Die weiße Schlange hat mit "Live... In The Heart Of The City" eine der maßgebenden Live-Scheiben des Hard-Rock herausgebracht (und mich ganz persönlich 1980 als Vorband von AC/DC ziemlich beeindruckt). In der Zwischenzeit ist das Beste, was über WHITESNAKE zu sagen ist vermutlich die Tatsache, dass es die Band immer noch gibt (und eine weitere Whitesnake-Kapelle namens M3 mit Murray, Marsden und Moody). Stimmgabel Coverdale frontet WHITESNAKE und hat mit Doug Aldrich, Reb Beach, Marco Mendoza, Timothy Drury und Tommy Aldridge auch keine Unbekannten um sich geschart, als es im November 2004 im legendären Londoner Hammersmith Odeon ans DVD-Mitschneiden ging. Und wer nicht hinguckt, der ist zumindest erstmal von der stimmlichen Verfassung des älteren Herren beeindruckt - beim ersten Blick allerdings glaubt man gern, es mit einer gelifteten Tagesschau-Sprecherin zu tun zu haben- Klar, alle werden älter, aber dann lieber mit Mut zur Falte als aussehen wie eine glattgebügelte amerikanische Schauspielfregatte. Egal, die DVD ist hochgradig professionell aufgenommen (mit 26 Kameras wie uns das Presse-Material genauso versichert wie den 5.1.-Sound auf dem Endprodukt), die 15 Songs sind prima ausgewählt - auch, wenn mit "Walking In The Shadow Of The Blues" ein absoluter Kracher fehlt (dafür aber "Soldier OF Fortune" kurz und abscjhließend ohne Instrumente. Auf große Showelemente verzichtet die Band weitestgehend, mal abgesehen vom recht technischen Handwerkeln der Musiker - das ein wenig zu Seelenlosigkeit der Songs beiträgt. So klingt ein Song wie "Burn" zwar bretthart, aber eben nicht so gefühlvoll wie annodunnemal - und macht WHITESNAKE eher zu seinem Coverdale-Soloprojekt mit hochwertiger Söldner-Belegschaft. Irgendwie gfehlen die drei Ms dann doch. Insgesamt handelt es sich dennoch um ein ordentliches Live-Dokument einer wirklich wichtigen Hard-Rock-Band. Neben der Standard-DVD soll auch noch eine DVD/CD-Box erscheinen sowie eine Doppel-CD - nach mehrmaligen Verschiebungen wohl am 27. Januar. Angekündigt sind außerdem Bonusmaterial in Form von Backstage-Szenen und Foto-Galerie.
Wenn eine alte Kapelle aus den 80ern die Reunion zelebriert, dann kommt oftmals nur Murks dabei heraus. Und wenn diese Kapelle einst melodischen Sleaze Rock zelebrierte und dabei ein herrlich trashiges Tunten - Outfit zur Schau trug, dann ist für viele Leute klar, dass die Band im Jahre 2005 nix mehr verloren hat. Aber halt! Gab es da nicht erst kürzlich ein sehr erfolgreiches Comeback von TWISTED SISTER?! Und sind da nicht ein paar schwule Norweger namens TURBONEGRO, die zwar mit anderer Mucke, aber mit ähnlichem Image (berechtigt!) ohne Ende punkten?! So ganz scheint der Markt für solche Bands also nicht tot zu sein, und so machen sich auch die Skandinavier HANOI ROCKS auf, die Welt mit einem neuen Erguss zu beglücken. Und "Another Hostile Takeover" ist kein halbgarer Wiederbelebungsversuch geworden, sondern ein Album nach Maß, das seinesgleichen erst einmal finden muss. Mit einer ungeheuren Frische rocken sich die Hanois durch zwölf Songs plus fünf kurze Intros plus einen Bonustrack und überzeugen damit auf ganzer Linie. Gleich der kernige Opener "Back In Yer Face" gibt den Ton vor und findet mit dem etwas an FOREIGNER erinnernden "Hurt", dem sehr geilen, treibenden "The Devil In You", dem rotzigen "Talk To The Hand", dem sehr melodischen "No Compromise, No Regrets", dem coolen THIN LIZZY - Cover "Dear Miss Lonely Hearts" oder dem abschließenden "Center Of My Universe" genug erstklassige Unterstützung. Zudem hat man mit "You Make The Earth Move" einen der besten Goodtime - Rocker der letzten Jahre auf dem Buckel, mit "Heaven Is Gonna Be Empty" einen witzigen Bonustrack am Start und sich mit "Reggae Rocker" sogar an einen etwas gewöhnungsbedürftigen, aber irgendwie coolen Experimentalsong gewagt. Auch der Rest des Materials, das insgesamt sehr abwechselungsreich ausgefallen ist, enttäuscht nicht und zeigt Michael Monroe und Co. in absoluter Hochform. Ein Album, das man Fans mit Hang zum Sleaze Rock nahezu uneingeschränkt empfehlen kann und das alte "Hanoier" sicher nicht enttäuschen wird!
Dass bei einem Best Of Album mit knapp kalkulierten zwöl Tracks kaum persönliche Perlen dabei sein werden ist eigentlich klar. Und so hat "Tinnitus" der schwedischen Vorzeigerocker BACKYARD BABIES nicht viel mehr zu bieten als die üblichen Verdächtigen: Ausgerechnet der Bandsong schlechthin, "Brand New Hate" eröffnet den Reigen, "Minus Celcius" oder "A Song For The Outcast" sind und bleiben im Ohr. Und kommen leider nicht gegen Tracks des heiligen "Total 13" Albums an: Das flotte "Made Me Madman" oder die klasse Gitarren in "Highlights" sind ein ganz anderes Kaliber. Neben der Best Of Zusammenstellung "Tinnitus" gibt es mit "Live Live in Paris" bei fast gleicher Trackauswahl auch einen Eindruck davon, wie die Songs live klingen. Bei gutem Sound und authentischer Atmosphäre überzeugt dieser Teil der 2-CD deutlich mehr und ist auch für BACKYARD BABIES Anhänger ein Hörerlebnis - während die erste CD wohl nur für Neulinge des Schwedenrocks sagen kann. Zwiespältig also im wahrsten aller Sinne.
Normalerweise bin ich kein großer Freund von "alternativen" Klängen und schon gar nicht von Songs, in denen alte Beziehungen zu Grabe getragen werden, da dort die Grenze zu Kitsch und (pseudodüsterem) Selbstmitleid nicht selten überschritten wird. THE JULIANA THEORY aus Latrobe, Pennsylvania haben jedenfalls beide dieser Aufgaben unter einen Hut bekommen und ihr neues Werk "Deadbeat Sweetheartbeat" von John Travis (SOCIAL DISTORTION, KID ROCK) bewusst authentisch und live klingend produzieren lassen. War ich beim ersten Hören noch etwas verhalten, was den doch sehr amerikanisch - kommerziellen Stil des Quintetts betrifft, so bin ich etliche Umdrehungen später der Meinung, eines der besten Alben dieser Richtung seit vielen Jahren gehört zu haben. Obwohl rein instrumental nicht sonderlich spektakulär, wissen die Jungs einfach, wie man Songs schreibt, die unter die Haut gehen. In Sachen Atmosphäre, Songwriting und stellenweise auch Gesang (Brett Detar hat eine sicherlich polarisierende, aber auch sehr klare und ausdrucksstarke Stimme) erinnert mich die Band ab und an sogar an die Kanadier RUSH. Kein Vergleich (technisch auch fast unmöglich!), sondern nur ein ganz ungefährer Wegweiser! Hört Euch die sehr eingängigen und durchweg gelungenen Kompositionen an und überzeugt Euch selbst. "We Make The Road By Walking", "Shotgun Serenade", "My Heart Is A Soldier" oder die völlig genialen "The Final Song” und das sich zu einem überlangen, göttlichen Sonnenuntergangs - Vibes - Rocker mausernde "French Kiss Off" dürften nicht nur "Alternative", sondern auch Proggies mit Hang zu melancholischen, aber trotzdem positiv ausgerichteten Klängen überzeugen. Ein echtes Genre - Highlight, das zudem in einer limitierten Edition (inklusive einer DVD) mit vier Bonustracks, einem Promo - Video und weiteren 45 Minuten Videomaterial erscheint. Absoluter "Tipp"!
RISE AND FALL geben zwar selbst die Bezeichnung Punkmetal für ihren Sound vor, können aber einen starken HC-Einfluss nicht von der Hand weisen. So manches Mal erinnern sie an TERROR zu "Lowest Of The Low"-Zeiten, ganz besonders beim rauen Gesang gibt es hörbare Parallelen. Aber nicht nur Ami-HC hat seine Spuren hinterlassen, im schweren Riffgewitter haben RISE AND FALL einige alte Rockverweise eingebaut und vor Punk scheuen sie ebenfalls nicht zurück. Kommt also schon einigemaßen hin mit Punkmetal. Immer straight nach vorne, immer feste drauf und im richtigen Moment einen Moshpart einbauen. So einfach kann das sein, eine gute HC-Platte zu machen - schwupps, schon hat man neun coole Songs (der zehnte ist ein sehr düsteres Instrumental). Hätte nur ein paar mehr sein dürfen...
Es ist hinlänglich bekannt: Die Amerikaner von KILLSWITCH ENGANGE sind live unbestreitbar eine Macht. Durch ihre schwedischen Gitarren, den unstillbaren Hang zur Melodie und die coole Bühnenpräsenz vereinen sie das, was man einst Metalcore nannte auf eine Art, die Metaller und Hardcorler vor der Bühne nebeneinander feiern lässt. Mit gewohnt hektischem Schnitt setzt "(Set This) World Ablaze" dies nun auch filmisch in Szene - von denen keinen Einstellung länger als zwei, drei Sekunden bestand hat. Das Publikum ist oft zu sehen und glücklicherweise auch das ein ums andere Mal zu hören, die Bostoner Kids vor der Bühne machen heftig Alarm. Warum die Eltern von Gitarrist Stroetzel das ganze eher aus den hinteren Reihen angucken wird deutlich wenn man das schicke Chaos dort sieht. Der "neue" Sänger Jones macht seinen Job klasse, der Gesang ist auch live fesselnd. Ob Dutkiewicz eine ganz gemeine Wette verloren hat oder sein Knall doch größer ist als vermutet, erfährt man nicht - er springt jedenfalls wie besessen mit einem schwarzen Umhang und kurzer Hose über die Bühne. Technisch sind die Jungs fit, der Sound passt. Warum aber - wie auch bei der Roadrunner Veröffentlichung von MACHINE HEAD - dann auf 5.1. Sound verzichtet wird bleibt offen. Neben dem über einstündigen Konzert findet sich Hintergrundmaterial auf der DVD, viele kleine Geschichten und viele Kommentare andere Metal(core)combos (GOD FORBID, IN FLAMES oder SOILWORK um nur drei zu nennen) beschließen die schön anzuhörende Beweihräucherung der Jungs. Stroetzels Mama Deb erzählt über ihren Sohn mit einem Stolz den wohl nur eine Mutter für ihr Kind aufbringen kann - sehr persönlich komplettieren diese Worte den Eindruck der DVD. "(Set This) World Ablaze" ist freigegeben ab 16 Jahren.
Zu "Horrified” fiel mir bisher nur das coole REPULSION-Album ein, auf griechischen Melodic Death bin ich beim besten Willen nicht gekommen. Na ja, man lernt eben nie aus. HORRIFIED haben in den 90ern ein paar Alben eingespielt und nach einer längeren Pause 2002 ihr Comeback-Album im Fredman aufgenommen. Ist auch schon wieder ein Weilchen her und hat den Griechen anscheinend nicht den großen Durchbruch gebracht. "In The Garden Of The Unearthly Delights” ist konsequenterweise nicht die neue Scheibe, sondern der Erstling, inklusive der 91er EP "Eternal God” und der 92er EP "The Ancient Whisper Of Wisdom”. Viel Stoff also, genauso sollte ein Re-Release aussehen. Das große Aber ist in diesem Falle nur leider die Mucke. Mehr als zehn Jahre nach Veröffentlichung klingen alle Songs altbacken und können mit neueren Scheiben weder songschreiberisch noch spieltechnisch mithalten. HORRIFIED rumpeln sich teilweise ganz schön durch die Botanik, das passiert heute nicht mal mehr Underground-Bands. Aber anno ’93 war eben alles einfacher, da haben solche Combos eher einen Plattenvertrag bekommen. Mittlerweile, quasi-2006 und im Jahrhundert des Flughundes sieht die Sache anders aus: mit so einer Scheibe gewinnt man keinen Blumentopf mehr. So bleibt der Re-Release trotz großer Songsauswahl nur was für beinharte Freaks.
In The Garden Of The Unearthly Delights Re-Release
Ein Hörbuch zur Biographie der Band GRAVE DIGGER? Chris und Co. haben aufgrund ihrer 25jährigen Geschichte sicherlich einiges zu erzählen. Tun sie auch - allerdings ist nach dem Hörerlebnis das Wort "Metal-Gott" wegen fortwährender Nutzung das Unwort des Jahrzehnts. Erzähler Holger Koch liest die Biographie (die vor drei Jahren "GRAVE DIGGER - Die offizielle Biographie" als Buch erschien) mit tonloser, gleichförmiger Stimme und leistet sich vor allem bei englischen (Musik)-Begriffen einige Schnitzer. Anekdoten liefert das Chris Boltendahl himself, er betont die Klamotten im Gegensatz zum Kollegen ein wenig übertrieben. Neben der ständigen Metal-Gott-Laberei verliert sich das Duo nicht selten in furchtbar übertriebener Phrasendrescherei - all das grenzt an eine platte Spinal-Tap-Kopie. Inhaltlich hingegen kaum ein Wunsch übrig. Die vielen Hörminuten schenken einem nämlich - abgesehen von oben genannten Nachteilen - einen tiefen Einblick in der Geschichte der Grabschaufler, Chris schreckt auch vor gehöriger Selbstkritik nicht zurück. Allerdings hat auch diese Seite des Hörbuchs seine schlechte: "Bolte" schießt tüchtig gegen seine Ex-Mitstreiter gibt diesen aber keine Möglichkeit, sich zu äußern. Da hat Kollege Rippchen von Sodom auf deren CD mehr Mut bewiesen. Insgesamt ein zwiespältiges Werk mit guten Seiten, aber auch vielen schlechten.