Beim Schwarzmetall-Duell zwischen Frankreich und Italien steht es bislang eindeutig 1:0 für unsere Baguette essenden Nachbarn, die in den letzten Jahren heimlich eine weitgehend anspruchsvolle und eigenständige Szene mit ein paar echten Aushängeschildern etabliert haben. Auf der Stiefelinsel hat man sich bisher mit der Nachahmerrolle begnügt und nur vereinzelte Duftmarken hinterlassen. Über mehr kommen auch die Vollgas-Satansheimer NEFARIUM nicht hinaus, da sie weitestgehend belanglosen Black Metal im Stil (aber nicht in der Qualität!) von DARK FUNERAL oder MARDUK zusammenhämmern, dabei aber durchgehend blass wirken. Vor allem die monotonen Growls von Gitarrist Carnifex, die eher zu einer Death Metal-Band passen würden, sind auf die Dauer eher ermüdend und weit von den bösartigen Screams eines Emperor Magus Caligula oder Mortuus entfernt. Da nützen auch die druckvolle – und für meine Begriffe etwas zu glatt gebügelte – Produktion von KING DIAMOND-Spezi Andy LaRocque und Gastbeiträge von Archaon (1349) und Wildness Perversion (MORTUARY DRAPE) nix mehr: „Ad Discipulum“ mag für High Speed-Bläckies ein Reinhören wert sein, aber ein essentielles, mitreißendes Werk klingt trotz der hörbaren Fähigkeiten der Beteiligten definitiv anders.
Die aus dem Süden Wales kommende Rockband KIDS IN GLASS HOUSES hatte in 2008 mit ihrem Debüt „Smart Casual“ ein Ausrufezeichen in ihrer britischen Heimat gesetzt und dabei einige Newcomer-Auszeichnungen geerntet. Dementsprechend hoch dürften die Erwartungen an ihr zweites Werk gewesen sein. Und da man eine Erfolgsformel nicht leichtfertig über Bord wirft, gibt es auch auf „Dirt“ keine großen Überraschungen. Sänger Aled Philips und seine vier Mitstreiter (Joel Fisher und Iain Mahany an den Gitarren, Bassist Andrew Shay und Schlagzeuger Phil Jenkins) bieten Gute Laune Mucke, irgendwo zwischen Britrock, Pop und leichtem Collegerock, immer versehen mit schnell ins Ohr gehenden Refrains. Dabei wagt man wenig und schielt hörbar auf Airplay. Und so dürfte es nicht verwundern, dass Songs wie der typische Radiorocksong „The Best Is Yet To Come“, die zugegebenermaßen sehr eingängige Single „Youngblood (Let It Out)“, die recht angenehme Ballade „The Morning Afterlife”, sowie „Matters At All“ und „Undercover Lover“ (mit weiblichen Vocals des britischen Pop-Sternchens Frankie Sandford – dürfte wohl die nächste Single sein) auf der Insel sicher häufiger im Radio laufen werden. Natürlich klingen KIDS IN GLASS HOUSES äußerst Massenkompatibel und liefern einen Soundtrack für eher oberflächlich feiernde Teenies. Nichts desto trotz werden die Waliser damit nicht nur auf den britischen Inseln erst mal Erfolg haben und auch hierzulande ihre Zielgruppe finden. Wir lange das mit dem Sound und der britischen Presse gut geht? Wir werden sehen?
Über die Stimme von 36 CRAZYFIST-Sänger Brock Lindow ist jetzt schon eine Menge geschrieben worden, aber wenn es darum geht, was "Collisions And Castaways" besonders macht, ist es eben die Benutzung dieser Stimmbänder. Das witzige daran: Metalcore-Shouter, die nicht richtig singen können, gibt es ja wie Sand am Meer, das lustige an Lindow ist aber, dass sich seine cleane Stimme cremig ins Ohr einschmeichelt, während sich seine Shouts teilweise anhören wie das Gekläffe eines geschlagenen Hundes. Gut, 36 CRAZYFISTS sind dafür berüchtigt, dass eben diese Stimmbänder live ab und zu ihren Dienst versagen, aber wir reden hier über "Collisions And Castaways". Zum inzwischen fünften Studioalbum in disziplinierten 10 Jahren räumen wir jetzt endlich mit dem Alaska-Klischee auf, denn im nördlichsten Bundesstaat der USA wohnen die vier Mitglieder von 36 CRAZYFISTS schon lange nicht mehr. Es macht auch nur Sinn, eine Band lokal zu verorten, wenn dadurch ihr Stil signifikant beeinflusst wird (siehe Göteburg, zum Beispiel). 36 CRAZYFISTS haben sich über die vergangenen Jahre deutlich im Rahmen ihrer Roadrunner-Labelmates weiterentwickelt. Mit dem Wechsel zu Ferret Music in den USA (für Europa bleibt alles beim alten) scheinen sie sich jetzt auch davon freizuschwimmen. Als Anzeichen dazu nehme ich das ruhige Instrumental "Long Road To The Late Nights", das in sich ruht und stilsicher groovt. Keine Angst, wer bei 36 CRAZYFISTS im Moshpit abgehen will, kann das weiterhin zu "Trenches", "Whitewater" oder "The Deserter". Aber den Schritt weg von der Austauschbarkeit von drölfundneunzig anderen Bands machen 36 CRAZYFISTS mit Songs wie "In The Midnights", "Carving in Spirals" oder "Mercy And Grace", in denen sich Ruhe und Aggression vor dem Hintergrund von großen Gitarrensounds tolle Duelle liefern und dazu große Melodien und punktgenaue Raserei in den Ring schmeißen.
Die Magdeburger Wikinger haben 2007 mit ihrem Debütalbum „Aus Alter Zeit“ eine echt positive Überraschung abgeliefert, denn im Gegensatz zu den meisten anderen deutschen Genre-Bands hat das Quartett nicht auf schwülstige Keyboard-Dudeleien gesetzt, sondern der klassischen, traditionellen Metal-Instumentierung den Vortritt gelassen. Das Ergebnis klang in etwa wie eine nicht gerade originelle, dafür aber treffsichere, hymnische Mischung aus AMON AMARTH und RUNNING WILD. Auf dieses Pferd setzen TARABAS auch auf ihrem jüngsten Streich „Das Neue Land“, auf dem man zwar von abwechselnden Screams, Growls und sogar Klargesang (alle vier Bandmitglieder steuern Gesang bei!) verwöhnt wird, jedoch ebenfalls von pompösen Klimperorgien verschont bleibt. Lediglich in Sachen Songwriting kommt „Das Neue Land“ etwas schwerfällig und langatmig (nicht unbedingt verwunderlich bei 75 Minuten Spielzeit…) daher, denn es braucht schon ein paar Durchläufe, bis Stücke wie „Der Niedergang“, „Hinter Den Toren“ oder das geile „Bruderschaft“ ihre Duftmarke hinterlassen; und selbst dann wirken sie über weite Strecken noch zäh und ein wenig mit angezogener Handbremse gespielt. TARABAS hätten hier aus ihrem wirklich eingängigen, effektiven Stil noch Einiges mehr herausholen können, so dass das Album am Ende nicht komplett überzeugt und sogar erst nach dem starken Debüt ins Ziel läuft.
BITTER END sind die Antithese zum Studenten-HC, der sich um sich selbst dreht und möglichst komplex klingen will, ja oft sogar die eigene Identität verleugnet (siehe DEFEATER). BITTER END sind der Sound des New York Hardcore anno 2010, mit politischen Inhalten und musikalisch voll auf die Fresse. Für Feinheiten nehmen sich die Herren zwar immer mal wieder Zeit, wie das Ende von „Unjust“ mit den Percussions zeigt. Richtig wohl fühlen sich BITTER END aber im metallisch beeinflusstem Hardcore, dem auch eine Double Bass nicht fremd ist und der sich vorwiegend im Mid-Tempo bewegt. Trocken ins Gesicht, die Wahrheiten ins selbe brüllen und fertig. BITTER END schaffen es, den NYHC-Sound zu entstauben und als Gegenpol zum Studenten-Core zu etablieren. Danke dafür!
Die BLACK SPACE RIDERS sind vier Münsteraner, die sich Ende 2008 zusammengetan und soeben ihr selbst betiteltes Debüt vorgelegt haben. Ein Blick auf die Tracklist zeigt, dass der „Space“ im Bandnamen bei ihnen buchstäblich Programm ist, denn das Wort ist in jedem Songtitel enthalten. Ganz so abgehoben klingen die Jungs dann aber zum Glück doch nicht, vielmehr ist bei ihnen vor allem erdiger, dreckiger Stoner Rock mit psychedelischen Einflüssen angesagt. Mal geht es dabei böse doomig zu, dann wird wieder treibend und straight nach vorne gerockt, und dazu gibt es immer wieder instrumentale Jam-Parts und psychedelische Sound-Effekte zu hören. Als Referenzpunkte seien hier Bands wie BLACK SABBATH, KYUSS oder MONSTER MAGNET genannt. Die Musiker stellen dabei durchwegs unter Beweis, dass sie ihre Instrumente vorzüglich beherrschen, und Sänger Jochen Engelking überzeugt mit seiner wandelbaren Stimme, mit der er scheinbar mühelos von dreckigem Rock-Gesang zu cleanen Melodielinien oder hysterischem Geschrei wechselt. Dazu kommt noch die analoge Produktion, die schön fett und warm geraten ist und dem Sound jede Menge Druck, aber auch Authentizität verleiht. Zwar weist das Album über die gesamte Spielzeit stellenweise Längen auf, aber es überrascht trotzdem immer wieder durch seine Vielseitigkeit und packt einen mit seiner Intensität. Alles in allem legen die BLACK SPACE RIDERS hier also ein tolles Debüt-Album vor, und man freut sich schon jetzt auf die kommenden Releases der Band.