Als ich das erst Mal mit MIKE OLDFIELD in Berührung kam war das Anfang der 80er-Jahre als er mit Hits wie „Moonlight Shadow“, „Shadow On The Wall“ oder „To France“ die Hitparaden anführte. Erst Jahre später entdeckte ich die wahren Werke des Multitalents – darunter sein 1973er-Debüt „Tubular Bells“ – das sich bis heute über 16 Millionen mal verkaufte, Virgin Record von null auf hundert brachte und sich ganze 286 Wochen in den britischen Charts hielt.
Michael Gordon Oldfield (Jahrgang 1953) ist dabei ein „alleinschaffendes“ Genie – Multiinstrumentalist, Komponist und Texter. Seine Einflüsse reichen vom Rock/Blues über Folk bis in die Klassik. Und so war schon sein Debüt „Tubular Bells“ geprägt von unterschiedlichen musikalischen Stilen und unterschiedlichsten Instrumenten und Effekten (die sich auch auf unterschiedlichen Tonspuren wiederfanden). Das Album ist fast ausschließlich instrumental, Oldfield spielte innerhalb einer Woche fast alles selbst ein (akustische und elektrische Gitarren, Farfisa, Hammond-Orgel, Flöte, Glockenspiel, Klavier, Mandoline, Perkussion und Violine), wobei man die „Tubular Bells“ man Ende des ersten Teils hört. Die fast 50-minütige Komposition wirkt auch vor allem als Ganzes – ein paar Fakts zu Einzelheiten möchte ich hier trotzdem bringen:
Das Klavierintro des Part One wurde im Film „Der Exorzist“ verwendet.
Im Mittelteil des Part Two gibt der gute Mike einige undefinierbare, gutturale Laute von sich (wurde als „Caveman“ bekannt).
Bei der Aufnahme wurde unbeabsichtigt das Rufzeichen des Langwellensenders GBR in Rugby (England) aufgezeichnet. Die Signale des streuten offenbar in Mikrofone und Tonabnehmer ein und wurden mit aufgenommen.
Am Ende von Part Two wurde das Traditional „The Sailor’s Hornpipe“ mit eingearbeitet.
Dabei enthält die „Tubular Bells – 50th Anniversary Edition” neben dem aufgewerteten Original-Mix auf der CD noch ein unveröffentlichtes Demo, das vor fünf Jahren aufgenommen wurde und damals der Anfang einer neuen Version des Werks zu seinem 50-jährigen Jubiläum sein sollte. Dann entschied sich Mike Oldfield dagegen - und die achtminütige Einleitung wurde auf Eis gelegt. „Tubular Bells 4 Intro“ bildet nun praktisch den Abschluss dieses Klassikers. Zum ersten Mal seit 2012 ist auch „Tubular Bells/In Dulci Jubilo (Music for the Opening Ceremony of the London 2012 Olympic Games)“ enthalten, welches damals nur sehr begrenzt veröffentlicht wurde. Dazu gibt es noch die Tubular Beats Remix-Zusammenarbeit mit YORK, welche die tanzbare Seite des Werkes zeigt (sicherlich Geschmackssache).
Originalton Mike Oldfield: „Wenn man sich die musikalischen Ergüsse eines angstgeplagten Teenagers noch einmal anhört, ist es schwer zu glauben, dass ich das vor 50 Jahren wirklich war. Die Musik klingt nicht so angstbesetzt, aber nur ich kenne die Jahre der Arbeit und des Stresses, die `Tubular Bells´ hervorgebracht haben. Das waren alles Live-Aufnahmen, ohne zweite Chancen oder Studiotricks, wie wir sie heute gewohnt sind. Als ich `Tubular Bells` aufnahm, hätte ich nie gedacht, dass es jemals jemand hören würde, geschweige denn, dass wir es fünf Jahrzehnte später feiern würden! Vielen Dank an alle, die mir über die Jahre zugehört haben."
ARJEN LUCASSEN’S SUPERSONIC REVOLUTION heißt die neue Spielwiese des niederländischen AYREON-Mastermind (u.a. auch STAR ONE und GUILT MACHINE) und bürgt wie alle seine bisherigen Veröffentlichungen für qualitativ guten Rock – diesmal weniger Prog, dafür mehr Retro. Und das ganz bewusst. Ausgelöst von einer reichlich kurzfristigen Anfrage zu einer Cover-Album – er entschied sich für „I Heard It On The X“ von ZZ TOP – kam es zu einer Bandgründung und dem vorliegenden Album „Golden Age Of Music“. Dabei legte der gute Arjen als Ziel fest eine Platte im Stile der 70er-Jahre zu machen, welche textlich dieses Jahrzehnt abfeiert, musikalisch aber auch durchaus zeitgemäße Züge trägt. Mitmachen dürfen dabei: Timo Somers (Gitarre), Joost van den Broek (Orgel), Koen Herfst (Schlagzeug), Arjen selbst am Bass und John „Jaycee“ Cuijpers als Frontman.
Neben einem kleinen Intro präsentiert das Quintett zehn Songs zwischen harten Rock („Burn It Down“), typischen Balladen („Holy Holy Ground“ - WHITESNAKE lässt Grüssen), leichten Prog-Touch („Golden Boy“) und dem fast schon als Metal durchgehenden Titeltrack „Golden Age Of Music“. Omnipräsent dabei – die tief bei PURPLE verwachsene Hammondorgel, welche allen Songs den Stempel aufdrückt. Muss man mögen – hat was. Und dazu dann noch vier Coverversionen, darunter die bereits oben genannte, gelungene ZZ TOP-Hommage und eine tolle Version von „Fantasy“ (EARTH, WIND & FIRE).
„Golden Age Of Music“ ist hörbar zielgruppenorientiert und damit nicht das Überfliegeralbum für jedermann. Wer aber ein Faible für den 70er-Rock hat und mit Hammond-Sound was anfangen kann, der muss bei ARJEN LUCASSEN’S SUPERSONIC REVOLUTION definitiv reinhören.
Es ist bereits zehn Jahre her, als sich NIGHTMARER, zum Teil aus ehemaligen Mitgliedern von WAR FROM A HARLOTS MOUTH (WFAHM) gründeten. WFAHM zockten eine heitere Mischung aus Stilrichtungen wie Mathcore und Death Metal. Gitarrist Simon Hawemann, den wir auch vom deutschen Metal-Podcast GEAR OF THE DARK kennen, kehrte Berlin den Rücken und es zog ihn zu neuer Wirkungsstätte nach Florida und später weiter nach Oregon. Auch NIGHTMARER sind keinem Genre zuzuordnen: tief gestimmten Brachial-Gitarren, ein bisschen Grindcore, eine Portion Doom, ne Priese Industrial, eine Grabschaufel Dissonanzen gut verrührt mit technischem Death Metal. Alles in allem ein beunruhigender Fieber-Alptraum voll Ranküne und Stinkwut.
Da türmen sich Sound-Wände auf und verflochtene Rhythmen ziehen den Hörer in düstere Tiefen hinab. NIGHTMARER agieren dabei nicht unbedingt konventionell, und was sie fabrizieren, ist alles andere als Schonkost.
"Deformity Adrift" ist nach „Cacophony Of Terror“ das zweite Album der Truppe, die Platte startet mit der kürzlich veröffentlichten Singleauskopplung „Brutalist Imperator“. Der Opener kommt direkt durchaus massiv, voller Intensität und mit einigen Tempowechseln daher. Die Stimme ist ultratief, der Bass ackert und der Track hat einige Groove-Momente intus. Es folgen “Baptismal Tomb” und “Throe of Illicit Withdrawal"; ich fühle mich berauscht und beklommen zugleich. "Suffering Beyond Death“ ist voller Vehemenz und von Dissonanzen durchzogen, gemeine MESHUGGHA-Riffs verteilen Backpfeifen. Ein langsames Zwischenspiel lässt dich verschnaufen und abwarten, wie es weitergeht. Zu „Taufbefehl” gibt es Schützenhilfe in Form des Gastgesangs von Christian Kolf und Jan Buckard von VALBORG. Der Track sticht auf der Platte durch seinen treffsicheren Minimalismus hervor; stumpf und stoisch ballern die Herren drauf los. Es folgt das progressivere „Hammer Of Desolation“ und beim Schlusstrack „Obliterated Shrine” wird gnadenlosem und abgrundtiefem Doom gefrönt. „Deformity Adrift" wurde von Raphaël Bovey im MyRoom Studio gemischt und gemastert. Der Sound ist erdrückend bombastisch und wuchtig, hat etwas Steriles und Kraftvolles.
NIGHTMARER haben ein eindrucksvolles und abwechslungsreiches Album gezaubert.
DØDHEIMSGARD bleiben auch auf ihrem sechsten kontrastreichen Album unkonventionell und unberechenbar. Wie soll man die Musik benennen? Vielleicht Industrial Progressive Atmospheric Avantgarde Black Metal.
Die aktuelle Besetzung von DØDHEIMSGARD sorgt für Furore, seit dem Debütalbum „Kronet til konge“ gehörten bereits viele bekannte Szene-Gesichter der Band an, z.B. Thomas Rune „Galder“ Andersen (DIMMU BORGIR), Gylve „Fenriz“ Nagell (DARKTHRONE), Jonas Alver (EMPEROR), Ole Jørgen „Apollyon“ Moe (IMMORTAL) und Carl-Michael „Czral“ Eide (SATYRICON). Teilweise tauschten die Bandmitglieder die Instrumente und wirkten unter einem gewechselten Pseudonym an einer anderen Position der Musikkapelle mit.
Ihr heutiger experimenteller Stil vereint Elemente verschiedener Musikgenres und mit den atmosphärischen Synthisizer-Sounds erinnert er mitunter an die Kreativ-Kollegen IHSAHN, ENSLAVED und irgendwie auch PINK FLOYD. Das schon acht Jahre alte Vorgängeralbum „A Umbra Omega“ erfüllt diese Beschreibung auch, war allerding chaotischer. Wir hören auf der neuen Scheibe „Black Medium Current“ viel Klargesang, die Stimmung ist oft nachdenklich und voller Wehmut.
Der Opener "Et smelter" mit seinen Wendungen kann als exemplarisch bezeichnet werden: 2:15 Minuten lang gibt es einen langsamen Einstand, es folgt flotter Atmospheric Black Metal mit Post-Elementen. Nach 5:30 Minuten wird das Tempo wieder gedrosselt, beschwörend-erzählend setzt Sänger Yusaf „Vicotnik“ Parvez ein und es entwickelt sich eine Prog-Post-Atmosphäre, um dann kurz vor Ende von „Et Smelter“ groovig-poppige Sci-Fi-Psychedelic-Sounds nebst Hard Rock-affinem Gitarrensolo und souligem Hintergrundgesang zu liefern. Wow! Das ist genial schräg, das ist exzentrisch, das ist nicht von der Stange. Es folgen mitunter anstrengende Augenblicke („Interstellar Nexus“), Schwermut („Halow“), Industrial Black Metal („Det Tomme Kalde Morke“) und klassik-operettenartige Momente mit Klavier und Cello („Requiem Aeternum“).
Die Truppe aus dem norwegischen Oslo präsentiert auf „Black Medium Current“ ein 70-minütiges bizarr-unangepasstes Potpourri.
Meine Lieblingsband aus dem Land der aufgehenden Sonne haut ihr (abzüglich diverser Livealben und Compilations) siebzehntes Album heraus und es ist einmal mehr der erhoffte Knaller. ANTHEM bleiben eisenhart ihrem Stil treu und verstehen es trotzdem immer noch frisch und hungrig zu klingen. Auch nach fast 40 Jahren im Business gibt es zeitlosen und kitschfreien Power Metal of die Ohren, welcher an eine etwas melodischere Variante diverser US Heroen à la VICIOUS RUMORS oder METAL CHURCH erinnert.
Mittlerweile agiert man auch mit 100 % englischen Lyrics, was ANTHEM für den Markt außerhalb Japans noch interessanter machen sollte. Dass die technische Darbietung Topniveau hat, sollte niemanden überraschen. Was Akio Shimizu aus seiner Klampfe herausholt, ist aller Ehren wert und dennoch bleibt er abgesehen vom instrumentalen Show-Off „Void Ark“ immer songdienlich. A propos Songs: Von schleppend wie in „Roaring Vortex“, über stampfend wie in „Mystic Echoes“ hin zu treibend in „Master Of Disaster“ und rasend wie in „Blood Brothers“ machen ANTHEM in allen Bereichen eine super Figur. ANTHEM verstehen es ihr knackiges Riffing mit hymnenhaften (Nomen est Omen) und oft melancholischen Melodien zu verbinden, die den Sound der Band so besonders machen. Auch tauchen immer wieder kleine Schenker-Verweise in den Licks auf.
ANTHEM leben aber nicht nur in der Vergangenheit und so hat Bandchef Naoto Shibata mit Unterstützung von Jens Borgen darauf geachtet, dass „Crimson Jet Black“ mit einem kraftvollen, aber nicht zu modernen Sound aufwartet, welcher einen perfekten Spagat zwischen alter und neuer Schule darstellt.
ANTHEM sind keine Altherrenkappelle, sondern eine stark fokussierte Heavy Metal Band, welche immer noch auf allen Zylindern feuert und international keinen Vergleich zu scheuen braucht.
Auch wenn die Zeiten immer noch schwierig sind, so hoffe ich, dass ANTHEM bald auch europäische Bühnen in Flammen setzen werden.
Mit „Take No Prisoners“ veröffentlichen ALCATRAZZ nun ihr zweites Album ohne Bandgründer und Originalsänger Graham Bonnet. Wie schon beim Vorgängerwerk „V“ aus 2021 macht der gute Doogie White (u.a. RAINBOW, MSG) am Mikro dabei eine verdammt gute Figur – und auch die famosen Gitarrensolis von Joe Stump lassen das Feeling der ALCATRAZZ und MALMSTEEN-Alben der Anfang-80er wieder auferstehen. Die beiden ALCATRAZZ-Gründungsmitglieder Gary Shea am Bass und Keyboarder Jimmy Waldo sowie Drummer Larry Paterson vervollständigen das aktuelle Line-Up.
Geboten werden 10 gelungene Kompositionen in der Schnittmenge zwischen hartem Rock und melodischen Metal wie man ihn von ALCATRAZZ seit jeher kennt, klassizistische Instrumentalpassagen inklusive. Der Opener „Little Viper“ spielt dabei gleich mal die flotte Metalkante der Band aus, danach hört man beim bereits vorab veröffentlichten Melodic-Rocker „Don’t Get Mad…Get Even“ die Bande von GIRLSCHOOL als Backing Vocals. Die stampfend neuen Bandhymne „Alcatrazz“ rundet das hervorragend ab. Nach hinten raus wird es dann teilweise etwas sperriger, aber qualitativ nicht schlechter. Mit dem Up-Tempo-Track „Bring On The Rawk“ und Gangshouts beschließt man eine kurzweilige dreiviertel Stunde. Ausfälle bieten ALCATRAZZ auf „Take No Prisoners“ keine – einen echten Hit aber auch nicht. Gutes Album, Pflicht für die Fans.