DARK SUNS haben sich in der Zeit seit “Grave Human Genuine“ offenkunding mit viel Progressive Rock und 70er-Mucke generell auseinandergesetzt – und sind, ganz wie OPETH, zu dem Schluss gekommen, die Metal-Anteile in den neuen Songs zu reduzieren und dafür ganz stark in die Progressive Rock-Ecke zu gehen. Als Erstes fällt der analoge, warme Sound von „Orange“ auf (ob der Plattentitel eine Reminiszenz an die Amps ist?), durch den besonders die Hammondorgel („Elephant“) und der Bass einen wunderschönen Klang bekommen haben. DARK SUNS haben, das wird schnell deutlich, an den Songs lange getüftelt, so dass beim Endergebnis die einzelnen Parts gut aufeinander abgestimmt sind, die Breaks sitzen und der Wechsel zwischen verträumt und knackig immer gelingt („Diamond“). Drummer Nico liefert nicht nur eine verdammt gute Leistung am Drumkit ab, sondern hat auch wieder alle Gesangsparts übernommen, die durch seine warme, kraftvolle Stimme immer wieder Akzente setzen. Witzig sind dabei die immer wieder vorkommenden Screams, die im ersten Moment an die seligen BEE GEES (!) erinnern. Im Gegensatz zu OPETH haben es DARK SUNS zudem verstanden, bei aller Progressivität gute Songs zu schreiben, auf „Orange“ finden sich nur starke Stücke. Vom Groove-lastigen „Diamond“ (mit wildem Hammond-Einsatz im Mittelteil) über den nicht minder fixen Opener („Toy“) bis zum überlangen Rausschmeißer stimmt hier einfach alles, ja lassen sich die Songs nach einmaligem Hören schon locker mitsummen. DARK SUNS haben die richtige Balance zwischen Anspruch und Hörbarkeit gefunden, was in einem saustarken Album resultiert. Und die Frage aufwirft, was die Leipziger in drei Jahren machen werden? Bleiben sie dem Progressive Rock treu oder erkunden sie wieder neue Ufer? Bis dahin wird jeder Fan intelligenter Rockmusik mit „Orange“ glücklich werden.
SUPERBUTT aus Budapest sind nach EKTOMORF die zweite Moderne Metal Formation, die außerhalb Ungarns schon einige Ausrufezeichen setzen konnte. So hatten SUPERBUTT bereits Supportslots für IN FLAMES, PRONG, MUCKY PUP oder CLAWFINGER und auch auf dem WFF konnte man sich bereits vorstellen. 2011 sind SUPERBUTT zudem mit einem runderneuertem Line-Up am Start. Ob „Music For Animals“ das hält was es verspricht mag ich nicht zu beurteilen, zumindest reagieren meine Katzen recht gelassen um nicht zu sagen desinteressiert auf des neue Werk der Ungarn. Ich als Humanoide vernehme dicken Eier Gesang, fette Midtempo Grooves und ein überraschend melodisches Riffing. Und obwohl sich SUPERBUTT einen recht engen stilistischen Rahmen gewählt haben, schaffen sie es die einzelnen Stücke abwechslungsreich genug zu gestalten um nicht zu langweilen. Auch sind Stücke wie das flotte „Of This Gloom“ bei aller Härte sehr catchy ausgefallen. SUPERBUTT haben eine gute, moderne Metal Scheibe eingetütet die der U-30 Fraktion gut reinlaufen sollte.
HAKEN zelebrieren auf „Visions“ über eine Stunde Britprog vom Feinsten. Es schimmern die verschiedensten Nuancen komplexer Musizierkunst von der großen, feuchten Insel durch. Von GENESIS bis THRESHOLD, von PALLAS bis IQ. All das wird durch den bandeigenen Fleichwolf gedreht und heraus kommt eine Wurst, welche zwar ein ziemliches Eigengschmäckle aufweist aber dadurch nur umso besser mundet. Gibt es also einen „Haken“? (sorry, irgendein blödes Wortspiel musste ich machen). Nicht wirklich, egal ob HAKEN in „Insomnia“ oder „Portals“ schneller auf den Punkt kommen oder sie mit „Deathless“ eine 8 Minuten Ballade kredenzen, alles passt und wirkt bei aller Komplexität erstaunlich stimmig. Die Hinzunahme eines echten Streicherensembles verleiht dem Material dann gleich nochmal mehr Tiefe. Sänger Ross Jennings führt mit angenehm, kraftvoller Stimmer durch das Programm. Gerade die bereits oben genannte Ballade „Deathless“ macht er zu etwas ganz Besonderem. Die wirklichen Highlights des Albums sind jedoch die beiden Longtracks: Der moderne und harte 13 Minuten Knaller „Nocturnal Conspiracy“ und das abschließende 22 Minuten Epos „Visions“. Beim Titelstück ziehen HAKEN noch einmal alle Register und liefern quasi den musikalischen Klappentext für ihr vielseitiges Werk. Ruhige Passagen wechseln sich mit instrumentalen Frickelepisoden ab, abgedrehte Werkschauen münden in epische Melodielandschaften. HAKEN lassen mit „Visions“ einen starkes Stück silbernes Plastik auf die Menschheit los, welches unter dem Kopfhörer entdeckt und studiert werden will.
Ganz klar die irischen SANDSTONE (es gibt auch eine gleichnamige polnische Band mit ähnlicher Ausrichtung) haben sich gegenüber dem solide bis guten Zweitwerks „Purging The Past“ (2009) nochmal eine ganzer Ecke gesteigert. Es geht noch etwas stärker betont progmetallischer zu, ohne jedoch auf die ganz großen Breitwandepen zu setzen aber man ist auch stilistisch etwas breiter aufgestellt. Weiterhin sind auch die Gitarren auf dieser aktuellen Scheibe "Cultural Dissonance" deutlich fetter oausgefallen, von den zuvor noch deutlicher vorhandenen NWOBHM sowie US-Metal Charakteristika hat man sich ziemlich verabschiedet. Bei dem ungewohnt schnellen sowie Opener „Reckless Night“ sind die an MAIDEN angelehnten Doppeleadgitarren noch etwas vorhanden aber es wird schnell klar - diese hoffnungsvolle Band geht neue Wege. Die eher weicheren Melodiebögen sind immer noch ein prägnantes Merkmal, das Quartett hat härtegrad- und tempomäßig zugelegt ist aber nach wie vor im mittleren Bereich unterwegs. Man steht irgendwo zwischen der letzten sehr starken DREAM TEATER Scheibe „A Dramatic Turn Of Events“ (erreichen deren Komplexität sowie Detailgrad allerdings noch nicht ganz!) und dem 2011er SYMPHONY X-Werk “ Iconoclast“. Zum Glück hat man deren für mich zu sehr auf schnöden Power Metal getrimmtes Schema - will sagen Hauptsache melodisch, , Breaks ohne Ende, schnell und in die Fresse - hier nicht nachgeahmt.
SANDSTONE setzen eher auf einen ordentlichen Mix aus Energie, melodischer Knackigkeit aber auch mal etwas Tiefe. Der Sänger Sean McBay ist auch kein Schlechter, er hat zwar nicht das Volumen und die aggressiven Shouts eines RUSSEL ALLEN drauf, muß er aber auch nicht, er ist eher mit seinem recht helleren Timbre eine Stimme in den Bereichen dazwischen, Derbheiten bzw. der Hanssdampf in allen Gassen sind seine Sache nicht. Er erinnert etwas an Andrew McDermot den zuletzt verstorbenen großartigen ehemaligen THRESHOLD-Sänger. Aber dazu paßt auch ideal das Material seiner anderen Kollegen an den Instrumenten. Die sind allesamt große Könner, da gibt’s nicht zu kritteln, die Keys sind relativ im Hintergrund gehalten, die Gitarren sind heavy und auch die Produktion ist recht satt ausgefallen.
Es gehrt eher betont melodisch zu mit der ein oder anderen Wuchtattacke wie etwa das Doubelbass-betonte "Falling" oder das sehr bassintensiv bzw. relativ aggressive „Trick of Mind“. Auch eher bedächtigere Momente sind gelungen interpretiert wie etwa die reinrassige Ballade „Sleep“ (mit einem weltklasse Gitarrensolo) oder dass sehr melancholisch-aufwühlenden „Carefree Moment“. Insgesamt haben sich die Iren auf ihrem dritten Longplayer qualitätsmäßig toll gesteigert, die Gitarren versprühen einen Zacken mehr heavyness und kommen virtuoser daher. Und auch das Songwriting hat an Komplexität zugenommen, eingängige schöne Proghymnen wie etwa das vertrackte „Little Forgeries“ oder „Leaning On An Arrow“ wirken nicht zu aufgeblasen sondern kommen trotz aller Breaks stehts kompakt rüber. Hier dürften viele Progfans ansprechen werden, die nicht auf die ganz verquerte Frickelschiene abfahren. Die große internationale Klasse von vergleichbaren Bands wie u.a. VANDEN PLAS, FATES WARNING, PAGAN'S MIND oder auch POWERTY’S NO CRIME erreichen die Herren noch nicht (ganz) durchgängig aber bei der nächsten Platte dürfte der Sprung vom Europacup in die Championsleague unmittelbar bevorstehen.
Auf „Cultural Dissonance“ beweisen SANDSTONE auf knapp 47 Minuten ohne jeden Ausfall, dass man auch in relativ kurzer Zeit für dieses Genre einen überzeugenden Mix aus Power-, Progressive- und Melodic Metal zusammenbasteln kann.
Irgendwo habe ich gelesen, dass das Cover des neuen Albums der Hamburger Alternative-Institution CHÄIRWALK zum hässlichsten Artwork des letzten Jahres gekürt wurde. Diese wohl etwas zweifelhafte Auszeichnung ist ziemlich sicher berechtigt. Die enthaltenen – der Titel sagt es schon – zehn Songs kommen aber gar nicht trashig daher und zeugen durchaus von gutem Geschmack. Roh und tief sägen die Gitarrenriffs, dunkel wummert der Bass und brachial hämmern die Drums. Über dieser dreckigen Mischung aus Stoner, Schweinerock und Alternative klingt der Gesang von Erik Hoeborn fast ein bisschen zu clean und stellenweise beinahe lieblich, aber immer wieder beweist er, dass er auch richtig schreien kann, wenn er denn nur will. Könnte er ruhig noch ein bisschen öfter wollen, finde ich. Erstmals sind die Texte auf Deutsch, was einen zunächst etwas skeptisch machen könnte, CHÄIRWALKs Musik aber wirklich gut steht, und nach kurzer Eingewöhnungsphase verbinden sich Texte und Musik zu einem eigenständigen Sound. Dabei beweist das Trio auch durchaus Mut zu ruhigen und leicht psychedelischen Parts und verpasst dem Album so genügend Vielfalt, um auch noch nach mehrmaligem Hören spannend zu bleiben. Ein gutes Beispiel dafür und auch mein persönliches Highlight ist der 9-Minüter „6 Richtungen“, der extrem verhalten beginnt, über mehrere Parts an Intensität zunimmt, um etwa auf der Hälfte richtig laut zu werden, zum Ende hin wieder in ruhigeres Fahrwasser geleitet wird und dann ganz am Schluss doch noch einmal in ein wütendes Riff ausbricht. Überhaupt nehmen sich CHÄIRWALK gerne mal ein bisschen Zeit für ihre Songs, die aber gleichzeitig so tight und kompakt gespielt sind, dass sie manchmal kürzer wirken als sie sind. Etwas aus dem Rahmen fallen dabei lediglich das sich etwas hinziehende „Schmied“ und die akustische Ballade „Du Fehlst“, die aber trotz einer Spur zu viel Wehleidigkeit einen stimmungsvollen Abschluss der Scheibe bildet. Mit „Top 10“ liefern die Hamburger ein fettes Album ab, böse groovend und stellenweise gar bedrohlich wirkend, das sich Fans der QUEENS OF THE STONE AGE oder auch der alten HELMET unbedingt zu Gemüte führen sollten.