Ganze fünf Jahre haben die Stockholmer SILVERBUG für ihr Debüt benötigt. Doch die langwierige Arbeit hat sich gelohnt, denn "Your Permanent Record" tritt einem mit voller Wucht in den Allerwertesten, dass es nur so eine Freude ist. Der dreckig-punkige Garagen-Rock des Vierers geht durchgehend straight und mit ungebremster Energie nach vorne und aufgrund vieler melodischer Parts und Mitgröl-Refrains bieten sich an jeder Ecke Ohrwürmer. An vielen Stellen lassen altbekannte Skandinavien-Rocker wie GLUECIFER und TURBONEGRO grüßen, aber auch die RAMONES und MOTÖRHEAD haben, wenn auch weniger offensichtlich, ihre Spuren hinterlassen. Wie vielseitig die Jungs sind, zeigen nicht nur die variierenden Tempi der Songs - von Mid-Tempo bis High Speed wird alles abgedeckt - sondern z. B. auch die cleane Gitarre unter der Strophe von "Steal The Rythm" und das Steal Guitar-artige Thema von "Louisiana Hayride", was beides einen leichten Country-Touch in die Musik bringt. Diese Scheibe sei allen Liebhabern des ungepflegten Schweinerock wärmstens ans Herz gelegt.
Die genialen Finnen, die für 90er - Meilensteine wie "Torcha!" "So Fine" oder "Big Bang" verantwortlich waren, treiben wieder ihr Unwesen! Ich gebe gerne zu, dass ich die Band nach ihrem genialen "Space Avenue" - Release von 1997 etwas aus den Augen verloren hatte, doch was mir hier mit "Blood Sample" in den Player geflattert ist, lässt meinen Glückshormonpegel stetig ansteigen. Die Jungs um Kärtsy Hatakka haben rein gar nichts von ihrem lebensbejahenden und chaotischen Charme eingebüßt und wirken jederzeit authentisch und stark wie in alten Tagen. Und diese Originalität erst: stilistisch grast man wieder alles ab, was moderne Rockmusik in zig Jahren zutage gefördert hat; neben melodischen, ultracoolen Gute - Laune - Nummern wie "Not Enough" (Killer!), "Never", "New York", "All Roads Will Lead To Rome" (genial!), "Shades To Grace" oder "Wide Awake" (geil!) stehen auf dem in zwei Teile aufgespaltenen Werk auch einige treibende, sehr Groove - orientierte und äußerst relaxte Knaller wie der Opener "Helsinki", die hiphoppigen (!!!) "I´m In Pain" und "Back To The Audio" (beide gewöhnungsbedürftig, outen sich jedoch als echte Hits), "Shades To Grace", "Aching Eyes" (Depeche Mode lassen grüßen…), "Darling Boy" (super!) oder "Julia". "Ogging Inside" geht dafür als astreine Billy Idol - Hommage durch, während bei "Exterminator Warheads" die blackmetallische (!!!) Keule geschwungen wird! Humor ist, wenn man trotzdem lacht, aber den musste man bei WALTARI sowieso schon seit jeher haben, wenn man diese Wahnsinnsband verstehen wollte. "Blood Sample" ist treffsicheres Songwriting auf allerhöchstem Niveau, denn in die knapp 80 Minuten Material haben sich kaum nennenswerte Schwachpunkte eingeschlichen. Höchst abwechselungsreich, durchdacht und letztlich einfach nur süchtig machend, haben die Finnen, pünktlich zu ihrem 20. Geburtstag, ihren zweiten Frühling in Angriff genommen! Hervorragend!!!
Was FLESHCRAWL für Deutschland, sind CASKETGARDEN für Ungarn: die fünfte Kolonne Schwedens, jedenfalls was Metal angeht. Zwei Jahre nachdem sie Kollegen Stepan zur Verzückung trieben, sind CASKETGARDEN mit "Open The Casket, Enter The Garden" zurück und haben sich nicht einen Millimeter vom Schwedentod entfernt, auch wenn diesmal die AT THE GATES-Einflüsse noch stärker geworden sind. Das liegt zum Einen am Gesang, den manch Unbedarfter für Tompa himself hielt und zum Anderen am Songwriting, das sich sehr am typischen ATG-Songaufbau orientiert. Da passt es, dass die Gitarren verdächtig oft bekannte Riffs und Melodiebögen zocken. Aber die Grenze zwischen Beeinflussung und Klauen ist eine schwierig zu definierende. Technisch ist bei den Ungarn alles im grünen Bereich und auch beim Songwriting haben sie alles richtig gemacht. Die 10 Songs sind ebenso melodisch wie brutal, halt so wie melodischer Schwedentod sein soll. Und wer einen Tompla-Klon am Mikro hat, der hat bei mir sowieso leichtes Spiel. Einzig das Fehlen eines richtig echtes Hits Marke "Blinded By Fear" ist zu beklagen, aber solche Songs haben selbst AT THE GATES nicht am laufenden Band geschrieben. Für Schwedenfans führt deshalb kein Weg an dem Silberling vorbei, auf ein neues ATG-Album können wir ja noch lange warten...
"Reset” ist einigen Fans vielleicht schon bekannt, handelt es sich doch um das vor einiger Zeit erschiene Demo der Kalifornier SET YOUR GOALS. Aufgepeppt mit einem JAWBREAKER-Cover ("Do You Still Hate Me") und einigen Videos und Impressionen der letztjährigen Tour der Combo kommt die Scheibe jetzt als erstes offiziell vertriebenes Lebenszeichen für nen Zehner in den Handel. Feine Sache, finde ich. SET YOUR GOALS bieten zwar keine großen Überraschungen, zocken ihren melodischen HC aber recht gut runter und haben einige nette Singalongs ("How ´Bout Now, Scott?") und Moshparts in petto, die live ohne Zweifel gut funktionieren werden. Der zwischen aggressivem Shouting und ein wenig an BLINK182 erinnernde cleane Stimme klappt auch ganz gut, so dass die sechs Songs angenehm im Ohr bleiben und man von SET YOUR GOALS einen guten ersten Eindruck zurückbehält. Für ein Debüt sehr gelungen. Fans von COMEBACK KID oder WITH HONOR können hier blind zuschlagen.
"Winter In Paradise", das dritte Album der schwedisch/deutschen Combo LAST AUTUMN’S DREAM findet nach der Japan-Veröffentlichung endlich auch den Weg über ein europäisches Label in unsere Breiten und sollte den hiesigen AOR-Jüngern feuchte Träume bescheren. LAST AUTUMN’S DREAM sind neben Sänger Mikael Erlandsson noch Gitarrist Andy Malecek (Fair Warning), welcher mit seinem akzentuiertem Spiel den Songs seinen Stempel aufdrückt und die beiden Talisman-Mitglieder Jamie Borger (Drums) und Marcel Jacob (Bass). Bereits der Opener "Love To Go" rockt in bester AOR-Manier, das mit Hitpotential ausgestattet, von akustischen Gitarren eingeleitete und mit einem Hammerrefrain ausgestatte "When She’s Gone" setzt sich sofort im Hirn fest und dürfte nur noch operativ zu entfernen sein und "My Heart Keeps Stalling" ist eine skandinavische Melodic-Bombe vor dem Herrn. Sänger Mikael Erlandsson angenehmes Organ erinnert zuweilen gar an The Rasmus wie in der wunderschönen Herzschmerz Ballade "If You’re The One" und im Titeltrack "Winter In Paradise". Das Quartett findet geschickt die richtige Mischung aus überwiegend im Mid-Tempo gehaltene Kompositionen, Balladen und auch einigen straight rockenden Tracks. LAST AUTUMN’S DREAM haben mit "Winter In Paradise" ein verdammt gutes Album abgeliefert welches Laune macht und trotz irreführenden Titels perfekt auf den anstehenden Frühling einstimmt - so kann’s weitergehen.
Melodic Hard Rock, geprägt vom AOR-Sound der Achtziger, mit einiges an Poser-Einflüssen und gehöriger Queen-Schlagseite - das in Kurzform die Beschreibung von VALENTINE und deren neue Scheibe "The Most Beautiful Pain". Der bekennende Queen-Fan Robby VALENTINE präsentiert nach fünf Jahren Unterbrechung 17 Tracks, welche er fast im Alleingang komponiert und eingespielt hat und welche schnell ins Ohr gehen. Dabei sind zwar nicht alle Songs Volltreffer mit hoher Halbwertszeit, aber Robby hat auch einige gute Kompositionen am Start, als da wären der mit rhythmischen Gitarren und natürlich Queen-Chören versehene Opener "I Should Have Known Better", das ähnlich gelagerte "A New World", die epische, von Piano und Orchesterarrangement getragene Ballade "Everyday Hero" und das eingängige, zwischen flotten Pop und Rock an Meat Loaf erinnernde "Now Or Never". Bei "Magical Memories" dürften die Geister sich scheiden, die grade zwei Minuten könnten als Queen’s "Seven Seas Of Rhye" Part II durchgehen. Manches ist aber auch zuviel des Guten, da will sich doch bei "One Of These Days" fast Boygroup-Feeling einstellen und auch "Every Day Hero" tendiert in die Kitsch-Ecke. Auch fehlt bei über eine Stunde Spielzeit mal der geschwindigkeitsmäßige Ausreißer nach oben, so dass es mit der Zeit doch ein wenig an Abwechslung zwischen all den Chören, symphonischen Elementen und Klassik-Anspielungen fehlt. In Japan soll der im Achtziger-Poser-Look daherkommende Niederländer in den letzten Jahren recht erfolgreich gewesen sein - hierzulande werden Queen-Puristen wohl eher das Grausen kriegen - Queen-Fans und Meat Loaf-Freunde mit einer Open-Mind-Einstellung könnte das Teil allerdings gefallen. Ansonsten gilt - Headbangers lassen die Finger davon, Fans melodischen Hard Rocks können bei VALENTINE aber mal ein Ohr riskieren.
Nach nur sechs Monaten Existenz haben die Aachener DECAY OF DAYS schon ihre erste EP fertig. Normalweise ist so ein Schnellschuss ja nicht das Wahre, aber in diesem Fall ist das zum Glück anders. "End Of Breathing" präsentiert die Band sehr überzeugend und auf einem professionellen Level, das man ohne vorherige Erfahrung kaum haben kann. Aber egal, wo wann mit wem die Mitglieder schon mal gespielt haben, die Mucke allein zählt. Ein Punkt, über den sich die Band keine Gedanken mehr machen braucht. Die ersten Takte klingen zwar recht dump, aber das ist nur das Vorspiel, zum Glück. Wenn das in den Titeltrack übergeht, rocken DECAY OF DAYS heftig los, wobei thrashige Einflüsse nicht zu überhören sind, aber Richtung SEPULTURA/ MH und nicht Bay Area-Thrash. Die Songs sind aber nicht reines Thrash-Geballer, sondern sehr abwechslungsreich und klingen oftmals nach DEFTONES oder ruhigen FEAR FACTORY. Highlight ist dann auch der Rausschmeißer "Out Of Focus", das mit seiner ruhigen Atmosphäre und dem klaren Gesang fatal an "Bite The Hand That Bleeeds" von FEAR FACTORY erinnert. Beileibe keine schlechte Referenz und in einer sauguten Form vorgetragen, Respekt! "End Of Breathing" ist ein sehr gelungenes Debüt einer viel versprechenden Band, die hoffentlich bald ein komplettes Album nachschiebt und auf diesem Niveau bleibt.
Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Tour mit DOOMRIDERS und RISE AND FALL haben NOVEMBER COMING FIRE den Job ds Openers übernehmen dürfen. Ich hab sie zwar leider nicht gesehen, frag mich nach dem Genuss von "Dungeness" wie die Briten in das ansonsten rockigere Billing gepasst haben. "Dungeness" ist vieles, aber nicht direkt oder eingängig, ganz im Gegenteil. Die Platte ist sperrig und sehr sehr düster, oftmals erinnert sie an CULT OF LUNA, END OF LEVEL BOSS und NEUROSIS (aber das machen die Hälfte aller schleppenden Bands ja irgendwie). Auf jeden Fall nix für sonnige Gemüter, denn schon beim Opener "Blue Reigns" leiden NOVEMBER COMING FIRE dermaßen, dass einem die gute Laune glatt vergehen kann. Sänger Gareth entlockt seiner Kehle bedrückende Laute, die sehr pyschopathisch klingen und in einen leisen Sprechgesang übergehen. Dazu gibt es Stakkato-Riffs und wenig Einsätze von Drummer Ross, die aber wie Weckrufe wirken. Selbst schnellere Stücke wie das old schoolige "Providence" transportieren einen nihilistischen Unterton und sind keinesfalls leichte Kost, was für die gesamte Platte gilt. Wer sich aber auf anspruchsvollen, düsteren HC einlassen kann, wird mit einer sehr intensiven Erfahrung belohnt. NOVEMBER COMING FIRE sind der Beweis, dass HC und Weiterentwicklung sich nicht zwangsläufig ausschließen müssen.