Ein Jahr früher als "L’âme Electrique" ist "Suspiria De Profundis" erschienen und zeigt mal wieder dass bei DIE FORM erstens alles anders kommt und zweitens als man denkt. "Suspiria De Profundis" ist für ihre Verhältnisse sehr leichte Kost, nicht dass "L’âme Electrique" schwer im Magen liegt, aber ersteres gehört doch zu den deutlich technoideren Auswüchsen und man kann dem Album auch etwas abgewinnen ohne jedes Sample dreimal umzudrehen und ohne eine gefesselte Sklavinnen im Zimmer liegen zu haben. Nur eigentlich hört man ja DIE FORM nicht um sich mit eingängigen Tönen berieseln zu lassen, denn dafür gibt es wirklich andere Acts die dieses Fach besser beherrschen. Wer DIE FORM hört der will bis zu einem gewissen Grade etwas vom dem wirren Geist des Herrn Fichot in sich aufsaugen, von dem Geist, der sich mit den Abgründen der menschlichen Seele beschäftigt, und das tut "Suspiria De Profundis" - zumindest in meinen Augen - nicht sehr intensiv. DIE FORM muss eigentlich ein bisschen weh tun beim Hören, denn das war und ist es, was sie ausgezeichnet hat. Die Band hatte immer solche Momente in denen sie sich der leichten Muse verschrieb, doch nur bei "Confessions" ging diese Rechnung wirklich auf. Hier plätschern die fast allesamt mit einfachen treibenden Beats unterlegten Songs an einem vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Nicht dass Musik einen immer bewegen muss, aber dann muss ich mir nicht DIE FORM anhören.
Das ist ja wie an Ostern... da findet man auch noch Eier obwohl alle sicher sind, dass alle Eier bereits gefunden wurden. Bei DIE FORM denk ich mir bei jedem ihrer Rereleases genau das, aber ich lasse mal die Spekulationen wie viele Alben noch kommen mögen. Immerhin hat das Label Trisol anscheinende auf Kritik reagiert und "L´âme Electrique" ist mit einem schicken dickeren Booklet, das Texte und ein paar Bildchen enthält, ausgestattet. Die Franzosen gehen auf diesem Werk aus dem Jahre 1995 recht getragen zu Werke, der Sound lässt nicht mehr viel von den Elementen erkennen der älteren Alben, die Zeit ist also auch an ihnen nicht ungenutzt vorbeigegangen. Das Album hat weniger eine offensichtlich fetischistisch bis sexistische Atmosphäre als vielmehr eine recht düstere aber nach außen durchaus homogen wirkende recht normale Fassade, die den Hörer sicherlich nicht so sehr verwirren wird, wie dies vielleicht ältere Alben getan haben. "L´âme Electrique" ist kein wirklich schlechtes Album, hat aber weder experimentelle und richtig interessante, noch tanzbare Songs im Gepäck und muss daher nicht unbedingt in die heimische Sammlung.
Mittelalter Rock. Rock. Nicht Metal. Und eigentlich auch kein Rock sondern Pop... Das dritte Album "Minnenspiel" der deutschen Band ADARO, ist gleichzeitig mein erstes, denn obwohl ich mir einbilde den Namen schon mal gehört zu haben, so ist der große Durchbruch wohl ausgeblieben und somit die Band an mir vorbeigegangen. Und auch "Minnenspiel" fehlt wohl etwas um ADARO groß rauskommen zu lassen. Die Band lässt poppige Melodien mit einigen altertümlichen Instrumenten verschmelzen und einige Parts die dann Zusätze wie "Rock" oder gar "Metal" rechtfertigen könnten, werden in wenigen Songs in Form einer E-Gitarre oder treibender Drums forciert. Nicht in Ansätzen so hart wie In Extremo und Co. und auch vom musikalischen Anspruch und der potentiellen Zielgruppe eine andere Liga. Denn tanzbar sind die Songs nie und wollen es auch nicht sein, sie bilden vielmehr eine recht ruhige aber unter die Haut gehende Unterhaltung für einen Abend zu zweit etc.. Ob man das als Vorteil oder Nachteil für die Band auslegt, ist wohl in erster Linie Geschmackssache. Wie uns der Titel "Minnenspiel" ja ganz "subtil" andeutet, geht es textlich größtenteils um die Liebe, um nicht zu sagen um Sex, das ganze wird aber komplett in schönstes Mittelhochdeutsch gepackt und lässt selbst dadurch auch teilweise banale Zusammenhänge irgendwie hochtrabend klingen. Die beiden Leute am Gesang - einer männlich, eine weiblich - erledigen ihren Job gut, und genau das kommt mir an ADARO etwas seltsam vor: Sie machen eigentlich alles richtig, vielleicht ist die Sache eben einfach etwas zu zahnlos um so richtig zu begeistern. Schöne, erwachsene Musik findet sich auf "Minnenspiel" aber allemal.
Die Erwartungen an das zweite reguläre Album der deutschen Nachwuchshoffnung in Sachen Rock schlechthin, der Ulmer Band DIE HAPPY, waren entsprechend hoch. Aufgrund des herausragenden Debüts "Supersonic Speed" vor etwas mehr als einem Jahr und dem der Band zu recht vorauseilende Ruf einer wirklichen Spitzenlivekapelle, den man sich durch unzählige Konzerte quer durch die ganze Republik mühevoll erspielt hat, war diese Anspruchshaltung, vor allem von den zahlreichen Fans, beinahe schon erdrückend. Nun für den Vierer aus dem Schwabenländle anscheinend nicht, denn mit dem neuen Werk "Beautiful Morning" haben DIE HAPPY scheinbar mühelos so nebenbei einen mehr als würdigen Nachfolger hingelegt und dabei gleichzeitig den bisherigen Stil der Band noch etwas weiterentwickelt und sogar noch verfeinert. Obwohl nach dem allerersten Hören war ich noch nicht ganz so begeistert von dem Teil aber danach um so mehr. Auch die ewigen Vergleiche mit den GUANO APES, die meiner Meinung nach sowieso schon immer ziemlich daneben lagen (haben "die" schon mal ein komplett gutes Album ohne einige Aussetzer herausgebracht?), denn außer, daß zwei Frauenstimmen bei beiden Bands dominieren, gab und gibt es doch ziemliche musikalische Unterschiede, werden mit diesem Album endgültig ein Ende finden. Die Apes machen halt "reinen/richtigen" Crossover mit vielen Sprech bzw. Rapteilen und DIE HAPPY ganz einfach nicht - klar die fetten und kraftvollen Breitwandriffs kommen auch auf "Beautiful Morning" wieder sehr gut zur Geltung sind aber nicht charakteristisch für Crossover sondern kommen ja auch bei Nu Metal Bands reichlich vor. Der Gesamtsound und die Führung in den einzelnen Songs wird in jeder Sekunde von dem wunderbaren Organ der Sängerin Marta Jandova dominiert, egal ob wütend/aggressiv oder auch gefühlvoll - mit diesem Wahnsinnsstimmvolumen haut das Mädel mühelos einfach alles aus dem Weg. Im Vergleich zu "Supersonic Speed" ist die neue Platte schon einen Tick weniger hart oder "metallastig" ausgefallen, wobei diesmal noch etwas mehr Midtempo-und ruhigere Stücke enthalten sind. Die gewohnt tollen Melodien mit diesem eingängig fast schon manchmal poppigen Anflügen in den Hooks bieten auch hier wieder einige Hitsingles im reichhaltigen Angebot. Schon der düstere, mit mächtigen Riffs versehene Opener "Paralyzed" bläßt einem förmlich weg danach folgt schon einer der besten Songs der CD das mit Killerrefrain ausgestattete "Not that Kind of Girl" etwas im Kontrast dazu folgt dann das eher etwas mainstreamig gehaltene "Goodbye" (erste Singleauskopplung!). DIE HAPPY schicken den Hörer auf "Beautiful Morning" durch einen abwechslungsreichen und äußerst unterhaltsamen Cocktail aus kraftvollen, riffbetonten Heavynummern ("Human Being"/"Leaving you") um dann schon beim nächsten Atemzug wieder eine folkig, lockere Nimmer wie "Cry for more" (hat was von HEATHER NOVA) aus dem Ärmel zu schütteln. Die Band hat es tatsächlich geschafft sich nicht zu kopieren und trotzdem noch typisch nach DIE HAPPY zu klingen - tolle Melodien zu Hauf werden für Dauerrotation in den CD-Playern sorgen, jede Wette. Es kann daher "nur" eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für alle Liebhaber guter Rockmusik ausgesprochen werden.
Der Híeb aus dem Norden beginnt mit einem Lied über Würmer und endet mit Horrorschrei-Getöse und dem Wimmern eines geschundenen Weibes. KAAMOS kann soviel heißen wie "Toter Monat". Und das passt verdammt gut zur Musik: Mit rohem Death Metal samt Grind-Einflüssen bürsten die Mannen aus Stockholm dem Hörer die Haare. Als da unter anderem wären: Ein bisschen Thrash-Riffing (wie beim Opener "Corpus Vermis"), wirklich gemeine Brüll-Vocals (ständig), eine Prise Grind-Core (wie "Circle Of Mania") , ein ganz kurzer Doom-Beginn ("Curse Of The Aeons") und ein grooviger DM-Rocker ("Cries Of The Damned"). Was es nicht gibt? Keyboards, fehlenden Druck, komplizierte Songaufbauten und große Innovationen. Ich möchte bloß mal wissen, wo die Tre-Kronors diese vielen, vielen super-energischen Bands hernehmen. Also hört zu und wimmert mit der Dame um die Wette - und um Gnade. Wird aber nichts helfen.
Eine junge Nachwuchsband namens TOMSTEENS aus dem nordbadischen Raum (BW) stellt uns hier ihre erste CD "Sunday Rehearsals" vor. Die für heutige Zweiten eher unübliche Musik könnte man am ehesten unter den Begriff "Classik Rock" mit einigen progressiven Einflüssen einordnen. Der erdige Gitarrensound erinnert dabei schon eher an E. Clapton als an moderne oft nichtssagende Breitwandriffs. Gegründet wurde TOMSTEENS im Oktober 1999. In feuchtfröhlicher Atmosphäre kamen Nils Hübenbecker (keys), Christoph Englert (git), Felix Müller (sax), Thomas Trunk (bass) und Andreas Hack (drums) zusammen und legten den Grundstein für eine neue Band, deren Mitglieder bereits in ehemaligen Coverbands wie Painkiller oder Birds of Prey tätig waren. Nachdem der ursprüngliche Sänger schon kurze Zeit später ausschied kam man nach einer Zwischenlösung schließlich auf Benjamin Götzinger. Und dieser Mann kann wirklich toll singen, er ist zum Glück keiner dieser heute oft üblichen Fistelakrobaten sondern überzeugt mit seiner warmen und angenehmen Stimme vor allem auch live auf der Bühne. Davon konnte sich der Schreiber dieser Zeilen selbst schon überzeugen. Die Idee war, Musik zu machen, die nicht tagtäglich in den Charts rauf und runter gespielt wird . Also beschloss man die 70er und 80er Jahre ins Auge zu fassen und coverte Stücke von Cream oder Deep Purple, die auch jetzt noch im Programm zu finden sind . Der Einfluß progressiver Bands wie Dream Theater oder Spock's Beard auf die musikalischen Vorlieben der einzelnen Bandmitglieder ist auch auf diesen eigenen Stücken der CD deutlich herauszuhören ("Hoping"). Die Musik der TOMSTEENS bietet teilweise hervorragende arrangierte Insrumentalparts, wobei die Keys vom Sound her schön stets klaviermäßig rüberkommen. Es groovt ordentlich, wobei gerade das Saxsofon zu gefallen weiß (leider ist der Musiker zwischenzeitlich nicht mehr dabei!). Über allem schwebt dieser prägnante und einfühlsame Gesang, besonders auch bei der Ballade "Ordinary Friends" zu hören. Der Schuß Progressivität ist mal stärker oder schwächer aber durchgehend auf "Sunday Rehearsals" festzustellen und macht die CD wirklich zu einem hörenswerten Stück Musik. Der Gitarrist sollte die Band noch etwas mehr Freiraum bzw. etwas stärker loslassen, daß würde dem Gesamtsound nur gut tuen. Beim DEUTSCHEN ROCK & POP PREIS 2001 von über 3000 Musikkünstlern qualifizierten sich die TOMSTEENS für's Halbfinale in Würzburg. Bei den dortigen Hearings unter Aufsicht bekannter Plattenfirmen landete man unter den besten 30 Musikgruppen. Für die Zukunft sind wir auf die nächsten Songs einer talentierten Band abseits aller Trends schon sehr gespannt.