Konzert:
Summer Breeze 2012 - Donnerstag
Konzert vom Das
15. SUMMER BREEZE lockt uns quer durch die Republik nach Bayern. Äh, Franken. Na, eigentlich in die Schwäbisch-besetzte Zone. Aber bevor wir Nordlichter uns in regionalen Petitessen verheddern, in denen die Sprachgrenze schon von Dorf zu Dorf verschoben sein kann: Ja, wir waren endlich mal wieder in Dinkelsbühl an der schönen Romantischen Straße!
Nun sollte man für das Summer Breeze bekannter Weise ja eher eine Woche Urlaub einplanen. Wer das nicht kann, kommt zu spät. Zu spät, und verpasst die Wahl zum New Blood Award (den OBSCURE SPHINX aus Polen gewonnen haben). Zu spät, und verpasst den Einsatz von Ex-STRATOVARIUS-Schlagzeuger Jörg Michael und Ex-STRATOVARIUS-Bassist Jari Kainulainen in ihrer neuen Sleaze-Rock-Band DEVIL'S TRAIN - ebenso wie die ersten drölf Bands des Donnerstages.
Wer noch nie auf dem Dinkelsbühler Gelände des Summer Breeze war: Durch das leicht gewellte Gelände ist von fast jedem Campingplatz aus mindestens eine Bühne gut hörbar, von unserem Zeltplatz aus waren das die beiden Hauptbühnen „Main-“ und „Pain Stage“. Und durch die Videoscreen sind diese beiden Bühnen auch gut und weithin sichtbar. Als NAPALM DEATH „You Suffer“ von der Pain Stage runterholzten, hatten wir unseren Zeltplatz gefunden und das wichtigste schnell ausgeladen.
ICED EARTH haben wir anfänglich nur aus der Distanz gesehen, aber es war doch zu spannend: Stu Block, der neue Sänger, ist jetzt schon ein Jahr dabei, aber wie ist er wirklich? Kann er stimmlich und in der Performance mit dem das ICED-EARTH-Bild dominierenden Rotschopf Matt Barlow mithalten? Ja, kann er. Stimmlich. Von der Performance her ist er halt ein ganz anderer Mensch. Stu ist quirlig und bestimmt und läuft selbstbewusst um die großen Fußstapfen herum. Während ICED EARTH auf der Abschiedstour für Matt viele Klassiker haben im Schrank verstauben lassen (und damit viele Fans verärgert haben), wagt sich Stu an „I Died For You“ und liefert eine bravouröse Version ab. Gekrönt wird der Auftritt dann noch von „Watching Over Me“, und die aktuellen Songs sind auch besser als vieles seit „Something Wicked...“. Damit bin ich überrascht und überzeugt: Ich werde mir ICED EARTH nächstes Mal wieder angucken! Vielleicht können die Südstaatler dann auch „The Hunter“ entstauben...?
Setlist ICED EARTH
Dystopia
Burning Times
Slave To The Dark
I Died For You
V
Pure Evil
Wolf
Anthem
Ten Thousand Strong
Boiling Point
Watching Over Me
Iced Earth
Danach ging es doch erst mal dran, den Zeltplatz weiter einzurichten. Sorry, liebe REITER!
Dieses Summer Breeze steht unter einem polnischen Stern: Außer der Siegerband von gestern sind auch viele polnische Fans und Journalisten aufs Breeze gekommen. Wahrscheinlich nicht nur, um BEHEMOTH zu gucken. Trotzdem sieht das hier aus wie ein Heimspiel: Fettes Licht, Hauptbühne zur besten Sendezeit, und dazu frenetische Zuschauerreihen. Hallo, BEHEMOTH haben mal als Band angefangen, die eher technischen Blackmetal spielt, quasi die Schnittmenge aus Cryptopsy und Emperor (das ist dissen für Fortgeschrittene - Anm. d. A.). Anspruchsvoll, aber nicht gerade hitkompatibel. Die BEHEMOTH von heute beherrschen die große Show, mit Feuer, zahlreichen religiösen Symbolen und bösen Masken - und haben gleichzeitig Hits mit Melodien dabei.
Setlist BEHEMOTH
Ov Fire And The Void
Demigod
Moonspell Rites
Conquer All
Christians To The Lions
Alas, Lord Is Upon Me
At The Left Hand Ov God
Slaves Shall Serve
Chant For Eschaton 2000
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23 (The Youth Manifesto)
Lucifer
ELUVEITIE sind mit ihren zahlreichen interessanten Instrumenten und der Fanbase, die sie sich über die vergangenen Jahre an jeder Milchkanne erspielt haben, fast ein bißchen zu klein für die Party Stage, die doch ein bißchen knapper bemessen ist als die Main Stage. Ich mache meinen Platz davor gern frei: Dieser Gesang und die Flöten sind nicht vonnöten. Sorry. Wirklich nicht. Die Schweizer sind supernette Leute, das kann jeder bestätigen, der sie nach einer Show schon mal getroffen hat - aber wenn bei ihnen Death Metal-Growls auf volkstümliche Melodien treffen, friert bei mir etwas ein, das ich noch brauche.
„Wer 'ne unbekannte Band hört, muss sie hassen, wenn sie Trend wird.“ Der Dank geht an MONTREAL für das Motto zur Präsenz von GHOST BRIGADE. Hier auf dem Summer Breeze und in diesem Zelt hatten die Finnen vor 3 Jahren ihren allerersten Auftritt auf einem deutschen Festival, dementsprechend mysteriös wird von dem vergangenen Gig geraunt. Damals waren alle anschließend geflasht, haben Freunden, Nachbarn, Eltern und dem Hund von den Finnen vorgeschwärmt - und dank der Erzählung und Legenden dachten auch viele Leute, die 2009 nicht unter den eingefleischten Erstfans waren, sie seien dabei gewesen und erzählten es so weiter... Inzwischen sind zwei Alben vergangen und die Erwartungshaltung ist dementsprechend hoch. Darum widersprechen mir sicher viele, aber: GHOST BRIGADE liefern hier den Auftritt ihres bisherigen Lebens ab! Totale Magie! Natürlich unterscheidet sich die Setlist absolut von der von 2009 - damals spielten sie ihren (noch) aktuellen Erstling „Guided By Fire“ und zwei Songs vom kommenden zweiten Album „Isolation Songs“ herunter, beides Wunderwerke in der Synergie zwischen Postrock und tollen Melodien. Das (noch) aktuelle dritte Album ist dagegen ein sperriges, misanthropisches Brett, das ich auch bisher nicht verstanden habe. Aber, oh Wunder, in der Chaostheorie der da oben so wunderbar zusammenspielenden Musiker ergeben diese nihilistischen Bratz-Monster plötzlich Sinn! Sänger Manne Ikonen singt und grollt sich die Seele aus dem Leib, während neben ihm die Gitarristen Wille Naukkarinen und Tommi Kiviniemi umherspringen und Bassist Janne Julin sein gelocktes Haar schüttelt. Und Toppi - äh, Schlagzeuger Veli-Matti Suihkonen - hinter dem Drumkit alles gibt. Aber die wirkliche Meisterleistung vollbringt der Soundmann, der die Melodien hinter den Wutbratzen in einem Festivalzelt hörbar macht, wo ich sie aus der Konserve nicht mal auf der Küchenstereoanlage hören kann! ... wer nicht noch am Sonntag auf der Heimreise „Into The Black Light“ als Ohrwurm hat, ist nicht dabeigewesen!
Setlist GHOST BRIGADE
Lost In A Loop
Traces Of Liberty
Breakwater
Into The Black Light
My Heart Is A Tomb
Clawmaster
Soulcarvers
Sie hätten gern einen Sound wie Rammstein - aber das ist auch schon das schlechteste, was man über die DEATHSTARS sagen kann: Die fünf Schweden haben einen exzellenten Humor, der bei jedem Song durch Lyrics und Instrumentierung blitzt. Oder blitzkriegt. Sänger Whiplasher Bernadotte gibt abwechselnd den Dominator über das Publikum - ach was, bei seinem Make-Up und Arschwackeln kann man auch von einer männlichen Domina sprechen - und es macht Spaß, auf sein Kommando zu klatschen oder still zu sein. Auch lustig, wenn er der Körpersprache seiner Gitarristen oder seines Bassisten widerspricht, die noch vor 'ner Minute das Publikum ihrerseits angefeuert haben. In seiner unbändigen Laune, schwedische Dogmen einzureißen, erklärt er den Hintergrund zu Songs wie „Blood Stains Blondes“ und beißt sinnbildlich auf Zyanid. Damit rettet er einen leider eher mittelmäßigen Gig seiner Band hier auf der Pain Stage, auf der der Sound heute leider nicht wie bei Rammstein ist und seine Sidekicks als letzte Band am heutigen Abend eher müde wirken. Jungs, geht doch ins Studio und kommt mit frischen Songs und frischen Biss wieder, bitte! Die Hits habt ihr jedenfalls:
Setlist DEATHSTARS
Mark Of The Gun
Motherzone
Semi-Automatic
Tongues
Night Electric Night
Chertograd
Blitzkrieg
Fuel Ignites
Metal
Blood Stains Blondes
Cyanide
Death Dies Hard
Trinity Fields
Revolution Exodus
AFFECTOR sind eine weitere Multi-Kulti-Progformation, die jetzt mit ihrem Debüt „Harmagedon“ ein stilistisch recht ähnlich gelagertes Progmetal-Album wie ihre Labelkollegen von HEADSPACE rausgehauen haben. Und auch ansonsten gibt es einige Parallelen zu Letztgenannten, einen starken Sound prägnanten Sänger, eine typische Konzeptstory, üppige Arrangements mit kernigen Riffs, teilweise bombastische instrumentelle Solopassagen mit mal mehr, dann weniger starken Frickelparts, gelungene Melodien, aber auch eine gewisse fehlende eigene Identität (hier bei AFFECOR noch deutlich weniger). Dass hier Dargebotene ist trotzdem sicher weit weg von einfallslos oder Prog von der Stange aber viele der Passagen erinnern mich doch sehr stark an Kapellen wie DREAM THEATER, THRESHOLD sowie SYMPHONY X, was ja nicht grundsätzlich schlecht ist - aber es fehlt hier doch (noch) etwas der eigene Charme bzw. die ganz großen innovativen Ideen bzw. Ideen, mit denen man sich mehr abheben würde.
Was hier die beiden Masterminds, der holländische Drummer Collin Leijenaar (u.a. bei NEAL MORSE im Einsatz) und der deutsche Gitarrist Daniel Fries, zusammenbebasteln, haben wird natürlich auch von den Mitstreitern geprägt: Bassist Mike LePond (SYMPHONY X) sowie Sänger Ted Leonard (ENCHANT, SPOCK'S BEARD, THOUGHT CHAMBER) komplettieren die Grundbesatzung, als Gastmusiker hat man sich gleich vier Keyboard-Tastenvirtuosen für die weitere Untermalung geleistet als da wären Neal Morse (ex-SPOCK'S BEARD), Alex Argento, Derek Sherinian (u.a. BLACK COUNTRY COMMUNION, ex-DREAM THEATER) und Jordan Rudess (DREAM THEATER) durften sich einbringen – keine Angst zu tastenlastig ist die Musik aber trotzdem nicht geraten.
Inhaltlich geht um biblische Thematiken und das beliebte „2012er-Ende-der-Welt Gedöns – ja kann man sicher machen, letztlich zählt die Musik und die startet mit einem tollen Orchesterpart, der original vom polnischen "Sinfonietta Consonus"-Orchester eingespielt wurde, der nachfolgende Prolog bietet viel instrumentale Fingerfertigkeitsparts, nix besonderes. Auch schön der Anfang von „Salvation“ mit schöner MAIDEN-artige Gitarrenparts kombiniert mit Hammondklägen dazwischen ist es mir etwas zu viel Gefrickel des Herren Gitarristen (passiert insgesamt etwas zu häufig) dann wirkt die Schose etwas zu überladen, mit einigen Längen bzw. zu vielen Sachen parallel. Und wenn man so einen starken Sänger hat wie ENCHANT-Fronter Ted Leonard ist es etwas unverständlich, warum er nur mitunter so spärlich eingesetzt wird. Darin liegt auch etwas die fehlende Atmosphäre begründet, denn der Gesang als verbindendes Element ist manchmal zu wenig dominant.
Die Band vertritt war die Einstellung, dieses Album nicht für das Publikum geschrieben zu haben sondern, sondern für sich selbst aber dann muß man halt auch das Risiko hinnehmen eher etwas unterkühlt und zu instrumentenlastig rüberzukommen („The Rapture“) und genau dies kommt so rüber. Technik und Notenmenge schlagen Songdichte und fehlendes „Rote Faden“-Verständnis, viele gute Ansätze sind aber vorhanden. Bei dem textlich sehr persönlichen "Cry Song" geht man etwas vom restlichen Kontext ab und auch musikalisch geht es eher etwas gediegener zu (die akustische Klampfe kommt zum Einsatz), so etwas halbballadesk aber trotzdem überzeugend. Absolut der Hammer neben dem starken Titelsong (mit einem cool-entspannten Jazzpart in der Mitte) ist dann songmäßig „New Jerusalem“ geworden, ein Progmetalkracher erster Güte hier paßt einfach alles perfekt zusammen – DT könne dies auch nicht besser – hier herrscht einem ausgewogenes Verhältnis zwischen Riffs, Instrumentalparts, tollen Songverläufen mit vielen Spannungsbögen und schönen Weiten, emotionelle Tiefe, die leicht melancholische Grundstimmung wird mit exzellenten Gesangsparts besten umgesetzt.
Insgesamt gelingt AFFECTOR mit „Harmagedon“ und ganz leichten Abstrichen eine mehr als passable Scheibe, die locker auf internationalem Niveau mithalten kann. Nur am ganz eigenen Stil (weniger starkes "DT-Ambiente") müßte zukünftig noch etwas mehr gefeilt werden.
Harmagedon
Band:
Genre:
Nicht angegeben
Tracks:
8
Länge:
64:31 ()
Label:
Vertrieb:
Seiten