Zuverlässigkeit ist eine der großen Attitüden, die AXEL RUDI PELL auszeichnen. In beständiger Regelmäßigkeit bringt der Malocher aus dem Pott immer wieder neue Platten raus. So ist es nicht verwunderlich, dass er es mit den Ballads-Alben nicht anders handhabt, die Zeitabstände sind nur größer. Die erste erschien 1993 und fand in der Fangemeinde so großen Anklang, dass weitere folgten. Die Kernkompetenz des blonden Seitenhexers ist ja ohnehin das getragene Gitarrenspiel, so dass die Balladen in seinen regulären Studioscheiben meist zu den Highlights zählen.
Gemäß nach dem Motto: “Something old, someting new, something borrow, something blue“ wurden die 13 Balladen für "The Ballads VI" zusammengestellt. Fünf davon sind brandneu eingespielt, wobei die Coverversion von “Diamonds And Rust“, im Original von der Folk-Ikone Joan Baez, doch ein wenig herausragt. Die älteren unter uns werden sich an eine äußerst gelungene Fassung von JUDAS PRIEST erinnern, ich persönlich kann mit der ARP-Version in der Tat verdammt viel anfangen, da gerade bei diesem Track das einfühlsame Spiel von Axel songdienlich zum Tragen kommt. “Dust In The Wind“ ist der zweite große Klassiker, den man sich vorgenommen hat. Diese Nummer wurde durch das Weglassen der Drums deutlich softer und ruhiger interpretiert...für mich ein wenig zu ruhig.
Zwei der drei neuen Eigenkompositionen sind reine Instrumentalstücke, der Vocal-Track “Morningstar“ sollte ursprünglich auf das (planmäßig) 2024 erscheinende Werk. Da die Plattenfirma aber, laut Pell, von diesem Song so begeistert war, wollte man nicht warten. Das Solo am Outro war überdies ein durchaus gelungener One-Take, Chapeau!
Für die verbleibenden Tracks griff man in die Kiste von “Knights Call“, “Sign Of Times“, “Lost XXIII“ sowie auf das Coveralbum “Diamonds Unlocked II“. Die drei Tracks aus dem zuletzt genannten, halten aber nicht das Niveau der anderen. Ich finde es im übrigen nicht sonderlich geschickt, eine Kompilation mit Material aus einer anderen Kompilation zu füllen. Hätte man diese weggelassen und eine einzige LP mit 10 Songs veröffentlicht, wäre das dem Ganzen dienlicher gewesen und so mancher Vinylaffine wäre dankbar gewesen.
Die Lockdown-Single “Quarantine 1“ findet man indes nicht auf jeder Version von “Lost XXIII“. Wer zu den Vinylsammlern gehört, kann sich diesen Song nun mit diesem Sampler ins Regal stellen.
Dass “Scorched” das nunmehr 20ste Album im umfangreichen LP-Kanon der New Yorker ist, wurde schon mehrfach breitgetreten. Beeindruckender als die schiere Zahl der Veröffentlichungen ist die Tatsache, dass OVERKILL nie wirklichen Schund abgeliefert haben. Nicht jedes Album ist ein Klassiker aber unter einem gewissen Niveau machen es Blitz und seine Jungs nie. Auch wenn es Stimmen gibt, die eigentlich alles aus Prinzip nach 1988 veröffentlichte scheiße finden. Es gibt einen Grund, warum OVERKILL 2023 populärer sind als jemals zu vor: Man liefert harte, authentische Musik, welche bei allem Verständnis und Liebe für die eigene Geschichte, sich immer wieder neu erfindet und gerade so viel Raum für Experimente mitbringt, dass es eben auch nach 40 Jahren immer noch spannend bleibt.
Auf „Scorched“ machen OVERKILL einmal mehr wenig falsch. Man macht im Gegenteil sogar ziemlich viel richtig und liefert ein beseeltes und hoch inspiriertes Album, welches extrem viele Facetten des OVERKILL Kosmos abbildet. Man kann Blitz nur Recht geben, wenn er sagt, dass in „Scorched“ viel klassischer Heavy Metal enthalten ist. Ist es doch eines der melodischsten OVERKILL Alben überhaupt. Im Umkehrschluss haben die in Ehren ergrauten Herren aber nichts von ihrem Biss verloren und die Basis ihrer Songs ist immer noch kompromissloser Ostküsten Thrash.
Speed Granaten, wie das geniale „Twist Of The Wick“ stehen einträchtig neben der mächtigen Single „The Surgeon" im typischen OVERKILL Midtempo-Stampf, dem fast schon sexy swingenden „Wicked Place“, der tollen Heavy Metal Hymne „I Won’t Be Coming Back“ oder dem sphärisch sehr spannenden „Fever“. OVERKILL haben immer noch viel zu sagen und beweisen, dass sie mit Recht zu den konstantesten Formationen überhaupt gezählt zu werden. Was mich persönlich mit am meisten beeindruckt ist, dass „Scorched“ sowohl völlig losgelöst auch als potenzielles Debüt funktionieren würde, sich aber auch problemlos gegen die eigene Geschichte behaupten kann und sich locker im oberen Drittel aller OVERKILL Veröffentlichungen einreiht.
Möge der Skullcrusher noch lange fliegen.
Live könnt ihr die Jungs noch an folgenden Dates erleben:
16.04.23 Huxleys Neue Welt, Berlin
17.04.23 Backstage München, München
18.04.23 LKA Longhorn, Stuttgart
19.04.23 Komplex 457, Zürich
23.04.23 Garage, Saarbrücken
24.04.23 Schlachthof, Wiesbaden
LIV KRISTINE, die einstige Stimme von THEATRE OF TRAGEDY und LEAVES EYES´, meldet sich mit einem Soloalbum zurück. „River Of Diamonds“ beinhaltet 12 Tracks, zwei davon Cover-Songs: „Pictured Within” von Jon Lord und Cyndy Laupers „True Colors”. Die restlichen Songs wurden komponiert von LIVS KRISTINES THEATER OF TRAGEDY-Kollegen Tommy Olsson, mit dem sie bereits in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Der Opener „Our Immortal Day“ , ein Duett mit Østen Bergøy (LONG NIGHT, TRISTANIA), setzt auf das bewährte „Beauty and the beast“-Konzept, kommt aber deutlich weniger druckvoll daher als manch anderer Vertreter des Genres. Überhaupt sind einige Gastauftritte zu bewundern: einer von Fernando Ribeiro (MOONSPELL) beim flotten Titeltrack, außerdem noch KRISTINES Ehemann („Pictured Within“) sowie ihre Schwester („Love Me High“). „No Makeup“ kommt getragener daher, Vibe und Gitarren bei „Maligna“ und „Serenity“ erinnern stellenweise ein wenig an THE MISSION, was den Songs durchaus gut zu Gesicht steht. „Shaolin Me“ präsentiert sich – der Titel verrät es bereits – asiatisch angehaucht, „Gravity“ dagegen balladesk. Alles ist erwartungsgemäß astrein gesungen, melodiös und eingängig, irgendwie fehlt den Songs aber mitunter ein bisschen der Biss, was vor allem an der Produktion liegt, die dünner und poppiger wirkt als sie es müsste. Das ist schade, denn ein druckvoller Sound hätte hier vermutlich leicht Abhilfe schaffen können. FAZIT: „River Of Diamonds“ ist ein solides, rundes Album, hätte aber (besonders in produktionstechnischer Hinsicht) noch Luft nach oben gehabt.
Wenige Tage, nachdem bekannt wurde, dass Peter Baltes fest bei U.D.O. / Dirkschneider einsteigt kommt schon das nächste akustische Lebenszeichen des Basstitanen. Er ist nämlich auch auf dem neuen Album von DESTINIA Shredder Nozomu Wakai zu hören. Neben Baltes hat Nozomu den ehemaligen LORDS OF THE BLACK Drummer Andy C, sowie den Ex-Sänger von HIBRIA Luri Sanson um sich geschart und mit „Requiem Reloaded“ ein sehr feines Melodic Metal Scheibchen fabriziert. Nozomu zeigt einmal mehr seine Bandbreite, denn neben den stilistisch ähnlichen DESTINIA arbeitete er mit den Black Metallern von SIGH und ist auch als Produzent und Songwriter verantwortlich für das letzte Album von SHOW-YA.
„Requiem Reloaded“ ist zwar modern aber sehr passend produziert und hat einen ausgewogenen Klang. Schön ist, dass man nicht dem Versuch erlegen ist nach ACCEPT oder HIBRIA zu klingen, sondern sich um ein eigenes Profil bemüht hat.
Die kraftvolle Stimme von Luri harmoniert perfekt mit dem äußerst melodischen und gefühlvollen Spiel Wakais, welcher sein klassisches Power Metal Riffing immer wieder mit geschmackvollen Licks bereichert. Und darunter liefert die Kombination Andy C und Peter Baltes rhythmische Qualitätsarbeit. Die Songs sind mit großen, aber nicht aufdringlichen Refrains ausgestattet und decken eine recht große stilistische Bandbreite ab. Vom etwas zu plakativen „Are You Ready For Rock?“ über das bombastisch treibende „I Still Burn“ mit seinem tollen Zusammenspiel von Bass und Gitarre, dem speedigen „Break Through The Fire“ und dem epischen „Symphony Of Despair“ bis hin zur positiv stimmenden Rausschmeißer-Hymne „We Fight To Win“ bietet „Requiem Reloaded“ hervorragende melodische Power Metal Kost welche Fans von ANGRA, STRATOVARIUS oder HEAVENLY sich bedenkenlos auf den Einkaufzettel kritzeln können.
Ihr habt Bock auf stampfende Gitarrenriffs, ihr mögt guten alten Death Metal der 90er? Bitteschön:
Bei NEW WORLD DEPRESSION aus Emsdetten/ Münster sind klare Querverweise zu Gruppen wie BOLT THROWER, OBITUARY, ASPHYX oder MORGOTH zu zeichnen. In bester Old School Death Metal - Manier wird hier alles und jeder dem Erdboden gleich gemacht.
Das Album (VÖ14.04.2023) startet mit „Undying Strains“ im englischen BOLT THROWER-Stil. Das melodische Gitarrenspiel wird zeitweise verlangsamt und das verleiht der Angelegenheit eine Menge Wucht. Insgesamt gibt es von NEW WORLD DEPRESSION vor allem Midtempo. Der Panzerkampfwagen ist nun nicht mehr aufzuhalten und zielt mit dem drehbaren Geschützturm genau zwischen die Augen. Nach einem kurzen amerikanischen Sample startet „Brainless” mit ein paar Death 'n' Roll-Einflüssen. „Guided By The Front” entpuppt sich als guter aggressiver Track mit Samuraischwert-scharfen Leads. Der Titelsong „Interment Of Sins“ war die ersten Singleauskopplung des Longplayers und hat ein melodiöses Riffing inne. Vor allem das Anfangsriff bleibt im Kopf. Entsprechend anders kommt bei „Deathmachine“ das Gitarrenriffing bissig-thrashig daher. “Overdose Of Humankind“ killt mit brutalem Tempo und purer Gewaltextase. Es folgt mit „Fools“ eine groovige Nummer mit vielen Tempowechseln und das marschierende „Skull Carver“. Zu „Thirst For Life“ fährt man ein tonnenschweres obgleich teilweise langsames Geschütz auf. Der Rausschmeißer ist düster und walzend. Aufgenommen wurde “Interment Of Sins” im Soundlodge Studio, Jörg Uken (Mix und Mastering) machte den druckvollen ziemlich klaren Sound.
Die Platte ist eingängig; Sänger Hütte klingt ein bisschen wie Martin Van Drunen (ASPHYX/ PESTILENCE) und da gibt es schlechtere Fahrwasser. NEW WORLD DEPRESSION tritt uns gehörig in den Hintern und lässt uns die Matte kreisen, oder zumindest rhythmisch mitwippen.
In 2021 veröffentlichte JOE BONAMASSA mit seinem Studiowerk „Time Clocks“ eines seiner besten Alben – die Review zu diesem tollen Album gab es damals es hier: „Time Clocks“-Review“
Zwei Jahre später gibt es mit „Tales Of Time“ einen Nachschlag in Form einer Live-Performance des Studioalbums (außer „Hanging On A Loser“) und einigen Zugaben (diese nur auf DVD). Der Mitschnitt stammt aus dem Red Rocks Amphitheater in Denver und glänzt durch eine fast schon perfektionistische Bild- und Tonqualität; dem der Auftritt in nichts nachsteht. Dabei gilt wie immer, keine große Show mit Effekten – die Show ist der Meister an der Gitarre. Und dieser läßt sein Spiel (passend zum rockigeren Songmaterial des letzten Albums) „härter“ ausfallen. Und auch wenn es das X-te Livealbum des guten Joe ist – dies ist es Wert gehört (und gesehen) zu werden. Die an sich schon sehr guten Kompositionen von „Time Clocks“ kommen mit den eingestreuten Improvisationen und den Solis noch intensiver rüber. Es macht einfach Laune die Tracks zu hören; BONAMASSA und seine kongeniale Band zelebriert Rock und Blues auf höchstem Niveau. Und was sagt der Meister dazu:
“This live show represents our most progressive and largest production to date focusing on my most ambitious studio album to date “Time Clocks.” The iconic Kevin Shirley once again has produced both wonderful music and a wonderful visual. My band was a force of nature on this show and it truly was a special night.”
Und so gilt für den Nachschlag das gleiche, was ich auch schon dem Hauptgang attestierte: Ist nämlich großes Kino hier. Von den drei auf der DVD enthaltenen Extras, macht vor allem „Mountain Time“ Live voll was her. Live ist BONAMASSA noch besser als auf Platte – bald auch wieder zu hören (und sehen) in diesem Lande.
Australien brachte in den letzten Jahren einige interessante Black Metal-Formationen hervor, eine davon ist WOEWARDEN aus Perth. Zählt man die beiden Alben, welche die Band unter dem Namen CANCER veröffentlichte mit, legen sie Longplayer Nummer drei vor: Nach „Into The Heartless Silence” (2018) und „Opioid” (2020) steht nun „In The Art Of My Caged Existence“ in den Verkaufsregalen. Digital und als CD war das Album bereits 2022 erhältlich, nun auch als Vinyl.
WOEWARDE spielen Atmospheric Depressive Black Metal und die Bandmitglieder kennt man auch von der Band DEADSPACE.
“Ravelled” heißt der schwermütige Opener und zeigt den episch-hymnischen Stil der Truppe: ausladende melodische Gitarrenleads treffen auf gequältes durchdringendes Kreischen. „Prisons Within Prisons“ legt in Sachen Härte eine Schippe drauf. Zu „Excised“ wird es langsamer und tragisch, „The Name Of Suffering“ überzeugt durch schöne Gitarrenarbeit und entführt uns in eine hypnotische Reise voller Verzweiflung und Frustration. Die Produktion der Scheibe ist passend zur Musik mit sehr klarem Mix und Mastering versehen.
Das ist alles stimmungsvoll und gut gemacht, aber ich komme mit dem schrillen, zum Teil weinerlichen Kreisch-Gesang, von John Pescod nicht klar. Ich habe ein ähnliches Problem mit dem hohen Falsettstimmklang von KING DIAMOND/ MERCYFUL FATE, der stellenhaft Ähnlichkeit aufweist. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Es kommt auf „In The Art Of My Caged Existence“ immer wieder zu Momenten, wo ich mir wünschte Pescod würde bei Growls und „normalen Screams“ bleiben, ohne so extrem in die Höhen abzugleiten. Klasse Songs wie der Titeltrack würden in meinen Augen davon profitieren. Wenn einem die Stimme aber zusagt, oder zumindest nicht stört, ist „In The Art Of My Caged Existence“ ein lohnenswertes Exempel atmosphärisch-depressiver Klangkunst.