Niemand muss BONFIRE lieben, aber mit welcher Hartnäckigkeit der Ziller-Burschi und seine Kapelle dranbleiben, das ist – wenn nicht einen Asbach – dann wenigstens jede Menge Respekt Wert. Im März 2020 erschien „Fistful Of Fire“ (sagt das Info) und hatte natürlich keine Chance auf eine Live-Präsentation (is´ ja klar). Manche möchten meinen „Gott sei Dank!“, andere sind traurig. Vor allem die Band selbst und deren Kasse. BONFIRE wären aber nicht BONFIRE, wenn sie nicht weitermachten. Also nahmen sie „Roots“ in Angriff, ein „Almost Unplugged“-Album mit 24 Tracks der Bandgeschichte – von jungen Balladen wie „When An Old Man Cries“ über alte Evergreens wie „You Make Me Feel“ bis hin zu ollen Rockern wie „Ready 4 Reaction“ und „American Nights“. Nur gerade letzterer landet in der Schublade „unhörbar“ – da flippen vielleicht noch die Komparsen beim Fernsehgarten aus, und Andrea lässt blitzen. Oh nein, das ist sooo schmierig, genau wie das folgende „Let Me Be Your Water“. Wen das nicht stört, der findet auch noch fünf Bonus-Songs, die – laut Info – auf Fanwunsch entstanden und im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne geschrieben und aufgenommen wurden. Klar ist und zugegeben: Die Band versucht, mit diesem Release und einer parallel gestarteten StartNext-Kampagne, Geld in die Bandkasse zu spülen. So gibt´s dann auch ein buntes Allerlei im Angebot: Merch aller Art, Wohnzimmerkonzerte, VIP-Tickets für ihre Streaming-Release-Show und Raritäten wie einen Originalmaster auf Band oder einem Original-Gitarrenverstärker... Na, dann mal los, holt Euch „eine der größten deutschen Rockbands“ ins Haus! Puuh. Wer weichgespülten Kaufhaus-Hardrock liebt, der MUSS zugreifen. Öfter.
Die Franzosen brachten 1986 eine LP heraus, 1988 folgte die Live-LP "Popeye Le Road", angereichert mit KILLERS-Songs. KILLERS, das ist die Band, aus der TITAN entstanden. Danach war Sense! Beide Bands sorgten 2018 für einen historischen Moment, als sie gemeinsam auf der Bühne des "Festival Metal" in Vouziers standen. Und wie groß war die Freude, als sie mit "La Rage Et La Haine" einen neuen Song spielten. Aber: Es schien keine echte Hymne zu sein wie die "Originale von damals", der Song wirkte so abgeklärt, so wenig wild, so anders als 1986. Was wohl aber in der Natur der Sache liegt, ist ja schon ein Momentchen her. Und so waren die Erwartungen an das angekündigte Comeback-Album gar nicht so groß. Und auch beim ersten Hören wollte sich nicht die große Begeisterung einstellen. Sänger Patrice Le Calvez, weithin als französischer Udo Dirkschneider schubladisiert, singt kontrolliert, die Produktion ist modern, es ist alles so anders als früher. Aber mit der Zeit wächst das Album enorm. Natürlich gibt es die ACCEPT-Momente ("Resurrection"!!!), sowohl stimmlich als auch gitarrentechnisch. Viele Song-Einstiege erinnern an große Zeiten der deutschen Metaller, aber was TITAN daraus machen, ist enorm. Nimm "Les Fous Des Dieu", das sich vom "acceptablen" Lied zum Mega-Rocksong entwickelt. Hier trauen sich TITAN sogar, sich vor der größten französischen Band TRUST zu verneigen, ohne, dass es irgendwie peinlich wirkt. Oder "Mourir Ailleurs" – da schreit Le Calvez wie weiland im baskischen Jugendzentrum, und der Song hat den absolut coolen Refrain-Touch und Mega-Melodien. Ebenso "Liberté". Und wie geil der Sound ist! Mit "Palingenesia" haben die baskischen Franzosen ein Album vorgelegt, das sich hinter den großen Alben von METAL CHURCH nicht verstecken muss – hört mal "No More Gods". Und wie fett ist plötzlich "Rage Et Haine"? Dank solcher Bands wie ADX, SORTILÈGE, KILLERS und eben TITAN rollt die Welle mächtig, die französische Metal-Szene hat ihre Doppelherzen zurück: NWOFHM! Die "Heavy Metal Kids", die Hardos von einst sind zurück. Als erwachsene Männer!
BILLY TALENT spielen den Classic Rock von morgen. Das sehen sie selbst vielleicht anders, denn mit den Dinosauriern, die sonst mit dem Begriff belegt werden, möchten sie wahrscheinlich nicht in einen Topf geworfen werfen werden. Obwohl bei genauerem Hinhören natürlich eine große Gemeinsamkeit offensichtlich wird: Melodie! Die große Melodie! Und was für Melodien hauen BILLY TALENT auch auf “Crisis Of Faith” wieder heraus. Dabei bringen die Kanadier auch auf ihrem sechsten Studioalbum das Kunststück fertig, einerseits extrem eingängig zu sein, andererseits den Hörer aber auch beim x-ten Durchlauf nicht zu langweilen. Das ist ein extrem schmaler Grat, den nur wenige Künstler sicher beschreiten. Und das sind genau diejenigen, die auch in einigen Jahrzehnten noch gehört werden. Die Langzeitwirkung ihrer Kompositionen belegt das grandiose Debüt von 2003 ganz nachdrücklich. Die kurzen, prägnanten Songs trällert man auch heute noch textsicher mit, ohne dass sich Abnutzungserscheinungen erkennen lassen.
Auf dem aktuellen Album machen BILLY TALENT genau dort weiter. Dabei ist der Start mit dem zweiteiligen Opener “Forgiveness I+II” etwas ungewöhnlich. Ist der erste Teil ein energischer BT-Rocker mit leicht orientalischen Harmonien, ertönt im ruhigen Teil zwei ein Bläsersatz. Trotzdem ist man direkt drin im Geschehen, und ab dort geht der Melodienreigen erst richtig los. Mit “Reckless Paradise” und “I Beg To Differ (This Will Get Better)” folgen zwei Songs für die Ewigkeit. Herauszuheben ist - wie immer - die exzellente und originelle Gitarrenarbeit von Ian D´Sa. In diesem Genre fallen mir kaum Gitarristen ein, die man nach wenigen Sekunden am Rhythmusspiel erkennt. Neben dem charismatischen Gesang von Benjamin Kowalewicz ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Auf Seite zwei (der LP-Version) begeistern vor allem “Hanging Out With All The Wrong People” und “One Less Problem”. Die pure Punk-Eruption “Judged” überrascht, passt aber doch hervorragend ins Gesamtwerk. Die Produktion ist wie gewohnt makellos - glasklar und doch druckvoll.
BILLY TALENT haben mit “Crisis Of Faith” ein Werk abgeliefert, das mit ihren ersten beiden Alben auf einer Stufe steht. Diese Songs werden auch noch in vielen, vielen Jahren neue Anhänger finden und die jetzigen nie enttäuschen. Eben der Classic Rock von morgen.
Die im Februar 2022 erschienene EP von THE RUMJACKS ist der zehnte Release der Band. Vor weniger als einem Jahr erschien erst das fünfte Studioalbum der Australier. Auch hier hatte Corona irgendwie seine Finger im Spiel. Bassist Johnny McKelvey sagt dazu: „Ich denke, während COVID alle anderen langsamer werden ließ, hat es uns dazu gebracht, härter zu arbeiten, mehr Musik aufzunehmen und uns Gedanken und Pläne darüber zu machen, für die Zeit, wenn der ganze Mist zu Ende ist.“ Herausgekommen ist bei „Brass For Gold“ ein kurzweiliger Einblick für „Neueinsteiger“ wie mich, der Lust auf mehr macht. Die acht Songs bilden eine gelungene Mischung aus Irish Folk, Punk und Rock für Leute, die generell den typischen Irish Folk-Stilmitteln wie Fidel, Banjo und Flöte nicht abgeneigt sind, denen es aber bei Bands wie z. B. FLOGGING MOLLY etwas too much ist. THE RUMJACKS starten ihre Songs meistens mit dem Einsatz einer der genannten Instrumente, um dann mit Beginn der Strophen damit herunter zu fahren und eine angenehme Balance zu schaffen, damit es nicht übertrieben wirkt und auf Dauer nicht auf die Nerven geht. Ich höre mir die EP gerne an, sie macht wirklich Spaß und bietet natürlich genügend Singalongs fürs Auto oder eine der vielen Shows, die die Truppe auch in Europa spielt (zwei Releases wurde in Athen und London live aufgenommen). Veröffentlicht wurde sie als Vinyl (unter anderem als super-limitierte Version in Echtleder-Hülle), Download und Stream und sei nicht nur Fans von den DROPKICK MURPHYS oder THE REAL MCKENZIES ans Herz gelegt, sondern wie erwähnt auch allen, die allgemein gerne Punk hören, der eine gute Stimmung verbreitet.
BMG veröffentlichen nach dem Picture-Vinyl-Boxset "Every Day Rocks" (sieben Alben von 1970-1974) nun auch einzeln, in limitierter Ausgabe, die Picture-Alben von URIAH HEEP. Nach dem Debüt und "Salisbury" im Januar kommen jetzt (VÖ 25.02.2022) - nicht ganz chronologisch - die beiden 1972er Alben "Demon And Wizards" und "The Magician's Birthday", welche beim erstmaligen Erscheinen URIAH HEEP endgültig zu Superstars des 70er-Jahre Hard Rocks gemacht haben. Beiden Alben sind in der klassischen Besetzung, das heißt Mike Box, Ken Hensley, Lee Kerslake und Sänger David Byron, entstanden. "Demons And Wizard" ist das stärkere der zwei Werke, und seine beiden Hits "Easy Livin" und "The Wizard" sind auch heute noch im Live-Set von URIAH HEEP zu finden. Bei "The Magician's Birthday" sind der dynamische Opener und der Titelsong herausragend.
Erstmalig wurde bei "Demons And Wizard" das Album-Artwork von Roger Dean (u.a. ASIA, YES) gestaltet, der danach auch das Cover von "The Magician's Birthday" entwarf und später noch weitere Arbeiten für URIAH HEEP übernahm. Für diese Picture-Vinyl-Version wurden die Original-Artworks vom Künstler exklusiv leicht abgeändert und überarbeitet auf der B-Seite verewigt, was sich wirklich als Mehrwert und schöne Idee auffassen lässt. Das Vinyl kommt in einer transparenten Kunststoffhülle zum Kunden, perfekt zum Betrachten und evtl. gar Aufhängen, dafür natürlich weniger vinylschonend. Aber Picture-Platten sind ja in erster Linie Sammlerobjekte und natürlich eher als visueller Tonträger ausgerichtet. Aber - und hier kommt eine wirklich willkommene und schöne Einschränkung - diese Picture-Vinyl-Longplayer klingen großartig! Der Hörer muss kaum akustische Mängel in Kauf nehmen, was als zusätzliches "Nice-to-have" gerne vermerkt wird. BMG ist hier eine stimmige und wertige Veröffentlichung für Sammler und Fans von URIAH HEEP gelungen - beide Daumen hoch.
Wenn man sich die drei "Vögel", ganz in weiß gekleidet, inklusive Pelzjacke, auf dem Cover so anschaut, kommt man nicht auf die Idee, dass GOODBYE JUNE bluesgetränkten Hard Rock der Marke AC/DC anbieten. Doch weit gefehlt, denn genau das ist das Programm des aus Nashville, Tennessee stammenden Kollektivs. Das Trio ist verwandschaftlich verbunden (Cousins), existiert als Band seit 2005, und "See Where The Night Goes" ist ihr viertes Album.
Auch wenn der Bandname eher tragische Hintergründe hat (das Trio gründete sich nach dem Tod vom Bruder des Gitarristen im Juni - daher der Bandname), so klingen die drei frisch, bewegungsfreudig und ansteckend lebensbejahend. Sänger Landon Milbourne hat den seligen Bon Scott im Timbre, wobei er durchaus eigene, unverbrauchte Vibes mitbringt. Die Songs sind nahe am Original, ohne als billige Kopie empfunden zu werden. Das liegt an der Qualität der Musiker, an der direkten, athletischen und zeitgemäßen Produktion und nicht zuletzt an der Güte der Songs. Die soulige Piano-Ballade "What I Need" wäre selbstredend undenkbar von Australians Finest und zeigt auch, zu welchen Großtaten Sänger Landon noch fähig ist. Und fängt "Stand And Deliver" auch wie "For Those About to Rock" an, so entwickelt der Song ein Eigenleben, inklusive leidenschaftlichem Finale, ganz ohne Salut-Schüsse.
GOOBYE JUNE vereinen traditionellen, breitbeinigen Hard Rock der alten Schule mit neuen, modernen Elementen. Die bereits erwähnten AC/DC sowie BUCKCHERRY und GREAT VAN FLEET sind im Sound des Trios zu finden. Die eigenen Zutaten sind wohl dosiert, aber clever platziert; das bereichert ihren Sound und sorgt für zusätzliche Unterhaltung. "See Where The Night Goes" ist, simpel auf den Punkt gebracht, rundum klasse gemacht.
Das 2022er-Album von SAXON - immerhin das 23. Studioalbum der britischen Metal-Institution - hat das Zeug, nach den vielen guten Alben der letzten Jahre ein noch besseres zu werden. Die zehn Songs auf „Carpe Diem“ haben Power, wenig Schnörkel und kommen sowas von auf den NWOBHM-Punkt, dass es einem die Tränen der Freude in die Augen treibt - wenn man nicht grade mit Wippen und Bangen beschäftigt ist. Das altvordere Quintett um die unkaputtbare Frontsirene Biff Byford zelebriert dabei hier seinen ureigenen Sound - experimentieren können die anderen. Meine beiden persönlichen Highlights sind dabei aber keine der flotten Banger; sondern das epische, „Crusader“-mäßige „The Pilgrimage“ und der düstere Midtempo-Track „Lady In Gray“. Wuchtige Instrumentalisierung und Biffs Gesang erzeugen hier eine Gänsehautatmosphäre. Als Anspieltipps im SAXON-Heavy-Metal-Pur-Kosmos seien die ins Ohr gehende Single „Remember The Fallen“ und der doublebassige Headbanger „Super Nova“ genannt. Wobei hier ein Jedweder wohl andere Faves haben dürfte - Ausfälle hat das Album nicht zu bieten. Also - „Nutze Den Tag“ - „Carpe Diem“ - SAXON liefern Anno 2022 genau den richtigen Stoff dazu. Echt gutes Album.
Aus Andorra erreicht uns dieser Tage ein echtes Highlight. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, von dieser Band schon irgendwann mal ein Lebenszeichen entdeckt zu haben, und dies ist scheinbar ein großer Fehler gewesen. Nach ein wenig Recherchearbeit, soll wohl schon der Vorgänger „Aathma“ ein großartiges Werk des progressiven Death Metals gewesen sein, dessen Verköstigung ich zeitnah definitiv nachholen werde.
Derzeit bin ich aber mit „Metanoia“ völlig beschäftigt, und dies wird auch noch eine lange Zeit so bleiben. Es gibt auf dem Album sehr viel zu entdecken, und man kommt teilweise nicht mehr aus dem Staunen heraus. PERSEFONE spielen nicht nur progressiven Death Metal, sondern kochen ihr ganz eigenes Süppchen. Man stelle sich eine Freundschaft aus DREAM THEATER, LEPROUS, CYNIC und PESTILENCE vor, die nochmals durch den Einsatz einer Vielzahl von elektronischen Sounds verstärkt wird. Klingt wirr? Ist es auch! Wirr, aber genial!
Der Titeltrack, welchen ich unbefangen genießen konnte, weist noch nicht auf eine Verbindung zum Death Metal hin. Der Gesang von Marc Martins erschallt glockenklar und wird nur durch elektronische Elemente untermalt. „Metanoia“ stimmt in jedem Fall perfekt auf das zweite Stück „Katabasis“ ein, welches gleich an CYNIC erinnert. Die Gitarren sind nicht von dieser Welt, der Drummer kennt keinen durchgängigen Rhythmus, und bevor die Sache zu wild wird, erklingt wieder der eindrucksvolle Klargesang. Danach wird es ruppiger und überaus technisch. Hobbymusiker werden hier mit den Ohren schlackern, und Freunde des gepflegten Growls kommen nun auch auf ihre Kosten. Was ein Durcheinander – was für eine Freude! PERSEFONE sind selbstbewusst und sich ihrer musikalischen Stärken bewusst, und dies beweist die Band mit dem Instrumental „Leap Of Faith“. Der Gesang wird hier nicht eine Sekunde vermisst, da musikalisch einfach zu viel passiert, und die Spannung fortwährend auf einem sehr hohen Niveau gehalten wird. Gleiches gilt für „Consciousness Pt. 3“, welches eine Länge von über elf Minuten vorweisen kann. Die Auskopplung „Merkabah“ vereint alle Stärken der Band, und besonders im Gesangsbereich passiert einfach unheimlich viel. Man könnte jetzt böswillig sein und der Band vorwerfen, dass kein Stil wirklich fokussiert wird, und man auf zu vielen Baustellen arbeitet, aber leider (oder zum Glück) ist auf jeder Baustelle die Arbeit zu 100 % perfekt. Dies könnte der einzige Kritikpunkt an „Metanoia“ sein – es wirkt fast zu perfekt. Musikalisch gibt es eh die Höchstnote, aber auch das Cover-Artwork und die Produktion lassen keine Wünsche offen.
Fazit: Absolute Höchstnote, die Historie der Band werde ich aufarbeiten und beste Grüße nach Andorra – ein Land, welches derzeit hell auf der Landkarte des Metals erstrahlt!