Von MANDRAKE ist mir noch gut das klasse Labeldebüt „Calm The Seas“ (2003) im Bewusstsein, und auch die letzte Scheibe „Mary Celeste“ konnte Lob einheimsen. Mit ihrem nunmehr fünften Longplayer „Innocence Weakness“ schreiben MANDRAKE ihren Stil fort, der sich als melodischer und melancholischer Gothic Metal definiert. Dabei gehen MANDRAKE meist etwas dezenter als die Konkurrenz vor, zum Teil gar doomig, bleiben dabei meist recht hart; die Keyboards sind nicht zu weit vorne platziert, die guten Growls kontrastieren den nicht zu elfenartigen, sehr gefühlsbetonten weiblichen Gesang. Und wenn man mal auf überwiegend harten Gesang setzt, wie beim Mid-Tempo Song „Save Us From Ourselves“, klingt dies authentisch und erinnert an (gute) alte CREMATORY. Als weiterer Anspieltipp sei mal das schwermütige „Among The Demons“ und das wunderschöne „Autumn Infinity“ genannt. Ein Manko weist „Innocence Weakness“ dann allerdings doch noch auf. Nicht alle Kompositionen können die Spannung durchgehend hoch halten, über die komplette Distanz wirkt mancher Songs trotz aller tiefgründiger Atmosphäre etwas gewollt. Davon abgesehen liefern MANDRAKE wieder gute Kost für ihre Fans und das Gothic Metal Publikum – ob das aber der großen Schritt nach vorn wird, muss „Innocence Weakness“ erst noch beweisen.
AEROSMITH mäßige Gitarren und AC/DC Rhythmus - so starten die KARMA COWBOYS ihr Debüt „Shake It!“ mit dem flotten fast-Boogie „Bad TV“ (die Radioschnipsel des Intro „Joe’s Remote“ vergessen wir mal), dem besten Song der dänischen Combo. Aber auch das durchaus zeitgemäß und nach Alternativesound klingende „Shine On Tomorrow“, der harte Titeltrack „Shake It!“ und das an alte ZZ TOP angelehnte „Slammed Shut“ machen Laune. Das die Labelinfo von AC/DC meets Led Zeppelin spricht ist trotz des angedeuteten „Scandinavian flavour“ aber zu hoch gegriffen. Dafür ist die Hitdichte über das Ganze Album hinweg einfach etwas zu gering. Nichts desto trotz zeigen eben jene oben genannten Songs das Potential der KARMA COWBOYS auf. Mit Thomas Klovn Carlsen haben sie den richtigen Sänger an Bord und musikalisch gibt es auch nichts auszusetzen. Sollten Sie in Zukunft auch eine starke zweite Albumhälfte am Start haben, so kann das was werden. Für die aktuelle Partybeschallung darf man die KARMA COWBOYS aber durchaus auch schon mit „Shake It!“ auflegen.
Ein dunkles Piano-Intro zu „Reclimbing Our Path“ und schon ist man mittendrin in „Life: Failed“, dem aktuellen Silberling von SILENCE. Was man vom Gesamtklang her sofort her in Richtung Finnland platzieren möchte, hat seinen Ursprung in Wahrheit in heimischen Gefilden- wenn auch die Einflüsse sicherlich aus dem hohen Norden kommen dürften, man begleitete schließlich auch nicht umsonst jüngst POISONBLACK auf Tour und fügte sich dort musikalisch bestens ein. Melodisch und angedunkelt geht es auf „Life: Failed“ zur Sache, fette Gitarren wechseln sich mit eingesprengten Klavierparts, wie auf dem hübsch eingängigen „Sugarsmell“ oder „The Passion Between“. Das auf wunderbare Weise an das melodische Material von SENTENCED erinnernde „Murder Days“ geht sofort ins Ohr und krallt sich dort fest. Durch alles weht Melancholie, erdrückend depressiv jedoch wird das Album niemals. Kurz gesagt: ein wahres Leckerli für Freunde von Finnenrock und –metal.
Ganze fünf Jahre mussten die Fans der Berliner Psychobilly-Urgesteine MAD SIN auf neues Material warten. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass die Band einige persönliche Schicksalsschläge hinter sich hat, in deren Folge Sänger Köfte 40 Kilo abgespeckt und eine neue Lebenseinstellung gesucht und gefunden hat. Geschadet hat das der Band überhaupt nicht. Im Gegenteil, ihr neues Album „Burn And Rise“ strotzt nur so vor Energie. Soundtechnisch ist mehr oder weniger alles beim Alten geblieben. Mit Songs wie „Cursed“ oder „They Come To Take Your Way“ werden schnelle Psychobilly-Granaten erster Klasse abgeliefert, „Sex, Love, Blood´n´Death” und „Am I Human” kommen eher Rockabilly-lastig und swingig daher, und dazwischen werden auch mal ruhige Töne angeschlagen, wie mit der akustischen Country-Nummer „Nine Lives“. Mit “The March Of The Deviants” gibt es dann auch noch ein schönes Instrumental mit der obligatorischen Surfgitarre zu hören. Neu ist lediglich, dass mit dem schnellen „Geisterfahrer“ und dem ruhigen „Für Immer“ auch zwei Texte auf Deutsch gesungen werden. Diese stehen der Band aber vorzüglich und verbinden sich perfekt mit dem typischen MAD SIN-Sound. Die Berliner liefern mit „Burn And Rise“ also die gewohnte Qualität ab und klingen dabei auch noch so tight und frisch nie zuvor. Nach 23 Jahren im Geschäft muss ihnen das erst einmal jemand nachmachen.
Mit dem Album „Eleven. Return And Revert“ legen MIDAS FALL aus Edinburgh ihr Debüt vor. Ihr Sound ist vorwiegend melancholisch, atmosphärisch und ruhig und lässt sich wohl am ehesten als eine Mischung aus Post-Rock und Alternative mit leichten Progressive-Einflüssen beschreiben. Bands wie MOGWAI oder MONO haben hier deutliche Spuren hinterlassen, im Gegensatz zu diesen, zum Großteil oder komplett instrumentalen, Bands arbeiten MIDAS FALL aber durchgehend mit Gesang, für den Frontfrau Elizabeth Heaton zuständig ist. Eine weitere Parallele zu den oben genannten Bands ergibt sich durch die Strukturen der Songs. Diese sind ähnlich dynamisch aufgebaut und steigern sich häufig von ruhigen, fließenden Passagen zu lauten Parts. Der durchgehende Gesang und die fast durchgehend eingängigen Harmonien verleihen dem Sound allerdings eine deutliche Pop-Note und machen ihn stellenweise durchaus radiotauglich. Wenn man sich daran einmal gewöhnt hat, entwickelt die Musik von MIDAS FALL eine völlig eigene Faszination, was nicht zuletzt der fantastischen Stimme von Elizabeth Heaton zu verdanken ist, die so glasklar wie auch kraftvoll und wandelbar ist. So bietet „Eleven. Return And Revert“ immer wieder intensive Momente und entführt einen in traumhaft-melancholische Klangwelten. Stellenweise bleibt die Band zwar etwas zu sehr an der Oberfläche und verspielt dadurch einen Teil ihres großen Potentials, ein tolles Album hat sie hier aber trotzdem abgeliefert. Man darf schon jetzt gespannt auf den Nachfolger sein.
Das DOMENICA Debüt „The Luxury“ eröffnet mit „Music“ recht entspannt, während das folgende „What Goes Around“ nach DIE HAPPY meets GUANO APES klingt – wobei Stil und Zielgruppe der kanadischen Band um Frontfrau Bekki Friesen schon mal gut eingenordet ist. DOMENICA mixen munter Stilrichtungen, so startet „I Love My Gun“ mit astreinen Power Metal Gitarren und gerät unversehen in Pop-Gefilde; mit dem etwas heftigeren und mit tollem Refrain versehenen „Lady Like Me“, dem rifforientierten „Vampires“ und dem hitverdächtige „Blackmoon“ sehen DOMENICA aber vor allem bei den etwas straighteren Nummern gut aus. Bei manchen Tracks scheinen latente Grunge-Vibes durch – was sicher nicht jedermanns Sache sein dürfte, den Sound der Band aber um eine weitere Facette bereichert. Ähnliches gilt für gewollt gesetzten Ausflügen gen Pop. DOMENICA, deren Album in ihrer Heimat bereits 2009 erschien sind auf Erfolg in Nordamerika getrimmt – denn im Großen und Ganzen fehlen dem Album Ecken und Kanten. Geglättet fett produziert hat das Ganze Marcos Curiel (P.O.D.), der auch beim Songwriting mit involviert war. „The Luxury“ bietet Radiorock auf gehobenem Niveau den es in Deutschland aber bei o.g. Acts auch schon genauso gut gab – nicht mehr und auch nicht weniger.
TRIGGER THE BLOODSHED sind eine der erfolgreicheren Bands auf Rising Records und haben sich mit zwei Alben und ausgiebigen Touren in der Death Metal-Szene etabliert. Album Nummer Drei zeigt die Band mit etwas mehr Mut im Songwriting, aber trotzdem weiterhin an den altbekannten Problemen kranken – technisch hoch anspruchsvoll, aber auf Dauer arschlangweilig. Dabei haben TRIGGER THE BLOODSHED Ideen und versuchen stellenweise, vom Extrem-Gefrickel-Overkill wegzukommen. Sie schalten manchmal sogar einen Gang zurück, ohne dabei weniger brutal zu werden („Hollow Prophecy“), was ihnen gut zu Gesicht steht. Richtig wohl fühlen sich die Briten aber seit jeher in den High Speed-Bereichen, wenn sie technisch richtig vom Leder ziehen. Das war und ist handwerklich beeindruckend, nach einiger Zeit aber ermüdend, da TRIGGER THE BLOODSHED noch immer keine ganze Platte abwechslungsreich gestalten können, allen guten Ansätzen auf „Degenerate“ zum Trotz. So bleibt auch diese Scheibe blutarm, woran sich die Fanschar der Band aber kaum stören wird, hat sie ja bei den beiden Vorgängern auch nicht.
EYE FOR AN EYE sind eine der angenehmen Überraschungen bei Rising Records, zocken die Briten doch mal keinen gesichtslosen Metalcore und können zudem richtig gute Songs schreiben, wie den Opener „Never Be Free“. Der läutet das Debütalbum „Downfall“ krachig ein, schön mit speckigen langen Haaren, einem Bier in der Hand und mächtig Groove. EXE FOR AN EYE klingen nach Stonerrock, zitieren in der Gitarrenarbeit die guten alten PANTERA und können mit Death’n’Roll Marke CRACK UP oder mittelalten ENTOMBED was anfangen. Eine Mischung, die Live richtig gut funktionieren wird und auch auf Platte leidlich gut klingt, auch wenn sich EYE FOR AN EYE zum Ende des Albums hin zu sehr auf bereits genutzten Ideen ausruhen und das Album so etwas eintönig ausklingen lassen. Dabei haben die Briten einiges an guten Einfällen, sei es Klargesang oder mal Effekte auf dem Gesang, sei es ein Wechsel von schleppender CROWBAR-Mucke zu knackigem Metal. Das klingt anfangs gut, hätte zum Ende hin aber noch mehr Abwechslung vertragen. Bei einem Debütalbum geht das noch in Ordnung, beim Nachfolger bitte auf mehr Konstanz und Ausdauer im Songwriting achten, dann wird das eine große Nummer.
DIVIDED MULTITUDE haben eine lange Pause eingelegt, satte acht Jahre sind seit dem letzten Album vergangen, das damals Kollege Goofy nicht sonderlich beeindrucken konnte. Anno 2010 gehen die Herren straighter zu Werke, mehr in Richtung ICED EARTH als DREAM THEATER. Was nicht heißen soll, dass „Guardian Angel“ zu seicht und belanglos geworden ist, die Grundausrichtung der Band ist auch hier progressiver Metal, womit sie sich aber zwischen alle Stühle setzen: echten Proggies sind die elf Songs wahrscheinlich dann doch zu simpel aufgebaut, während beinharte Power Metal-Fans zu viel Gefrickel beanstanden werden. Da hilft es auch nichts, dass hier versierte Musiker am Werk sind, bei denen gerade Sänger Russell immer wieder an ICED EARTH-Sirene Matt Barlow erinnert und die Akzente setzt. Jacob Hansen (VOLBEAT, MERCENARY) hat in Sachen Produktion solide Arbeit geleistet und jedem Instrument genügend Platz eingeräumt, daran scheitert „Guardian Angel“ schon mal nicht. Hätte die Scheibe nicht eine unklare Grundausrichtung, hätte hier was richtig Gutes rauskommen können, aber in der aktuellen Fassung bleibt es bei halbgarem Kram, mit dem niemand wirklich glücklich werden wird.
KOM sind einer jener Bands, mit denen Denovali Records beweisen, dass ihr Geschmack breit gefächert ist und sie sich nicht an irgendwie gearteten Grenzen orientieren. Jüngstes Beispiel ist eben das neue KOM-Album, das melancholisch und Singer/ Songwriter-mäßig klingt und dadurch mit Labelkollegen wie MOUSE ON THE KEYS oder CELESTE wenig bis gar nichts gemein hat – außer die innewohnende sehr hohe Qualität der Songs. Die sind ebenso melancholisch wie leicht beschwingt, dabei getragen von einer ruhigen Gitarrenarbeit und zurückhaltender Rhythmusfraktion. Es versteht sich von selbst, dass der ruhige Gesang das Ganze abrundet und es gleichermaßen versteht, Akzente zu setzen, wie sich auch zurückzuhalten. KOM haben es verstanden, „Berry White“ zu einem homogenen Album zu machen, dessen Songs ineinander übergehen und es so schwer machen, einzelne hervorzuheben – das Album muss am Stück angehört werden, um seine volle Wirkung zu entfalten. Wer das macht, wird auf eine Reise durch verträumte, sanfte Landschaften mitgenommen, die irgendwo im Dreieck von Alternative, Songwriter-Sachen und Postrock zu finden sind. Einfach schön.