns und Groove wechseln sich im folgenden Set mit wütenden Passagen ab. Ihre Musik ist, eigentlich wenig überraschend, live um einiges härter und metallischer – nix mit Emo und irgendwie fast ein bisschen Retro. „Nehmt die Scheißbude auseinander“ und „Ich will, dass es ein Gemetzel gibt“ wird aber vom noch recht zurückhaltenden und großteils hochzeitskleidberocktem Publikum nur bedingt befolgt. Mit „Mein Puls = 0“ (?) vom kommenden Album gibt es neues Material auf die Ohren, mit „Snake Mountain“ altbewährtes – was dann auch mit dem ersten, wenn auch kleinen, Circlepit des Abends belohnt.
Und es blieb verwirrend, wenngleich die Folgenden für Einige sicherlich das i-Tüpfelchen auf dem Line-Up der Tour zu sein schienen: HORSE THE BAND. Die Band, die ihre Hörerschaft aus experimentellen Bürohengsten bis hin zu Postcore-Stuten rekrutieren, polarisiert. Die einen sehen in ihrem keyboardlastigem Core sicherlich ein kultiges Underground-Gewächs – dem ich eine gewisse Originalität nicht absprechen möchte – die anderen sind vom Nintendo-piepsenden Keyboard in ihren wenig eingängigen Songs eher genervt. Mir schien die Musik ohnehin fast nebensächlich, die Show der Band dreht sich ganz klar um Sänger Winneke und Keyboarder Engstrom. Winneke probte den Hüftschwung, lag optisch mit seinem Vollbart zwischen Inselstrandling und kanadischem Holzfäller und faszinierte durch herrlich unterhaltsame Arroganz: „Silence! He's not done yet...“. Nur Keyboarder Engstrom stahl ihm manchmal die Show und seine Strechjeans strapazierte definitiv die Augen – seine Ansagen waren eher verwirrt bis unterhaltsam, seine Suche nach dem verlorenen Shirt fast hilflos. Oder um nochmal Winneke zu zitieren: „We don't care if you like us.“. HORSE THE BAND verkörpern die Gratwanderung zwischen Power und Wahnsinn ziemlich gekonnt.
Und dann stand mein Mund offen. Lange. Denn als würden TOKYO HOTEL höchstselbst den hunderttausendsten Dome eröffnen, kreischten die Mädchen in Hochzeitskleidern als sich die ersten japanisch aussehenden Musiker auf die Bühne bequemten, in den höchsten Tönen. Ich wunderte mich etwas über mich selbst, denn dass die Japaner von MUCC hierzulande eine solche Fanbase haben war mir vollkommen neu. Die japanischen Vocals bringen sicher einen gewissen Exotenbonus – rein musikalisch dominierte aber ein Soundmatsch, so dass ich mich unsicher war, ob mein offener Mund nur von den kreischenden weiblichen Heerscharen herrührte oder auch der Musik geschuldet war: Der Drummer hatte so wenig Timing, dass man ihm Vorsatz unterstellen muss, der Sänger – rein optisch irgendwo zwischen Ville Valo aus der Opiumhöhle und Johnny Depp aus der Karibik – langte volles Rohr neben die Töne. Merklich besser wurde es erst, als der Bassist sein Instrument gegen einen E-Kontrabass (selten genug, dass man so ein Monster zu sehen bekommt) tauschte und Sänger Tasurou zur Mundharmoinka griff. Ihr Rock ist dabei eigentlich recht melancholisch und durchaus ambitioniert abwechslungsreich. Und als wäre ein Schalter umgelegt folgten eingängigere und klarere Songs - mein Mund schloss sich nur langsam.
Langsam dämmerte mir dann auch, dass der Abend ohne AS I LAY DYING und ATREYU ablaufen würde, für noch mehr Unmut – auch bei vielen Umstehenden – sorgte aber die unnötig lange Umbaupause vor den Headlinern STORY OF THE YEAR. Die Emo/Post-Coreler aus dem kultigen Epitaph-Stall eröffneten mit „In The Shadows“, ihr charismatischer Frontmann Marsala wirkte supersympathisch und schon beim zweiten Track lässt sich Marsala auf Händen durch die ersten Reihe tragen. Bassist und Gitarrist zocken routiniert und wechseln beinahe zu einstudiert die Bühnenseiten und flirtet der Sänger mit den ersten Reihen. Und dass, wo ihr kleiner Stammgitarrist Phil aus familiären Gründen gar nicht auf der Tour dabei ist – der Ersatz schlägt sich aber mehr als wacker. Weniger poppig als auf dem letzten Album sind Songs wie „Wake Up“ (aus den Kehlen des ganzen Publikums) oder „Anthem Of A Dying Day“ verdammt livetaugliche Hymnen, es wird mitgesungen und gefeiert, Circle Pits und divende Jungs inklusive. Mich berührte das zwar nicht in dem Maße, wie das mit solcher Musik vielleicht BOYSETSFIRE könnten, zu ähnlich sind mir ihre Songs. Aber doch hinterließen STORY OF THE YEAR einen überzeugenden Eindruck und sind eine gute Liveband – sie waren aber nicht meine Headliner, die lümmelten wohl irgendwo in den Staaten rum. Und so blieb ein recht bitterer taste of chaos zurück, denn so ganz gar wirkte das alles nicht - nicht nur weil 23.00 Uhr auch für Hamburg ein echt frühes Konzertende ist.
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