Mal ganz ehrlich: die Abkehr von glatt gebügelten Trendproduktionen zurück zu "rustikaleren" Klangwelten wirkte vor gut vier Jahren bei einer Band wie METALLICA, die ja den Metal bekanntermaßen entscheidend mitgeprägt hat, nur noch lächerlich. Machen DARKTHRONE das, bekomme ich das fiese, hämische Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht gemeißelt. Des Rätsels Lösung: Fenriz und Nocturnal Culto, die seit Ewigkeiten einzigen beiden verbliebenen Mitglieder der norwegischen Dunkelstahl-Legende, sind einfach Old School as fuck und müssen das gar nicht erst künstlich aufsetzen. Für jede andere Band wären Alben wie "Panzerfaust", "Hate Them" oder der letzte Hammerstreich "The Cult Is Alive" der gnadenlose Todesstoß gewesen, doch DARKTHRONE machen einfach das, worauf sie Bock haben - ohne Rücksicht auf die Welt "da draußen". Auf "F.O.A.D." (das wirklich "Fuck Off And Die" bedeutet) wird "altem" Metal nach Strich und Faden gehuldigt. Nicht nur die Einteilung der Stücke in "Side A" und "Side B" auf dem Backcover spricht Bände, sondern auch Songtitel wie "Canadian Metal", "The Church Of Real Metal", "The Banners Of Old" oder "Raised On Rock" (mit geilem CELTIC FROST-"Uuhh!"), die allesamt den im wahrsten Sinne des Wortes herrlich abgefuckten DARKTHRONE-Charme versprühen und mächtig Spaß inne´ Backen bringen, vorausgesetzt natürlich, man steht nach wie vor auf den oberräudigen, null polierten Sound mit diabolischem Hall im "Gesang". Im originell aufgemachten Booklet finden sich nicht etwa Songtexte, sondern coole Liner-Notes zu jedem Stück, eine Aufstellung einiger Lieblingsalben des Duos inklusive einem jeweiligen kurzen Statement und dazu Fotos von der norwegischen Landschaft. Man mag das Image der beiden Verrückten aufgesetzt oder gekünstelt finden, dennoch nehme ich Nocturno Culto und Fenriz ihr Bekenntnis zu längst vergangenen musikalischen Zeiten und teils sehr obskuren Bands zu 100% ab. Lediglich die Version von "Wisdom Of The Dead" (hier von Nocturno gesungen) gefällt mir nicht ganz so gut wie die "Fenriz-Version" von der Maxi. Trotzdem ist "F.O.A.D." eine gnadenlos schweinecoole Hommage an die Wurzeln des Schwarzmetalls - basta!
Album Nummer drei steht für THE BLED an. Make it or break it also. Die Texaner haben mit ihren vorgangenen Alben versucht, ihre eigene Linie zu finden, was sie auf "Silent Treatment" zum quasi perfekten Band-Sound verbinden wollen. Wütend sind sie noch immer und können dabei herrlich einen vom Leder ziehen, dass es selbst dem fiesesten Bollo warm ums Herz wird. Gleichzeitig verstehen sie sich darauf, Atmosphäre aufzubauen und die bekannte Laut/Leise-Dynamik interessant zu gestalten. Sie haben ein Händchen für gute Songs, die mit jedem Mal besser werden und sich gleichzeitig mit Leichtigkeit im Ohr festbeißen. Die bekannten Screamo-Zutaten gibt es natürlich auch, dabei sehr gut durchexerziert, was nach sieben Jahren Bandgeschichte nicht weiter überraschen sollte. Klar ist ihr Genre mit Bands wie ALEXISONFIRE, FROM AUTUMN TO ASHES, UNDEROATH und Co. mehr als voll, aber mit der Güteklasse von "Silent Treatment" werden sich THE BLED behaupten können. Make it also.
Kollege Knackstedt konnte vor zwei Jahren mit dem Debütalbum der Bajuwaren SILENT DECAY nur bedingt warm werden, was vornehmlich am Gesang lag. "The Art Of Creation" zeigt die Band besonders in diesem Bereich stark verbessert, der Sänger hat deutlich mehr auf der Pfanne und setzt seine Stimme effektiver ein ("Of Good And Bad"). Im Aufbau der Songs macht der Band niemand mehr was vor, wenn es darum geht, knackige und gleichzeitig eingängige Songs zu schreiben, die sich beim Hörer sofort im Hirn festsetzen - bester Beweis dafür sind die ersten beiden Tracks der Platte. Einen besseren Start in ein Album kann sich kein Fan wünschen, was darüber hinwegsehen lässt, dass die hinteren Songs das hohe Niveau des Beginns nicht halten können, auch wenn noch immer anständige Qualität geboten wird. SILENT DECAY haben hart an sich gearbeitet und ein erstklassiges modernes Metalalbum eingezimmert, dass sich wolhtuend vom Einheitsbrei der Schweden-Kopierer abhebt und trotzdem in genau der Fangruppe gut ankommen wird. Wer Ohrwürmer wie "Loved But Hatred Dreams" schreiben kann, hat noch Großes vor sich!
DYING HUMANITY werden vom Label in die "Deathcore"-Schublade gesteckt, was Erinnerungen an die guten alten Zeiten weckte, als die ganzen Irgenwascore-Bands noch originell waren. Der erst 2006 gegründete Fünfer hat mit Hardcore allerdings wenig am Hut und gibt auf "Fallen Paradise" lieber 100% totmetallisch einen aufs Mett. THE BLACK DAHLIA MURDER standen sehr offensichtlich Pate beim Songwriting, hier wie da wird viel geblastet, die Gitarren geschreddert und beim Gesang wahlweise gegrowlt oder gekreischt - und das alles mit ordentlich Druck auf dem Gaspedal. Die sieben Songs (plus Intro) werden Totmetallern gefallen, zumal die Produktion des Rape Of Harmonies und der Mix von Jacob Hansen sehr gut geworden sind und die Scheibe knallen lassen. DYING HUMANITY können auf ihr Debütalbum mit Recht stolz sein, mit etwas Glück werden sie sowas wie die deutsche Antwort auf TBDM.
Warum bislang noch keine Band auf die Idee gekommen ist, sich nach dem Schauplatz der Jack The Ripper-Morde zu bennenen, ist eine gute Frage. Natürlich haben sich ein paar Briten drangemacht, dass zu ändern und WHITECHAPEL ins Leben gerufen. Passend zum blutigen Namen gibt es brutalen Death Metal, der mit Haardcore-typischen Breakdowns aufgepeppt wird. Die Mischung funktioniert aber nur bedingt, werden die Breakdowns doch zu oft eingesetzt und so manches Mal nehmen sie den Druck aus einem Song vollends hinaus. Hätten WHITECHAPEL sich an diesen Stellen auf gnadenloses Knüppeln beschränkt, wäre das Ergebnis für den Death Metaller interessanter. Ähnlich unausgegoren und im Grunde durchschnittlich ist die spielerische Leistung der Musiker, von denen gerade der Gesang nicht an die offensichtlichen Vorbilder (DYING FETUS) heranreichen kann. "The Somatic Defilement" ist eine allerhöchstens solide Platte geworden, nach der in ein paar Monaten kein Hahn mehr krähen wird.
Nach zwei mit überwiegend positiven Resonanzen ausgestatteten EP’s (das vor allem als Depeche Mode Hommage angedachte "Shake The Disease" und das deutschsprachigen Düsterrock neu interpretierende "Klavier"), kommen Nik Page (BLIND PASSENGERS) und Sopranistin Michaela Lauterbach nun mit ihrem ersten richtigen SONGS OF LEMURIA Longplayer daher. Und vorneweg, die 14 enthaltenden Songs funktionieren dabei gekonnt als atmosphärisches Ganzes, so dass die NIK-Eigenkompositionen und reichlich Coverversionen (wenn man diese Art der Interpretation überhaupt so nennen sollte) für unkundige kaum zu trennen sind. Mit BLIND PASSENGER’s "Walking To Heaven" und dem textlich unter die Haut gehende "Meer" (TANZWUT, dürfte manchen schon von der vorherigen EP bekannt sein) eröffnet "Deep" dann auch schön melancholisch und ansprechend düster. "Footprints On The Moon" besticht mit fast schon heiteren Piano als Kontrapunkt zum traurigen Cello, "Dein Kuss" war bereits auf der NIK PAGE Soloscheibe "Sinmachine" ein Hinhörer mit Hitrefrain und das bereits veröffentlichte "Kommunion" (zusammen mit KASH) kommt textlich bös schwarz daher. SONGS OF LEMURIA liefern dann mit "Dein Duft" (AND ONE), das fast schon zu bekannte "Hunting High And Low" (A-HA), "Seemannslied" (SUBWAY TO SALLY), "Stella Maris” (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN), "All Apologies" (NIRVANA) und "End Of The Night" (THE DOORS) noch einiges weiteres zu entdecken. Das Quartett präsentiert mit Gesang, Cello und Piano durchgehend düster-dramatisches auf kammermusikalische Art, wobei Fr. Lauterbach mit Sopran in der Regel den zerbrechlichen Kontrapunkt zu Darkvoice und Cello setzten darf. Zum entspannen und abtauchen in dunklen Herbstmomenten geeignet, dürfte der Querdenker zwischen Schwarz, Pop und Klassik mit "Deep" gut bedient sein.